Protocol of the Session on September 20, 2018

von allen Fraktionen außer der AfD zum Ausdruck ge

bracht worden, auch wenn es in den Details sicherlich Differenzen gibt.

Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich gerne noch einmal das, was die Kollegin Klöckner damals gesagt hat; denn ich finde, sie hat das sehr gut auf den Punkt gebracht. Sie sagte: „Was wir hier haben, ist nicht ein Kontrast, ein Gegengewaltmonopol der Kirche zum Gewaltmonopol des Staates. (...) Innerhalb des Gewaltmonopols des Staates ist das Kirchenasyl als ein Verfahren im Verfahren vorgesehen.“

Ich bin der Kollegin Kohnle-Gros dafür dankbar, dass sie heute noch einmal ganz klargemacht hat, dieser Konsens gilt über die demokratischen Fraktionen hinweg in diesem Hause immer noch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Und ja, dieses Verfahren muss selbstverständlich irgendwann zu einem Abschluss gelangen. Auch darüber herrscht hier Einigkeit. Aber dieser Abschluss muss im Dialog gefunden werden, und er soll eben nicht dadurch gefunden werden, dass die Polizei in Kirchengemeinden hineingeht.

(Zurufe aus dem Hause)

Die dialogorientierte Verfahrensweise war schon immer der Standard in Rheinland-Pfalz. Warum sollte sich daran jetzt etwas ändern? – Ich darf noch einmal an das Gespräch erinnern, das das Integrationsministerium und das Innenministerium gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden im letzten Jahr geführt haben. Darin ist man gemeinsam übereingekommen, dass Kommunikation und Dialog besser sind als Räumung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Alle Beteiligten haben sich darauf verständigt, dass polizeiliche Räumungen absolut vermieden werden sollten. Es muss doch auch für die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in diesem Gespräch gute Argumente gegeben haben, diesem Vorgehen zuzustimmen. Da frage ich mich, warum Herr Bröhr für diese Argumente nicht zugänglich ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Es ist nicht so, dass das Ministerium, wie es von Herrn Kollegen Frisch noch einmal behauptet wurde, mit seiner Weisung eine Rücküberstellung nach Italien verhindert hätte. Das ist falsch, und das wissen Sie auch. Die Weisung bezog sich auf die polizeiliche Auflösung. Die Rücküberstellungsfrist ist im besagten Fall verlängert worden, das heißt, dass sie weiterhin stattfinden kann und nicht verhindert wurde.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das sind Spitzfindigkeiten!)

Das Ministerium hat mit seiner Weisung lediglich Raum ge

schaffen, den Fall zwischen Kirchengemeinde und Landrat im Dialog zu lösen. Nun drängt sich leider der Verdacht auf – das wissen wir auch aus anderen Fällen, Stichwort „Mittelrheinbrücke“ –, dass Herr Landrat Bröhr für dialogorientierte Lösungsfindungen nicht viel übrig hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich dachte, es wäre innerhalb der CDU erklärungsbedürftiger, dass ein CDU-Landrat Pfarrer anzeigt und mit der Polizei in Kirchengemeinden eindringen möchte. Vielleicht müssen Sie als CDU dem Ministerium am Ende sogar noch dankbar sein; denn es hat den CDU-Landrat noch vor dem Schlimmsten bewahrt.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für uns ist ganz klar, wir stehen zu dem vereinbarten Verfahren, auch zum Dossierverfahren. Die Kirchengemeinden sagen selbst, sie möchten es einhalten. Es wird ihnen aber durch einseitige Änderungen vonseiten des BAMF zunehmend erschwert. Das gehört in der Diskussion dazu, und das ist bereits in der Debatte erwähnt worden.

Ein weiterer Punkt: Es ist in Rheinland-Pfalz nicht so, dass das Kirchenasyl inflationär vorkommen würde. Im Vergleich der Bundesländer hatte Rheinland-Pfalz im Jahr 2017 die viertwenigsten Fälle von Kirchenasyl und war in den letzten Jahren immer auf einem der hinteren Plätze, was die Fälle angeht. Bayern hingegen ist bei den Fallzahlen im Kirchenasyl immer weit vorne, und das zeigt, ein besonders hartes Vorgehen führt nicht dazu, dass es weniger Fälle von Kirchenasyl gibt. Ich denke, das sollten wir uns zum Vorbild nehmen, und wir sollten bei unserer dialogorientierten Verfahrensweise bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Herr Justizminister Mertin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Frisch, ich wiederhole gerne, was ich im Rechtsausschuss bereits ausgeführt habe. Dieses Phantom eines Kirchenasyls, das den Staat überspielt, gibt es nicht.

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Ja!)

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es kein Kirchenasyl, das die Kirche ermächtigt, verbindlich für und gegen den Staat zu entscheiden, wer bei uns bleiben darf und wer nicht. Es gibt weder eine solche Tradition, es gibt auch nicht ein solches Gewohnheitsrecht, und genauso wenig gibt es geschriebenes Recht, das der Kirche dieses Recht einräumt.

Ich wollte es nur noch einmal klargestellt haben, weil Sie versucht haben, den Eindruck zu erwecken, als ob dies anders sei.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Nein!)

Es gibt allerdings innerhalb der Kirchen eine innerkirchliche religiöse Tradition, Menschen, die Schutz brauchen, auch Schutz zu gewähren, und das ist innerhalb des kirchlichen humanitären Auftrags, den sie sich selbst gegeben haben, durchaus zu respektieren. Aus Respekt vor diesem humanitären Auftrag der Kirchen gibt es deshalb auf Bundesebene eine Verabredung zwischen den Kirchen, dem Bundesinnenministerium und dem BAMF, wonach die Kirchen, wenn sie jemanden in Obhut genommen haben, weil sie der Auffassung sind, er sei schutzbedürftig, dann ein Dossier mit Argumenten vorlegen können, um dieses Verfahren noch einmal aufzurollen, damit das BAMF dies noch einmal prüft.

