Protocol of the Session on August 23, 2019

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Frau Binz für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jede und jeder von uns wünscht sich selbst, sollte es einmal nötig werden, aber natürlich auch für die eigenen Angehörigen, die bestmögliche Pflege, eben auch stationär, wenn das nötig sein sollte. Aber wir müssen heute erleben, dass die zusätzlichen Kosten für Pflegebedürftige und für die Angehörigen immer höher werden. Der Eigenanteil für Pflegesatz, Unterkunft und Verpflegung sowie für die Investitionskosten frisst oft die Renten und Ersparnisse auf. In dem Punkt sind wir uns wahrscheinlich alle einig, dass dies kein Zustand ist, der weiter andauern sollte.

Uneinig sind wir uns aber über den Weg, wie wir etwas ändern können. Auch für uns geht der Vorschlag der CDU an dieser Stelle nicht weit genug. Auch wir wollen das System grundlegender reformieren, als es hier heute vorgeschlagen wird.

Auch wir sind der Meinung, dass man dafür auf Bundesebene ansetzen muss, um einen grundlegenden Systemwechsel zu bekommen. Wir Grüne machen uns deshalb für eine doppelte Pflegegarantie stark. Diese beinhaltet zum einen, dass der Pflegeanteil, den Pflegebedürftige monatlich selbst für die Pflege zu tragen haben, künftig festgeschrieben und gedeckelt wird, und zwar auf einem Niveau, das deutlich unter dem heutigen Betrag von durchschnittlich 680 Euro pro Monat im Bundesschnitt liegt.

Mit dieser Festschreibung würde es auch planbarer als bisher werden, welche Summe man für die selbst aufzubringenden Kosten finanziell vorzusorgen hat. Die Kosten würden natürlich zusätzlich gesenkt werden.

Zum Zweiten garantiert die doppelte Pflegegarantie, dass alle darüber hinausgehenden pflegerischen Kosten für eine bedarfsgerechte Versorgung von der Pflegeversicherung übernommen werden. Das heißt, dass im Vergleich zum

jetzigen Zustand nicht die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen das Risiko der steigenden Kosten zu zahlen hätten, sondern alle Beitragszahlerinnen, Versicherte und Arbeitgeber als Solidargemeinschaft, also der sogenannte Sockel-Spitze-Tausch.

Das löst auch das Dilemma, dass heute jede qualitative Verbesserung in der Pflege, die zu Mehrkosten führt, wie zum Beispiel eine verbesserte Personalausstattung, finanziell den Pflegebedürftigen mit einem höheren Eigenanteil zulasten fällt.

Die doppelte Pflegegarantie mindert nicht nur das Armutsrisiko im Alter, weil Erspartes nicht von den steigenden Pflegekosten aufgefressen wird, sondern sie entlastet auch die Kommunen finanziell; denn weniger Menschen müssen dann Sozialhilfe über die Hilfe zur Pflege beantragen.

Die Umsetzung dieser von uns vorgeschlagenen Systemumstellung würde natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Man rechnet mit ungefähr fünf Jahren. Aber wir müssen natürlich auch jetzt etwas tun. Um den Pflegeeigenanteil im Heim kurzfristig und deutlich zu senken, könnten die Kosten für die aus medizinischen Gründen notwendige Behandlungspflege auch in stationären Einrichtungen in Zukunft durch die Krankenversicherungen übernommen werden. Das kann mindestens ein Drittel bis hin zur Hälfte des Anteils ausmachen.

Ergänzen wollen wir die doppelte Pflegegarantie durch eine solidarische Pflege-Bürgerversicherung, mit der wir die Pflegeversicherung gerechter, stabiler und nachhaltiger finanzieren wollen. Außerdem schlagen wir zur weiteren Entlastung von Angehörigen eine Pflegezeit plus vor, die Angehörigen eine dreimonatige Auszeit mit Lohnersatzzahlungen ermöglichen kann, um die Pflege ihrer Angehörigen zu organisieren.

Diese Dinge würden das System grundlegend ändern. Sie würden Angehörige, aber auch zu Pflegende viel stärker entlasten, als das in Ihrem Vorschlag der Fall ist. Diese Dinge müssen aber auf Bundesebene angegangen werden. Auf Landesebene können wir das begleiten. Wir können auch nach einer solchen Systemumstellung schauen, welche Stellschrauben wir zu drehen haben. Aber die entscheidenden Stellschrauben müssen auf der Bundesebene gestellt werden. Dafür sprechen wir uns aus.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und FDP)

Ich erteile Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler für die Landesregierung des Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der CDU-Fraktion dafür, dass sie uns die Gelegenheit gibt, über die finanzielle Belastung pflegebedürftiger Menschen bei stationärer Pflege zu sprechen;

denn Sie thematisieren damit eine ganz wichtige sozialpolitische Frage, die viele Bewohnerinnen und Bewohner und die Angehörigen intensiv beschäftigt, das insbesondere dann, wenn der Träger einer Einrichtung die nächste Preiserhöhung ankündigt.

