Protocol of the Session on October 26, 2017

Laut dem Deutschen Rat für Wiederbelebung erleiden allein in Deutschland jährlich über 50.000 Menschen außerhalb des Krankenhauses einen plötzlichen Herzstillstand. Es wurde erwähnt, bereits nach drei bis vier Minuten erleidet das Gehirn dauerhafte Schäden. Ich darf den guten Grundstock der CDU aber noch mit allgemeinen Punkten ergänzen, die ich für die Zukunft wichtig finde.

Einmal Hand aufs Herz. Wie viele Menschen wüssten noch, wie man eine Reanimation nach neuen Anforderungen durchführen soll? In welcher Frequenz sollen die Kompressionen durchgeführt werden, einmal, zweimal, dreimal pro Sekunde? Wie tief muss ich den Brustkorb eindrücken? Wann beginne ich mit dem Beatmen? Das alles sind Fragen, die man sich selbst in den Bruchteil einer Sekunde beantworten muss, wenn man jetzt nicht gerade aus einem Beruf kommt, in dem solche Fortbildungen vorgesehen sind.

Ich wage zu behaupten, dass auch viele Menschen, die eben nicht in einem solchen Beruf sind, den letzten Erste

Hilfe-Kurs im Zuge ihrer Führerscheinprüfung absolviert haben. Daher wäre es durchaus sinnvoll, nicht nur für Jugendliche eine regelmäßige Auffrischung durchzuführen – was in Teilen getan wird –, sondern auch die Besitzer eines Führerscheins.

Es ist unumstritten, dass die Ersthelfer vor Ort ein wichtiges Glied der modernen Rettungskette bilden. Ob jemand als Ersthelfer eingreift – das erleben wir oft, man hat es vielleicht auch schon persönlich erlebt –, hängt aber häufig von der individuellen Situation und von der Persönlichkeit des Einzelnen ab. Wenn ich allein unterwegs bin, lastet auf mir eine 100-%ige Verantwortung für diese Situation. Bin ich beispielsweise mit einer Gruppe von fünf Personen unterwegs, habe ich eine gefühlte Verantwortung von 20 %. Manche hoffen oder vertrauen darauf, dass ein anderer in dieser Situation das Ruder übernimmt. Das ist ein Punkt.

Wir sind verpflichtet, die Menschen weiter zu sensibilisieren und ihnen auch Selbstvertrauen zu geben, in einer solchen Situation zu helfen.

An dieser Stelle möchte ich auch einmal die Möglichkeit nutzen, allen Frauen und Männern, die in unserem Land Rettungsdienst leisten, für ihre hervorragende Arbeit und ihr Engagement zu danken; denn ihre Erfahrung und ihre Routine retten täglich Leben.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der AfD)

Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Im Zuge der Digitalisierung wäre der Ausbau des mobilen Retters ein weiterer Lösungsansatz. Hierbei werden speziell geschulte Ersthelfer, welche sich in unmittelbarer Nähe zu einem Notfall befinden, durch das GPS-Signal ihres Smartphones kontinuierlich geortet und durch die mobile Retter-App informiert. Das geschieht zeitgleich mit der Alarmierung des Rettungsdienstes.

Durch die örtliche Nähe können die mobilen Retter oft schneller am Notfallort sein und bis zum Eintreffen des Rettungswagens bereits qualifizierte lebensrettende Maßnahmen einleiten. Hierdurch wird die Rettungskette gestärkt, und Einzelpersonen werden entlastet.

(Beifall des Abg. Martin Brandl, CDU – Abg. Martin Brandl, CDU: Im Kreis Germersheim zum ersten Mal! Germersheim ist Vorreiter!)

Daher ist zwar der Antrag der CDU nicht abschließend und kann noch weiter fortgeführt werden, denn es gilt, das Problem weiterhin an der Wurzel anzupacken, aber die FDP-Fraktion findet den Antrag einen guten Grundstock. Er bildet das Fundament. Das Haus muss noch drauf. Aber wir können beweisen, dass wir mit der Opposition zusammenarbeiten können, wenn es sinnvoll ist.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei CDU und AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Kollegin Binz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich eine ganz normale Alltagssituation vor. Sie gehen einkaufen, fahren mit dem Bus und sind mit Kindern oder Enkelkindern auf dem Spielplatz. Plötzlich bricht in Ihrer Nähe ein Mensch zusammen. Klar ist, Sie eilen zu Hilfe, schauen, ob die Person ansprechbar ist, ob sie bei Bewusstsein ist. Sie versuchen herauszufinden, ob sich ein Arzt oder eine Ärztin in der Nähe befinden, und Sie setzen natürlich auch einen Notruf ab. Aber was tun Sie dann in der Wartezeit auf die Rettungskräfte?