Allerdings, und das darf nicht übersehen werden, entscheidet am Schluss das BAMF, also der Staat. Wenn das BAMF, wie es häufig vorgekommen ist, den Kirchen recht gibt, dann gibt es eben ein Bleiberecht. Wenn das BAMF aber anders entscheidet, dann hat das BAMF auch verbindlich für alle festgelegt, es gibt kein Bleiberecht.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Dann gibt es Mediationsverfahren!)

Moment.

Damit ist verbindlich festgelegt, ein Bleiberecht besteht nicht.

Jetzt geht es um die Frage, dass Sie sagen, es gibt keine Regel. – Ich werde gleich Ausführungen dazu machen, dass es sehr wohl Regeln gibt. Mit Ablauf des Dossierverfahrens ist das Dossierverfahren, das mit den Kirchen verabredet ist, beendet. Danach gibt es einen Verwaltungsakt, der umzusetzen ist.

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Solange das Gericht nichts anderes befunden hat, bleibt es bei dem Verwaltungsakt.

Jetzt kommt es: Bei der Umsetzung dieses Verwaltungsakts gibt es aber einen Beurteilungsspielraum. Anders, als Sie es darlegen, ist die Behörde keineswegs verpflichtet, sofort mit der Kavallerie einzumarschieren. Sie kann auch mildere Mittel anwenden, um zu erreichen, dass das, was verfügt worden ist, umgesetzt wird. Das ist hier geschehen, nichts anderes.

Die Einzelfallweisung, die erteilt worden ist, lautete nicht, Ihr missachtet jetzt den Befehl des BAMF, sondern lautete lediglich, wendet erst einmal mildere Mittel an, bevor ihr mit der Kavallerie anrückt. – Nichts anderes. Das ist bisher immer gemeinsamer Konsens – so hat es Frau Klöckner auch schon einmal ausgeführt – gewesen. Aber die Regeln sind glasklar.

Der Befehl, dass ausgereist werden muss, ist da. Es

ist nur die Frage, wann setze ich welche Mittel ein; und dass im Verhältnis zur Kirche, die aufgrund ihres religiöshistorischen, bei sich verankerten Kirchenasyls etwas Respekt in der Behandlung haben will, nicht sofort mit der Kavallerie einmarschiert wird, müsste Ihnen eigentlich nahekommen. Die AfD beruft sich nämlich gerne auf die religiöse christliche Tradition des Abendlandes, und dann sollten Sie den Vertretern dieser religiösen kirchlichen Tradition des Abendlandes etwas mehr Respekt angedeihen lassen und nicht sofort mit der Kavallerie einmarschieren.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie werden sehen, es ist nicht völlig risikolos für die handelnden Personen; denn das, was ich eben dargestellt habe, bei dem es um einen Beurteilungsspielraum im Rahmen des Verwaltungsrechts geht – wie setze ich den Befehl um –, ist im Strafrecht ganz anders. Der Bundesgesetzgeber hat § 95 Aufenthaltsgesetz geschaffen.

In § 95 Aufenthaltsgesetz ist eine Strafnorm enthalten, die lautet, wer ausreisen muss, aber nicht ausreist, macht sich strafbar. – Nach den Regeln unseres Strafrechts, macht sich auch derjenige gegebenenfalls strafbar, der diesen, der nicht ausreist, dabei unterstützt.

Das OLG München hat sich in diesem Zusammenhang mit dem Dossierverfahren im Hinblick auf das Strafverfahren beschäftigt. Das OLG München hat eindeutig festgestellt, eine Straflosigkeit ist nur in der Zeit des Dossierverfahrens gegeben. Danach macht man sich unter Umständen strafbar. Deswegen ist es mitnichten zu kritisieren, dass die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach in diesem Zusammenhang den Anfangsverdacht bejaht und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.

Sie ist Kraft Gesetzes dazu verpflichtet, weil sie immer Straftaten, wenn ein Anfangsverdacht besteht, verfolgen muss. Das ist keine Kriminalisierung, das ist Anwendung des deutschen Rechts.

(Beifall der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Abgeordneter Frisch, wenn Sie also versucht haben darzulegen, das alles würde sich im rechtsfreien Raum abspielen: Einen solchen rechtsfreien Raum gibt es nicht. Im Verwaltungsrecht – da gibt es überhaupt kein Vertun – besteht ein Beurteilungsspielraum, welche Mittel setze ich ein, um den Befehl des BAMF umzusetzen. Im Strafrecht ist ab Beendigung des Dossierverfahrens – so jedenfalls das OLG München – eine Strafbarkeit möglicherweise gegeben. Das OLG München hat eindeutig festgestellt, die Gewährung des Kirchenasyls als solches schließt die Strafbarkeit nicht aus.

Ein rechtsfreier Raum, der ohne Regeln ist, wie Sie das dargestellt haben, gibt es in diesem Zusammenhang in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Es gibt lediglich eine unterschiedliche Auffassung im verwaltungsrechtlichen Teil, wann setze ich die schärfsten Mittel ein. Aber aus Respekt vor der religiösen Tradition in der Bundesrepublik Deutschland sollten Sie auch der Auffassung sein, dass man in kirchliche Räume nicht sofort mit der Kavallerie

einmarschiert.

(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Frisch noch einmal das Wort.