Eine andere und bessere Antwort auf die von Karl Marx zu Recht beschriebenen Probleme hat ein anderer großer Sohn der Stadt Trier, Oswald von Nell-Breuning, beschrieben mit der Begründung der katholischen Soziallehre. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Oswald von NellBreuning war immer ein leidenschaftlicher Gegner von Karl
Marx, aber auf einem hohen intellektuellen Niveau. Er hat den analytischen Teil in dem Werk von Karl Marx immer mit großem Respekt und Anerkennung zur Kenntnis genommen.
Ich zitiere Oswald von Nell-Breuning: Erst wenn alles Fehlerhafte, worauf Marx mit seiner Kritik uns aufmerksam gemacht hat, wenigstens grundsätzlich berichtigt und ausgeräumt sein wird, sodass wir dieses Stachels in unserem Fleisch nicht mehr bedürfen, erst dann ist dieser große Gegner wirklich überwunden. –
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sollte die Lehre aus dieser Diskussion sein, und vielleicht sollten wir den chinesischen Freunden, die diese Statue schenken, noch einmal sagen, dass Oswald von Nell-Breuning in seiner Marx-Interpretation schon viel weiter als die Kommunistische Partei Chinas war.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden heute zum dritten Mal in diesem Hohen Haus über die Karl-MarxAusstellung. Ich möchte mich deshalb auf einige Basics konzentrieren. In dieser Debatte ist es uns Freien Demokraten wichtig, klar zu differenzieren. Zum 200. Geburtstag von Karl Marx hat das Museum in Trier in seinem Geburtshaus eine Dauerausstellung eingerichtet, aber es gibt in der Stadt weitere Ausstellungsstätten, die an die große Tradition der vorangegangenen Ausstellungen anknüpfen, nämlich an die Ausstellungen über Konstantin und Nero, die zweifelsohne ein großer Erfolg für die Stadt und die Region waren.
Die neue große Landesausstellung beleuchtet Leben und Werk von Karl Marx als Philosoph und als Ökonom. Die philosophische Seite seines Werks wurde von meinen Vorrednern hinreichend gewürdigt. Die Ausstellung wird zu einem politisch-historischen Lernort – ich betone diesen Begriff noch einmal –, einem Ort der Information und der kritischen Auseinandersetzung, und verknüpft das mit zahlreichen zusätzlichen Bildungsangeboten, die weit über die eigentliche Ausstellung hinausgehen.
Somit wird in Trier eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Person Karl Marx und seinem Werk geboten. Damit dies geschehen kann, hat auch das Land finanziell seinen Beitrag geleistet. Das begrüßen wir als Freie Demokraten ausdrücklich. Die Folgen und Auslegungen von Marx’ Theorien bedürfen genau dieser genannten wissenschaftlichen Befassung.
Sehr geehrte Damen und Herren, das hat nichts mit einem Marx-Kult zu tun, sondern dient der Bildung und damit der gesamtgesellschaftlichen Debatte.
(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch: Aber nicht so, wie es gemacht wird!)
Gerade aus diesem Grund möchte ich mich für meine Fraktion bei der FDP-Fraktion in Trier und dem gesamten Stadtrat bedanken; denn dieser hat letzte Woche eine Resolution verabschiedet, die sich klar zu unseren Menschenrechten und unserer Pressefreiheit bekennt. Somit hat sich die Stadt auch aktiv gegenüber der Volksrepublik China positioniert. Dies ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass China keine Gegenleistung für die gestiftete Bronzestatue zu erwarten hat.
Ich bleibe bei meinen Worten aus der Plenardebatte vom 5. Oktober 2016: Karl Marx gehört sicherlich nicht in die Ahnengalerie des Liberalismus, aber einen Ort, an dem man sich mit seiner Person und seinem Wirken kritisch auseinandersetzt, halten wir für notwendig.
Meine Damen und Herren, abschließend auch in Richtung des Vorredners der AfD: Man muss die Besucher der Ausstellung nicht bevormunden und auch nicht an die Hand nehmen. Die Menschen sind frei, sich eine Meinung über diese Ausstellung und über das Wirken von Karl Marx selbstständig zu bilden.
Das ist das, bei dem wir als Freie Demokraten sagen: Der Mensch ist frei, sich seine Meinung zu bilden. Wir schaffen eine Bühne, durch die er sich diese Meinung auch bilden kann und unterstützen dies.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Marx-Jahr 2018 und insbesondere in den Veranstaltungen rund um diesen Geburtstag in seiner Geburtsstadt Trier soll es darum gehen, sich mit der Person Karl Marx und mit seinem Wirken auseinanderzusetzen.
