Und damit sind wir schon bei der dritten zentralen Begründung für unseren Antrag nach täglicher Beflaggung an rheinland-pfälzischen Schulen. Die Farben Schwarz-RotGold stehen für eine ganze Reihe positiver identitätsstiftender demokratisch-republikanischer Traditionen: angefangen beim Hambacher Fest von 1832 und der Revolution von 1848 bis zur erfolgreichen Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der Wiedervereinigung.
Insbesondere für jüngere Menschen ist die mit genaueren historischen Kenntnissen verbundene Erinnerung an diese Perioden unserer Geschichte außerordentlich wichtig. Sie stärkt die Identifikation, das Zusammengehörigkeitsgefühl, den Gemeinsinn und das allgemeine demokratische Bewusstsein.
Deshalb ist mit diesem Wunsch in unserem Antrag auch das Begehren verknüpft, an den Schulen in regelmäßigen Abständen das Thema Flaggen als identitätsstiftende Symbole unserer demokratischen Werteordnung zu behandeln. Auch für integrationswillige Personen mit Migrationshintergrund ist der mit den Farben Schwarz-Rot-Gold transportierte gemeinschaftliche Stolz ein unverzichtbares Integrationselement,
jedenfalls dann, wenn eine echte, tiefer gehende, nicht bloß materielle Identifikation und Zugehörigkeit zu Deutschland das Ziel sein soll. Wir können und sollen auf unsere
schwarz-rot-goldene Nationalfahne ebenso stolz sein, wie es andere Völker in schöner Selbstverständlichkeit auf ihre Landesfarben sind.
Schwarz-Rot-Gold symbolisiert den Ruf nach Einigkeit und Recht und Freiheit. Es steht für die Werteordnung unseres Grundgesetzes und einen alle Bürger verbindenden Patriotismus. Deshalb bitten wir alle Mitglieder dieses Hauses und die Landesregierung um Unterstützung unseres Antrags.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag zur täglichen Zwangsbeflaggung an Schulen scheint jetzt ein Standardantrag der AfD zu sein, mit dem sie über Deutschland zieht.
Am 8. April wurde er in Potsdam eingebracht, und der Landtag hat ihn mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Sie reden in Ihrem Antrag von Tradition, aber ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie mit dem Antrag hier eine amerikanische Tradition einführen möchten? Zu unserer eigenen deutschen Tradition, die sich seit 1949 herausgebildet hat, gehört es nämlich, dass Schulen eben nicht ganzjährig und täglich beflaggt werden.
(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)
Lediglich die Dienstgebäude der obersten Bundesbehörden in Berlin und in Bonn sowie alle Dienstgebäude der Bundeswehr, der Bundespolizei, des Bundestages, die Zentrale der Deutschen Bundesbank und auch das Bundesverfassungsgericht sind täglich beflaggt. Das Hissen einer Flagge zum Beispiel an einer Schule geschieht bei uns aus einem besonderen Anlass heraus und ist eben nicht alltäglich. Dafür gibt es den sogenannten Beflaggungskalender, der die entsprechenden Ereignisse aufführt. Gerade die Tatsache, dass an besonderen Tagen eine Beflaggung stattfindet, erhöht dann auch die Aufmerksamkeit. Gerade dann findet eine Sensibilisierung statt, und der Betrachter überlegt sich: Warum ist denn heute geflaggt? Was bedeutet denn der 27. Januar, der 18. Mai oder vielleicht auch der 20. Juli?
Eine tägliche Beflaggung wäre nichts Besonderes mehr, und ich denke auch nicht unbedingt, dass wir amerikani
Ganz im Übrigen bin ich der Meinung, dass demokratische Grundwerte nicht durch das Wehen von Flaggen vermittelt werden, sondern durch den entsprechenden Unterricht. Da sehe ich einen ganz großen Auftrag insbesondere für die Schule und auch für die Elternhäuser. Ich selbst bin Jahrgang 1966, und ich habe es während meiner Jugend und jungen Erwachsenenzeit immer als ganz schlimm empfunden, wie total verkrampft wir in Deutschland mit allem umgehen, was mit Schwarz-Rot-Gold zusammenhängt.
Viele haben beim Singen der Nationalhymne den Mund krampfhaft verschlossen und nach unten geblickt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich konnte es nie nachvollziehen. Ich bin stolz auf unser Land und auf seine Menschen, ganz besonders deshalb, weil es es geschafft hat, besonders nach der dunklen Zeit des Nationalsozialismus sich zu einer Demokratie zu entwickeln, die ihresgleichen in der gesamten Welt sucht in der Ausprägung, wie wir es hier finden.
Gerade die deutsche Einheit haben wir in Frieden geschafft, und ich singe die Nationalhymne laut und mit voller Überzeugung.
Die Weltmeisterschaft 2006 hat für mich einen Wendepunkt dargestellt, weil besonders die vielen jungen Menschen ihre – ich nenne es anerzogenen – Hemmungen endlich über Bord geworfen haben und sich mit Flaggen und den Nationalfarben unverkrampft zu unserem Land bekannt haben. Ich bin der Meinung, wir brauchen keine tägliche Beflaggung.