Gleichzeitig aber offenbart der Antrag der CDU bedauerlicherweise, dass es sich zum einen um ein reines Ablenkungsmanöver handelt und zum anderen der Vorschlag zur Wiederaufnahme der Investitionskostenförderung bei Weitem nicht zu Ende gedacht ist.

Zunächst stelle ich einmal fest, dass Ihr Vorschlag ausschließlich auf die stationäre bzw. teilstationäre Pflege zielt. Die ambulanten Pflegedienste bleiben außen vor und Sie bleiben eine Begründung dafür schuldig. Doch nun zu Ihren Forderungen.

Die CDU-Fraktion fordert, sich bei der Wiederaufnahme einer investiven Förderung von Pflegeeinrichtungen an der vormaligen Praxis zu orientieren. Gemeint ist die Förderung, die es in Rheinland-Pfalz bis in das Jahr 2003 gab. Für diejenigen, die sich nicht mehr an die vormalige Praxis erinnern, sei gesagt, das würde bedeuten, die Landesförderung mit einer kommunalen Förderung in gleicher Höhe zu verknüpfen. Ich denke, dass dieser Weg auch sicherlich im Einklang mit dem von Ihnen zitierten Pflegeversicherungsrecht stünde. Danach soll die Förderung aus Mitteln finanziert werden, die in der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung eingespart worden sind; denn die Einsparungen in Rheinland-Pfalz erfolgten stationär jeweils zur Hälfte bei Land und Kommunen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit halte ich fest: Die Forderung der CDU-Fraktion richtet sich nicht ausschließlich an die Landesregierung, sondern auch an die Kommunen.

Wenn Sie fordern, sich an der vormaligen Praxis zu orientieren, dann muss man auch wissen, dass Bauobjekte seinerzeit investiv gefördert wurden. Die Bewohnerinnen und Bewohner selbst haben keinerlei Zuschüsse erhalten. Das bedeutet, eine Entlastung bei den Eigenanteilen, wie Sie diese wollen, tritt nur für Bewohnerinnen und Bewohner ein, deren Einrichtungen bei dem Bau bzw. der Sanierung eine Förderung erhalten haben. Das Gros der Bewohnerinnen und Bewohner würde auf absehbare Zeit nicht von Ihrer Forderung profitieren.

Schließlich äußert die CDU-Fraktion in der Begründung ihres Antrags die Erwartung, dass eine Förderung im Umfang von 10 Millionen Euro jährlich zunächst ausreicht. Nun, in der Realität würde diese Summe ausreichen, um vielleicht zwei vollstationäre Einrichtungen zu fördern.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, CDU: Zwei! Man höre!)

Genau, zwei. Würde man diese Summe nun demgegenüber zur Entlastung aller Bewohnerinnen und Bewohner verwenden, was man auch machen könnte, wäre bei rund 41.000 Menschen eine monatliche Entlastung von gerade einmal rund 20 Euro zu verzeichnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Verlaub, das macht doch deutlich, dass dieser Antrag Augenwischerei ist und dies sicherlich nicht

die Lösung in der Pflege ist, die wir jetzt dringend brauchen. Deshalb sprach ich eingangs davon, dass es sich bei dem Antrag so, wie er jetzt formuliert ist, tatsächlich um ein Ablenkungsmanöver handelt.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Es ist ein wichtiger Mosaikstein!)

Denn der Eigenanteil, den Bewohnerinnen und Bewohner heute bereits allein bei den Pflegekosten zu tragen haben, liebe Kollegin Thelen, ist deutlich höher als das Entgelt für Investitionen, das, obwohl die Pflegeversicherung das Pflegerisiko mit ihren Leistungen absichern will.

Hinzu kommt – ich denke, da sind wir uns einig –, dass wir auch die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte verbessern müssen und auch verbessern wollen. Das heißt, wir brauchen mehr Personal und müssen die Pflegekräfte besser entlohnen.

