Protocol of the Session on September 20, 2018

Um es vorweg deutlich zu sagen: Das Kirchenasyl steht nicht im Widerspruch zum Wesen eines demokratischen Rechtsstaats.

Wenn Sie hier versuchen, den Kirchen ein rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen, dann sage ich ganz klar: Diesen Vorwurf weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kirchenasyl hat nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Staaten Europas eine lange christliche Tradition. Es ist Ausdruck der besonderen Stellung der Kirchen in unserer verfassungsmäßigen Ordnung; sie sind eben nicht der Bund der Steuerzahler. Es hat seine Wurzeln in der Glaubens- und Gewissensfreiheit, in der Achtung der Menschenwürde und in der christlichen Verantwortung für den Nächsten.

Es ist geradezu grotesk, dass Sie sich als AfD immer wieder als vermeintlicher Retter der christlich-abendlichen Leitkultur gerieren, hier aber eine lange christliche Tradition in Abrede stellen und der Kirche quasi eine Paralleljustiz unterstellen.

(Zurufe der Abg. Dr. Jan Bollinger und Uwe Junge, AfD)

Ja, die Beachtung christlicher Werte fordern Sie ein. Von anderen fordern Sie die ein. Was Sie selbst davon halten, das haben Sie heute unter Beweis gestellt, Herr Frisch.

Meine Damen und Herren, ja, es ist so, dass es für das Kirchenasyl keine festgeschriebene Rechtsnorm gibt.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Im Gegenteil, das ist Verantwortungsethik!)

Gleichwohl ist unser Rechtssystem mehr als nur die Gesamtheit der Gesetze. Tradierte Gesellschaftsnormen, Wertevorstellungen haben hier ebenfalls ihren Platz und werden von der juristischen Praxis anerkannt und respektiert.

Meine Damen und Herren, die Kirchen in unserem Land haben unseren Respekt verdient. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist fester Bestandteil der politischen Kultur in Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht zuletzt sind es auch im sozialen und karitativen Bereich die Kirchen, die eine tragende, eine unerlässliche Säule unserer Gesellschaft darstellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Ihr hoher Einsatz bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise verdient Dank und Anerkennung. Die Kirchen haben angepackt und gehandelt, wo andere nur Verunsicherung geschürt haben.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Beim Blick auf das Schicksal des Einzelnen gewähren verschiedene Kirchengemeinden Asylbewerberinnen und Asylbewerbern für eine vorübergehende Zeit Unterkunft in Kirchenräumen, um sie vor einer Abschiebung zu schützen. Die Fallzahlen sind bundesweit keineswegs inflationär. Es ist kein Massenphänomen, über das wir sprechen. Bundesweit geht es aktuell um 533 Fälle. Bundesweit! Das ist der Stand Mitte September 2018.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Letztes Jahr waren es 1.500!)

In Rheinland-Pfalz haben wir vergleichsweise unterdurchschnittliche Zahlen im niedrigen zweistelligen Bereich. Das ist also alles andere als ein Massenphänomen.

Ziel ist es aus Sicht der Kirchengemeinden, noch einmal als Ultima ratio die Überprüfung einer aus Sicht der Kirchengemeinden bestehenden besonderen Härte zu erreichen. Herr Frisch, genau das geschieht eben nicht im rechtsfreien Raum, sondern unterliegt einem geregelten Verfahren, das zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einerseits und den Kirchen andererseits vereinbart wurde.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Das Kirchenasyl ist anzumelden, und das BAMF prüft die Eröffnung eines sogenannten Dossierverfahrens, das im positiven Fall eine erneute Einzelfallprüfung zur Folge hat.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Nochmals!)

Während dieser Prüfung besteht faktisch ein Abschiebehindernis. Ebenso ist auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass in dieser Zeit die Strafverfolgung ausgesetzt wird. Es gibt also Verfahrensregeln und keinen rechtsfreien Raum. Natürlich erwarten wir auch die Einhaltung dieser Regeln von den Kirchen. Das steht völlig außer Frage.

Meine Damen und Herren, es geht beim Kirchenasyl fast ausschließlich um Dublin-III-Fälle, also um die Frage, ob das Asylverfahren hier in Deutschland durchgeführt werden kann oder ob eine Rücküberstellung in das Land der Erstaufnahme erfolgen muss.

Die Frist zur möglichen Rücküberstellung wurde von sechs auf 18 Monate erhöht, sodass auch der oft geäußerte Vorwurf, die Kirchen würden auf Zeit spielen, völlig ins Leere läuft. Deshalb muss ich Ihrem Eindruck, als bestünde hier Anarchie oder ein völlig rechtsfreier Raum, entschieden widersprechen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Kohnle-Gros.

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt natürlich einen Anlass, warum die AfDFraktion heute diesen Punkt hier im Plenarsaal noch einmal aufgerufen hat.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Aktuell!)

Ja, Aktuelle Debatte.

Der Anlass ist, wir haben in Rheinland-Pfalz eine intensive Diskussion auch in der Öffentlichkeit über das Kirchenasyl, und wir führen sie auch gemeinsam, das will ich ganz an den Anfang stellen.

