Protocol of the Session on August 23, 2019

Ich möchte noch etwas zu den Ausführungen der Kollegin Lerch sagen. Frau Lerch, ja, es gibt tolle Schüler. Wir haben klasse Lehrer. Es gibt eine Menge junger Menschen, die tolle Leistungen bringen.

(Beifall der Abg. Helga Lerch, FDP)

Das ist unbestritten. Das habe ich auch überhaupt nicht überdeckt.

Erinnern Sie sich bitte an die Zahlen, die ich genannt habe. Wenn ich sagte, ein Viertel erreicht nicht den Mindeststandard, dann habe ich nicht gesagt, 100 % erreichen diesen nicht, sondern dann heißt das im Umkehrschluss, drei Viertel der Schüler erreichen ihn.

Es ist aber doch dieses Viertel, über das wir reden müssen.

(Beifall bei CDU und AfD – Abg. Hedi Thelen, CDU: Genau so!)

Das können wir doch nicht hinnehmen. Das ist doch schlicht und ergreifend erschreckend. Das kann doch nicht das Ziel einer Bildungspolitik sein, die von sich behauptet: Wir machen die Sache gut.

Deswegen sage ich ganz klar: Wir müssen die Wahrheit auf den Tisch bringen. Wir müssen aufdecken, und wir wollen das machen, weil wir das Ziel haben, dass junge Menschen im Leben das erreichen, was sie sich als Mensch, aber auch für die Rolle in der Gesellschaft wünschen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Louis Schmidt, AfD)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Dr. Hubig.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Worüber reden wir eigentlich? Ich würde das ganz gern noch einmal einordnen. Wir reden über die Ergebnisse der IQB-Studie, die im Herbst 2017, vor knapp zwei Jahren, veröffentlicht worden sind.

Diese Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend. Wir nehmen sie auch nicht hin. Wir haben sie auf den Tisch gelegt, wir haben sie wahrgenommen, wir haben über sie gesprochen, und wir haben sie nicht beschönigt oder Ähnliches. Wir wollen, dass wir künftig bessere Ergebnisse erzielen. Das ist ganz klar.

Gleichzeitig möchte ich aber auch eines sagen: RheinlandPfalz ist mit solchen Ergebnissen nicht allein gewesen. Wir waren im Mittelbereich der gesamten Länder. Wir haben 494 Punkte von 500 Punkten. Damit ist genau der Median erreicht. Es ist ein Bundestrend gewesen, den wir in fast allen Ländern feststellen konnten und in dem wir uns bewegt haben. Das ist nicht gut, das ist nicht hinzunehmen, und das wollen wir auch nicht.

Vor zwei Jahren war also dieser IQB-Bildungstrend. Was ist denn eigentlich seitdem passiert? Wir haben uns im Bildungsministerium mit ganz vielen Akteuren zusammengesetzt und beraten, was wir tun sollen. Wir haben Maßnahmen entwickelt, diese zunächst in der Praxis erprobt

und dann in die Breite gegeben. Wir haben ein Gesamtkonzept entwickelt und ein Maßnahmenpaket – inhaltlicher wie auch personeller Art – geschnürt.

Die Maßnahmen inhaltlicher Art lauten wie folgt:

Erstens: Das Programm „Lesen macht stark“ ist wissenschaftlich erarbeitet und getestet worden. Es ist sehr erfolgreich und führt zu einer besseren Unterrichtsqualität. Es ist mittlerweile bei über 120 Schulen in Rheinland-Pfalz im Einsatz. Rund 10.000 Grundschülerinnen und -schüler profitieren von diesem Diagnose- und Förderprogramm, das ganz gezielt darauf abhebt, gut lesen und damit auch gut schreiben zu können.

