Protocol of the Session on May 16, 2019

Bemerkenswert – war doch im Landtagswahlprogramm 2016 noch keine Rede von der gebührenfreien

Meisterausbildung bzw. Aufstiegsfortbildung. Auf Seite 18 heißt es – ich zitiere aus einem CDU-Programm –: „Es wird der Meisterkurs gestärkt und der Erwerb des Meistertitels finanziell unterstützt.“

(Beifall und Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Gut!)

Ich halte fest, Stärkung und Unterstützung, das ist schön, das ist nobel, aber keine Streichung der Gebühren, keine Kostenfreiheit.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Plötzlich, rein zufällig, kurz vor anstehenden Wahlen, der Schwenk, der eine Übernahme unserer Forderungen bedeutet. Was Tinder für Singles ist, ist OPAL für die sich auf Themensuche befindende CDU.

(Heiterkeit und Beifall der AfD)

Sie braucht OPAL als Themen-Tinder. Heute haben wieder einmal einen Beweis dafür.

Wir hatten bereits im Jahr 2016 in unserem Landtagswahlprogramm auf Seite 11 Folgendes gefordert: „Um die Attraktivität nichtakademischer Qualifikation zu steigern, fordern wir, neben dem Studium auch die Meisterausbildung (...) zu ermöglichen.“

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das war nur die Ultima Ratio, wie der Dexit!)

Versprochen – Versprechen gehalten.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das ist ja lächerlich!)

Dieses Anliegen haben wir konsequent weiterverfolgt. So habe ich beispielsweise im Plenum am 23. August 2018 die kostenfreie Meisterausbildung gefordert. Am 7. März 2019 haben wir dann eine Große Anfrage mit dem Titel „Hürden für eine kostenfreie Meisterausbildung“ eingereicht, um letzte Informationen für den Antrag, den wir heute debattieren, abzufragen. Das ist sauber. Das ist parlamentarisch korrekt. Wer sät, der kann mit einem Antrag ernten.

(Beifall der AfD – Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Erst drei Wochen später hat sich die CDU für die kostenfreie Meisterausbildung im Plenum im Rahmen der Regierungserklärung von Minister Wissing ausgesprochen. Nun also der offenkundig mit heißer Nadel gestrickte Antrag der CDU, der nicht nur inhaltliche Schwächen aufweist – ich bin für den Hinweis der Kollegin Köbberling dankbar –, sondern der auch bezüglich des Haushalts einen ungedeckten Scheck darstellt.

Wie wenig die CDU im Thema ist, verrät die Formulierung „Übernahme der entsprechenden Weiterbildungskosten“.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das ist doch völlig abwegig!)

Wie aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage hervorgeht, ist das nicht sinnvoll. Warum ist es nicht sinnvoll? Man muss dazu nämlich Folgendes wissen: Wenn Lehrgangs- und Prüfungsgebühren übernommen würden, würde das bei der Berechnung des AufstiegsBAföG in Abzug gebracht. Den Vorteil hätte dann nicht der Antragsteller, sondern der Bund.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

Beim Aufstiegsbonus I handelt es sich ausschließlich um eine Anerkennungsprämie für eine erfolgreiche Fortbildungsprüfung. Deshalb zielt unsere Forderung auch darauf ab, die Anerkennungsprämie zu erhöhen, und zwar genau auf den Betrag, der auch in den Ländern Bremen und Niedersachsen ausbezahlt wird.

Wir haben es bei der beruflichen Bildung mit einem Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern zu tun. Das ist uns wieder klar geworden. Wir haben uns Monate damit beschäftigt und viele Gespräche geführt, weil uns das Thema so wichtig ist. Die CDU ist in populistischer Art und Weise jetzt auf unseren Zug aufgesprungen, ohne inhaltlich in das Thema eingedrungen und eingestiegen zu sein. Tinder verführt eben zu flüchtigen Abenteuern.

(Beifall der AfD)

Ganz oberflächlich wird die Landesregierung lediglich dazu aufgefordert, ein Konzept vorzulegen und Ende 2019 darüber zu berichten. Es soll also weiterhin wertvolle Zeit verstreichen, dabei könnte die CDU leicht Abhilfe schaffen.

Erstens sollte sie im Bund die Weichen dafür stellen, dass die Kosten komplett übernommen werden. Dann bräuchten wir im Land nämlich überhaupt keine Regelungen vornehmen.

Zweitens könnte die CDU unserem Antrag einfach zustimmen. Er ist bürgerlich. Er ist solide. Er ist wirtschaftsfreundlich. Dann gäbe es, falls sich die FDP aus der rot-grünen Umklammerung lösen könnte, eine kurzfristige Übergangslösung. Unterlässt die CDU aber beides, dann macht sie deutlich, dass es ihr nicht um die Sache geht, sondern um Parteistrategie vor anstehenden Wahlen. Aufgrund der inhaltlichen Schwächen können wir deshalb dem CDUAntrag nicht zustimmen.

Auch der Alternativantrag der Ampel ist für uns nicht attraktiv. Er will nämlich keine vollständige Erstattung, sondern er bleibt unkonkret. Er ist ebenso mit der heißen Nadel gestrickt und ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver.

(Abg. Martin Haller, SPD: Für uns ist es vollkommen egal! Wir sind froh, dass Sie bei uns nichts machen!)