Was wir alle wissen ist, dass Marx ein Philosoph, Ökonom, Gesellschaftskritiker, Journalist und politischer Aktivist war. Er lebte aufgrund seiner politischen Aktivitäten, die ihn zu einem Staatenlosen machten, in Trier, Bonn, Berlin, Brüssel, Paris und London.
Marx in seiner Zeit bewegte sich auch auf den gedanklichen Spuren von anderen, die ihm Inspiration und Grundlagen gaben. Das wurde schon angesprochen. Er war Hegelianer. Er war nicht der einzige in dieser Zeit der Industrialisierung, der nach sozialen Lösungen für die sozialen Verwerfungen suchte, die zu dieser Zeit auftraten.
Revolution rief; denn als 1834 der hessische Landbote von Georg Büchner erschien, indem er unter der Überschrift „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ zur Revolution gegen die besitzende Klasse aufrief, da war Karl Marx war Schüler in Trier, verfasste noch kitschige Liebesgedichte und war vom „Kapital“ noch meilenweit entfernt.
Trotzdem gelang ihm später mit seiner Kritik der politischen Ökonomie, die er im „Kapital“ darlegte, Bahnbrechendes, eine Analyse der Funktionsweise kapitalistisch organisierter Gesellschaften und deren Auswirkungen. Diese Kritik der politischen Ökonomie ist es heute noch wert, dass man sich mit ihr auseinandersetzt, natürlich auch kritisch.
Warum ist es heute noch aktuell? Wenn Marx die Machtstrukturen in der Wirtschaft, die Machtverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern beschreibt, dann ist das heute noch aktuell. Es wird wieder aktueller und stärker aktuell, vor allem wenn wir an die neuen Geschäftsmodelle denken wie Uber, Foodora, Airbnb usw., also Unternehmen, die lediglich digitale Plattformen bereithalten, aber keine weitere Infrastruktur. Da stellen sich die Fragen, wer die Besitzer der Produktionsmittel sind und wer an diesen Geschäftsmodellen besonders verdient, wieder ganz neu.
Marx’ Überlegungen zur Arbeitsteilung und zunehmender Spezialisierung können uns heute noch Denkanstöße liefern, wenn auch in einer weiteren Perspektive als seiner zeitgenössischen. Die Arbeitsteilung und Spezialisierung verläuft heute zunehmend global. Das gilt zum Beispiel für die Textilindustrie. Die Näherei wird großteils in Länder wie China oder Bangladesch ausgelagert. In diesem Zusammenhang ist die von Marx beschriebene Entfremdung der Näherinnen von den teuren Produkten, die sie zwar für einen sehr kleinen Lohn herstellen, aber selbst niemals erwerben würden, vorhanden.
Es gibt vieles im Werk von Karl Marx, mit dem man sich im Marx-Jahr 2018 in aktueller Form auseinandersetzen kann. Das ist Sinn und Zweck der Aktivitäten in Trier.
Es gibt sicherlich auch solches aus dem Werk von Karl Marx, das uns heute keine Orientierung mehr bieten kann. Herr Dr. Weiland hat es angesprochen. Der von ihm entwickelte historische Materialismus beispielsweise, also seine Beschreibung der Geschichte der Gesellschaften in fast evolutionärer Weise hin zu einer klassenlosen Gesellschaft durch mehrere Entwicklungsstufen, ist aus unserer heutigen Sicht nicht mehr zu gebrauchen. Es gibt Gott sei Dank nicht mehr viele, die ihr noch anhängen.
Das liegt daran, dass Karl Marx viele Dinge nicht vorhergesehen hat. Das gilt für die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates oder die Entwicklung der liberalen Demokratien. Auch andere Dinge hat Marx in seiner Zeit nicht mit in seine ökonomischen Analysen eingebunden, die Frage nach der Endlichkeit der Ressourcen beispielsweise oder dass das Wirtschaften, und zwar egal ob in kapitalistischen oder danach in den real existierenden sozialistischen Systemen, zulasten der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen und der Natur gehen. Das alles sind, wie gesagt, Dinge, da kann uns Marx heute keine Orientierung mehr bieten.
