Protocol of the Session on April 26, 2018

Herr Abgeordneter Rahm, wir haben uns in der Vergangenheit schon gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen und auch mit Niedersachsen beim Bund dafür eingesetzt, dass der Brennelementeexport aus Deutschland in diese grenznahen Kernkraftwerke unterbleibt. Ich persönlich habe zusammen mit dem damaligen nordrhein-westfälischen Staatssekretär und der niedersächsischen Staatssekretärin einen entsprechenden Brief an das Bundesumweltministerium gerichtet. Dieses Thema ist aber bisher beim Bundesumweltministerium noch nicht aufgenommen worden, und wir werden weiterhin auf dieser Baustelle arbeiten, wenn ich das so sagen darf.

Der entscheidende Punkt ist, dass es im Atomgesetz eine Vorschrift gibt, die aus unserer Sicht die Untersagung des Brennelementeexports ermöglichen würde; das müsste allerdings die Bundesregierung bzw. das Bundesamt für Strahlenschutz vollziehen. Im Bundesatomgesetz ist eine Klausel enthalten, ein Paragraf, der besagt, bei Sicherheitsgefährdung der Bundesrepublik können Brennelemente

exporte untersagt werden. Der Streit mit dem Bund geht im Moment noch darum, ob wir von einer ausreichenden Sicherheitsgefährdung reden können. Nach unserer Auffassung ist das eindeutig der Fall, und deswegen werden wir auch erneut an die Bundesregierung herantreten, um das einzufordern.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt.

Herr Staatssekretär, die vielen Bemühungen der Landesregierung auch in Bezug auf das Kernkraftwerk Cattenom in den letzten Jahren in diesem Hause waren ziemlich erfolglos. Welche Annahmen haben Sie, dass derselbe Kampf bei Tihange und Doel nun erfolgreicher sein könnte? Welche Annahmen legen Sie zugrunde, damit das nicht so erfolglos bleibt wie in Cattenom?

Herr Abgeordneter Schmitt, ich muss Ihnen zunächst widersprechen. Ich widerspreche ganz entschieden der Aussage, dass das erfolglos ist. Ich glaube, es ist durch die vielen Aktivitäten zunächst einmal gelungen, eine entsprechende Sensibilität herzustellen und dafür zu sorgen, dass dieses Thema nicht nur bei uns, sondern auch in den europäischen Nachbarstaaten inzwischen beachtet wird und es auch dort eine Bewegung gibt, mehr auf Sicherheit zu achten.

Vielleicht darf ich als einen Beleg dafür Folgendes anführen: Ich habe soeben die Klage erwähnt, die das Land Rheinland-Pfalz gegen den Reaktor Tihange 2 wegen der Risse im Reaktordruckbehälter führt. Inzwischen – das waren auch Informationen auf der Konferenz der INRAG – wollen dieser Klage auch belgische Kommunen beitreten. Die Stadt Lüttich will dieser Klage beitreten, die Stadt Verviers und die Stadt Dison. Dies zeigt sehr deutlich, dass die gemeinsamen Aktivitäten, die wir entfaltet haben, dazu führen, dass nun auch in unseren europäischen Nachbarländern verstärkt darüber nachgedacht wird, was das sicherheitstechnisch eigentlich bedeutet und man auf eine entsprechende Stilllegung der Reaktoren hinarbeiten muss.

Deswegen wenden wir uns an allen Stellen gegen die Laufzeitverlängerung dieser Reaktoren. Wir werden sehen, wie die Gerichtsverfahren, die ich genannt habe, ausgehen; aber ich glaube, dass wir festhalten können, dass die Erfolgschancen auf jeden Fall gestiegen sind.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hartenfels.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Sie haben den Klagebeitritt angesprochen. Bis wann rechnet die Landesregierung

mit dem Zulassungsbescheid zum rheinland-pfälzischen Klagebeitritt durch den belgischen Staatsrat?

Die Zulassung der Klage wird nach unserer Ansicht erfolgen. Wir haben bei dieser Klage die Situation, dass es zunächst dem belgischen Staatsrat vorgelegt worden ist und dieser nun die Klage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat. Das ist aus unserer Sicht auch ein gutes Zeichen, weil damit endlich auch auf der europäischen Gerichtsebene erreicht wird, dass dies zum Thema wird, und damit aus dem europäischen Blickwinkel und nicht nur aus dem Blickwinkel eines Mitgliedstaates die Dinge überprüft werden.