Ich werde gleich in der nächsten Runde unseren Antrag vorstellen. Dann sehen Sie, was solide ist und vorher ordentlich recherchiert wurde.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Wenn das mal nicht nach hinten losgeht!)

Für die FDP-Fraktion spricht die Fraktionsvorsitzende Cornelia Willius-Senzer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Paul, auf Sie habe ich gerade gewartet,

(Heiterkeit bei der AfD)

um mir zu erklären, dass ich mich aus irgendeiner Umarmung entklammern will.

Ich bin schon seit sechs Monaten an dem Thema dran, da hatten Sie noch gar nichts damit zu tun.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Wir sind seit 2016 dran!)

Ich komme gleich noch zu den Details.

„Ein Meister muss so viel wert sein wie ein Master“. „Wir machen den Haushalt“. Das war unser Wahlversprechen. Mit diesem Versprechen sind wir als Freie Demokraten zur Landtagswahl 2016 angetreten. Ein Blick in den Landeshaushalt und Gespräche mit den Handwerkskammern bestätigen uns, dass wir gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern auf dem besten Weg sind, unsere Versprechen wahrzumachen.

Um die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung herzustellen, hat die Landesregierung im Jahr 2017 gemeinsam mit den Handwerkskammern und der Landwirtschaftskammer das Förderprogramm Aufstiegsbonus I und II entwickelt. Sie haben schon darauf hingewiesen.

Der Aufstiegsbonus I ist eine finanzielle Würdigung der Bereitschaft, sich beruflich fortzubilden. Der Aufstiegsbonus II honoriert die Existenzgründung und fördert somit das Unternehmertum.

In den vergangenen sechs Monaten stand ich intensiv im Austausch mit allen vier Handwerkskammern. Im Oktober letzten Jahres habe ich schon damit begonnen, was ich alles in diesem Bereich machen kann, nachdem ich recherchiert habe. Ich lese Ihnen gerne etwas von der Handwerkskammer Koblenz – mit Erlaubnis der Präsidentin – vom 15. Mai vor:

Sehr geehrte Frau Willius-Senzer, wir kommen zurück auf unser Gespräch Anfang Januar, bei dem wir uns unter anderem über die Frage einer kostenfreien Meisterausbildung unterhalten hatten. Derzeit müssen angehende Meister ihre Qualifizierung grundsätzlich selbst mitfinanzieren. Neben den Gebühren für die Lehrgänge, die je nach Gewerk unterschiedlich hoch sind, kommen beim Besuch eines Vollzeitvorbereitungslehrgangs auch der Verdienstausfall und die Landeskosten hinzu. –

Ich lese noch die letzte Zeile: Ihr Interesse für die berufliche Bildung zeigt uns den Stellenwert des Handwerks in Politik und Gesellschaft. Wir unterstützen Sie gerne bei Ihrem Engagement. –

Das habe ich bei vier Handwerkskammern gemacht, lange bevor Sie die Große Anfrage gestellt haben.

(Zurufe der Abg. Dr. Timo Böhme und Michael Frisch, AfD)

Das habe ich mit Sorgfalt gemacht, ohne Populismus und ohne Wahlkampfschlagzeilen zu machen. Das habe ich ordentlich und gründlich gemacht, wie es sich gehört.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Wir hatten das Thema schon im letzten Wahlkampf gehabt!)

Um die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung herzustellen, hat die Landesregierung im Jahr 2017 gemeinsam – das möchte ich betonen – mit den Handwerkskammern und der Landwirtschaftskammer das Förderprogramm Aufstiegsbonus I und II entwickelt.

Der Aufstiegsbonus I ist die finanzielle Würdigung. Der Aufstiegsbonus II honoriert die Existenzgründung. Allerdings ist eine kostenneutrale Meister-, Fachwirt- oder Technikerausbildung durchaus komplizierter, als es Ihr Antrag beschreibt, liebe CDU. Dabei kann es nicht darum gehen, den Aufstiegsbonus I plump zu einer Vollkostenerstattung weiterzuentwickeln. Der Aufstiegsbonus ist eine finanzielle Wertschätzung. Die von Ihnen geforderte Vollkostenerstattung bedarf einer Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) auf Bundesebene. Daher bin ich der Landesregierung dankbar, dass sie an diesem Thema dran ist und sich im Rahmen der Amtschefkonferenz dafür einsetzt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, bei der in Ihrem Antrag erwähnten Bundesratsinitiative zur Übernahme der Lehrgangs- und Prüfungskosten handelt es sich um eine Initiative, die zurückgezogen wurde. Das CDUgeführte niedersächsische Wirtschaftsministerium konnte den Antrag aufgrund zu klärender Details nicht weiter verfolgen. Ein Anruf bei Ihrem Parteifreund, Herrn Althusmann in Hannover, hätte hier sicherlich geholfen.

Sie sehen, dass die Gleichstellung handwerklich sauber voranzutreiben ist. Schnellschüsse verpuffen. Damit aber die vom Land möglichen Anreize zur Aufstiegsfortbildung nicht verpuffen, soll der Aufstiegsbonus zukünftig weiter fortentwickelt werden. Hierzu besteht seit einiger Zeit ein gemeinsames Gremium aus Kammern und Landesregierung. Dennoch steht dies auch unter unserem selbstdefinierten Anspruch: Wir machen den Haushalt.