Protocol of the Session on December 14, 2017

(Beifall der CDU)

denn Israel ist nicht irgendein Land, verehrte Damen und Herren. Wir tragen für Israel und das jüdische Leben eine historische Verantwortung, die sich eben nicht nur in Gedenkstunden erschöpfen darf, sondern auch in stürmischen Zeiten.

(Beifall der CDU)

Aus diesem Grund habe ich im Juni, und jüngst auch die Ministerpräsidentin, das Land Israel besucht. Kritik an israelischer und US-amerikanischer Politik in der Jerusalemfrage sollte man dennoch äußern dürfen. Das gehört zur Freundschaft.

Ja, wir sind geübt im Gedenken, auch im Aufstehen gegen Rechtsextremismus. Doch es macht sich schleichend ein wachsender Antisemitismus hier in Deutschland, in unserem Land breit, auf den Schulhöfen, auf der Straße, im Internet, bei Kuwait Airways, die sich auf deutschem Boden weigern darf, einen Israeli mitzunehmen.

Wenn eine Airline offen ihren Antisemitismus zur Schau trägt, dann ist es schlimm genug, dass in vielen Ländern dieser Welt kein Anstoß daran genommen wird. Aber dann soll sie gefälligst nicht auf deutschem Boden landen dürfen!

(Beifall der CDU)

Der Davidstern wird vor dem Brandenburger Tor verbrannt, und der Polizeisprecher spricht von „keinen großen Störungen“. Sind das Abstumpfungserscheinungen, oder ist das eine falsch verstandene Toleranz? – Auch hier in Mainz gab es vor etwa drei Jahren Demonstrationen, bei denen Parolen skandiert wurden: „Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“ Aktuell auch wieder, gerufen von Bürgern unseres Landes, von Zugewanderten, die sagen: Das mit den Juden ist eure Geschichte, nicht unsere. – Doch, liebe Freunde, wer hier in Deutschland lebt und die Rechte dieses Landes in Anspruch nimmt, hat auch Pflichten und Verantwortung zu tragen.

(Beifall der CDU)

Johannes Gerster hat deshalb übrigens Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Ohne Erfolg. Ich kann das ungute Gefühl vieler Mitbürger jüdischen Glaubens verstehen, dass antisemitische Ausfälle nicht immer rechtsstaatliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus gab es judenfeindliche Kundgebungen auch in Rheinland-Pfalz, in Mainz, in Koblenz, in Trier. In Mainz

wurden Landkarten ohne Israel gezeigt. Deshalb möchte ich Danke sagen an das „Bündnis Mainz für Israel – Gegen Antisemitismus in unserer Gesellschaft“ – ein wichtiges Zeichen, dass nicht nur die einen auf die Straße gehen, die gegen Juden hetzen, sondern auch die anderen, die sich solidarisch zeigen.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem, welches in allen politischen extremen Ausprägungen Eingang und Zugang findet. Es kommt von rechts, von links,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Auch!)

aus der Mitte der Gesellschaft, ja, auch von muslimischer Seite. Es wird oft als Israelkritik euphemisiert.

Jetzt höre ich von der AfD wieder „auch“. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir in der Mitte der Gesellschaft über Antisemitismus reden. Es gibt keinen guten oder schlechten Antisemitismus. Mir ist egal, ob er muslimisch, ob er links oder rechts ist; denn auch aus der AfD kommt eine Verharmlosung unseres Geschichtsbewusstseins. Sie haben Holocaust-Leugner in Ihren Reihen in der Bundespartei.

(Beifall der CDU – Abg. Uwe Junge, AfD: Unglaublich!)

Deshalb sage ich ganz klar: Antisemitismus dürfen wir nicht dulden, egal, ob er muslimisch oder sonstwo hergeleitet ist.

(Beifall der CDU, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich bin froh, dass eine Seite „Freiheit für Palästina“ auf Facebook nach zwei Jahren hartem Kampf endlich gelöscht worden ist.

Antisemitismus ist wandlungsfähig. Das darf uns nicht kaltlassen. Antisemitismus heißt auch, dass wieder Kampagnen salonfähig werden, zum Beispiel die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) zur wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Isolierung Israels; denn das Verhältnis vieler linker und rechter Gruppen zu dieser Kampagne ist alles andere als geklärt, gerade auch an Hochschulen und in Kulturzentren. Dort wird aufgerufen: Kauft nicht bei Juden. – Da werden Geister einer Vergangenheit wieder wach. Das werden wir nicht zulassen.