Mir liegen noch vier weitere Zusatzfragen vor, danach betrachte ich die Mündliche Anfrage als beantwortet. Zunächst hat Herr Abgeordneter Billen das Wort.

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass die Landesregierung der Klage gegen Tihange beigetreten ist, dass also die Sensibilität erst in Mainz angekommen ist, nachdem Aachen geklagt hat, nachdem Bitburg-Prüm geklagt hat, nachdem Daun geklagt hat und nachdem TrierSaarburg geklagt hat? Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage ist: Warum sind Sie denn so sicher, wenn das stimmt, was Sie uns zu Cattenom erzählt haben, dass eine Klage erfolglos wäre?

Herr Abgeordneter Billen, zunächst einmal möchte ich von der Reihenfolge her festhalten, dass das Land vor den Kommunen beigetreten ist, um das einmal festzuhalten.

(Abg. Michael Billen, CDU: Nein, nein, nein!)

Es haben sich einige Kommunen der Klage angeschlossen bzw. andere haben sie unterstützt, sind aber nicht selbst als Klagepartei aufgetreten. Das sollte man vielleicht doch auseinanderhalten, wer als Klagepartei aufgetreten ist und wer die Klage unterstützt. Das sind zwei verschiedene Dinge.

(Zuruf des Abg. Michael Billen, CDU)

Ich möchte festhalten, dass wir sehr frühzeitig – ich habe das Datum genannt –, schon vor gut zwei Jahren dieser Klage beigetreten sind.

Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, weshalb wir Erfolgsaussichten sehen, – – –

(Abg. Michael Billen, CDU: Keine Erfolgsaussichten sehen! – Abg. Christine Schneider, CDU: Nein, keine Erfolgsaussichten!)

Ich sage Ihnen nun, wo wir Erfolgsaussichten sehen und wo wir keine sehen.

Entscheidend ist, dass es in allen drei Fällen von den Erfolgsaussichten her eher negativ zu betrachten ist, wenn man die sofortige Stilllegung einklagen will. Es hat eine sehr viel größere Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn man gegen die Laufzeitverlängerungen klagt. Dies wollen wir in allen drei Fällen tun. Dies tun wir bei Tihange 1, und das tun wir auch bei Tihange 2, und das wird auch unser Weg bei Cattenom sein.

Die zeitlichen Abfolgen sind allerdings etwas anders. Bei Tihange war die Laufzeitverlängerung schon im Jahr 2015 entschieden worden; dort würde man also mit der Klage gegen die Laufzeitverlängerung wesentlich schneller eine Stilllegung erreichen, wenn sie denn Erfolg hat, als bei Cattenom, weil dort die nächste Laufzeitverlängerung erst ab dem Jahr 2025 ansteht und das dafür notwendige Verfahren ab 2019 oder ab 2020 beginnen wird.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wäschenbach.

Herr Staatssekretär, Sie sprachen die europäische Ebene an. Welche konkreten Möglichkeiten hätten die Europäische Kommission oder das Parlament, juristisch oder politisch gegen diese kritischen Meiler vorzugehen?

Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter Wäschenbach. Das Europäische Parlament hätte insbesondere zusammen mit der Kommission die Möglichkeit, die europäischen Sicherheitsstandards zu verschärfen, vor allem für die Laufzeitverlängerungen, die jetzt zum Teil geplant bzw. bei Tihange schon versucht worden sind zu vollziehen. Dies wäre der entscheidende Hebel, mit dem man auch juristisch und gesetzgeberisch am Ende zu einem schnellen Ende der Reaktoren kommen könnte.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten BlatzheimRoegler.

Vielen Dank. Herr Staatssekretär, Sie haben schon dargelegt, aus welchen Gründen die Landesregierung momentan von einer Klage gegen Cattenom absieht, und den weiteren Weg beschrieben. Wäre es möglich, im Licht der Tatsachen, die sich dann ergeben, auch nach dieser Anhörung, dass es noch einmal ein Zeitfenster für eine Klage gibt?

Das habe ich leider nicht verstanden.

Könnten sich aus dieser Anhörung und dem Bürgerbeteiligungsprozess noch einmal neue Erkenntnisse ergeben?