Aber beides, mehr Personal und bessere Entlohnung, führt zu weiter steigenden Pflegekosten. Liebe Kolleginnen Kollegen, deshalb müssen wir bei den Pflegekosten und nicht bei den Entgelten für Investitionen vorrangig mit den Überlegungen ansetzen, wie wir pflegebedürftige Menschen vor finanzieller Überforderung schützen.

Ein Vorschlag dazu liegt seit geraumer Zeit auf dem Tisch, nämlich die Deckelung des Eigenanteils an den Pflegekosten anstelle der Deckelung der Leistungen, die die Pflegeversicherung zurzeit bietet; denn damit bekämen wir eine echte Teilkaskoversicherung in der Pflege und würden den pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen wirklich helfen.

Lassen Sie uns also – dazu lade ich Sie herzlich ein – in diese Richtung weiter diskutieren, um dort anzusetzen, wo der Schuh tatsächlich am meisten drückt.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerpräsidentin, wer ein Ziel hat – – –

(Heiterkeit auf der Regierunsgbank)

Frau Ministerin. Aber Sie kann ich gerne mit ansprechen.

Wenn eine Landesregierung das Ziel hat, welches wir teilen, Angehörige von pflegebedürftigen Menschen, die in Altenheimen leben und einen nicht unerheblichen Eigenanteil zu erbringen haben, zu entlasten und diesen Eigenanteil zu reduzieren, dann habe ich hier im Landtag die Erwartung, dass auch diese Landesregierung für sich schaut,

was wir als Land tun können. Dafür gibt es sogar gesetzliche Vorschriften, die von den Ländern erwarten, dass die Länder die Investitionskosten der Heime unterstützen und fördern. Genau diese Frage und diese Anregungen bringen wir mit unserem Antrag ein.

Natürlich wird es nicht den kompletten Eigenanteil wettmachen, das ist doch ganz klar. Aber bei der Höhe der Eigenanteile ist jeder Mosaikstein, ist jede Reduzierung, die möglich ist, ein Gewinn für die Angehörigen.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Deshalb verstehe ich nicht, wie sehr Sie sich dieser Maßnahme verschließen. Und dann zu sagen, das gilt doch nur für Neubauten! Liebe Frau Ministerin, Sie sind ja auch für das Gesundheitswesen zuständig, und Sie kennen das Thema – wir haben es oft genug debattiert – „Investitionskostenförderung für die Krankenhäuser“. Sie ist Aufgabe des Landes. Diese Förderung gilt doch nicht nur für Neubauten. Dann hätten Sie doch fast nichts mehr zu tun. Das wäre ja schlimm. Nein, sie gilt natürlich auch für grundsätzliche Sanierungen: für die Sanierung von OP-Sälen, für neue OP-Säle, für neue Bettenhäuser.

Genauso könnte man und kann man und muss man es unserer Auffassung nach auf die Förderung von Altenheimen übertragen. Wir haben viele Häuser, die mittlerweile 40, 50 Jahre in Betrieb sind. Sie haben grundsätzliche Sanierungen nötig. Sie wissen zum Teil nicht, wie sie es stemmen sollen. Das ist die Realität in diesen Häusern.

Es sind eben oft auch die Häuser in der Trägerschaft von gemeinnützigen Einrichtungen, die uns doch am Herzen liegen müssen und von denen wir wollen, dass sie weitergehen. Wir wollen nicht überall die Hedgefonds als Träger. Die haben Kapital, die akquirieren das am Markt. Wir wollen doch genau diese Häuser in karitativer Hand, in der Hand der Arbeiterwohlfahrt, die DRK-Trägerschaft. Wir wollen doch auch weiter die Trägervielfalt im Land bewahren und schützen, und dass sie weiterhin ihre wichtige Aufgabe wahrnehmen können.

Deshalb: Seien Sie etwas kreativer, geben Sie Ihrem Herzen einen Schub. Das Land kann einen Beitrag leisten, und wir erwarten, dass es das tut.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Mir wird berichtet, dass auch der Abgeordnete Wäschenbach sich schon während der Rede der Frau Ministerin zu einer Kurzintervention gemeldet hat. Deshalb hat auch er jetzt das Wort.

Frau Ministerin, Sie haben uns vorgeworfen, ein Ablenkungsmanöver zu starten. Es ist aber genau umgekehrt der Fall. Sie machen hier einen Blumenstrauß von Pflegethemen auf. Wir haben ein ganz konkretes Beispiel ge

nannt, nämlich die Investitionskostenförderung. Sie machen einen Blumenstrauß auf, der die gesamte Pflege beinhaltet. Das ist doch ein Ablenkungsmanöver von Ihnen.