Protocol of the Session on June 20, 2018

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Herber von der Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute, mit dem Aufruf einer Aktuellen Debatte, versuchen die Grünen erneut, ihre Forderung nach einem Wahlalter ab 16 öffentlichkeitswirksam zu platzieren. Ihr Titel: „Kommunalwahl mit 16 verfassungskonform – Teilhabe junger Menschen auch in Rheinland-Pfalz ermöglichen“.

Sie lächeln, aber da ich weiß, welchen langen Atem es braucht, um Fehleinschätzungen zu korrigieren, versuche ich es auch heute gerne wieder.

(Heiterkeit bei CDU und AfD – Abg. Jochen Hartloff, SPD: Dann atmen Sie einmal tief durch!)

Was ist also passiert? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat über eine Klage aus Baden-Württemberg entschieden, bei der das Wahlergebnis der Gemeinderatswahl

in 2014 als verfassungswidrig angefochten wurde. Dort hatte man das Wahlalter für Kommunalwahlen im Jahr 2013 – habe ich gelesen; liebe Kollegin Schellhammer, Sie haben 2012 gesagt, was aber an dieser Stelle keine so große Rolle spielt, glaube ich – auf 16 Jahre herabgesetzt. Das war der Grund für die Klage.

(Zuruf der Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesverwaltungsgericht hat also entschieden, dass das im Grundgesetz festgeschriebene Wahlalter 18 nur für die Bundestagswahl gilt und keine für die Kommunalwahlen maßstabsbildende Kraft entfaltet. Der Landesgesetzgeber habe für die Festlegung der Altersgrenze bei Kommunalwahlen einen Gestaltungsspielraum.

Jetzt sind Sie vielleicht verblüfft, wenn ich das sage, aber das sehe ich und das sieht die CDU genauso. Der Landesgesetzgeber legt das Alter fest, ab dem sich seine Bürgerinnen und Bürger an Wahlen beteiligen dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Argumentation, das Wahlalter auf 16 herabzusetzen, war noch nie gewesen, dass wir dies als verfassungswidrig ansehen, nein, unsere Argumentation kommt aus der von Ihnen im Titel beschriebenen Idee der Teilhabe der jungen Menschen.

(Zuruf der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir junge Menschen an dem teilhaben lassen wollen, was wir hier machen, was wir im Kommunalparlament, im Bundestag, im Europarat, in welchem Parlament auch immer machen, dann müssen wir ihnen zuhören. Wir verringern doch nicht die Politikverdrossenheit durch eine einfache Absenkung des Wahlalters, wir verringern sie durch eine Politik, die erst gar nicht verdrossen macht,

(Beifall der CDU und bei der AfD – Zuruf des Staatsministers Roger Lewentz)

sondern auf die Belange junger Menschen eingeht und deren Interessen ernst nimmt.

Hier sollten Sie besser ansetzen, an den Schulen für genug Lehrer sorgen, Unterrichtsausfall stoppen, für bessere Studienbedingungen sorgen und die Kommunen mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten;

(Zuruf des Abg. Marc Ruland, SPD)

denn wer der nachfolgenden Generation vor Ort, wo sie lebt, für ihre Zukunft Gestaltungsspielräume einräumt, der gewinnt deren Herzen zurück.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heribert Friedmann, AfD)

Auch in der Kommunalpolitik gilt es, gegen Politikverdrossenheit vorzugehen – das ist richtig – und genau hinzuhören, welche Anliegen junge Menschen haben.

(Zuruf des Abg. Marc Ruland, SPD)

Dabei geht es dann um Projekte wie das Jugendzentrum oder den Calisthenics-Park, die auch vor Ort mithilfe Jugendlicher realisiert werden können.

Wenn Sie argumentieren, dass das Wahlrecht auf 16 herabgesetzt werden soll, damit Politiker diese Altersgruppe ernst nehmen, dann stellen Sie sich und Ihrer eigenen politischen Arbeit auch selbst ein schlechtes Zeugnis aus.

(Beifall der CDU)

Sie tun offensichtlich nicht das, was wichtig ist, nämlich den jungen Menschen zuhören, wenn Sie sie andauernd mit der Einführung eines Wahlalters ab 16 Jahren politisch zwangsbeglücken wollen. In allen bekannten repräsentativen Selbsteinschätzungen – ich kann es immer wieder nur wiederholen – wird diese Einführung von denen, die es betrifft, mehrheitlich abgelehnt.

Ich habe es in der letzten Debatte schon gesagt: Wir sind gut beraten, wenn wir nicht über die Köpfe derer hinweg entscheiden, die es betrifft. Von der Abkoppelung des Wahlrechts von der Volljährigkeit halten Minderjährige jedenfalls in ihrer großen Mehrheit nichts; denn mit der Volljährigkeit geht eine ganze Reihe von Pflichten auf einen jungen Menschen über, allen voran die Übernahme von Verantwortung und natürlich auch die volle Strafmündigkeit.

Demgegenüber und um das Ganze in einer Waage zu halten, gibt es eine Reihe von Rechten, denen sich der junge Mensch nun bedienen darf. Es gehen sämtliche staatsbürgerliche Rechte auf einen jungen Menschen über. Das heißt, wir trauen ihnen Rechte und Pflichten ab diesem Alter zu, dass sie die volle Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Aber jetzt erklären Sie mir doch einmal, warum Sie die demokratische Mitwirkung mittels eines Wahlrechts jemandem zutrauen, den Sie auf der anderen Seite noch nicht einmal einen eigenen Handy-Vertrag unterschreiben lassen?