(Beifall der CDU)

Deshalb sagen wir auch, wir werden keinen Judenhass zulassen. Wir sagen, wir müssen gegebenenfalls gesetzliche Regelungen schaffen, klare Regelungen und klare Ansagen. Wir sagen auch: Antisemitismus der neuen Ausprägung muss viel stärker Eingang in den Schulunterricht finden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir betonen noch einmal, dass Integrationsvereinbarungen hier mit Zuwanderern geschlossen werden müssen;

denn wer nach Deutschland kommt und die Rechte von Deutschland in Anspruch nimmt,

(Glocke des Präsidenten)

die er hier hat, von dem erwarten wir auch, dass er zur Geschichte Deutschlands steht, egal, ob er muslimischen Glaubens ist oder nicht. Judenhass hat hier keinen Raum.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir dürfen Gäste im Landtag begrüßen. Zunächst begrüße ich Bürger aus dem Wahlkreis 9 – Koblenz. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Dann dürfen wir die Weinmajestäten aus dem Kreis Cochem-Zell begrüßen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Schweitzer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich zitiere: „Viele geben sich nicht als Jude oder Jüdin zu erkennen. Sie meiden Stadtteile, in denen sie Übergriffe fürchten. Die Rückzugsstrategien betreffen auch ganz private Entscheidungen. Wie erziehe ich eigentlich meine Kinder? Was sage ich ihnen, wie sie in der Schule auftreten sollen? Sollen sie sich als Juden zu erkennen geben? Die Bedrohung kommt für Juden von allen Seiten,

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Heute in der F.A.Z.!)

von rechts, von links, aus der Mitte der Gesellschaft und, ja, auch von muslimischer Seite. Deswegen hat es unserer Ansicht nach auch keinen Sinn zu fragen: Welcher Antisemitismus ist eigentlich der schlimmste? Wir müssen alle Formen bekämpfen, weil alle Formen den Alltag von Jüdinnen und Juden prägen.“ Meine Damen und Herren, das ist kein Zitat, das lange Jahre und Jahrzehnte zurückliegt.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Heute in der F.A.Z.!)

Das ist aus dieser Woche aus einem Interview mit Benjamin Steinitz.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Ach ja, stimmt!)

Er ist Mitarbeiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin. Es wurde in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht.

Das ist leider Gottes eine zutreffende Analyse eines wesentlichen Teils jüdischen Lebens in unserer Zeit. Ich möchte Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren: Wir werden hier auch über politische und gesetzgeberische Schrit

te nachdenken müssen, wahrscheinlich auch über diese Aktuelle Debatte hinaus nachdenken und sprechen müssen.

Ich will aber, dass sich dieses Hohe Haus in einem gemeinsam bekennt: Nie wieder darf es vorkommen, dass wir ein solches Bekenntnis, eine solche Äußerung eines jüdischen Mitbürgers für normal oder statthaft halten. Meine Damen und Herren, es darf nicht vorkommen, dass sich in Deutschland ein Mensch jüdischen Glaubens in einer solchen Situation wähnen oder befürchten muss, dass sein persönliches Leben oder das Leben seiner Familie bedroht ist.

(Beifall im Hause)

Es ist so, dass der Antisemitismus verschiedene Farben trägt, aber immer dieselbe Adresse hat, dass er verschiedene Begründungen nutzt, ich würde eher sagen, missbraucht, von der vermeintlichen Israelkritik über die völkische Judenfeindlichkeit bis – auch das will ich sagen – zur stumpfen Globalisierungskritik.

Wenn ich mir anschaue, dass neben den legitimen Protesten, die man sehen kann, bei manchen Demonstrationen vermeintlich linke Gruppen, linksautonome Gruppen sinnbildlich eine Krake mit sich herumtragen, auf den internationalen Finanzkapitalismus münzend, dann ist das nichts anderes als die Bildsprache des faschistischen Antisemitismus der 30er-Jahre. Auch da muss man deutlich sagen, es ist egal, welche Begründung man missbraucht. Antisemitismus ist Antisemitismus. Er wird gleichermaßen von uns allen aus der demokratischen Mitte heraus bekämpft. Da kann es keine falsche Toleranz geben.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man diese Verschwörungstheorien anschaut, hat man danach das Gefühl, man muss sich die Hände waschen, wenn man das im Internet gelesen hat. Es fällt einem auf, dass Theodor Adorno recht mit der Aussage hatte: „Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden.“

Man hat den Eindruck, dass gerade durch den Ultrahocherhitzer Internet manches Gerücht, je absurder es ist, desto stärker verbreitet wird, auch über Menschen jüdischen Glaubens.