Protocol of the Session on May 23, 2018

(Abg. Christine Schneider, CDU: Teilt das Ihr Koalitionspartner FDP auch so?)

Hier sind für uns folgende Dinge klar:

Erstens. Der EU-Haushalt muss finanziell gestärkt werden.

Zweitens. Es kann nicht an den Ländern hängenbleiben, dass der Bund kein besseres Ergebnis bei den Verhandlungen der EU-Gelder in Brüssel erzielt hat. Man kann vielleicht an vielen Dingen in Europa sparen oder kürzen, aber bei den Agrargeldern und der zweiten Säule tut das dem ländlichen Raum richtig weh.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Deswegen muss sie der Bund – das wurde hier unisono gefordert –, wenn es zu diesen Defiziten kommt, ausgleichen.

Wir müssen natürlich auch vor dem Hintergrund der starken Kürzungen letztendlich entscheiden, ob wir uns bei den Agrargeldern auf die wesentlichen Dinge für den ländlichen Raum konzentrieren, nämlich auf das, was die Wertschöpfung in der Region hält. Das eine ist eine gute Landwirtschaft, aber die Bundesregierung könnte darüber hinaus noch sehr viel machen. Ermöglichen Sie wieder, dass eine echte Energiewende vor Ort stattfindet. Mit dem Ausbaudeckel und dem derzeitigen Ausschreibungsmodell wird das nämlich nichts.

(Zuruf des Abg. Michael Billen, CDU)

Wir brauchen eine Reform des EEG. Das verlange ich von der Bundesregierung, wenn sie den ländlichen Raum stärken will.

Konzentrieren wir uns bei der zweiten Säule der Agrarpolitik und des Bundesprogramms darauf, dass es hier keinesfalls zu Kürzungen kommt. Wem der ländliche Raum wichtig ist, der erhöht die Mittel in diesem Bereich. Ich erwarte also von der Bundesregierung eine Umschichtung der Gelder in die zweite Säule, um den ländlichen Raum zu stärken.

Wofür wir in der Koalition und natürlich auch wir Grüne stehen, ist mit zwei Wörtern gesagt, für die regionale Wertschöpfung.

(Abg. Michael Billen, CDU: Ja, genau!)

Offensichtlich ist das aber nicht mehr das, was der Bauernverband und die CDU tatsächlich unterstützen. Gerade von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie sich für die regionale Wertschöpfung und den ländlichen Raum einsetzen. Im Gegenteil, Sie nehmen eine der massivsten Kürzungen der Fördergelder in diesem Bereich einfach so zur Kenntnis und reden überhaupt nicht zur Aktuellen Debatte, sondern von ganz anderen Sachen.

(Unruhe bei der CDU)

Kommen wir jetzt einmal zu dem, was hier auch schon angeklungen ist, von wegen, die Landesregierung würde nichts für den ländlichen Raum machen. Hören Sie einmal gut zu. Wir machen in Rheinland-Pfalz Politik für den ländlichen Raum. In der Landwirtschaft ist es uns ein Anliegen, auch auf die Förderung der Direktvermarktung und der regionalen Dachmarken zu setzen; denn wir wollen, dass

sich die Betriebe regional ein Standbein erarbeiten können, um ihre Produkte unabhängig von Zwischenhändlern direkt beim Kunden vermarkten zu können. Wir wollen, dass sich unsere Betriebe unter Dachmarken zusammenschließen, damit sie besser gegen den Markt gewappnet sind. Darüber hinaus setzen wir auf die Umstellung auf biologische Wirtschaftsweisen und die Förderung der biologischen Landwirtschaft. Das ist kein Selbstzweck,

(Glocke der Präsidentin)

sondern der Umsatz mit Biolebensmitteln ist stetig gestiegen. Auch unsere Bäuerinnen und Bauern können davon etwas abhaben.

Mehr in der zweiten Runde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatssekretärin Schmitt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleiche Lebenschancen und gleichberechtigte Teilhabe für die Bewohnerinnen und Bewohner der ländlichen Räume sollten eigentlich ein Anliegen sein, das Regierung und Opposition gemeinsam verfolgen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Christian Baldauf, CDU: Genau! Dann halten Sie sich mal daran! Wieso macht die Regierung da nicht mit?)

Warum jetzt aktuell die Bundeslandwirtschaftsministerin die Kürzungspläne der Europäischen Union bezogen auf die ländlichen Räume rechtfertigt, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Für die Landesregierung kann ich Ihnen aber versichern, dass uns starke ländliche Räume ein Herzensanliegen sind und unser politisches Wirken darauf abgestellt ist.

