Protocol of the Session on November 23, 2017

Herr Dr. Bollinger mit einer Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, hat die Landesregierung angesichts der Tatsache, dass die betreffende Person grundsätzlich ausreisepflichtig ist, die Möglichkeit geprüft, die Person in Ausreisegewahrsam zu nehmen?

Vielen Dank.

Herr Abgeordneter Bollinger, ich habe vorhin dargelegt, dass noch nicht feststeht, ob diese Person grundsätzlich

ausreisepflichtig ist oder nicht. Das ist eine Frage, die das Verwaltungsgericht Trier zu entscheiden hat. Sobald diese Entscheidung rechtskräftig vorliegt – er kann gegebenenfalls bis zum Bundesverwaltungsgericht gehen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind –, kann die Ausländerbehörde prüfen, welche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchgeführt werden können. Sie können aber jemanden zum Beispiel nicht endlos in Abschiebehaft nehmen. Wenn von vornherein feststeht, dass es keinen aufnehmenden Staat gibt, dann wird es schwer.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ich sprach von Ausreisegewahrsam!)

Das Ausreisegewahrsam dient dazu, die Ausreise sicherzustellen, damit er nicht untertauchen kann. Wenn von vornherein feststeht, dass Sie es nicht zwangsweise durchsetzen können, weil es keinen Aufnahmestaat gibt, dann wird es schwer sein, ein Gericht davon zu überzeugen, dass ein entsprechender Gewahrsam, der nur zum Zwecke der Sicherung der Ausreise angeordnet wird, die Sie dann nicht zwangsweise durchsetzen können, ein entsprechender Gewahrsam angeordnet wird. Das dürfte verfassungsrechtlich kaum zu überwinden sein.

Vielen Dank, damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Steven Wink und Marco Weber (FDP), „Woche der Berufsbildung in Rheinland-Pfalz“ – Nummer 4 der Drucksache 17/4623 – betreffend, auf.

Wer trägt vor? – Herr Wink, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle Situation des Ausbildungsmarktes in Rheinland-Pfalz?

2. Welche Erkenntnisse zieht die Landesregierung aus den im Rahmen der „Woche der Berufsbildung“ absolvierten Besuchen?

3. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die Attraktivität beruflicher Ausbildungen in Rheinland-Pfalz zu erhöhen?

4. Was unternimmt die Landesregierung, um die hohe Qualität der beruflichen Bildung auch in Zukunft vor dem Hintergrund sich verändernder Anforderungsprofile der Arbeitswelt sicherzustellen?

Für die Landesregierung antwortet Herr Wirtschaftsminister Dr. Wissing.

Besten Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Wink, Herr Kollege Weber, meine Damen und Herren! Um die Berufsbildung in Rheinland-Pfalz gezielt ins öffentliche Blickfeld zu rücken, habe ich mich entschieden, in diesem Jahr eine Woche der Berufsbildung zu veranstalten. Gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern wurde die Woche der Berufsbildung in Rheinland-Pfalz in dieser Form erstmals vom 4. bis 10. November 2017 durchgeführt. Sie ist mit einer Pressekonferenz am 27. Oktober im Industrieinstitut für Lehre und Weiterbildung in Mainz gestartet.

In der anschließenden Woche der Berufsbildung haben meine Staatssekretärin Frau Daniela Schmitt und ich Unternehmen, Veranstaltungen und Einrichtungen der Kammern und Verbände besucht und uns über die Situation der beruflichen Bildung im Land informiert.

Untersuchungen zufolge werden wir in den nächsten 15 Jahren kaum Schwierigkeiten haben, den Bedarf an akademisch gebildeten Fachkräften zu decken. Im Gegensatz dazu wird sich der Arbeitsmarkt für beruflich qualifizierte Fachkräfte, also vor allem diejenigen mit einer betrieblichen Ausbildung, eher weiter anspannen. Hierin liegt eine wirtschaftspolitische Herausforderung, die gleichzeitig für kompetente Fachkräfte ganz besondere Karrierechancen bereithält.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der Ausbildungsmarkt in Rheinland-Pfalz ist derzeit geprägt von Passungsproblemen. Viele junge Menschen in Rheinland-Pfalz wollen den attraktiven Weg über die berufliche Bildung gehen. Andererseits suchen viele Betriebe händeringend Auszubildende sowie qualifizierte Fachkräfte. In den vergangenen Jahren fiel es den Akteuren zunehmend schwer, auf dem Ausbildungsmarkt zusammenzukommen. Gleichzeitig streben immer mehr junge Menschen einen akademischen Abschluss an. Bei der Entscheidung nehmen auch die Eltern eine wichtige Rolle ein, die oftmals die betriebliche Ausbildung nicht als gleichwertige Alternative wahrnehmen. Dies greifen wir in unseren Aktivitäten zur Berufsorientierung auf.

Derzeit werden in Rheinland-Pfalz rund 67.000 Auszubildende in über 21.000 Ausbildungsbetrieben und berufsbildenden Schulen ausgebildet. Jedes Jahr absolvieren rund 3.500 Menschen in Rheinland-Pfalz eine Prüfung der höheren Berufsbildung und erhalten einen Meisterbrief oder ein Zeugnis über den Abschluss Fachwirtin oder Fachwirt.

Diese Fortbildungsabschlüsse stehen einem akademischen Abschluss in nichts nach und bieten hervorragende Karrierechancen.

Zu Frage 2: Aus meiner Sicht war die Woche der Berufsbildung ein großer Erfolg. Es wurde wertgeschätzt, dass sich Mitglieder der Landesregierung über die Sorgen und Nöte der Ausbildungsbetriebe und in den Regionen mit angespanntem Ausbildungsmarkt informieren. Wir konnten aber auch feststellen, dass viele Ausbildungsbetriebe ein hohes

Maß an Engagement aufbringen, um ihr Unternehmen für Nachwuchs- und Fachkräfte attraktiv zu gestalten.

Die Besuche zeigten ferner, dass viele Ausbildungsbetriebe bei uns weitaus innovativer, moderner und besser aufgestellt sind, als von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Aber auch die Kammern leisten hier viel. Bei meinem Besuch der Nacht der Technik der Handwerkskammer Koblenz war ich beeindruckt, wie sich modernes Handwerk präsentiert und welche Begeisterung die Hightech-Aspekte des Handwerks bei den Besucherinnen und Besuchern ausgelöst haben.

Wichtig ist, dass ein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfindet und die berufliche und akademische Bildung gleichwertig wahrgenommen werden – auf Augenhöhe. Hierzu haben wir einen weiteren Beitrag mit der Woche der Berufsbildung geleistet und dies auch in die Öffentlichkeit getragen.

Wir werden uns auch in Zukunft in hohem Maß für die berufliche Bildung einsetzen und mit unseren Aktivitäten in diesem Bereich nicht nachlassen.

Ich will dazu ergänzen, dass die Idee der Woche der Berufsbildung auch darauf angelegt war, die ganzen Akteure zu veranlassen, auch eigene Veranstaltungen durchzuführen. Es gab Sprechstunden, die von Kammern angeboten worden sind, und vieles mehr.

Zu Frage 3: Am 16. November hat der Ovale Tisch Ausbildung und Fachkräftesicherung die neue Fachkräftestrategie für Rheinland-Pfalz beschlossen. Mit der neuen Strategie, die für die Zeit 2018 bis 2021 angelegt ist, will die Landesregierung zusammen mit den Partnern des Ovalen Tisches Unternehmen dabei unterstützen, ihren Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu decken. Wir haben uns darin auf viele konkrete Maßnahmen verständigt, darunter auch der Aufstiegsbonus I und der Aufstiegsbonus II, der erfolgreiche Fortbildungsabschlüsse und Existenzgründungen anregen und finanziell würdigen soll.

Wir wollen die berufliche Ausbildung weiter stärken. Zusammen mit der Wirtschaft werden wir die außerschulischen Angebote zur Berufsorientierung ausweiten und in den Ferien Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit bieten, sich praxisnah in den Betrieben und überbetrieblichen Ausbildungsstätten einen ganz persönlichen Eindruck über die verschiedenen Berufe zu verschaffen.

In diesem Zusammenhang fördern wir auch Coaches für betriebliche Ausbildung bei den Handwerkskammern. Diese beraten junge Menschen bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz und gleichen ihre Fähigkeiten mit den konkreten Anforderungen der Betriebe ab. Ziel ist die erfolgreiche Vermittlung in einen Ausbildungsbetrieb.

Das sind nur drei Vorhaben, die wir im Rahmen der Landesfachkräftestrategie umsetzen. Insgesamt investiert das Wirtschaftsministerium in die Berufsbildung in diesem und im nächsten Jahr rund 35 Millionen Euro.

Zu Frage 4: Ein Teil dieser 35 Millionen Euro fließt in die Förderung von Investitionen zum Neubau und zur Moderni

sierung der überbetrieblichen Bildungsstätten in RheinlandPfalz.

Mein Haus hat hier in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt rund 12 Millionen Euro bewilligt. Der Bund ergänzt die Förderung des Landes um weitere 21,8 Millionen Euro.

Mit der Förderung der überbetrieblichen Bildungsstätten und der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung ist gewährleistet, dass hier eine hochwertige Ausbildung in moderner Infrastruktur stattfindet. In der neuen Fachkräftestrategie für Rheinland-Pfalz, die in der vergangenen Woche unterzeichnet wurde, haben wir vereinbart, Unternehmen bei der weiteren Verbesserung der Ausbildungsqualität zu unterstützen. Vor allem wollen wir damit die Anzahl der vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverhältnisse verringern.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schneid.

Herr Minister, wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Ausstattung der berufsbildenden Schulen vor Ort? Haben Sie sich die auf dem Weg auch insbesondere im Hinblick auf die technische Ausstattung und IT-Ausstattung angeschaut?

Danke schön.

Frau Kollegin, die Ausstattung der berufsbildenden Schulen liegt der Landesregierung besonders am Herzen. Wir haben uns in unserem Koalitionsvertrag, aber auch in unserem Regierungshandeln darauf verständigt, dass die berufliche Bildung ein ganz wichtiger Pfeiler rheinlandpfälzischer Bildungspolitik ist. Hier arbeiten das Bildungsministerium und das Wirtschaftsministerium in eine Richtung eng zusammen.

Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Wink.

Vielen Dank für die Ausführungen. Könnten Sie vielleicht ergänzend die Maßnahmen erläutern, welche angedacht sind oder schon eingeleitet wurden, um die Unternehmen zu unterstützen, gegenüber den Herausforderungen das Fachkräftemangels zu bestehen bzw. die Effekte aus der Förderung der beruflichen Ausbildung voll nutzen zu können?

Vielen Dank, Herr Kollege Wink. – Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen. Ich habe schon die 35 Millionen Euro erwähnt, die u. a. für Investitionen in den Neubau und die

Modernisierung der überbetrieblichen Bildungsstätten in Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt werden. Diese hohen Summen sind erforderlich; denn wir sind der festen Überzeugung, dass die Ausbildungsstätten dem Anspruch an moderne Bildungseinrichtungen gerecht werden müssen. Da arbeiten wir eng mit den Verantwortlichen vor Ort zusammen.

Mit dem Ausbildungsbonus I und II setzen wir zusätzliche Anreize. Einmal honorieren wir mit dem Aufstiegsbonus I die Qualifikation im Bereich der beruflichen Bildung. Gleichzeitig fördern wir damit den Weg in die Selbstständigkeit, weil gerade im Bereich der Qualifikation im Rahmen der beruflichen Bildung wichtige Unternehmen entstehen, die Arbeitsplätze sichern.

Ganz wichtig ist, in den nächsten Jahren zu erkennen, dass wir zahlreiche Unternehmen haben, die zur Übernahme anstehen und bei denen eine Übernahme nicht aus der eigenen Familie heraus gesichert ist. Vor diesem Hintergrund möchte die Landesregierung Anreize setzen, sich im Bereich der beruflichen Bildung höher zu qualifizieren und dann nach der Qualifikation den Weg in die Selbständigkeit – also Unternehmensgründung einerseits oder auch Übernahme eines bestehenden Unternehmens andererseits – zu gehen. Deshalb ist der Ausbildungsbonus II höher als der Ausbildungsbonus I. Ich nenne das gerne Anerkennungskultur für die Helden unserer Gesellschaft, die im Rahmen höherer beruflicher Qualifikation in die Selbstständigkeit oder die Unternehmensübergabe gehen und dadurch Arbeitsplätze neu schaffen oder wichtige Arbeitsplätze im ländlichen Raum sichern.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Frisch.

Herr Minister, Sie haben zu Recht kritisch angemerkt, dass wir einen gesellschaftlichen Trend zur Akademisierung haben. Sie haben da unter anderem die Eltern ein Stück weit in die Verantwortung genommen, die solche Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Würden Sie mir zustimmen, dass daneben aber auch bildungspolitische Versäumnisse diese Entwicklung vorangetrieben haben, wie die Abschaffung der Hauptschule, die ständige Erweiterung der Hochschulzugangsberechtigungen und das Absenken des Leistungsniveaus etwa im Bereich das Abiturs?