Protocol of the Session on November 22, 2017

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschiebungen sind ohne Frage ein schwieriges und hartes Geschäft, und zwar für die Betroffenen, ihre Familien und auch für die, die vollziehen müssen, nämlich die Einsatzkräfte, die Behörden, die Justiz und die Polizeibeamten. Doch muss die deutsche Rechtsordnung konsequent durchgesetzt werden.

(Beifall der CDU)

Für unser Asylrecht in Deutschland, für seine Akzeptanz und Legitimation ist es entscheidend, Missbrauch und selbst den Anschein von Missbrauch zu verhindern; denn hier geht es um Verantwortung, und zwar nicht nur dem einzelnen Asylsuchenden gegenüber, der einen Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Verhalten hat, sondern es geht um die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die wir für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes tragen, vor allem, wenn es darum geht, die Bevölkerung zu schützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier muss die Landesregierung nun eingestehen, dass sie versagt hat.

(Beifall der CDU)

Blicken wir vier Jahre zurück. Da hat das grün geführte Integrationsministerium – mit Unterstützung der SPD wohlgemerkt – groß verkündet, die Abschiebehaft müsse abgeschafft werden, und ging prompt ans Werk. Als Zwischenschritt wurde zunächst für 4 Millionen Euro die Gewahrsamseinrichtung Ingelheim zurückgebaut. Der Haftcharakter sollte vermieden werden.

Also hat man die Gitter abmontiert, den Stacheldrahtzaun medienwirksam durchgeschnitten und Zäune und Mauern entfernt. Begründet wurde die Entscheidung unter anderem so, die Gewahrsamseinrichtung sei nur noch sporadisch belegt. Doch wie ein Journalist vergangene Woche treffend kommentierte, löst man auch nicht die Feuerwehr auf, wenn es einmal länger nicht brennt.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kritisierten damals diesen Schritt. Deshalb wurde die CDU-Fraktion mit Attributen wie inhuman und kaltherzig belegt. Nun, nicht einmal vier Jahre später, holt die Landesregierung die Fahne wieder ein. Abschaffung der Abschiebehaft – kein Ton mehr von Ihnen. Rückbau von Sicherungsmaßnahmen – nein. Jetzt folgt gewissermaßen der Rückbau des Rückbaus der Sicherungsmaßnahmen,

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch gut, oder?)

oder einfacher ausgedrückt: Die Gitter, Mauern und Zäune von damals werden wieder neu errichtet, verbunden, Herr Braun, mit Kosten für den Steuerzahler in Millionenhöhe.

(Beifall der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das ist falsch!)

Es geht – Sie werden sich wundern – nicht darum, nachzukarten. Nein, es geht darum, Abschiebeverfahren grundsätzlich neu zu regeln. Es geht darum, dass Sie endlich Prinzipien einer Rückführungspolitik anerkennen und nicht nur schrittweise Ihre Fehler halbherzig korrigieren.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schutz unserer Bürger hat Vorrang vor Hafterleichterungen von abgelehnten Asylsuchenden. Das Recht muss auch bei abgelehnten Asylsuchenden konsequent angewendet werden. Wer eine Ausreisepflicht, die von Rechts wegen festgestellt wurde, nicht vollzieht, untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat.

(Beifall der CDU und der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Spiegel, ich hoffe, dieser Zusammenhang und die Bedeutung, die er hat, ist Ihnen bewusst. Die rechtlichen Spielräume dürfen nicht in unerträglichem Maß überdehnt werden. Ihr Eingreifen in Bad Kreuznach und im Eifelkreis hat leider gezeigt, dass Sie noch Nachholbedarf haben.

(Beifall bei CDU und AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Falsch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Haft ist eine hoheitliche Aufgabe, die der Polizei und der Justiz zu unterstellen ist und nicht einem privaten Sicherheitsunternehmen.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stimmt es nicht, dass private Sicherheitsdienste flüchtende Häftlinge gar nicht dingfest machen, sondern lediglich die Polizei rufen dürfen? Stimmt es nicht, dass es immer wieder Probleme mit der Schichtnachbesetzung Ihres Sicherheitsdienstes in Ingelheim gibt? Ist es nicht richtig, dass Kräfte des Sicherheitsdienstes der Gewahrsamseinrichtung knapp über dem Mindestlohn mit rund 9 Euro die Stunde entlohnt werden?

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europarecht!)

Das sind alles Fragen, die im zuständigen Ausschuss noch zu klären sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kriminelle abgelehnte Asylsuchende müssen mit aller Konsequenz und frühzeitig aus dem Verkehr gezogen werden; denn wie kann es sein, dass ein Asylsuchender wie Hicham B. innerhalb eines Jahres mehrfach wegen Körperverletzung und sexuellen Straftaten polizeilich auffällig wird, ohne dass geeignete Maßnahmen durch das Land eingeleitet werden? Hier ist das Land in der Pflicht, die Bevölkerung zu schützen. Straffällige Asylsuchende können Sie nicht leichthin den Kommunen überlassen. Das ist eine völlige Überforderung.

(Beifall der CDU und der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einer Gefährdung der Bevölkerung ist es schlichtweg unerheblich, ob die Gefährdung politischer, religiöser oder krimineller Natur ist.

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Rauschkolb das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben wieder gesehen, worum es geht. Der Titel lässt anderes vermuten als das, was Sie eben gesprochen haben. Das war ein Rundumschlag aller Dinge, die bei dem komplexen Thema Integration und Migration passieren. Damit ist auch verbunden herauszufiltern, wer nach unserem Asylrecht in Deutschland bleiben darf und keinen Schutz genießt.

Sie implizieren, dass das Recht nicht durchgesetzt wird. Ich glaube eher, Sie versuchen, mit Ihrer Masche den Menschen Unsicherheit vorzugaukeln.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage ist auch: Wo haben wir versagt? – Das lässt sich natürlich einfach einmal so sagen. Wir haben aber im Ausschuss gehört, dass die Polizei die Kriminalstatistik heranzieht, um festzustellen, ob es mehr oder weniger Straftaten gegeben hat.

Wo sind die Beweise? Ich gebe Ihnen recht. Wir werden immer mehr komplexe Fälle haben, die sehr schwierig zu lösen sind. Natürlich sind wir alle gemeinsam daran interessiert, nach geltendem Recht diese Fälle auch so zu bearbeiten, dass die Menschen in Rheinland-Pfalz sicher sind, aber auch ein faires Verfahren bekommen. Wenn jemand straffällig ist, ist es für uns auch klar, dass derjenige zurückgeführt werden muss.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU)

Sie haben von der GfA Ingelheim gesprochen. Damals war es eine andere Situation, als diese zurückgebaut wurde. Man hatte beschlossen, für die Menschen, die dort sind, die Haft so human wie möglich zu machen.

Heute haben wir ganz andere Zustände, weil wir mit verschiedenen Ländern keine Rücknahmeabkommen haben und die Menschen teilweise gar nicht zurückführen können. Egal, wo die Menschen am Ende untergebracht werden, ist es sehr schwierig, diese zurückzuführen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Deshalb sind diese Schritte notwendig gewesen. Es sind nicht die gleichen Maßnahmen, wenn Sie es genau gelesen hätten, was gemacht wird.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Es sind nicht die gleichen Maßnahmen wie damals wieder aufgebaut worden, sondern es gibt ein durchdachtes Konzept, wie man den Häftlingen so humane Haftbedingungen wie möglich geben, aber auch die Sicherheit garantieren kann.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss auch sagen, dass wir eine gute und, was die anderen Bundesländer angeht, eine Vorreiterrolle haben, was die Rückführungen und auch die Abschiebungen anbelangt. Es wird immer wieder mantraartig betont, dass nicht abgeschoben werden würde. Das wird getan. Die meisten Abschiebungen erfolgen aus der Erstaufnahme. Das ist nicht zu vergessen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr richtig!)

Ich komme zu Ihrer anderen Idee. Sie sagen manchmal, die Kommunen brauchen Unterstützung. Manchmal wollen Sie das gar nicht. Deswegen versteht man manchmal nicht so ganz genau, wo man sich als Land einmischen soll und wo nicht. Ich erkenne keine rote Linie in Ihrem Konzept für Integration.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Noch nicht einmal eine schwarze!)

Zu Ihrer Idee eines Landesausreisezentrums ist zu sagen, dass wir nach geltendem Recht keine Möglichkeit haben, die Menschen in einem Ausreisezentrum festzuhalten. Die Menschen könnten dort genauso, wie sie es in den Kommunen tun, ein- und ausgehen. In Nordrhein-Westfalen wurde auch auf Drängen von CDU-Politikern in den letzten Monaten ein Ausreisezentrum geschlossen, weil sie gemerkt haben, dass dort viel Konfliktpotenzial besteht und die Menschen auch nicht schneller zurückgeführt wurden. Wir hatten in Rheinland-Pfalz auch einmal eine Einrichtung. Da war auch klar, dass keine signifikanten Erfolge zu verzeichnen waren, als es diese gab.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass es eine gute Zusammenarbeit zwischen den Ausländerbehörden und der Landesregierung gibt. Auch die neu geschaffene Clearingstelle hilft. Es gibt aber manche Dinge, die auch wir nicht hier lösen können. Über schnellere Verfahren reden wir schon seit fast zwei Jahren. Wenn jemand im schwebenden Verfahren ist, kann er nicht abgeschoben werden. Hier kann keiner von uns im Raum irgendetwas tun.

Deswegen finde ich es schwierig, wenn man immer große Parolen verbreitet, aber nicht sagt, wie differenziert und schwierig manche Fälle sind. Ich würde mir wünschen, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten und darüber diskutieren, wie die Menschen gut geschützt werden und wie

wir die Integration, aber auch die Rückführung so hinbekommen, dass es für alle am besten ist. Ich freue mich auf die Gespräche. Im Moment sieht es aber nicht so aus, als ob man ernsthaft daran interessiert wäre.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)