In dem Zusammenhang wollte ich noch einmal sagen, man muss sich auch vor die Polizei – sei es Bundes-, sei es Landespolizei – stellen, wenn man dann an der Stelle die entsprechenden Maßnahmen einleitet. Das hätte ich vom Innenminister erwartet.
Also, diese Fragen müssen einfach alle geklärt werden. Und deswegen würde ich doch noch einmal dazu raten, wenn Sie schon Mediation und anderes
ja, Herr Präsident – anregen, dann sollten Sie vielleicht selbst einmal in dieses Verfahren einsteigen: Innenministerium, Justizministerium und Integrationsministerium.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Mediator der Chef der Staatskanzlei sein könnte, der sich dann einmal darum kümmert, wie diese Landesregierung zu all diesen Fragen steht.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der FDP-Fraktion ist die Achtung der Rechtsstaatlichkeit besonders wichtig. Was Gerichte entscheiden, ist bindend. Wenn sich aber das Kirchenasyl und eine in allen Facetten entschiedene Abschiebungsverfügung gegenüberstehen, haben wir eine besondere Situation; denn dem Kirchenasyl kommt eine besondere Rolle zu. Es stellt sich dann tatsächlich die Frage, wie wir damit umgehen.
Befindet sich ein abgelehnter Asylbewerber im Kirchenasyl, wird dieser Zustand vom Rechtsstaat erst einmal geduldet – das haben die Kirchen, das Land und die Kommunen zuletzt im Jahr 2017 in Einigkeit bekräftigt –, und zwar so, dass der Staat nicht in Kirchenräume hinein seinen Anspruch durchsetzt. Bisher war das gesamtgesellschaft
licher Konsens. Wer Zuflucht in einer Kirchengemeinde sucht und aufgenommen wird, befindet sich in der Obhut der Kirche.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Situation verändert nicht das Recht, allerdings die Verfügbarkeit. Im Kirchenasyl trägt die Kirche die gesamte Verantwortung und Last für diese Menschen, auch finanziell. Solange sich der Abzuschiebende in den Kirchenräumen aufhält, kann grundsätzlich nicht gegen ihn vollstreckt werden. Woran entzündet sich also der Streit?
Die Justiz spricht Recht nach dem geltenden Gesetz in richterlicher Unabhängigkeit. Beim Kirchenasyl zeigt die jeweilige Gemeinde Barmherzigkeit einem einzelnen Menschen oder einer Familie gegenüber. Sie beruft sich dabei subjektiv auf humanitäre Gründe. Es geht nicht darum, ein demokratisches Prinzip zu unterwandern,
sondern es geht darum, Humanität als demokratisches Prinzip zu leben, selbst dann noch, wenn die Gerichte von Rechts wegen keine humanitären Gründe sehen oder anerkennen können. Auch das ist bisher Konsens in unserer Gesellschaft. Nach den heutigen Reden von der Opposition hört es sich aber so an, als wollten sie diesen Konsens aufkündigen. Bitte überlegen Sie sich das gut.
Im konkreten Fall geht es um eine Abschiebung nach Italien. Auf den ersten Blick fällt es uns schwer, humanitäre Gründe auszumachen, die gegen eine Überstellung in das EU-Mitgliedsland sprechen könnten. Die Kirchengemeinde macht sich dennoch konkrete Sorgen und versucht zu helfen.
Der Auslöser dieser heutigen Debatte ist die Entscheidung eines einzelnen Landrats. Er will mit aller ihm zur Verfügung stehenden Macht die getroffenen Gerichtsentscheidungen gegen einen jungen Mann im Kirchenasyl durchsetzen und dazu gegebenenfalls sogar mit Polizeigewalt in die Kirchengemeinde eindringen.
(Abg. Uwe Junge, AfD: Rechtsstaatlichkeit durchsetzen! – Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist normales staatliches Handeln!)