Die Europäische Kommission hat vor drei Wochen, am 2. Mai, ihren Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2021 bis 2027 vorgestellt. Mit 1.279 Milliarden Euro für 27 Mitgliedstaaten liegt der Vorschlag in laufenden Preisen leicht über dem der laufenden EU-Förderperiode 2014 bis 2020 mit 1.087 Milliarden Euro für 28 Mitgliedstaaten. Zu deren Finanzierung schlägt die Kommission zum Ausgleich der britischen Beitragszahlung höhere Beiträge der Mitgliedstaaten und neue Einnahmen der EU vor. Während Kommissionspräsident Juncker und Haushaltskommissar Oettinger anlässlich der MFR-Vorstellung lediglich von Kürzungen in der Größenordnung von 4 % bis 5 % für die Gemeinsame Agrarpolitik und 7 % für die Kohäsionspolitik sprachen, zeigen aber erste Gegenüberstellungen der Fonds ein deutlich anderes Bild.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Aha!)

Bei der für die ländlichen Regionen sehr wichtigen Gemeinsamen Agrarpolitik sind drastische Einbußen von 20,6 % für die ländliche Entwicklungsförderung im Rahmen des ELER-Fonds

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wie bitte?)

sowie beim EGFL-Fonds ein Rückgang von 313 Milliarden Euro auf 286 Milliarden Euro zu verzeichnen,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Unglaublich!)

insbesondere bei den für unsere flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft so wichtigen Direktzahlungen.

Meine Damen und Herren, bei der Kommission scheint man der Meinung zu sein, der Brexit rechtfertige alle Mittel, unter anderem eine drastische Kürzung des Mittelzuflusses in die ländlichen Räume. Die stärkste Kürzung im neuen MFR trifft die Kategorie natürliche Ressourcen und Umwelt, die auch die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik umfasst. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft schätzt die Kürzung der GAP-Mittel in der Förderperiode nach 2020 für Deutschland für die zweite Säule auf rund 15 % und für die Direktzahlungen für Deutschland um rund 6 %, Umverteilungen zwischen den Mitgliedstaaten nicht eingerechnet.

Zusammengefasst heißt das, während Deutschland künftig deutlich höhere Beträge bezahlt, wird vor allem bei den ländlichen Räumen drastisch gekürzt. Wenn wir an diesem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in städtischen und ländlichen Regionen festhalten wollen, geht der Ansatz der EU hier ganz klar in die falsche Richtung.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist aus meiner Sicht nahezu fahrlässig, die Bedeutung der Strukturfonds für Rheinland-Pfalz zu unterschätzen. Auch die EFRE-Förderung ist ein bedeutendes Instrument zur Stärkung der Wirtschaftskraft gerade auch unserer ländlichen Räume. Viele Förderprogramme in den Bereichen Forschung und Entwicklung oder zum Beispiel die Investitionsförderung in kleine und mittlere Unternehmen profitieren von den Mitteln der EU. Die EFRE-Mittel in der laufenden Förderperiode betragen 186 Millionen Euro und stellen eine wichtige Säule der rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Innovationsförderung dar. So wurden beispielsweise in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Regionalförderung im Zeitraum der Periode 2007 bis 2013 1.836 Arbeitsplätze geschaffen und ein privates Investitionsvolumen von 576 Millionen Euro ausgelöst.

(Beifall der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Kürzung der EFRE-Mittel hätte eine unmittelbare Reduzierung der privaten Investitionen zur Folge gehabt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Darum geht es! Das ist der Punkt!)

Als Rheinland-Pfälzerin würde ich von einer rheinlandpfälzischen Bundeslandwirtschaftsministerin erwarten,

dass sie sich für unsere ländlichen Gebiete einsetzt und nicht zulässt, dass diese einseitig den Preis für den Brexit bezahlen müssen. Deswegen werden wir auf die weiteren Verhandlungen genau schauen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Das große Versprechen der Europäischen Union ist das Ziel gleichwertiger Lebenschancen.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Das können wir unterschreiben!)

Von diesem Ziel entfernen wir uns, wenn wir die geplanten Kürzungen bei den ländlichen Räumen akzeptieren.

Meine Damen und Herren, in der am 2. Mai stattgefundenen Telefonkonferenz mit der Bundeslandwirtschaftsministerin und den Amtskolleginnen und Amtskollegen meines Ministers aus den Ländern hat Minister Wissing die Bundesregierung unmissverständlich aufgefordert, nach Wegen zu suchen, um eine finanzielle Schwächung der rheinland-pfälzischen Betriebe und des ländlichen Raums zu verhindern.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Hat er auch erklärt, warum er die GAK-Mittel nicht abgerufen hat?)

Zur Sonder-AMK im Juli werden hierzu die Antworten erwartet. Die Aussage der Bundesagrarministerin, die Kürzungen hätten noch viel gravierender ausfallen können, und sie hätte Schlimmeres verhindert,

(Abg. Christine Schneider, CDU: Stimmt!)

beruhigt mich an dieser Stelle nicht.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat den ländlichen Raum fest im Blick, und ich persönlich hoffe, dass alle in verantwortungsvollen Positionen sich gleichermaßen für unsere Region und unsere Heimat einsetzen.