Protocol of the Session on June 22, 2018

Darüber hinaus werden mit dieser Regelung falsche Signale an die Schüler ausgesendet. Diejenigen, die sich nicht ausreichend auf eine Arbeit vorbereitet haben, bekommen unverdientermaßen eine zweite Chance und sehen daher wenig Anlass, ihr Lernverhalten zu verändern. Aber es ist auch ungerecht gegenüber den guten und fleißigen Schülern, deren erreichte Note für ungültig erklärt wird und denen bei einem zweiten Versuch möglicherweise sogar eine Verschlechterung droht.

Wenn aber die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung von Klassenarbeiten steigt, je schlechter die Leistungen der Schüler sind, dann wird Faulheit belohnt und jede vernünftige Pädagogik konterkariert.

Meine Damen und Herren, wir wollen den veränderten Gegebenheiten an den Schulen Rechnung tragen und einer weiteren Leistungserosion vorbeugen. Die von uns geforderte Anhebung der Drittelgrenze in § 53 der Schulordnung ist ein wichtiger Baustein dazu. Damit stellen wir eine einheitliche Regelung mit den berufsbildenden Schulen her, bei denen bereits jetzt eine 50 %-Grenze gilt. Zudem schaffen wir größere Freiräume für die Lehrer, stärken ihre Eigenverantwortung und unterstützen sie bei der Umsetzung objektiv vorgegebener Leistungsanforderungen. Letztlich nehmen wir auch die Schüler ernst, indem wir sie nicht vorschnell von den Konsequenzen mangelhaften Lernverhaltens entlasten, sondern ihnen eine realistische Rückmeldung über ihren Leistungsstand geben und ihnen zumuten, sich mit ihren Defiziten selbstkritisch auseinanderzusetzen. Damit lernen sie nicht nur für die Schule, sondern vor allem auch für das Leben.

(Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten – – –

(Abg. Helga Lerch, FDP: Für die Koalition!)

Für die Koalition erteile ich der Abgeordneten Helga Lerch das Wort. Bitte, Frau Lerch, Sie haben das Wort.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Die wollen in den Urlaub!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion möchte ich zunächst einen Blick auf die Übergreifende Schulordnung von RheinlandPfalz, auf § 53 Abs. 5 und die dort formulierte Regelung werfen. Bei Klassen- und Kursarbeiten sowie schriftlichen Überprüfungen hat der Gesetzgeber eine verbindliche Verfahrensweise festgeschrieben. Diese gilt nicht – das möchte ich ausdrücklich betonen – für alle anderen schriftlichen Tests wie zum Beispiel Vokabeltests oder die schriftliche Überprüfung der Hausaufgabe.

Die Begriffe „Klassenarbeit“, „Kursarbeit“ oder „schriftliche Überprüfung“ werden in der Übergreifenden Schulordnung definiert, sodass hier keine Zweifel bleiben. Diese Arbeiten und sogenannte schriftliche Überprüfungen haben notentechnisch einen hohen Stellenwert, da sie besonders stark in die zu ermittelnde Endnote als Zeugnisnote eingehen. Deshalb ergibt es auch Sinn, klar zu regeln, welche Verfahrenswege eingehalten werden müssen, falls der Leistungsstand der Lerngruppe bei einem Drittel der betroffenen Schülerinnen und Schüler unter der Note „ausreichend“ liegt.

Es werden sodann Gespräche mit dem Schulleiter oder der Schulleiterin geführt, und zwar einmal durch die verantwortliche Lehrkraft und zum anderen mit einem Sprecher oder einer Sprecherin der Lerngruppe. Dieses sogenannte Anhören verlangt von allen Vorgenannten, einen kritischen Blick auf die Ursachen der schlechten Schülerleistungen zu werfen. Diese können vielfältig sein und müssen auch einer Überprüfung, zum Beispiel durch Sichtung der Klassenbücher bzw. der Übungsmaterialien, standhalten.

Jeder Schulleiter und jede Schulleiterin wird darauf achten, dass das Verfahren gewissenhaft, hinterfragbar und umfangreich in der Sache erfolgt. Da die Anhörungen der Gruppen in der Regel getrennt voneinander laufen, kann sich der Schulleiter oder die Schulleiterin ein differenziertes Bild von der Sachlage machen, und die von ihm oder ihr zu treffende Entscheidung ist dann nachvollziehbar und – das ist genauso wichtig – belastbar.