Zweitens: Bei dem erwähnten Aufgabenpool geht es darum, dass die Bildungsstandards in Aufgaben vermittelt werden. Es geht überhaupt nicht um ein Training auf irgendwelche Tests hin, sondern es geht darum, dass den Schülerinnen und Schülern das Niveau, das erforderlich ist und das Bildungsstandards vorschreiben, in den Aufgaben mit Aufgabenmustern vermittelt werden kann.

Drittens: Zuhörkompetenz. Wir haben gesehen, Kinder können nicht mehr so gut zuhören, wie wir uns das wünschen. Deshalb haben wir das Programm „Ohrenspitzer plus“ aufgelegt, damit die Kinder sauber hören und hinterher auch richtig schreiben können.

Viertens: „Qualitätsoffensive Deutsch als Zweitsprache.“ Dabei geht es ganz speziell um Sprachförderung und darum, dass die Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, anhand eines „Grammatischen Geländers“, das die Hamburger entwickelt und uns zur Verfügung gestellt haben, Sprache erwerben, Rechtschreibung lernen und ganz gezielt gefördert werden können.

Fünftens: Der Grundwortschatz – 750 Wörter – kommt in diesem Schuljahr und wird verpflichtend werden, damit die Lehrerinnen und Lehrer eine Handreichung, einen Maßstab und einen Leitfaden haben, mit dem sie arbeiten können. Wir haben das mit Blick auf Mathematik genauso gemacht; denn wir denken nicht, nur weil die IQB-Studie Orthografie- und Deutschkenntnisse geprüft hat, lassen wir Mathematik links liegen, sondern wir haben uns genauso darum gekümmert, dass die Maßnahmen auch für Mathematik angeboten werden und greifen.

Wir haben es nicht bei den inhaltlichen Dingen belassen, sondern die Grundschulen auch personell unterstützt. Wir haben für die Grundschulen im letzten wie auch in diesem Schuljahr eine gute Unterrichtsversorgung zur Verfügung gestellt. Wir haben 80 zusätzliche Feuerwehrlehrkräfte in diesem und im nächsten Schuljahr bereitgestellt. Das bedeutet, dass wir die Zahl dieser Feuerwehrlehrkräfte, bei denen es um temporären Unterrichtsausfall geht, um knapp 50 % erhöhen.

Wir haben gerade mit Blick auf die Grundschullehrerinnen und -lehrer den Vertretungspool erhöht, damit wir möglichst viele Grundschullehrkräfte binden und nicht wie andere Länder das Problem haben, dass wir keine grundständig ausgebildeten Grundschullehrkräfte haben.

Wir können gute Qualität an den Grundschulen anbieten,

und es wird gute Qualität an den Grundschulen angeboten.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch etwas sagen: Wir haben zweimal 25 Planstellen extra für Sprachförderung eingerichtet. Wir haben gestern über die Sprachförderung gesprochen. Ich habe gestern schon darum gebeten, wenn Sie Fälle kennen,

(Glocke der Präsidentin)

in denen Sprachförderlehrkräfte im Regelunterricht eingesetzt werden, uns diese bitte einfach einmal zu nennen und nicht immer nur zu behaupten, das würde überall und allerorten passieren. Ich bitte Sie, das auch einmal nachzuweisen. Dann können wir diesen Fällen nachgehen und uns ordentlich darum kümmern.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Frage des Schreibens nach Gehör anbelangt, sage ich Ihnen eines. Abgeordneter Paul, ich bitte Sie, einfach einmal den Faktencheck des Mercator-Instituts zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben ihn im Bildungsausschuss verteilt. Vielleicht lesen Sie auch einmal darin. Er ist sicherlich nicht verdächtig, in irgendeiner Form parteiisch zu sein.

Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: „Es gibt keine belastbaren Studien, die definitiv beweisen oder widerlegen, ob eine Methode grundsätzlich geeignet ist oder nicht. Daher ist es falsch, einzelne Methoden zu verbieten – oder vorzuschreiben.“

Ich kann Ihnen eines sagen: Genau das werden wir auch nicht tun. Wir haben hervorragende und gewissenhafte Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz, in deren eigenem Interesse es ist – sie haben dieses Eigeninteresse –, dass Kinder gut schreiben, gut rechnen und gut lesen können, und das vermitteln sie diesen Kindern. Wir vertrauen ihnen, dass sie die richtigen Methoden dazu anwenden. Das tun sie seit dem Jahr 2017 auch mit den Dingen, mit denen wir sie unterstützen. Das wird in der Praxis angenommen.

Ich kann Ihnen außerdem eines sagen: Wir werden weiterhin am Ball bleiben. Wir werden weiterhin unsere Grundschullehrerinnen und -lehrer unterstützen. Wir wollen auch auf dem Weg der Unterrichtsentwicklung und der größeren Verbindlichkeit weitergehen, weil wir wollen, dass alle Kinder gut schreiben, lesen und rechnen können, damit sie hinterher die Basis für eine gute Schulkarriere haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Paul das Wort.

Sehr verehrte Frau Ministerin, sehr verehrtes Präsidium! Ich muss noch einmal ein bisschen Wasser zum Wein gießen bzw. noch einmal darauf hinweisen, dass RheinlandPfalz in fast allen Kompetenzbereichen unterdurchschnittlich abgeschlossen hat. Nicht nur in der Rechtschreibung, sondern auch bei der Lesekompetenz, beim Zuhören und bei der Mathematik liegen wir unter dem Durchschnitt.

In der Summe bedeutet das – auch das ist letztlich an der Studie abzulesen –, dass man in Bayern ein halbes Schuljahr Vorsprung hat. Warum ist das so?

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter Paul, Sie müssen auf die Rede von Staatsministerin Dr. Hubig Bezug nehmen.

Ich habe den Bezug eingeleitet. – Sie haben von dem Programm „Ohrenspitzer“ gesprochen. Wissen Sie, was die beste Ohrenspitzer-Methode ist? – Diktate zu schreiben. Dafür brauche ich kein Hochglanzbroschürenprogramm, dafür brauche ich einfach nur die Diktatpflicht; denn hier wird das Hörverstehen geschult. Das würde ich empfehlen.

Sie sprechen an, dass Sie am Schreiben nach Gehör und auch an den Mischformen festhalten wollen. Wir sagen nicht, dass es überall gemacht wird, aber es gibt sehr viele Mischformen. Sie sagen, wir überlassen das den Lehrkräften, auf die wir vertrauen.

Ich muss jetzt doch einmal diese Volte schlagen und sagen, wenn Lehrer bei der Inklusion sagen, das klappt nicht, oder wir wollen für eine kurze Zeit und partiell eine Separierung bei Mathemathik oder anderen Unterrichtsfächern, um das Klassenlernziel zu erreichen, dann sagen Sie: Das geht gar nicht. Das können die Lehrer nicht vor Ort entscheiden, da sagen wir von oben, wie das zu laufen hat.

Sehen Sie, das ist schon ein Widerspruch, den ich beanstanden und auf den ich hinweisen muss. Es scheint immer so zu sein, dass Sie auf die Lehrer vertrauen, wenn es Ihnen parteipolitisch und vielleicht sogar ideologisch passt. Alles andere wird ausgeblendet.

Ich zitiere – wenn ich noch einen Titel anbringen kann – den Artikel der F.A.Z., der es auf den Punkt bringt: „Parallelwelt Bildungspolitik“. Unsere Partei ist die Partei, die auf diese Diskrepanzen hinweist, auf das, was die Bürger von der Bildungspolitik erwarten, und auf die Punkte, in denen sie enttäuscht werden, sowie auf das, was offensichtlich parteipolitisch ist und schon seit langen Jahren falsch läuft.

(Beifall bei der AfD)

Wird eine Erwiderung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Aufgrund der Redezeit der Landesregierung steht den

Fraktionen noch 1 Minute zur Verfügung. Weitere Wortmeldungen sehe ich aber nicht. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf: