Protocol of the Session on November 23, 2017

Ich habe gerade darauf hingewiesen. Wir hatten ein Treffen mit der französischen Delegation, mit den Abgeordneten. Dort habe ich noch einmal ganz stark auf die Notwendigkeit, die wir aus rheinland-pfälzischer Sicht sehen, nämlich die grenznahen Atomkraftwerke wie Fessenheim oder Cattenom abzuschalten, hingewiesen.

Wir haben auch vereinbart, dass wir uns mit den Abgeordneten zum Gespräch über dieses Thema treffen. Sie wissen, das war bisher sehr schwierig. Nun sind es alles neue Abgeordnete. Mal sehen, wie deren Einfluss und Positionen im nationalen Parlament sind. Jedenfalls haben wir das aber eingeleitet.

Ganz klar ist für uns, das eine nicht gegen das andere auszuspielen. Atomkraft ist genauso gut abzuschalten, wie eine Lösung für den Ersatz der Kohleverstromung gesucht werden muss.

Ich sage aber noch einmal: Es gibt unglaublich viel Technologie, die auf den Einsatz wartet. Das wäre wirtschaftlich auch wirklich ein Gewinn.

Was die Versorgungssicherheit in Frankreich angeht: Klar ist, Frankreich bezieht viel Strom von Deutschland, trotz der vielen Atomkraftwerke, die sie im Moment haben. Das zeigt natürlich schon, dass die Sicherheit auch nicht unbedingt mit deren Strategie zu verbinden ist. Sie haben aber natürlich recht, sie haben es dort etwas leichter, den Kohleausstieg zu verkünden. Sie haben nur 4 % Kohle.

Damit ist die Fragestunde beendet. Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und bei der SPD)

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE DEBATTE

50 Jahre pro familia – 50 Jahre Einsatz für sexuelle Selbstbestimmung auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4640 –

Ich darf dem Antragsteller das Wort erteilen. Frau Blatzheim-Roegler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! 50 Jahre pro familia in Rheinland-Pfalz, 50 Jahre für sexuelle Selbstbestimmung. pro familia wurde 1952 als Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie gegründet. Ein Leitmotiv war: Jedes Kind hat das Recht, erwünscht zu sein.

1967, also genau vor 50 Jahren, entstand der Landesverband Rheinland-Pfalz. pro familia ist ein konfessionell und parteipolitisch ungebundener gemeinnütziger Fachdienstleistungs- und Interessensverband, und das seit 50 Jahren.

Die Arbeit, die pro familia seit 50 Jahren in Rheinland-Pfalz leistet – natürlich auch in anderen Bundesländern –, kann nicht hoch genug bewertet werden. Dies kam auch auf dem Festakt am 10. November dieses Jahres im Landesmuseum Mainz zum Ausdruck. Einige Kolleginnen und Kollegen waren mit dabei.

Auch die Allgemeine Zeitung setzte am 21. November 2017 mit ihrem Artikel „50 Jahre im Dienst der Familie“ dem Jubiläum einen würdigen Glückwunsch. Das hat mich gefreut.

Wenn jemand nicht teilnehmen konnte, dann darf ich vielleicht mit Erlaubnis des Präsidenten die Broschüre zu 50 Jahre pro familia in Rheinland-Pfalz noch einmal jedem ans Herz legen. Ich kann in diesen paar Minuten natürlich nicht die ganze Geschichte erzählen.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Schade! – Heiterkeit bei dem Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Angebot von pro familia wird angenommen. Über 43.000 Menschen im Jahr kommen durchschnittlich in die Beratungsangebote von pro familia in Rheinland-Pfalz. Mit ihren Informationen über die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung und sexualpädagogischen Angeboten klärt pro familia auf und leistet damit einen enorm wichtigen Beitrag zur Verhinderung von ungewollten Schwangerschaften und der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten.

pro familia berät und unterstützt Frauen und Paare in Krisen- und Konfliktsituationen und zeigt Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfen auf. pro familia bestärkt Kinder

und Jugendliche mit ihren Aufklärungsangeboten, selbstbewusst Grenzen zu setzen, aber auch einen unbelasteten Zugang zu ihrer eigenen Sexualität zu finden.

Insbesondere den Angeboten an Sexualpädagogik ist es zu verdanken, dass Deutschland seit Jahren eine der niedrigsten Teenagerschwangerschaftsraten weltweit hat.

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Das ist richtig!)

Nach der Statistik sind es zehn Schwangerschaften auf 1.000 Mädchen. Zum Vergleich: In den USA, die sehr viel restriktivere Gesetze haben, sind es 35 Teenagerschwangerschaften auf 1.000 Mädchen.

Die Veranstaltungen werden in Kooperation mit Jugendverbänden und Schulen angeboten, auch begleitet von Eltern mit Elterngesprächen, und finden für Mädchen und Jungen getrennt statt. Das hat sich – so die Aussage von pro familia – bewährt.

pro familia trägt mit ihren Angeboten – das ist noch nicht so alt – für Prostituierte auch zu deren Schutz und Unterstützung bei. Ein Beispiel in Rheinland-Pfalz ist Roxanne, die Prostituiertenberatung in Koblenz.

pro familia bietet Beratung und Familienplanung an sowie Aufklärungsveranstaltungen für Menschen mit Behinderung, ganz lange ein Tabuthema.

Darüber hinaus ermöglicht es pro familia mit den Schwangerenkonfliktberatungsstellen ungewollt schwangeren Frauen, eine verantwortungsvolle Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft zu treffen.

pro familia betreibt in Rheinland-Pfalz eine Einrichtung zur Durchführung von Abtreibungen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Unversehrtheit von Frauen.

Blickt man zurück auf die Geschichte von pro familia, wird vor allem deutlich, welch zentrale Bedeutung pro familia bei der Verwirklichung des Rechts von Frauen auf Selbstbestimmung und gerade auch sexuelle Selbstbestimmung gespielt hat. Gerade hier haben wir aber aktuell mit erschreckenden Rückschlägen zu kämpfen.

In den rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien grassiert ein frauenfeindliches und antifeministisches Gedankengut, das einen oft sprachlos macht. Die unvorstellbare Rückwärtsgewandtheit, mit der die Rechtspopulisten zivilisatorische Errungenschaften der feministischen Bewegung infrage stellen, hätten viele von uns nicht mehr möglich gehalten.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Um es ganz klar zu sagen: Es geht dabei um eine Renaissance der gesellschaftlich akzeptierten Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen. Das kommt auch in der Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen zum Ausdruck. Gegebenenfalls, so wird gefordert, sei durch gesetzliche Korrekturen ein wirksamer Lebensschutz zu gewährleisten.

(Glocke des Präsidenten)

Was Lebensschutz beinhaltet, werde ich Ihnen in der zweiten Runde sagen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Der nächste Redner ist der Abgeordnete Teuber von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann sehr gut an meine Vorrednerin zum Thema Schwangerschaftsabbrüche anschließen. Morgen steht Kristina Hänel vor Gericht. Kristina Hänel, Frauenärztin aus Gießen, muss sich dafür juristisch verantworten und rechtfertigen, dass sie Patientinnen darüber informiert, wie Schwangerschaftsabbrüche zu vollziehen sind, und mit ihnen in die Beratung geht.

Sie wird dazu gezwungen, weil selbsternannte Lebensschützer den § 219 a dazu ausnutzen, Werbung zu Schwangerschaftsabbrüchen so auszulegen, dass Information schon einer Werbung gleichkommt.

Ich denke, wir sind einer Meinung, dass dies auf perfideste Art und Weise die schwierige Situation von Frauen ausnutzt, die vor einer ganz schwierigen Entscheidung stehen und nicht eine Rechtsauseinandersetzung, sondern Ärztinnen und Ärzte an ihrer Seite brauchen, die sie wirklich objektiv beraten und auch dafür einstehen, dass im Zweifel die Errungenschaft, auch dank pro familia, den § 218 in den 70er-Jahren straffrei zu setzen, Unterstützung bekommt.

In diesem Sinn ist es ein guter Anlass, heute zu dem Thema 50 Jahre pro familia Rheinland-Pfalz zu sprechen, weil wir auch über solche aktuellen Anlässe sprechen müssen, wie sie Kristina Hänel morgen vor dem Gericht zu diskutieren und zu rechtfertigen hat. Darüber hinaus gibt es seit einem Jahr „Nein heißt Nein“. Am 10. November 2016 ist die Novellierung des Sexualstrafrechts in Kraft gesetzt worden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um vor allem Frauen in der Selbstbestimmung ihrer Sexualität zu stärken und davor zu schützen, dass häufig die juristische Verfolgung nicht so nachvollziehbar ist und eine Stigmatisierung stattfindet, wenn man in dem Bereich Opfer einer Sexualstraftat wurde.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt, den wir auf Bundesebene erreichen konnten. Dieser ist gleichzeitig mit der Debatte „MeToo“ in Einklang zu bringen, die wir in den sozialen Netzwerken sehr breit verfolgen konnten, und bei der man erschreckenderweise deutlich gemacht bekam, wie groß die Dunkelziffer vor allem von Frauen sein musste und heute immer noch sein wird, die unter sexueller Belästigung im Alltag zu leiden haben.

Diese drei Beispiele zeigen, dass wir offensichtlich in einer Gesellschaft leben, die vor 50 Jahren in Rheinland-Pfalz

dank pro familia begonnen hat, gemeinsam mit modernen und aufgeschlossenen politischen Kräften für die Stärkung von Selbstbestimmtheit in der Sexualität, für die Stärkung von Frauen und Opfern, aber auch für die Täterarbeit – das will ich deutlich dazu sagen – insgesamt einzutreten.

Wir sind in vielen Punkten dabei, dass einige in unserer Gesellschaft versuchen, das zurückzudrehen. Das können wir als SPD nicht tolerieren. Nein, wir sagen ganz klar, „Nein heißt Nein“ und „MeToo“. Wir wollen in dem Bereich ganz klar für Transparenz und die Nachverfolgung von Straftaten sorgen und keinen Fußbreit dulden, dass sich Menschen dafür rechtfertigen müssen, welche sexuelle Orientierung sie haben und ob sie vor der schwierigen Entscheidung einer Abtreibung stehen.

Wir werden weiter als Landesregierung dafür sorgen, dass pro familia ihre unschätzbar wertvolle Arbeit auch die nächsten Jahrzehnte im Dienste der Frauen, der Familien und des Kindes darstellen kann.

Zum Abschluss will ich noch einmal betonen, dass pro familia entstanden ist, um das Recht des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen und in dem Bereich auch tatsächlich darüber zu entscheiden, dass Familien und Frauen diese Würde und das Wohl des Kindes wieder im Mittelpunkt haben können.

In diesem Sinne danke ich noch einmal, dass wir heute über dieses Thema diskutieren. Ich will dafür werben, dass wir uns politisch weiterhin ganz stark dafür machen, dass dieser Einbruch von rechts kein Rückschritt für unsere moderne Gesellschaft ist.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder der Frauen Union Südliche Weinstraße, Landau und Germersheim. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)