Was würde nun passieren, wie in Ihrem Antrag gefordert, wenn die Messlatte von einem Drittel auf 50 % der unter „ausreichend“ liegenden Noten erweitert würde? – Zum einen wäre die Zahl der zu führenden Anhörungen rückläufig; das ist einfach mathematisch belegbar. Zum anderen wäre die Zahl der angeordneten Wiederholungen von Klassenarbeiten, Kursarbeiten und schriftlichen Überprüfungen ebenfalls rückläufig. Schließlich wüssten alle am Prozess beteiligten Gruppen, dass der Fall der Wiederholung der

Leistungsüberprüfung ebenso gut wie nicht mehr eintreten würde; denn es gibt eben einen Unterschied zwischen 33 % und 50 %.

Jetzt kommt die wichtigste Frage: Was bedeutet dies nun für die Schülerinnen und Schüler? – Die müssen wir bei unserer Argumentation in allererster Linie im Blick haben. Eine zweite Chance zur Wiederholung und damit verbundenen Leistungssteigerung wäre bei 50 % so gut wie ausgeschlossen. Die von Ihnen vorgeschlagene Regelung hat auch definitiv Auswirkungen auf das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler. Die Idee einer Leistungsverbesserung tritt bei Ihrem Vorschlag in den Hintergrund; denn die Schüler bekommen ja eine erneute Chance bei einer Wiederholung, sich noch einmal mit der Thematik zu befassen, die Lehrkraft hat die erneute Chance, den Lehrstoff noch einmal anders darzubieten, zu intensivieren. Und das, meine Damen und Herren von der AfD, das überrascht mich doch sehr: Wer Schülerinnen und Schüler fördern will, der muss auch fordern. Das wird durch den sogenannten Drittel-Paragrafen möglich, und er hat sich über Jahrzehnte bewiesen.

Ich habe einmal nachgeforscht, wie das bei den berufsbildenden Schulen war. Die haben die Regelung seit 1978. Dort hat sich diese Regelung bewiesen. Das hängt eben auch damit zusammen, dass dort die Schülerschaft, der Werdegang der Schülerschaft und die Verteilung der Stunden im Schulalltag ganz anders sind als bei anderen Schulen. Deshalb ist der in Ihrer Begründung des Antrags formulierte Satz, dass die bestehende Regelung „zu einer fortlaufenden Absenkung des Anforderungsniveaus“ führe, falsch und stellt die Realität an den Schulen doch genau auf den Kopf.

Sie unterstellen den Lehrerinnen und Lehrern übrigens auch eine, so heißt es in Ihrem Antrag, „‚kreative Korrektur‘“, damit der in § 53 Abs. 5 formulierte Prozess nicht eintritt.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, der verantwortungsvolle Lehrer wird entsprechend handeln. Viele Ihrer Forderungen und Formulierungen, Herr Frisch, waren im Konjunktiv. Und was wir heute vom Konjunktiv gehört haben, kann ich hier nur bestätigen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Frisch das Wort.

Verehrte Frau Kollegin Lerch, an den berufsbildenden Schulen haben wir die 50 %. Es stimmt doch nicht – das kann ich aus eigener Erfahrung wirklich sagen –, dass die Situation da eine vollkommen andere ist. Wir haben da

Vollzeitbildungsgänge, die haben ganz normal Mathematikunterricht und Deutsch- und Englischunterricht wie an allen anderen allgemeinbildenden Schulen auch.

Natürlich haben Sie recht, es muss in erster Linie um die Schüler gehen. Aber genau darum geht es uns ja auch; denn in einem immer heterogener werdenden Schulsystem haben wir das Problem, dass der Lehrer vor der Frage steht, wie er damit umgeht, dass ein größerer Teil seiner Schüler den Leistungsanforderungen, die in diesem Bildungsgang objektiv vorgeschrieben sind, nicht mehr gerecht wird.