Was tun Sie in einer solchen Situation, wenn Sie Anzeichen eines Kreislaufstillstands bemerken, wenn Sie keinen Puls spüren oder einen Atemstillstand feststellen? Was also tun Sie, wenn Sie dies bemerken und wissen, dass es bis zum Eintreffen medizinischer Hilfe noch einige Zeit dauern wird? Denn im Falle eines Kreislaufstillstands – wir haben es in der Debatte schon gehört – sind gerade diese ersten Minuten für die Überlebenschancen und die Chancen auf eine Genesung ganz entscheidend; denn die irreversiblen Folgen bis hin zum Tod treten bereits nach wenigen Minuten ein.

Die Chancen, dies zu verhindern, stehen wesentlich besser, wenn in diesen ersten Minuten Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden. Doch leider wissen in solchen Situationen in Deutschland viel zu wenige Menschen, was sie ganz persönlich in einer solchen Situation tun können, um entscheidende Hilfe zu leisten. Wenn sie es wissen, dann haben viele Menschen in Deutschland leider eine große Scheu, entsprechend zu handeln. Dabei steht fest, dass die schnellen Wiederbelebungsversuche sehr wichtig sind, um den Betroffenen auch zu helfen.

Trotzdem sind Laien in Deutschland damit häufig überfordert. Herr Kollege Gensch hat darauf hingewiesen, die Quote in Deutschland der Wiederbelebung durch ersthelfende Laien liegt bei 10 % bis 20 %. Das ist im internationalen Vergleich wenig, wenn man sich die Quoten von 40 % bis 70 % anschaut, wie es sie in den skandinavischen Ländern oder in den USA gibt.

Der Deutsche Rat für Wiederbelebung hat ausgerechnet, dass bis zu 10.000 Leben in Deutschland gerettet werden könnten, wenn mehr Menschen wüssten und sich zutrauen würden, was in diesen Minuten zu tun ist.

Gerade dieses Zutrauen in das eigene Wissen über die lebensrettenden Maßnahmen entwickelt sich gerade dann, wenn Menschen ganz selbstverständlich damit aufwachsen und bereits in frühen Jahren die Fertigkeiten und Handgriffe für Wiederbelebungsmaßnahmen lernen und auch lernen, dass sie sich in einer solchen Notfallsituation ruhig, besonnen und schnell zu verhalten haben.

In diesem Sinne des frühen Lernens, des selbstverständlichen Aufwachsens damit, hat der Rat für Wiederbelebung ein Ausbildungskonzept für Kinder und Jugendliche ent

wickelt und ist mit diesem an die Kultusministerkonferenz herangetreten, dessen Schulausschuss die Einführung auch befürwortet hat.

Ob jetzt dieses Konzept oder ein anderes Konzept, das lassen Sie von der CDU-Fraktion in Ihrem Antrag auch offen. Wir als Fraktion der Grünen befürworten daher auf jeden Fall den heute vorliegenden Antrag, dass ein geeignetes Konzept erstellt werden soll, durch das sichergestellt wird, dass Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz diese Kenntnisse und Fertigkeiten in Wiederbelebung vermittelt bekommen. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Dr. Hubig das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel, mehr Menschen mit Maßnahmen der Ersten Hilfe und im Speziellen mit geeigneten Maßnahmen zur Reanimation von Mitmenschen im Falle eines Herz- und Kreislaufstillstands vertraut zu machen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier ist das Engagement von vielen Akteuren gefordert. Auch wir, die Landesregierung, sehen das so.

Erfreulicherweise gibt es dieses Engagement auf einer breiten Basis, die sicher noch breiter werden sollte. Die vielfältigen Aktivitäten der Jugendorganisationen, gerade der Rettungsdienste, wurden eben schon erwähnt. Sie tragen ganz erheblich dazu bei, dass auch Kinder und Jugendliche nachhaltige Kenntnisse und Fertigkeiten über Maßnahmen der Ersten Hilfe erwerben können. Das Jugendrotkreuz mit seinen 30 Kreisverbänden im Land sei hier nur als ein Beispiel erwähnt.