Ja, davon gehen wir aus. Vor allem werden wir argumentieren, ich muss da auf die Besonderheiten des französischen und belgischen Rechts zu sprechen kommen: Dort ist es anders als in Deutschland so konstruiert, dass von vornherein eine befristete Laufzeit vorgesehen wird, und wenn man das verlängern will, muss zum Teil jedenfalls ein neues Genehmigungsverfahren stattfinden. Das bietet die Möglichkeit, die heutigen Standards einzufordern und sich nicht mit den Standards der 80er-Jahre – als diese Reaktoren erstmals angefahren worden sind – begnügen und zufriedengeben zu müssen. Das wird aus unserer Sicht auch der erfolgversprechende Ansatz jeweils für die Klagen sein.

Eine abschließende Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt.

Herr Staatssekretär, wir konnten in den letzten Tagen in den Zeitungen lesen, in welcher Höhe die Landesregierung Klagekosten, zum Beispiel bei Cattenom, nicht akzeptiert. Welche Kosten akzeptieren Sie denn bis zu welcher Höhe bei der Klage gegen Tihange?

Wir haben bei der Klage gegen den Reaktor Tihange die günstige Situation, dass es ein Verfahren vor dem belgischen Staatsrat ist. Das ist dadurch gekennzeichnet, dass es nur eine geringe Gerichtsgebühr gibt und jede Seite ihre Anwaltskosten selbst trägt. Deswegen konnten wir dieser Klage auch unter Kostengesichtspunkten gut beitreten.

Ich will jetzt keine Kostengrenzwerte benennen, die wir auch gar nicht festgelegt haben. Wir werden alles in unserer Macht Stehende – politisch wie aber auch juristisch – tun, um die Reaktoren zu stoppen.

Vielen Dank. Damit ist die Anfrage beantwortet und damit ist auch die Fragestunde beendet. Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE DEBATTE

Insektensterben stoppen – Artenvielfalt ist unsere Lebensgrundlage

auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/6047 –

Für den Antragsteller wird Herr Kollege Hartenfels sprechen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Artenvielfalt in Deutschland, auch in Rheinland-Pfalz, gerät zunehmend unter Druck, und zwar in einer Größenordnung, in der wir uns das vor einigen Jahren noch nicht vorstellen konnten. Deswegen haben wir heute diese Aktuelle Debatte beantragt, und deswegen hat unsere Fraktion heute Morgen auch schon Saatgutpäckchen an Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiter verteilt. Es hat leider nicht für alle gereicht.

(Abg. Martin Haller, SPD: Schon gepflanzt!)

Ich habe mit Freude festgestellt, Sie haben es vielleicht vor dem Abgeordnetenhaus gesehen, da hat die Landjugend als symbolischen Blühstreifen eine kleine Kiste aufgestellt. Auch das ist eine erfreuliche Aktion – sage ich jetzt einmal –, weil wir uns in der Tat darum kümmern müssen, dass die Landschaften und die Landschaftsräume in Rheinland-Pfalz und auch in Deutschland wieder zunehmend zum Blühen gebracht werden.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Aber bitte der Reihe nach: Zunächst einmal, ich habe es angesprochen, die Artenvielfalt gerät unter Druck. Nicht nur einzelne Arten, sondern auch – das ist die neue Dimension, die die Langzeitstudien in den letzten Jahren aufgezeigt haben – die Populationen in ihren Gesamtbeständen haben dramatische Rückgänge zu verzeichnen. Man kann dazu eine Vielzahl von Studien anführen, zum Beispiel die Krefeld-Studie, die im Bereich der Insektenwelt nachgewiesen hat, dass wir Bestands-, Populations-, und Biomasserückgänge in einer Größenordnung von 70 % bis 80 % haben.

Wir können auch nach Bayern in die Inntal-Studie schauen. Dort wurden vor allem Schmetterlinge und Nachtfalter über mehrere Jahrzehnte beobachtet. Auch hier haben wir Bestandsrückgänge in Größenordnungen von 70 % bis 80 %.

Aber nicht nur dort, auch im Bereich der Wildbienen, in dem wir über ein Artenspektrum von 550 Arten reden, haben wir, wenn wir dort in die Roten Listen hereinschauen, die Situation, dass 50 % im Bereich der Wildbienen ausgestorben sind oder vom Aussterben betroffen sind.