Einem klugen Pädagogen stellt sich dann die Frage, wie er mit dieser schwierigen Situation umgeht. Dann ist es natürlich völlig klar, dass er sich an dem orientiert, was seine Schüler leisten können. Da können Sie 100 Lehrer fragen, die werden Ihnen das bestätigen. Es sind immer die gleichen Instrumente, die man dann anwendet: Man kürzt zunächst einmal den Lehrplan zusammen. In Mathematik, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ist es so, dass man von vornherein sagt, na ja, 20 % bis 30 %, das schaffe ich sowieso nicht mit dieser Klasse. –

Dann kommt hinzu, dass die Motivation, die Arbeitshaltung der Schüler nicht ausreichend ist und sie vielfach schlechte Vorkenntnisse von ihren vorherigen Schulen mitbringen. Dann wird im Unterricht ein zweites, ein drittes, ein viertes Mal erklärt. Dann fällt die Klassenarbeit trotzdem nicht so aus, wie sie ausfallen sollte. Und wenn man dann konsequent korrigiert, hat man plötzlich 40 % oder 50 % Noten unter „ausreichend“. Wenn man das macht, was Sie vorschlagen, dann wird das Ganze noch einmal durchgekaut und wieder wiederholt, und dann fallen wieder 10 %, 15 % Unterrichtsinhalte am Ende hinten runter. Das ist genau das, was wir beklagen.

Wenn dann der Bildungsgang zu Ende ist, werden gerade die Schüler, die auf weiterführende Schulen gehen oder vielleicht ein Studium anschließen wollen, feststellen, dass sie eben nicht in der Lage sind, dort mitzuhalten, weil sie es nicht gelernt haben. Deshalb müssen wir, wenn wir die Schüler im Blick haben, darauf achten, dass wir die objektiven Anforderungen und die Lehrpläne der einzelnen Bildungsgänge effektiv umsetzen. Alles andere ist Augenwischerei und dient letzten Endes auch nicht den Schülern zu ihrem eigenen Nutzen.

(Beifall der AfD)

Wir haben überhaupt kein Misstrauen gegenüber den Lehrern, ganz im Gegenteil. Ich bin der Auffassung, dass die jetzige Regelung Lehrern nicht ausreichend vertraut, weil dieser Automatismus, bei mehr als einem Drittel unter „ausreichend“ sofort zur Schulleitung und sich rechtfertigen zu müssen, dem Lehrer nämlich im Grunde genommen sagt, Du bist nicht in der Lage, das hinreichend selbst zu beurteilen. – Wir wollen mehr Freiräume schaffen, wir wollen Lehrern mehr Rückendeckung geben, weil wir ihnen vertrauen, dass sie verantwortungsbewusst auch mit solchen schwierigen Situationen in ihren Klassen umgehen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Die Kollegin Lerch hat die Gelegenheit zur Erwiderung. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es entsteht in der Diskussion der Eindruck, als würden wir über ein fundamentales Problem in der rheinland-pfälzischen Bildungslandschaft reden.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP – Abg. Michael Frisch, AfD: Das hat niemand behauptet!)

Durch die vielen Jahre an der Schule weiß ich, dass wir über ein marginales Problem reden. Wann kommt es denn schon einmal vor, dass dieser Fall der Schulordnung wirklich eintritt? – Er tritt in Ausnahmefällen ein.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Ja, weil die Lehrer das vorher abfedern, genau deshalb!)

Und für diesen Ausnahmefall gibt es eine klare Regelung. Den Ausnahmefall können wir nicht hochstilisieren und sagen, deshalb ist unser Bildungssystem hier an dieser Stelle zu reformieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Über Jahrzehnte – ich bin seit den 1970er-Jahren mit diesem System vertraut – hat sich das System, das wir heute an den Schulen haben, bewährt. Warum, meine Damen und Herren, sollen wir ein bewährtes System jetzt ändern, was effektiv nicht zum Vorteil unserer Schülerinnen und Schüler wäre? – Die Frage muss erst einmal beantwortet werden.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Anke Beilstein das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU ist eine Partei, die den Leistungsgedanken sehr ernst nimmt und unterstützt. Im Zusammenhang mit der Bildungspolitik stehen wir auch dazu, dass Noten keine Körperverletzung sind, sondern wichtige Rückmeldungen an Schülerinnen und Schüler, an Eltern und an Lehrer, ob der Stoff aufgenommen, ob er verstanden wurde oder ob man noch mehr tun muss.

(Beifall der CDU)

Dieses Mehr-tun-müssen kann sowohl auf Lehrerseite als auch auf Schülerseite sein. Wir halten auch nichts da

von, künstlich durch eine Absenkung des Leistungsniveaus einen akzeptablen Klassenschnitt zu erzielen.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Genau!)

Aber den vorliegenden Antrag der AfD habe ich wirklich mehrmals lesen müssen, um die Zielrichtung zu ergründen und die dahinter stehenden Gedankengänge nachvollziehen zu können.