Protocol of the Session on June 14, 2019

(Zuruf von der SPD: Peinlich hoch drei!)

Sehr geehrter Herr Kessel, es tut mir sehr leid.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Mir auch!)

Sie haben sich jetzt sozusagen schon aus der Debatte verabschiedet.

(Unruhe bei der SPD – Abg. Jens Guth, SPD: Das ist peinlich jetzt, unangemessen!)

Ich muss aber trotz allem noch einmal auf Ihre Ausführungen eingehen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Kein Stil!)

Ich versuche, das so ruhig wie möglich zu tun. Sie haben gesagt, wir haben unseren Antrag mit der heißen Nadel gestrickt. Da bin ich überhaupt nicht bei Ihnen. Wenn Sie sich den Antrag anschauen, dann ist er schon eher ein Gesetzentwurf und sehr detailliert.

(Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: Für die Bundesebene! – Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist ein Modellprojekt!)

Ich sehe da nichts, was mit der heißen Nadel gestrickt wäre. Wir haben uns schon sehr viele Gedanken gemacht, auch im Detail.

Sie hatten die Frage gestellt, wer das eigentlich medizinisch beurteilen soll. Es gibt – immer noch, muss man sagen – einen Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit. Der kann das natürlich nicht alleine leisten. Deswegen sind wir in unserem Antrag sehr detailliert darauf eingegangen, wann und wo ausgebildete Arbeitsmediziner entsprechende Atteste ausstellen müssen. Wir haben uns auch da ganz im Detail Gedanken zur Finanzierung und über Vorschläge gemacht.

Die Liste der Beruf steht natürlich zur Debatte. Wir reden über ein Modellprojekt und nicht über einen Gesetzentwurf, auch wenn es sehr ausführlich dargestellt ist. Wir haben gesagt, dass es in einem Modellprojekt geprüft werden soll, und dann kann man sich anhand der Ergebnisse anschauen, welche Berufe aufgenommen werden sollen oder nicht. Wir haben extra eine Öffnungsklausel für andere Berufe vorgesehen, wenn dies die Arbeitsmedizin für sinnvoll hält.

Eine Frühverrentung wird damit garantiert nicht stattfinden,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Im Gegenteil!)

weil wir die Menschen eben nicht in die Rente schicken, sondern in eine Teilzeit. Eine Frühverrentung findet damit nicht statt.

Eine Erwerbsminderungsrente ist in der Regel etwas, wovon man nicht leben kann. Das wissen wir auch alle. Ich habe sehr viele EU-Rentner gesprochen. Die klagen alle, dass sie noch eine Aufstockung brauchen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist das Rentensystem, das ist so! Mal das SGB lesen! Du kriegst nicht ab dem ersten Tag 100 %!)

Das ist für mich auch nicht der Weg in die Rente. Deswegen geht es uns nicht darum, Erwerbsunfähigkeit zu ersetzen, sondern wir möchten, dass die Menschen gar nicht erst berufs- oder erwerbsunfähig werden. Das ist der eigentliche Ansatz. Der präventive Ansatz steht also dahinter.

Was die Bürokratie betrifft, ist das zwar ein sehr schönes

pauschales Argument, aber ich kann nur wieder darauf hinweisen, dass wir über ein Modellprojekt reden. Man soll das prüfen, testen, ausprobieren und wissenschaftlich begleiten. Am Ende muss es so gestaltet werden, dass es bürokratiearm funktioniert.

Ich bekomme im Landtag immer wieder die Frage gestellt: Warum ein Modellprojekt auf Landesebene? – Wir leben in einer Demokratie.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Noch ist das so!)

In einer Demokratie braucht es Impulse. Ein solches Modellprojekt könnte einen Impuls an den Bundesrat oder den Bund selber senden. Man könnte sagen: Wir haben das ausprobiert, es hat wunderbar funktioniert, bitte übernehmt das. Das ist in Rheinland-Pfalz schon oft geschehen, ich sage nur Westpfalzinitiative oder Bedarfsgemeinschaftscoaching. Wir kriegen immer die Antwort: Warum sollen wir ein Modellprojekt machen? – Wenn wir nicht, wer dann, meine Damen und Herren?

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Herr Kollege Kessel bleibt dabei. Er hat seine letzte Rede gehalten.

(Beifall bei der CDU und der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vereinzelt Heiterkeit im Hause – Abg. Michael Hüttner, SPD: Jawohl!)

Damit darf ich nun der Vertreterin der Landesregierung, Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler, das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Kessel, erst einmal auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön für die wirklich stets konstruktive Zusammenarbeit, insbesondere im Sozialpolitischen Ausschuss. Auch von mir alles Gute für Ihre persönliche und berufliche Zukunft! Vielen Dank.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist in der Tat unbestritten, dass die Menschen länger im Erwerbsleben stehen werden und damit auch länger belastbar und leistungsfähig sein müssen. Es muss daher konsequent auf allen Ebenen daran gearbeitet werden, dass eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit sich mit den demografischen und arbeitsrechtlichen Veränderungen weiterentwickelt.

