Protocol of the Session on September 19, 2019

Ich darf Sie kurz über das Ausschussverfahren zu den beiden Anträgen informieren. Der Antrag der CDU – Drucksache 17/9387 – hat in der 84. Plenarsitzung am 14. Juni 2019 eine Rolle gespielt und ist an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Demografie überwiesen worden. Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Der Alternativantrag – Drucksache 17/9426 – hat ebenfalls in der 84. Plenarsitzung am 14. Juni 2019 auf der Tagesordnung gestanden. Auch dieser Antrag ist an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Demografie überwiesen worden. Hierzu lautet die Ausschussempfehlung auf unveränderte Annahme.

Ich darf als Erstem dem Abgeordneten Wäschenbach für die Fraktion der CDU das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute auf Antrag unserer Fraktion wieder mit einer der großen gesellschaftlichen Herausforderungen neben der Klima- und Digitalisierungsdebatte, nämlich mit der Sicherstellung einer qualitativen Gesundheitsversorgung und im Speziellen mit der Sicherstellung einer guten Pflege. Da gibt es im Land noch viel zu tun.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Regierung hat angeblich eine Pflegestrategie. Die CDU-Fraktion hat einen konkreten Fahrplan für eine bessere Pflege.

(Beifall bei der CDU)

Im Januar haben wir mit einer Großen Anfrage der CDU

Fraktion die aktuelle Situation und die künftige Entwicklung der Pflege in Rheinland-Pfalz abgefragt. Die Antwort im März umfasste 40 Seiten. Der Satz – ich zitiere – „Mit den ergriffenen und notwendigen Maßnahmen kann auch in Zukunft eine gute pflegerische Versorgung in Rheinland-Pfalz erreicht werden“ erinnert fatal an vergleichbare Aussagen aus der Vergangenheit zur ärztlichen Versorgung, die durch die Entwicklung widerlegt sind. Die kritische Analyse der Landesregierung kommt bei den Antworten deutlich zu kurz.

Anhand vieler Zahlen wurde das Kernproblem deutlich. Es fehlen die pflegenden Hände. Für das Jahr 2020 werden Rheinland-Pfalz 2.751, für das Jahr 2025 schon 4.338 und für das Jahr 2030 sogar fast 5.000 fehlende Pflegekräfte prognostiziert. Somit wird sich die Fachkräftelücke aufgrund der demografischen Entwicklung unserer Bevölkerung noch mehr vergrößern, wenn wir nicht noch stärker gegensteuern.

(Beifall bei der CDU)

Nach Berechnungen des Statistischen Landesamts auf der Grundlage des Basisjahres 2015 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in unserem Land schon im Alter ab 60 Jahren bis zum Jahr 2035 – hören Sie zu – um 39 % auf dann 162.000 Menschen steigen. Die Zahlen sind aufgrund des Basisjahres als Untergrenze der Entwicklung anzusehen. Unter diesen Voraussetzungen wird allein durch die demografische Altersstrukturverschiebung die Personenzahl in der stationären Pflege um 49 % steigen. Für den ambulanten Bereich ergibt sich vermutlich eine Steigerung um 38 %.

Nach diesen ernüchternden Zahlen haben wir im Frühjahr 2019 mit allen Abgeordneten unserer Fraktion eine Woche der Pflege in den Wahlkreisen und in Mainz durchgeführt und das Gespräch und den Kontakt mit der Pflege gesucht. Wir haben erfahren, was Pflege erwartet und braucht.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Ziel unseres Antrags ist es, aus diesen Folgerungen eine gute Pflegepolitik für die Menschen in unserem Land abzuleiten.

Wir hatten dazu einen Besuch des Staatssekretärs Dr. Thomas Gebhart aus dem Bundesgesundheitsministerium, der Vergleiche mit anderen Bundesländern und die Maßnahmen des Bundes vorstellen konnte. Am 16. September haben wir diese Erkenntnisse in einer Pressekonferenz dargestellt.

