Protocol of the Session on October 26, 2017

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Kollegin Schellhammer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Am 5. Oktober 2017 haben Thilo und Kim Stalbovs in Mainz geheiratet. Es war die erste geschlossene Ehe von zwei gleichgeschlechtlichen Partnern in Mainz, der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz.

Diesen besonderen persönlichen und politischen Moment durften Ministerin Anne Spiegel und ich miterleben, weil Thilo und Kim uns zu ihrer Trauung eingeladen hatten. Es war ein erhebender Moment für alle. Ein jahrzehntelanger Kampf für gleiche Rechte ging endlich erfolgreich zu Ende. Endlich geht für Thilo und Kim, aber auch für viele andere Paare in Rheinland-Pfalz ein Traum in Erfüllung. Sie sind nicht mehr nur eingetragene Lebenspartner, sie sind Eheleute.

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Grund zur Freude und ein großer Sieg für die Liebe.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Die Ehe für alle ist für viele Menschen eigentlich schon eine Selbsverständlichkeit gewesen, da gab es sie noch nicht. Dass sich der Bundestag nach unzähligen Debatten und langen Jahren endlich dazu durchgerungen hat, auch gleichgeschlechtlichen Paaren die standesamtliche Heirat zu erlauben, dieser Schritt vollzieht nach, was unsere Gesellschaft schon lange als normal angesehen hat. Die Öffnung der Ehe ist ein gesellschaftlicher Fortschritt.

Meine Damen und Herren, ich darf mit großem Stolz sagen, die Ehe für alle hat ihre Wurzeln in Rheinland-Pfalz. Nein, nicht die Idee dahinter, nicht der Kampf, sondern der Gesetzentwurf, der letztlich die Ehe für alle in Deutschland ermöglichte. Zweimal brachte das Land Rheinland-Pfalz zuerst unter Ministerin Irene Alt und dann unter Ministerin Anne Spiegel den Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe in den Bundesrat ein. Zweimal erhielt der Gesetzentwurf eine Mehrheit im Bundesrat. Zum ersten Mal hatte damit ein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland der Ehe für alle zugestimmt.

Dann wurde der Gesetzentwurf im Bundestag vertagt, vertagt und vertagt. Aber der Gesetzentwurf war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nämlich entscheidungsreif im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Es war dann dieser Antrag, der auf der letzten Sitzung des Deutschen Bundestags im Juni 2017 beschlossen wurde, ein großer Erfolg für unsere Landesregierung auf Bundesebene und ein großer Erfolg für unsere offene Gesellschaft.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Aber es war der lange Kampf der Lesben- und Schwulenbewegung, der Bürgerrechtsaktivistinnen und - aktivisten

und somit auch der Grünen, der die gesellschaftliche Akzeptanz und somit auch endlich die Mehrheit im Bundestag ermöglicht hat.

Volker Beck hat bereits 1989 mit anderen Grünen das Ziel der Öffnung der Ehe auch für Schwule und Lesben gefordert. 1992 hat er eine Kampagne organisiert, bei der 250 schwule und lesbische Paare in ganz Deutschland vor Standesämtern das Aufgebot bestellt und ihr Recht eingefordert haben.

Dieses Ziel hat Volker Beck auch seit 1994 im Bundestag verfolgt und viele weitere Aktionen mit organisiert. Der Weg zur Eheöffnung wurde gegen viele Widerstände und durch Beharrlichkeit geebnet. Endlich, endlich wurde in diesem Jahr dieser historische Schritt vollzogen.

Sehr geehrte Damen und Herren, den vielen engagierten Menschen, die gegen all diese Widerstände Mut bewiesen haben, den vielen engagierten Menschen der Lesben- und Schwulenbewegung gilt in diesem historischen Jahr unser aufrichtiger Dank für ihr Engagement und unsere tiefe Anerkennung für ihren Mut.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Worum geht es im Kern bei der Ehe für alle? Es geht um Gleichstellung, um gleiche Rechte und Pflichten für Menschen, die füreinander verbindlich Verantwortung übernehmen an guten wie an schlechten Tagen. Es geht um gesellschaftliche Anerkennung von Menschen, die sich lieben. Es geht darum, wie wir in unserer Gesellschaft zusammenleben wollen. Für dieses Bild, das von der Liebe zweier Menschen ausgeht, gibt es in unserer Gesellschaft eine ganz große Mehrheit und nicht nur bei uns. Deutschland ist das 21. Land dieser Erde, in dem die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde. Immer mehr Länder machen sich auf den Weg, diese Ungleichbehandlung zu beenden. Das ist eine positive Entwicklung für unsere Bürgerrechte in Deutschland, aber auch weltweit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Es wurde viel erreicht in Rheinland-Pfalz und auch in Deutschland, aber es gibt noch viel zu tun gegen Diskriminierung und gegen homo- und transphobe Gewalt. Mit der gleichen Beharrlichkeit werden wir auch dagegen kämpfen, mit der gleichen Beharrlichkeit, wie wir für die rechtliche Gleichstellung gekämpft haben.

Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich Volker Beck, Irene Alt und Anne Spiegel danken. Ihrer Beharrlichkeit, auch auf Bundesebene, ist es zu verdanken, dass dieses Gesetz in Kraft getreten ist, das Gesetz, das Thilo und Kim Stalbovs ermöglicht hat, dass sie sich das Jawort geben.

(Glocke der Präsidentin)

Endlich, endlich hat Deutschland die Ehe für alle, endlich haben auch sie Ja gesagt. Ein Grund zur Freude.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Huth-Haage.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Allgemeine Zeitung titelte am Samstag „Ein historischer Tag für Alzey“. Darin wird die erste Trauung eines gleichgeschlechtlichen Paares in der Volkerstadt geschildert.

Vorhin wurde auf die historische Dimension eingegangen. Ich will das jetzt nicht weiter beleuchten. Es ist so. Was mich berührt hat, ist das Persönliche, wie die beiden das geschildert haben, was es für sie bedeutet. Auch ihre Familien und ihre Freunde sind in dem Artikel zu Wort gekommen. Das berührt einen.

Wir als Union haben Hochachtung vor all denen, die sich lieben, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen und bereit sind, diese Verantwortung auch rechtsverbindlich festschreiben zu lassen.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, deshalb stehen wir dazu, dass wir davon überzeugt sind, die Ehe bedarf einer besonderen Unterstützung und einer besonderen Förderung des Staates. Eben darum!

(Beifall bei der CDU)

Es ist spannend, wenn sich hier Personen zum Anwalt der Ehe erklären, denen es mit der Abschaffung des Ehegattensplittings nicht schnell genug gehen kann.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Frisch, AfD)

Meine Damen und Herren, wir sind in der Union unterschiedlicher Meinung. Das ist richtig. Die Frage, ob homosexuelle Paare heiraten sollten, wird schon unterschiedlich gesehen. Ich will aber eines betonen: Es gibt gute Gründe für beide Seiten. Die Diskussion führt meine Partei mit großem Respekt vor der jeweils anderen Position.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Genau so!)

Das zeichnet unsere Union aus, und das macht mich auch stolz, Teil dieser Union zu sein.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, denn wir ringen um Themen, und wir spiegeln damit auch die gesellschaftliche Realität wider.

(Beifall der CDU)

Eines ist auch klar: Jemand, der eine andere Rechtsposition vertritt, jemand, der für die bisherige Rechtsposition eintritt, ist nicht homophob. Jemand, der für eine Öffnung der Ehe eintritt, ist niemand, der die Abschaffung des Abendlands einleiten will. Auch das muss gesagt sein.

(Beifall der CDU)

Deshalb hat uns schon ein klein wenig die Schärfe der gesellschaftlichen Diskussion gestört bezogen auf diejenigen, die den Begriff der Ehe von Haus aus mit einer heterosexuellen Partnerschaft verbinden. Diese Schärfe der Diskussion hat der Diskussionskultur geschadet.

Wir sollten uns kritisch hinterfragen, ob wir das weiterhin so führen wollen und ob wir nicht auch lernen müssen, andere Sichtweisen und andere Argumente zu ertragen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Sylvia Groß und Michael Frisch, AfD)

Meine Damen und Herren, es hat auch dem Thema geschadet, dass es aus wahlkampftaktischen Gründen sehr überhastet vollzogen wurde.

Dadurch wurde ein Gesetzentwurf verabschiedet, – – –

(Abg. Martin Haller, SPD: Das war aber nicht unsere Idee! – Abg. Julia Klöckner, CDU: Doch natürlich! – Weitere Zurufe im Hause)

Natürlich, Sie haben hier diesen Gesetzentwurf eben gelobt. Frau Kollegin, ob dieser Gesetzentwurf verfassungsrechtlich Bestand hält, ist die eigene Frage.

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

Frau Huth-Haage hat das Wort.

Hochrangige Verfassungsexperten werfen Fragen auf, und das ist die entscheidende Frage: Hat dieser rheinlandpfälzische Gesetzentwurf, mit dem Sie sich hier so brüsten, auch Bestand? – Das ist das Entscheidende.

Es gibt aber auch ganz praktische Probleme. Auch das gehört dazu: Die Personalstandsregister der Standesämter sind momentan noch gar nicht in der Lage, gleichgeschlechtliche Ehen zu erfassen. Das wird erst ab dem 1. November 2018 möglich sein. Ich sage einmal, das ist jetzt kein Kriterium, dass jemanden, der diesen Schritt gehen will, davon abhält. Nein, aber schön ist es auch nicht. Dafür spricht auch: Das Ganze wurde ein bisschen zu schnell eingeführt.

(Beifall bei der CDU)