(Beifall der CDU)

Wer also das Wahlalter auf 16 absenken will, der muss auch den Zeitpunkt der Volljährigkeit überdenken, mit allen Rechten und Pflichten. Und nun fragen Sie sich einmal: Wollen Sie das?

Mehr gibt es in der nächsten Runde.

(Beifall der CDU)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Frisch von der Fraktion der AfD das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Herabsetzung des Wahlalters für Kommunalwahlen auf 16 Jahre verfassungsgemäß ist, zum Anlass genommen, dieses Thema

auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Nun bildet ein solches Urteil zwar ohne Zweifel einen Rechtsrahmen, innerhalb dessen sich der Gesetzgeber bewegen kann; aber es ist keineswegs ein Auftrag an die Politik, diesen Rahmen auch auszuschöpfen.

Von daher sind die euphorischen Reaktionen auf dieses Urteil vonseiten der Grünen und der SPD vollkommen unangebracht. Vielmehr gilt es, sorgfältig abzuwägen, welche Argumente dafür bzw. dagegen sprechen, jungen Menschen bereits mit 16 Jahren das Wahlrecht zumindest auf kommunaler Ebene zu geben.

Die Befürworter einer solchen Regelung verweisen insbesondere darauf, dass man damit schon frühzeitig das Interesse für Politik entdecken und heranwachsenden Bürgern unseres Landes mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten einräumen könne. Dies, so die Argumentation, stärke die Demokratie und trage dazu bei, schon 16- und 17-Jährige zu mündigen Bürgern zu erziehen.

Meine Damen und Herren, wir halten eine solche Argumentation bei näherer Betrachtung für falsch. Aus guten Gründen hat der Gesetzgeber die Volljährigkeit an das Erreichen einer Altersgrenze geknüpft. Erst mit 18 Jahren sind junge Männer und Frauen vollumfänglich in der Lage, Rechte und Pflichten in unserer Gesellschaft wahrzunehmen. Ja, in vielen Fällen gestehen wir sogar über die Volljährigkeit hinaus jungen Menschen eine besondere Behandlung zu, eben weil wir davon ausgehen, dass ihnen doch noch die Reife fehlt, um im gleichen Maße wie Erwachsene vernünftige Entscheidungen treffen zu können.

Zweifellos sind manche 16-Jährige klüger und vernünftiger als manche 40-Jährige, und es gibt auch Kinder und Jugendliche, die mit Geld verantwortungsbewusster umgehen als ihre Eltern. Trotzdem sind sie erst mit 18 Jahren uneingeschränkt geschäftsfähig, dürfen harten Alkohol trinken und schwere Motorräder fahren. Darüber gibt es einen breiten Konsens über alle Parteien hinweg, und deshalb möchte niemand etwas daran ändern.

Dann aber sollten wir auch die Finger vom Wahlrecht lassen; denn es gibt einen inneren Zusammenhang von Rechten und Pflichten, von Mitbestimmung und Verantwortung, der gerade für eine demokratische Gesellschaft konstitutiv ist. Warum sollte man jemandem mit dem Wahlrecht das wichtigste aller Bürgerrechte gewähren, wenn man ihm gleichzeitig nicht auch die volle Verantwortlichkeit für alles zumutet, was er sagt und tut? Warum sollen Menschen über die Geschicke unseres Landes entscheiden, denen man ohne Einwilligung ihrer Eltern nicht einmal den Abschluss eines Handy-Vertrages zugesteht?

(Abg. Marc Ruland, SPD: Es geht um das Kommunalwahlrecht, Herr Frisch!)

Nein, meine Damen und Herren,

(Abg. Marc Ruland, SPD: Doch, genau darum geht es!)

das höchste staatspolitische Recht würde entwertet, wenn man es verbilligt abgibt.

(Beifall der AfD)

Es ist nicht dazu da, die politische Mündigkeit zu befördern oder die Politikverdrossenheit zu bekämpfen. Wer das tun will, der sollte eine bessere Bildungspolitik machen und ansonsten die Interessen der Bürger endlich wieder in den Fokus politischen Handelns rücken.

(Beifall der AfD)

Aber es ist natürlich viel einfacher, am Wahlrecht zu schrauben, als eine Politik zu gestalten, die weniger verdrossen macht und auch junge Menschen für demokratische Prozesse begeistert.

Meine Damen und Herren, schon in der Antike wusste man um die Notwendigkeit, menschliches Handeln auf versteckte Intentionen hin zu überprüfen. „Cui bono?“, so lautet die bekannte Frage, mit der man die tatsächlichen Motive nicht zuletzt politischer Forderungen zu ergründen versuchte, und auch hier ist es hilfreich, diese Frage zu stellen; denn beim Wählen mit 16 geht es nur vordergründig um die Interessen junger Menschen. In Wirklichkeit geht es darum, neue Wählerschichten für Parteien zu erschließen, die nicht ohne Grund darauf hoffen, bei dieser Klientel ihre schwindsüchtigen Wahlergebnisse aufbessern zu können.

(Beifall der AfD – Heiterkeit des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Bei der U18-Bundestagswahl 2017 schnitten beispielsweise die Grünen mit 17,9 % doppelt so gut ab wie bei der regulären Wahl.

(Zuruf von der SPD: Und die AfD lag unter der 5-Prozent-Hürde!)