Aber auch in den Schulen im Land ist dieses Thema natürlich verankert. Seit Jahren schreibt eine Verwaltungsvorschrift den Schulleitungen und Schulträgern unter anderem vor, dass Sicherheitserziehung und Gesundheitsschutz in der Schule Schülerinnen und Schüler befähigen sollen, bei Unfällen sachgerecht Erste Hilfe leisten zu können. Es spiegelt sich auch in den verschiedensten Aktivitäten der Schulen wider.

In 189 weiterführenden Schulen sind rund 3.000 Schülerinnen und Schüler nach intensiven Schulungen durch Expertinnen und Experten in den schon erwähnten Schulsanitätsdiensten aktiv. Zu ihrer Ausbildung gehören natürlich auch Maßnahmen der Wiederbelebung. Die Schülerinnen und Schüler werden dabei von 270 Lehrkräften sowie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rettungsdienste unterstützt und angeleitet.

Die Erste-Hilfe-AGs in unseren mehr als 600 Ganztagsschulen sowie das Ausbildungsprogramm im Rahmen des

Zivil- und Katastrophenschutzes, mit dem jährlich im Land rund 4.500 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 8 bis 10 mit Erste-Hilfe-Maßnahmen vertraut gemacht werden sollen, wurden ebenfalls erwähnt.

Bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in Maßnahmen der Wiederbelebung an Schülerinnen und Schülern sind dankenswerterweise auch Krankenhäuser, wie etwa die Universitätsmedizin in Mainz oder das Brüderkrankenhaus in Trier, aktiv. Und mit der finanziellen Unterstützung der Reh Stiftung erhalten alle weiterführenden Schulen der Region Trier das kostenlose Angebot eines Kurses in Wiederbelebungsmaßnahmen. In voraussichtlich 30 Schulen werden in diesem Schuljahr Expertenteams aus dem Brüderkrankenhaus und vom DRK Bildungswerk Eifel-Mosel-Hunsrück Schülerinnen und Schülern vor allem der Klassenstufen 7 bis 10 Wiederbelebungsmaßnahmen näherbringen.

Das Bildungsministerium verfolgt seit Längerem das Ziel, die Angebote in den Schulen weiter auszubauen. Dazu haben wir bereits eine ganze Reihe von bilateralen Gesprächen geführt, unter anderem mit Rettungsdiensten, mit Medizinern, mit der Unfallkasse Rheinland-Pfalz, aber auch mit Stiftungen, die sich bei diesem Thema bundesweit engagieren.

Wir wollen einerseits eine Kombination aus Weiterbildungsangeboten für Lehrkräfte, die befähigt werden sollen, Wiederbelebungsmaßnahmen an Schülerinnen und Schüler weiterzuvermitteln, und andererseits sollen Schulen und Schulträger bei der Ausstattung mit den nötigen Übungsmaterialien unterstützt werden.

Unser Ziel ist es, das Engagement aller zu bündeln und damit im Endeffekt mehr Schülerinnen und Schüler im Land zu erreichen. Dazu werden wir in naher Zukunft möglichst viele der bisherigen Gesprächspartner an einen Tisch holen und dies dann – wie auch im Antrag vorgeschlagen – in ein Konzept gießen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4418 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Auch das ist möglich. Der Antrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.

(Beifall im Hause)

Es geht weiter in der Tagesordnung.

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Lehren aus dem IQB-Bildungstrend 2016: Klare Unterrichtsformen und regelmäßiges Üben statt weiter so Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/4421 –

dazu: Bildungstrend 2016 – Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden der rheinland-pfälzischen Grundschulen ziehen Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4455 –

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch.

(Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund übernimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gestrige Aktuelle Debatte zum IQB-Bildungstrend war erhellend. Bildungsministerin Hubig relativierte, wir sind nicht schlecht, das Ergebnis ist nicht dramatisch. Zudem versuchte sie mit Fake News abzulenken, nannte irreführende Zahlen und ließ eine bemerkenswerte Unkenntnis vermuten.

Zu den Fake News: Diktate, so Frau Hubig, sind in der Grundschule verbindlich festgeschrieben. – Das stimmt nicht. Durch die Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen vom 10. Oktober 2008 wurden die Anforderungen im Fach Deutsch in erheblichem Maße gesenkt.

Waren bis dahin noch zehn bis zwölf Diktate pro Jahr für die Dritt- und Viertklässler vorgeschrieben, sind jetzt nur noch drei Arbeiten im Bereich Richtig schreiben eingeplant. Das müssen aber keineswegs Diktate sein. Es sind auch andere Formate wie Lückentexte zulässig.