Aber was wir in diesem Land brauchen, das ist eine offene und ernst gemeinte Vertretung unserer Werte, die wir in unserer Verfassung verankert haben.
Zu diesen Werten gehört es im Übrigen auch, dass man Menschen jeglicher Herkunft, jeglicher Hautfarbe oder Religion achtet. Dazu gehört es dann auch, dass man nichts gegen einen Boateng als Nachbarn hat,
(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum klatscht ihr jetzt nicht?)
einen Boateng, der im Übrigen ebenfalls die Nationalhymne mitsingt und der bekennender Christ ist. Wir sind der Meinung, wir brauchen keine Überhöhung, wie sie von der
AfD im vorliegenden Antrag beabsichtigt ist. Wir brauchen aber auch nicht die moralinsauren Empfehlungen einer Grünen Jugend, die sagt: „Fußballfahne runter“, und die meint, dass Nationalstolz zu rassistischer Gewalt führt.
Wir Christdemokraten haben eine gesunde Einstellung zu unserem Land, zur Flagge als Symbol der Bundesrepublik Deutschland und zu unserer Nationalhymne, die von Einigkeit, Recht und Freiheit spricht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spreche für die Koalition als Ganzes. Geschichtsunterricht lebt von der Entschlüsselung von Symbolen und ihrer Symbolik im Kontext ihrer Entstehung. Hierzu zählen selbstverständlich auch die Nationalfarben, die Nationalflaggen und die Hymnen. Die Frage der Einbindung in die Lehrpläne sieht wie folgt aus; denn sie haben in Ihrem Antrag ja explizit auch den Unterricht angesprochen: Die Lehrpläne in Geschichte sind in einer Weise formuliert, dass sie einerseits verbindliche Inhalte festlegen, andererseits aber auch den Lehrerinnen und Lehrern ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum einräumen, da die Arbeit in der Praxis eine kleinschrittige Verpflichtung nicht zulässt. Dieser dient als Leitfaden und Orientierung, ersetzt aber nicht die eigene Rein-, Sequenz- und Stundenplanung.
Die Frage nach Flaggen zählt in eben diesem speziellen Bereich. Hier füllen Lehrerinnen und Lehrer selbstständig im Lehrplan aufgeworfene Themenfelder mit der Analyse der Flaggen, Symbole, Hymnen usw. Meist ist dies in Klasse 8 und 9 der Fall und wird in der Oberstufe wieder vertiefend aufgegriffen.
Im aktuell auf der Homepage des Bildungsministeriums aufzurufenden G8-Lehrplan ist in Klasse 9 unter dem Thema „Die staatliche Entwicklung Deutschlands im 19. Jahrhundert“ die Symbolik Schwarz-Rot-Gold ebenso wie das Lied der Deutschen explizit als Vertiefungsthema genannt. Das ist auf Seite 18 nachzulesen. Im aktuell abrufbaren G9-Lehrplan werden Flaggen nicht explizit erwähnt. Jedoch erhält das Thema Restauration und Revolution einen breiten Rahmen, in welchem das Hambacher Fest als Zeichen für Freiheitswillen und Einheitsbestrebungen in Deutschland und Polen genannt wird (Seite 200).
In einer Neufassung des Lehrplans, welche aktuell noch nicht auf der Homepage zur Verfügung steht, aber bereits in den Fachschaften der Schulen vorhanden ist, heißt es: Die Nationalstaatsbildung sowie die deutsche Frage und die europäischen Revolutionen werden in der Mittelstufe thematisiert und in der Oberstufe gefestigt.
Meine Damen und Herren, nicht unerwähnt bleiben sollte auch der Lehrplan für das Fach Musik, in welchem das Lied der Deutschen ebenfalls Teil des Curriculums ist.
Nun zu der Frage, ob es Sinn machen könnte, jeden Tag an öffentlichen Gebäuden, insbesondere an Schulen, zu flaggen. Als Lehrerin habe ich gelernt, komplexe Sachverhalte relativ einfach darzustellen. Das probiere ich jetzt einfach einmal.
Herr Junge, stellen wir uns doch einfach einmal vor, sie mögen Schokoladenkuchen. Sie bekommen jeden Tag ein Stück Schokoladenkuchen. An Ihrem Geburtstag, dem 16. September, bekommen sie wieder ein Stück Schokoladenkuchen. Die Besonderheit dieses Tages wäre dahin. Genauso ist es mit den Schülerinnen und Schülern.
(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf aus dem Hause: Pädagogisch sinnvoll aufbereitet!)
Wir wissen von unseren Schülerinnen und Schülern, dass sie, wenn sie die Schule betreten und zum Beispiel am 18. Mai die Flagge sehen, nachfragen, was los ist und ob das ein besonderer Tag ist. Wenn Sie jeden Tag flaggen, bleibt die Besonderheit auf der Strecke.
Meine Damen und Herren von der AfD, deshalb bleiben wir bei der jetzigen Regelung. Sie hat etwas Besonderes. Das sollte auch so bleiben. Deshalb lehnt die Koalition den von Ihnen gemachten Vorschlag ab.