Protocol of the Session on April 26, 2018

Sie rekurrieren auf eine Aussage des Geschäftsführers der KAMAG auf die Frage, ob in einer dieser Stätten, nämlich ob im Landesmuseum eine Wirkungsgeschichte stattfinde, die er verneint hat. Es ist richtig, dass eine Ausstellung an vier Stätten nicht davon lebt, dass man an allen vier Stätten immer das Gleiche zeigt, sondern dass die Breite vollumfänglich abgebildet wird.

Meine Damen und Herren, wir reden heute zum wiederholten Mal über eine Ausstellung, die wir nicht kennen. Das ist bemerkenswert, weil die Eröffnung der Ausstellung erst nächste Woche stattfinden wird. Ein breites gesellschaftliches Bündnis, nämlich jenes, das zu einem 600 Termine umfassenden Rahmenprogramm beigetragen hat, zu dem übrigens auch ein großes Symposium der Universität zur Wirkungsgeschichte gehört, wird erst nächste Woche beginnen. Wir und Sie reden darüber, bevor Sie überhaupt die Möglichkeit hatten, sich ein eigenes Bild zu machen. Sie werden sich kein eigenes Bild machen wollen; denn wenn die Gesellschaft nächster Woche zur Eröffnung der Ausstellung geht, um sich ein eigenes Bild zu machen, werden Sie in Trier gegen etwas demonstrieren, bei dem Sie sich weigern, es zur Kenntnis zu nehmen,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Dafür muss ich nicht auf die Eröffnungsfeier gehen!)

oder Sie werden den schon jetzt zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen, bei dem sogenannten Neuen Hambacher Fest ein wichtiges Symbol unserer Demokratie zu missbrauchen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Burschenschaften waren die treibende Kraft! – Weitere Zurufe von der AfD)

Dieser Versuch ist deswegen zum Scheitern verurteilt, weil die Werte des Hambacher Festes, die Demokratie, die Freiheit und die offene Gesellschaft so stark sind, dass sie selbst jene in ihren Stätten akzeptieren und überdauern kann, die gegen die offene Gesellschaft agieren.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Joachim Paul, AfD: Treibende Kraft waren die Burschenschaften! – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Die offene und freie Gesellschaft ist wie die sprichwörtliche deutsche Eiche, die es nicht juckt, wer sich an ihr schabt.

Das Hambacher Fest 1832 fand genau in der Zeit statt, in der ein Karl Marx politisiert wird. Frau Binz hat zu Recht darauf hingewiesen, 1832 hat Karl Marx Gedichte geschrieben. Es war die Zeit der Politisierung. Es war die Zeit, in der Menschen losmarschiert sind, um für Freiheit einzustehen und zu kämpfen. Es war der Impuls für Karl Marx zu sagen, es gibt keine Freiheit, ohne die Fesseln der sozialen Unfreiheit zu lösen.

(Zurufe von der AfD)

Um diese Zeit geht es in der Ausstellung. Es geht um die Zeit, wie eine Entwicklung entstehen konnte, in welcher Zeit sie entstanden ist. Sie hat eben auch viel mit unserer Heimat tun. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns diese anschauen, neben vielen anderen Aspekten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unseren tiefgründigen Ausstellungen haben sie nicht mehr als abgründige Thesen entgegenzustellen. Ich bin froh, dass wir zu einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gekommen sind. Ich freue mich auf die vielen Besucherinnen und Besucher und auf die Diskussionen im Rahmen der Ausstellung.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die zweite Runde und erteile Herrn Abgeordneten Paul von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Natürlich beziehen wir uns nicht nur auf die Ausstellung, sondern auf das gesamte Jubiläumsprogramm mit der ganzen Politikpromi

nenz und über 300 Veranstaltungen, die ich von Sparen für Kinder bis zum Ampelmännchen als abstrus bezeichnen muss, insbesondere vor dem Hintergrund der Opferperspektive.

Es ist eben Nell-Breuning angeklungen. In der Spätphase, nämlich 1983, hat er sich sehr wohl von Marx distanziert und hat eine ganz andere Position eingenommen. Er sah die Marx-Verehrung, die in der deutschen Linken gepflegt wird, als kindliche Eitelkeit an. Konrad Löw, ein Marx-Kenner, hat darauf hingewiesen und ganz klar gesagt, Marx hat ein Programm grundgelegt. Wer dieses Programm veröffentlichen wollte, hat Opfer in Kauf genommen. So ist es auch gekommen. Das lehrt die Geschichte.

(Beifall der AfD)

Ich komme zu Ihren chinesischen Freunden. Das ist durchaus interessant. Bringt es uns etwas, unsere „chinesischen Freunde“ zufriedenzustellen und damit das Gesicht in Osteuropa zu verlieren? Wenn man nur das Handelsvolumen der Visegrád-Staaten – darauf nehmen Sie indirekt Bezug – nimmt, dann ist das größer als das, was wir mit China tätigen. Das ist schon ein schlechtes Geschäft, diesen Ansehensverlust zu riskieren.

Übrigens war Georg Büchner Burschenschaftler, Frau Binz. Sie lesen sein burschenschaftliches Werk aus der Perspektive der 68er, aus einer marxistischen Perspektive.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Georg Büchner gesagt hat, „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ hat er nicht den gesellschaftlichen Umsturz angestrebt, sondern er wollte Teilhabe für den ganz normalen Bürger und hat eine national freiheitliche Haltung vertreten.