Durch seine Weisung gelingt es dem Integrationsministerium zunächst, den Landrat davon abzuhalten und Zeit zu gewinnen. Dabei schränkt das Ministerium die rechtliche Grundlage nicht ein. In der Presse ist allerdings von Eklat und Eskalation die Rede. Die gesamte Aufregung ist der Sache nicht dienlich
Da es für diese konkrete Situation, nämlich den Konflikt zwischen Durchsetzung des Rechts und Aufschub der Durchsetzung, keine klare Regelung zwischen Kirchen
und Staat gibt, kommt es zu einem Aufeinanderprallen der Beweggründe. Wenn der Landrat formal auch Recht haben mag, seiner politischen Aufgabe als Landrat wird er hier mitnichten gerecht.
Ein zeitlich begrenztes Mediationsverfahren eignet sich dazu viel eher, so wie es die Integrationsministerin vorgeschlagen hat. Dadurch wird weder der Rechtsstaat beschädigt noch die Kirche als Zufluchtsort zu stark unter Druck gesetzt. Es ist bei dieser Sachlage allemal besser, miteinander zu reden, als jegliche Kommunikation zu verweigern.
Als unnötige Eskalation bewerte ich auch die Strafanzeige des Landrats gegen mehrere Pfarrer und Menschen im Kirchenasyl. Ich frage mich, ob etwa der Eindruck entstehen sollte, es ginge beim Kirchenasyl um Straftäter, indem der Landrat die Pfarrer kriminalisiert. Nein, meine Damen und Herren, das wird den engagierten Menschen in den Kirchengemeinden nicht gerecht. Ich hätte es begrüßt, wenn der Landrat im Rhein-Hunsrück-Kreis bereits im Vorfeld wenigstens einmal das Gespräch mit dem Pfarrer vor Ort gesucht hätte.
(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Woher wissen Sie denn, dass es das nicht gegeben hat? – Abg. Alexander Licht, CDU: Hat er doch! – Unruhe bei der CDU)
Meine Damen und Herren, in den jüngsten Sitzungen des Rechts-, Innen- und Familienausschusses haben wir diesen konkreten Fall bereits intensiv diskutiert. Nirgendwo steht geschrieben, dass eine Behörde zwingend aus dem Kirchenasyl heraus vollstrecken muss. Zudem gilt seit dem 1. August 2018 ein Erlass des Bundesministers, wonach im vorliegenden Fall nach Nutzung aller Rechtsmittel die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate erhöht wird.
Wir vertrauen jedenfalls der Kirchengemeinde in Kirchberg, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt und wie hier vorgesehen die Unterstützung für den jungen Mann in Italien organisiert und dann
(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die FDP war mal eine Rechtsstaatspartei! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist sie immer noch! Ihr erkennt es nur nicht! Dr. Weiland erkennt es nicht!)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Weiland, wir als Rechtsstaatspartei stehen zum Kirchenasyl,
und wir stehen zu den vereinbarten Verfahren und dazu, dass sie eingehalten werden. Wir stehen zum Dossierverfahren, wir stehen zum Clearingverfahren.
Ja, das Kirchenasyl ist nicht rechtlich festgelegt. Dennoch ist es eine alte Rechtstradition, und es wurde schon immer respektiert. Es ist auch heute wichtig anzuerkennen, dass Kirchengemeinden aus christlichem Verständnis heraus und aus Gewissensgründen geflüchtete Menschen in ihre Obhut nehmen.
Nur, weil es in einigen Fällen von Kirchenasyl zu Konflikten und zu Reibung kommt, heißt das doch noch nicht, dass man gleich die ganze Institution des Kirchenasyls infrage stellen könnte.
Probleme, wie sie in solchen Situationen auftreten, löst man am besten im Dialog, und das unterstützen wir nach wie vor. Bislang herrschte ein breiter Konsens, dass das Kirchenasyl in diesem Rahmen akzeptiert wird und es das ausdrückliche Ziel ist, Kirchenasylfälle im Dialog und behutsam zu lösen. Das ist auch vor einem Jahr, als wir zum letzten Mal in einer Aktuellen Debatte über das Thema gesprochen haben, – –
Entschuldigung, Frau Binz. – Der Geräuschpegel ist einfach zu hoch. Hier führen 40, 50 Personen Zwiegespräche. Das geht nicht.