Marx nun aber – wie das die AfD-Fraktion tut – hier als das Grundübel allen Übels am Kommunismus darzustellen, ist
sehr ahistorisch und platt. Dass der Titel, den Sie für ihre Aktuelle Debatte gewählt haben, nämlich dass es einen Marx-Kult gäbe, zutrifft, kann ich nicht erkennen, und zwar auch nicht in Trier in diesem Jahr.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP – Abg. Michael Frisch, AfD: Kommen Sie mal nach Trier!)
Es ist eher eine spannende Auseinandersetzung mit der Person und dem Wirken. Die Diskussion um die Gabe der Statue aus China ist sehr differenziert und intensiv geführt worden. Die Stadtratsfraktion der Grünen in Trier beispielsweise ist in dieser Frage zu keiner einheitlichen Meinung gekommen.
Das ist gut so; denn wir leben in einem demokratischen System, in dem man über diese Frage streiten soll und darf.
Von dem Kult, von dem sie hier reden, kann keine Rede sein. Es ist eher eine interessante und kritische Auseinandersetzung mit dem Wirken eines Rheinland-Pfälzers, der mit seinem Werk weltweit bekannt wurde. Darauf freue ich mich sehr.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich herzlich für die letzten vier Wortbeiträge bedanken, Frau Binz, Frau Lerch, Herr Teuber und ausdrücklich Herr Dr. Weiland. Diese Wortbeiträge haben einerseits eines gezeigt, nämlich den Stellenwert der Freiheit von Wissenschaft und Forschung in diesem Land. Darauf werde ich gleich noch eingehen. Sie sind aber auch Symbol für den breiten Konsens, den es bei der Auseinandersetzung mit dieser bedeutenden Persönlichkeit aus Trier gibt.
Nicht umsonst gibt es dieses Bündnis aus Land, Stadt, Kirche und der Ebert-Stiftung, die gemeinsam drei Ausstellungen an vier Standorten konzipiert haben und nächste Woche eröffnen.
Wenn ich mich den Vorrednern vollumfänglich anschließe, dann mache ich das auch, weil es mir die Möglichkeit gibt, auf den aufgegriffenen und angegriffenen Punkt der Wirkungsgeschichte einzugehen.
Die europäische Geschichte ist tatsächlich immer auch geprägt von dem Missbrauch von Ideen, Glauben und Überzeugungen, um Verbrechen an der Menschlichkeit
zu begehen. Viele Morde wurden begangen und damit begründet, dass man dies im Namen von etwas anderem tut. Nicht zuletzt auch unsere christliche Geschichte und unser christlicher Glaube wurden massiv missbraucht, um andere zu ermorden.
Das ist ein gutes Beispiel dafür, um zu betonen, dass Ideen, Geschichte und Wirkungsgeschichte nicht zusammengefasst, sondern getrennt beobachtet und analysiert werden müssen.
Das betrifft auch einen Karl Marx, dessen Ableben im Jahr 1883 etwa 60 bis 100 Jahre vor den durchaus angegriffenen Taten stattfand, über die wir heute reden. Richtig ist aber auch, dass gerade politisch motivierte Verbrechen niemals nur strafrechtlich beurteilt werden können, sondern man muss immer über die Verantwortung jener reden, die zur geistigen Verblendung der Verbrecher beigetragen haben. Wann, wenn nicht heute, ist es richtig, das zu sagen, wo wir kurz vor dem Abschluss des NSU-Prozesses stehen? Wo natürlich Täter da sind, aber eben auch Menschen, die eine Verantwortung haben, die den geistigen Boden für diese Massenmörder, für diese ekelhaften Mörder gelegt haben.
Völlig abwegig ist die Behauptung, die Wirkungsgeschichte der Marx´schen Theorien werde in den Ausstellungen nicht berücksichtigt. Es sind drei Ausstellungen an vier Standorten. An einer dieser, nämlich in jener, die eine Dauerausstellung im Karl-Marx-Haus sein wird, wird es ausdrücklich um die Wirkungsgeschichte gehen, also auch um die Fragen, was mit diesen Ideen passiert ist und was daraus gefolgt ist. Insofern ist es völlig falsch, ja geradezu abwegig zu behaupten, es spiele keine Rolle.
Sie rekurrieren auf eine Aussage des Geschäftsführers der KAMAG auf die Frage, ob in einer dieser Stätten, nämlich ob im Landesmuseum eine Wirkungsgeschichte stattfinde, die er verneint hat. Es ist richtig, dass eine Ausstellung an vier Stätten nicht davon lebt, dass man an allen vier Stätten immer das Gleiche zeigt, sondern dass die Breite vollumfänglich abgebildet wird.