Eine zweite Bemerkung ist mir am Anfang sehr wichtig: dass wir nämlich alle, die wir für das Kirchenasyl eintreten – die CDU-Fraktion tut das seit Jahren hier in diesem Plenum – – – Aber ich kann das für mich sagen, ich habe schon über dieses Instrument des Kirchenasyls diskutiert, als es noch kein politisches Thema war. Ich habe mir lange angeschaut, was es denn bedeutet und wie man sich dazu einlassen muss.

Alle sollten wir aber den Eindruck vermeiden, dass die beim Kirchenasyl handelnden Personen über das Ziel hinausschießen – ich schaue auch auf die Seite der Landesregierung – und durch eigene Aktionen, die in der Tat hinterfragt werden müssen, dieses Instrument auf Dauer infrage gestellt werden könnte. Das wollen wir als CDUFraktion – das sage ich hier ganz deutlich – nicht.

(Beifall der CDU)

Deswegen ergibt es Sinn, dass wir hier noch einmal gemeinsam miteinander darüber reden, um was es wirklich geht.

Meine Damen und Herren, ich will dem widersprechen, dass wir mit dem Kirchenasyl ein Instrument haben, das völlig außer der Reihe läuft. Wir haben das Petitionsrecht, wir haben die Härtefallkommission, und wir haben andere Möglichkeiten für den Fall, dass die rechtsstaatlichen Verfahren irgendwo zu einem Ende kommen oder etwas nicht geklärt werden konnte. Dann kann man sich an andere Stellen wenden. Insofern ist das Kirchenasyl, das kein Rechtsinstitut ist, keinen rechtlichen Hintergrund hat, etwas Besonderes.

(Beifall der Abg. Dr. Adolf Weiland und Christine Schneider, CDU)

Aber es gehört einfach auch in diese Reihe. Und natürlich: Großer Respekt vor den Menschen, die sich – wenn ein einzelner Mensch, ein Flüchtling oder ein Asylbegehrender in unserem Lande mit einer besonderen Beschwer beladen ist und seine Rückführung oder die Ablehnung seines Antrags eine ganz persönliche besondere Härte bedeuten würde – das noch einmal anschauen. Ich glaube, das kann man wirklich verantworten.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sollten wir auch wirklich so sehen. Aber, der Kollege Sippel hat darauf hingewiesen, dieses Handeln hat ein besonderes Verfahren im Hintergrund, weil es nicht sein kann, dass in jedem Einzelfall dann wieder neu entschieden wird, wie denn mit der Situation umgegangen wird. Diese Vereinbarung zwischen Kirchen und dem Bundesamt und dem – ja, das muss man auch sagen – Bundesinnenminister, die ja in der Regel für dieses Themengebiet zuständig sind, bedeutet, dass man sich verständigt und auch gemeinsam an das hält, was man miteinander vereinbart hat.

Ich sehe, dass wir in Rheinland-Pfalz jetzt eine spezielle Situation haben, in der sich nicht alle an diese Regeln halten und vor allem das Ministerium mit neuen Ideen in ein Verfahren eingestiegen ist, obwohl das eigentlich gar nicht mehr möglich war.

Ich will das auch noch einmal ganz kurz sagen: Wir haben eine Verwaltungsentscheidung auf europäischen, grundgesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Grundlagen in Deutschland. Wir haben Gerichtsurteile, und wir haben ein abgeschlossenes Dossierverfahren eben nach dieser Vereinbarung.

Kurz bevor die Frist abgelaufen wäre und der betroffene Flüchtling, Asylbegehrende, in das EU-Land, aus dem er gekommen war, hätte abgeschoben werden sollen, hat sich die Landesregierung, hat sich das zuständige Ministerium mit zwei Rechtsinstrumenten eingeschaltet, die bis zu diesem Zeitpunkt an keiner Stelle in solchen Verfahren eine Rolle gespielt haben.

(Beifall der CDU)

Wir haben einmal eine fachaufsichtliche Weisung erteilt, meine Damen und Herren. Wenn jeder Jurastudent, der Öffentliches Recht gemacht hat, sich einmal anschaut, was Fachaufsicht eigentlich beinhaltet, dann ist das die Überprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit eines Verfahrens. Ich glaube, nachdem das gerichtlich entschieden war, was

im Rhein-Hunsrück-Kreis vorgefallen war, verbietet sich eigentlich eine fachaufsichtliche Weisung. Deswegen, denke ich, sollte man darüber diskutieren.

(Beifall der CDU)

Der zweite Punkt ist, man steigt tatsächlich kurz bevor die Sechsmonatsfrist nach Dublin III abgelaufen ist ein und verhindert damit, dass staatliche Zwangsmaßnahmen – die übrigens per se nicht schlecht sind, sondern ganz normal zu unserem Verwaltungshandeln gehören; denn man muss Entscheidungen, die von Gerichten und Verwaltungen getroffen worden sind, auch durchsetzen – umgesetzt werden.

(Beifall der CDU)

In dem Zusammenhang wollte ich noch einmal sagen, man muss sich auch vor die Polizei – sei es Bundes-, sei es Landespolizei – stellen, wenn man dann an der Stelle die entsprechenden Maßnahmen einleitet. Das hätte ich vom Innenminister erwartet.