Danach haben wir als CDU-Fraktion den Globalantrag für das Plenum vor der Sommerpause am 14. Juni gestellt, den wir heute beraten. Es gab den Änderungsantrag der AfD und den Alternativantrag der Regierungsfraktionen, der heute auch auf der Tagesordnung steht. Die Beratung im Ausschuss ist am 5. September erfolgt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden gleich wieder das Gleiche wie im Ausschuss hören: Unser Antrag ist schlecht und überflüssig, weil die Pflege in Rheinland-Pfalz

spitze ist und der Antrag der Regierungsfraktionen schon alle Maßnahmen und Ergebnisse erfolgreich skizziert.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, fragen Sie doch einmal die Betroffenen, ob das alles so in Ordnung ist, wie Sie es hier darstellen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in unserem Antrag ein Sofortprogramm gefordert und zehn konkrete Maßnahmen aufgelistet. Der Antrag der Regierungsfraktionen spricht von fünf Handlungsfeldern, in denen die Regierung schon alles auf den Weg gebracht habe. Gut, wir streiten also vielleicht nicht im Wesentlichen um das Ob, aber wir streiten um das Wie für eine gemeinsame gute Pflege in unserem Land.

Die Regierung verzettelt sich nämlich mit Modellprojekten wie etwa dem Persönlichen Pflegemanager. Sie tut nicht genug für die notwendigen Ressourcen zur Anerkennung und zur Anpassungsqualifizierung ausländischer Pflegekräfte; denn das Kernproblem ist und bleibt, dass bei zu wenigen Pflegekräften auch die Qualität in der Pflege sinkt. Alle werden unzufrieden, die Pflegekräfte selbst, die Pflegebedürftigen und die Angehörigen.

(Beifall der Abg. Hedi Thelen und Martin Brandl, CDU)

Die aktuelle Entwicklung rund um den Kampf um die Pflegekräfte durch Leihfirmen und Headhunter, Leasing, den Eintritt von Finanzinvestoren und das Geschäftsmodell der Freiberufler in der Pflege, insbesondere in der häuslichen Intensivpflege, ist keine gute Entwicklung. Wir sollten gemeinsam aufpassen und dafür sorgen, dass menschliche Bindungen zum Patienten nicht verloren gehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich will auf einige der zehn Maßnahmen eingehen. Sehr verwundert waren wir am 7. September, als die SPD im Bund eine Begrenzung der Kosten für Pflegeheime gefordert hat. Als wir am 23. August an dieser Stelle unseren Antrag zur Beteiligung des Landes an den Investitionskosten beraten haben, war die Regierung dagegen, nun fordert sie es.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist bitter!)

Aus Sicht der Pflegebedürftigen wäre nämlich die Beteiligung des Landes ein geeigneter Weg, eine konkrete und spürbare Entlastung zu erreichen und dabei zu helfen, dass Pflegebedürftigkeit für die Familien kein finanzielles Risiko darstellt.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Punkt ist die Landesverordnung zu Angeboten für Unterstützung im Alltag. Liebe Regierung, vereinfachen Sie doch die Unterstützung für Pflegebedürftige im Haushalt. In Rheinland-Pfalz können weniger Menschen die 125 Euro Unterstützungsleistung in Anspruch nehmen als in anderen Bundesländern. Erlauben Sie die Anerkennung und Bezahlung von bewährten Nachbarschaftshilfen. Sor

gen Sie für unbürokratische Entlastungen von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen. Die Pflegebedürftigen und Angehörigen in Rheinland-Pfalz brauchen keine zertifizierten Putzkräfte

(Glocke des Präsidenten)

oder zertifizierten Einkaufshelfer.

(Beifall der CDU)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anklam-Trapp für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Redezeit nutzen, um über den Antrag, den wir eingebracht haben, zu sprechen. Wir haben das Thema im Gesundheitsausschuss intensiv debattiert, und zwar am 3. September.

Der Fachkräftebedarfsmangel steht dabei für uns, für die SPD und die Koalitionsfraktionen, wirklich an erster Stelle, wenn es darum geht, wie wir Menschen pflegen. Bundesweit sprechen wir im Moment von 13.000 fehlenden Pflegekräften, und die wirklichen Bedarfe schätzen Fachleute zu Recht sehr viel höher ein.