Der Landesregierung ist durchaus bewusst, dass es Berufe gibt, in denen es schwer ist, bis zum Renteneintrittsalter durchzuhalten. Dabei spielen viele Faktoren für die Einstufung als Schwerstarbeit eine Rolle. Nicht nur körperliche

Belastung, auch regelmäßige Nachtarbeit oder Arbeiten unter großer Hitze oder großer Kälte gehören zum Beispiel dazu.

Auch innerhalb eines Berufsbilds gibt es Unterschiede, beispielsweise durch die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber oder sonstige äußere Rahmenbedingungen. Von daher reicht eine reine Liste der Berufsbilder aus Sicht der Landesregierung nicht aus und ist auch zu kurz gegriffen.

Was die Möglichkeit einer befristeten Teilzeitarbeit angeht, so stellt sich die Frage, ob diese tatsächlich zielführend im Hinblick auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Schwerstarbeiter ist. Spielen nicht vielmehr andere Faktoren eine Rolle? Müssen wir nicht vielmehr dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen, die der Arbeitgeber beeinflussen kann, so gestaltet werden können, dass es dem Arbeitnehmer auch möglich ist, bis zum Renteneintrittsalter leistungs- und erwerbsfähig zu bleiben?

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Viele Maßnahmen gibt es bereits, die Arbeitgeber, Sozialpartner, aber auch der Gesetzgeber ergriffen haben. Bei diesen Maßnahmen spielt vor allen Dingen das betriebliche Gesundheitsmanagement auf betrieblicher Ebene eine wichtige Rolle. An dieser Stelle, sehr geehrter Herr Kollege Böhme, ist kein Arzttermin erforderlich.

Insbesondere die großen Unternehmen haben sich in den letzten Jahren beim betrieblichen Gesundheitsmanagement sehr gut aufgestellt. Zunehmend zeigen auch die mittelständischen Betriebe in dem Prozess des betrieblichen Gesundheitsmanagements große Aktivität.

Für die Klein- und Kleinstbetriebe, von denen RheinlandPfalz überwiegend geprägt ist, ist der Zugang zum betrieblichen Gesundheitsmanagement mit den zur Verfügung stehenden personellen, aber auch finanziellen Ressourcen nach wie vor noch schwierig, ebenso wie in sehr belastungsintensiven Branchen und Berufsfeldern.

Aber genau das ist der Grund, warum wir als Landesregierung an dieser Stelle sensibilisieren und diese Klein- und Kleinstunternehmen unterstützen, beispielsweise schon im Jahr 2015 im Rahmen des ESF-Förderansatzes „Zukunftsfähige Arbeit“ mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement.

Unser Ziel ist ein stetiger landesweiter Informations- und Wissenstransfer zum betrieblichen Gesundheitsmanagement im Land, damit sich solche innovativen Ansätze, die wir in den Betrieben, auch in den Klein- und Kleinstbetrieben, durchaus schon haben, verbreiten, in die Fläche kommen und die Betriebe davon profitieren können.

Über das betriebliche Gesundheitsmanagement hinaus gibt es auch das Instrument der Gefährdungsbeurteilung, und zwar sowohl in Bezug auf die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes als auch auf die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Außerdem gibt es Arbeitszeitkonten, die auch genutzt werden können, um früher in Rente zu gehen. Und es gibt – das wurde schon gesagt – die gesetzlichen Instrumente der Flexirente und der Altersteilzeit. Damit wird

dem Arbeitnehmer zum Ende seines Erwerbslebens der Übergang in die Rente erleichtert.

Mit dem Teilzeitmodell, das der Antrag der AfD vorsieht, soll dagegen kein gleitender Übergang in die Rente geschaffen werden. Bei dem vorliegenden Modellprojekt soll die Reduzierung der Arbeitszeit für einen unterschiedlich langen Zeitraum je nach Alter gefördert werden.

Aber auch ich frage mich: Was passiert, nachdem der Zeitraum der Förderung von zwölf Monaten bei einem Arbeitnehmer, der zwischen 50 und 55 Jahre alt ist, vorbei ist, und wenn er dann wieder in Vollzeit arbeiten muss?

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD – Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch neurotisch! – Abg. Michael Frisch, AfD: Wie bitte? – Unruhe bei der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schlussendlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, stößt die Umsetzung eines solchen Modells zudem rentenrechtlich auf Schwierigkeiten. Es fehlt allein schon an einer geeigneten Rechtsgrundlage im bundesgesetzlich geregelten Rentenversicherungsrecht zur Zahlung dieser zusätzlichen Beiträge. Von daher sehen Sie: Der Vorschlag der AfD scheitert schon an den rechtlichen Vorgaben und ist aus Sicht der Landesregierung der falsche und kein zielführend gedachter Lösungsansatz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fortgesetzt Unruhe bei der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Dr. Böhme gemeldet.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist Ihr Demokratieverständnis, Herr Köbler! – Abg. Martin Haller, SPD: Ja, ja, ja! – Unruhe bei SPD, AfD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich mache es kurz. Wir müssen uns hier nicht erregen.