Es gab viel konkretere Maßnahmen und Sozialwerke, die die soziale Frage beantwortet und gelindert haben. Als Folge dazu wäre keine Utopie notwendig geworden, keine irre Utopie, die man nur mit Gewalt verwirklichen konnte. Das wäre alles gar nicht notwendig gewesen. Ich verweise übrigens auf Ferdinand Lassalle, den Gründer Ihrer Partei, der mein Bundesbruder ist, erst Burschenschafter.

(Glocke des Präsidenten)

Auch er war ein Gegner von Marx. Ich verstehe gar nicht, dass Sie sich in diesen undifferenzierten Strom einordnen.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten fest, die Opferperspektive wird ausgeblendet. Sie kommt nicht zur Geltung, und das zeitigt einen Ansehensverlust für unser Land; ganz klar.

(Beifall der AfD)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Teuber von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Nur zur Korrektur, die Opferperspektive – das kann man noch so oft wiederholen, wie man es möchte –, die Wirkungsgeschichte wird eben nicht ausgeblendet, sondern sie wird in einem Teil des KarlMarx-Hauses deutlich gemacht, und sie wird ein großer Teil einer sogar von der UNESCO mit unterstützten und geförderten Veranstaltung der Universität Trier, eines wissenschaftlichen Symposiums, sein. In diesem Zusammenhang haben wir mehrere Hundert Veranstaltungen, die sich mit den vielen Facetten auseinandersetzen. Ich möchte mich auch noch einmal ganz herzlich für diese inhaltlich sehr fundierte und sehr differenzierte Debatte bedanken, weil sie deutlich macht, dass sich Politik auch tatsächlich mit der Sache beschäftigt und nicht auf kleine Krakeelereien hereinfällt.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: Billig!)

Nun erteile ich dem Abgeordneten Dr. Weiland von der Fraktion der CDU noch einmal das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn wir von Wirkungsgeschichte sprechen, dann wäre es vielleicht gut, wenn wir gemeinsam auch einmal den Blick auf heute und auf morgen und auf die Herausforderungen an unser politisches Handeln richten. Da gibt es doch in der Wirkungsgeschichte zwei ganz aktuelle Dinge, die wir aus dem Studium von Marx lernen können. Das eine ist doch, dass Freiheit nicht nur die Freiheit von staatlichem Zwang und Unterdrückung ist, sondern auch die Freiheit von sozialer Not.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch ein Auftrag an uns in unserer alltäglichen Politik hier und jetzt und morgen.

Die zweite Lehre ist doch, dass wir den Verführungen einer Ideologisierung einer Theorie nicht zum Opfer fallen. Ideologen kennen immer schon alle Antworten auf alle Fragen, vor allem auch auf Fragen, die noch gar nicht gestellt sind. Wir werden im demokratischen Diskurs nicht weiterkommen, wenn wir der einen Ideologie eine andere gegenüberstellen. Wir werden nicht weiterkommen, wenn wir den Menschen weiterhin immer nur als Bestandteil einer Gruppe, einer Rasse oder einer Klasse interpretieren. Das ist so bei Ihnen, wenn Sie der Theorie der Identitären folgen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Damit bekommt diese ideologiekritische Seite, die wir an Marx anlegen müssen, einen ganz konkreten aktuellen Bezug.

(Starker Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden die Probleme unserer Gesellschaft – die sind

groß genug, und die gibt es nicht nur im ganz großen Zusammenhang, sondern die gibt es auch bei uns in der Landespolitik in Rheinland-Pfalz – nicht lösen mit diesem kleinkarierten, beckmesserischen, besserwisserischen Ansatz, der nur auf Rechthaberei und auf die politische Aktion setzt.

(Starker Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: Sagen Sie das einmal den Opfern des Marxismus und Kommunismus!)

Nun hat Frau Abgeordnete Lerch von der Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie ein roter Faden zieht sich durch die Debatten der vergangenen Monate, ausgelöst durch Wortbeiträge von der AfD, der Vorwurf, dieser Staat sei auf dem linken Auge blind. Dieser Staat ist weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind, sondern dieser Staat beurteilt auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Menschenrechte das, was mit diesem Grundgesetz vereinbar ist und was nicht. Das gilt in gleichem Maße für rechts und für links.

Wenn wir uns jetzt noch einmal anschauen, was hier über Marx gesagt wurde, meine Damen und Herren, Marx ist Bestandteil des Geschichtsunterrichts in unseren Schulen. Dort wird differenziert an die Thematik herangegangen. Dort wird genau geschaut, was Marx in seiner Zeit bewirkt hat, was seine Aussagen und was seine Vorstellungen waren. Diese Ideologie wird abgegrenzt von weiteren Ideologien, die folgten, dem Leninismus und dem Stalinismus. Die Schüler lernen zu differenzieren, und die Schüler fahren auch heute noch nach Berlin und erfahren dort vor Ort, was es im Einzelnen bedeutet hat, wenn man gegen bestimmte Grundlagen der Demokratie verstoßen hat.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!)

Und Sie haben vor einigen Wochen applaudiert, als ich Hohenschönhausen genannt habe. Genau das tut auch dieser Staat, und er ist auf dem linken Auge genauso wenig blind wie auf dem rechten. Die Ausstellung in Trier hat ihre Bewandtnis und ihre Berechtigung. Sie wird dazu führen, dass die Menschen klar analysieren, was man ihnen zeigt, und sie werden nicht bevormundet, sondern sie können sich eine eigene Meinung bilden.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist einseitig!)

Darauf sind wir auch stolz.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)