Bereits lange bevor der Bund reagiert hat, hat RheinlandPfalz – Herr Wäschenbach, vielleicht darf ich Ihnen anbieten, lesen Sie auch einmal die Unterlagen der Landesregierung –

(Abg. Michael Wäschenbach, CDU: Habe ich!)

mit der Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0 im Handlungsrahmen 2018 bis 2022 die Fachkräftesicherung in der Pflege in Angriff genommen. Darauf möchte ich jetzt noch einmal explizit eingehen.

Der Fachkräftemangel ist das herausragende Thema. Die Ausbildungsplätze in Rheinland-Pfalz werden insgesamt von 6.760 um 1.030 auf 7.790 in diesem Zeitraum erhöht werden. Das bedeutet für die Altenpflege in der generalistischen Ausbildung ein Plus von 14 %, in der Psychiatrie ein Plus von 16 %, in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege eine Mehrausbildung, ein Plus von 19 %. Das ist eine gewaltige Anstrengung, die nur mit der Unterstützung aller Partner gelingen kann. Dafür an dieser Stelle ein wirkliches, ausdrückliches Dankeschön!

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um die Ausbildung zu verstärken und die Träger zu unterstützen, haben wir im Haushalt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen einer Erhöhung der Mietkosten der Ausbildungsstätten zugestimmt, und zwar in einer Höhe

von 700.000 Euro. Durch den Krankenhausstrukturfonds kommt eine wichtige Förderung der Ausbildungsstätte pro bestehendem Ausbildungsplatz von bisher 150 auf 450 Euro hinzu. Wir unterstützen die Ausbildung mit den Mitteln, die wir haben, und das nicht nur, indem wir Sonntagsreden halten und sagen, es fehlen Fachkräfte, sondern wir sorgen dafür, dass wir in Rheinland-Pfalz ausbilden können.

Wir fordern neben der Ausbildung natürlich auch mehr Akademisierung, mehr Attraktivität, mehr Karrieremöglichkeiten, mehr multiprofessionelle Pflege auch für Leitungsaufgaben. Deswegen nicht nur Ausbildung, sondern Fachund Weiterbildung und auch die Akademisierung für die Pflege.

Meine Damen und Herren, was brauchen wir für gute Pflege? Wir brauchen natürlich viel mehr qualifizierte, motivierte und emphatische Pflegefachkräfte, kurz: Wir brauchen mehr Hände. Deswegen konzentriere ich mich so auf das Thema der Ausbildung. Wir brauchen aber für all die Menschen, die ausgebildet sind, auch unbedingt bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Dazu gehört mehr Familienfreundlichkeit, dazu gehört eine öffentliche positive Kampagne und das Erreichen von Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteigern in den Beruf.

Ein weiterer Baustein ist zweifelsohne die Integration ausländischer Fachkräfte. Wir begleiten und fördern das schon lange. Letztes Jahr im Oktober war die SPD-Fraktion in der Rheinhessen-Fachklinik, weil dort vietnamesische Fachkräfte arbeiten; aus Vietnam deshalb, weil da nicht die Fachkräftelücke aufgrund von demografischen Entwicklungen besteht.

Meine Damen und Herren, unstrittig ist, für uns jedenfalls, dass die Pflege eine bessere Bezahlung braucht. Deswegen setzen wir auf flächendeckende Tarifvereinbarungen, sodass die Lohndeltas nicht gar zu hoch sind. Mit 135 Pflegestützpunkten unterstützen wir Menschen und Angehörige, die Pflegebedarf haben, professionell, unkompliziert und kostenfrei. Wir stehen zur Stärkung der ambulanten Versorgung, und deswegen setzen wir sehr erfolgreich auf die Gemeindeschwesterplus bei hochbetagten Mitbürgerinnen und Mitbürgern, und zwar setzen wir an, bevor die Pflegebedürftigkeit entsteht.

Herr Wäschenbach, ganz aktuell ist diese Woche in der Berichterstattung die unbürokratische Alltagsunterstützung mit den 125 Euro für haushaltsnahe Dienstleistungen beschrieben worden, diese sinnvolle Ergänzung für das Ehrenamt und für die Angehörigen gerade in der ambulanten Pflege.