Es ist also an der Zeit zu handeln. Was würde jetzt eine Verbrauchersammelklage bringen, bzw. was muss noch getan werden? Ich sagte es bereits, erst einmal muss die Verjährung der Ansprüche gesetzlich verlängert werden; denn sonst läuft sie Ende 2017 aus.
Eine Verbrauchersammelklage kann dann von Verbraucherverbänden geführt werden oder eben auch von Verbrauchern, die sich zu diesem Zweck zusammenschließen. So muss nicht jeder den mühsamen und möglicherweise auch sehr teuren Weg allein gehen. Wird die Klage von Verbänden geführt, so können sich die Verbraucher über ein Klageregister eintragen lassen und somit ihren individuellen Anspruch der Klage anschließen. Es profitieren also dann nur diejenigen, die sich der Klage aktiv anschließen, das sogenannte Opt-in-Verfahren. Wir hätten damit auch noch einen weiteren wichtigen Punkt erreicht, es gäbe weniger Verfahren und somit auch eine Entlastung unserer Gerichte.
Zum Wohl der Verbraucher und auch um künftig eine abschreckende Wirkung für Betrügereien, wie wir sie jetzt erlebt haben, aufzubauen, braucht es endlich politische Bewegung. 1 Million betrogene rheinland-pfälzische Dieselfahrzeughalter würden es danken.
Frau Binz hat es eben noch einmal in Erinnerung gerufen. Made in Germany, früher geboren – das wissen Sie – als ein Begriff, mindere Qualität aus Deutschland in England bekannt zu machen, hat sich in über 100 Jahren zu einem Qualitätsbegriff entwickelt. Die deutsche Autoindustrie ist dabei, dies mutwillig mit ihrem Verhalten zu zerstören, das sie in der Dieselaffäre an den Tag gelegt hat und bis heute an den Tag legt, wenn es um Verbraucherinnen und Verbraucher geht, meine Damen und Herren.
Aus meiner Sicht ist das einer der größten wirtschaftspolitischen Skandale in der Nachkriegszeit. Natürlich leiden wir als Verbraucherinnen und Verbraucher alle darunter, wenn die Umweltgesetze nicht beachtet werden und mit Tricksereien, die etwas anmuten, als wenn ich Schwarzgeld in die Schweiz bringe oder Steuern betrüge, indem ich Cum-Ex-Geschäfte mache, so haben sich Konzerne darauf verlegt, Software zu manipulieren, um gesetzliche Regelungen auszuhebeln. Die Politik muss sich sicher auch an die eigene Nasenspitze fassen, dass dem nicht in dem gehörigen Maß nachgegangen worden ist.
Wenn ich Ihnen ein Zitat des Präsidenten des Kraftfahrtbundesamts mitgeben darf, der irgendwann in seinem Amt gesagt hat, aus Umweltgründen nehme ich keine Autos von der Straße, dann ist das ein Skandal für sich, und es
rechtfertigt die Verbrauchersicht, dass beim Kraftfahrtbundesamt eine Trennung in die Sparte Zulassung und in die Sparte Überwachung erfolgt, weil die Industrienähe dieses Amtes zu dicht ist, gedeckt von dem Verkehrsministerium, als dass dort wirksam die Aufgaben erfüllt werden können, wie sie erfüllt werden sollen.
Im Mittelpunkt der heutigen Debatte steht, was für Verbraucherinnen und Verbraucher gemacht werden könnte. Was sind die Forderungen? Zum einen ist zu fordern, nachdem für Mängelgewährleistungsansprüche mit Ablauf des Jahres die Gewährleistungsfrist ausläuft, dass die Autokonzerne aufgefordert werden, die hier Verstöße vorgenommen haben, dass sie einen weiteren Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären. Dies wäre Aufgabe für den nächsten Dieselgipfel, und zwar mit aller Intensität, die darauf zu setzen ist.
Was wäre weiter zu fordern? Dass die Verbraucherinnen, welche die Autos gekauft haben, natürlich auch in Europa so gestellt werden, als wenn sie nicht betrogen worden wären.
Es ist nicht zu ertragen, dass die Autoindustrie bis heute sagt, ja, wir haben hier nur die guten Gelegenheiten interpretiert, und wir sorgen auch dafür mit Deckung der Bundesregierung, dass Software-Updates gemacht werden, und da werden eure Autos wenigstens nicht von der Straße kommen, aber den Schaden, sprich den Minderwert, den habt ihr, und damit müsst ihr leben.
Frau Merkel sagt dann im SPIEGEL-Interview dazu, Hardware-Updates sind teuer und technisch enorm aufwendig. Wir müssen uns genau überlegen, ob eine solche Nachrüstpflicht für Motoren wirklich die Resultate bringt, die wir brauchen, weil wir damit der Automobilindustrie viel finanziellen Spielraum für Investitionen in andere Technologien nehmen würden.
Sind denn die betrogenen Autokäuferinnen und Autokäufer diejenigen, die den technologischen Fortschritt bei der Automobilindustrie mit diesen Betrugsmitteln finanzieren müssen?
Das kann nicht der Fall sei sein, sondern wir haben verdammt noch einmal die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Entschädigungen oder eine sorgfältige Nachrüstung der Hardware erfolgen, dass diese Vehikel auch in der Lage sind zu fahren, ohne Umweltschäden zu verursachen, der Handwerker, die Handwerkerin ihn nutzen kann, derjenige, der sein Geld auf den Tisch gelegt hat, um ein solches Auto zu kaufen, eben nicht fürchten muss, ich darf mit meiner Kutsche nicht mehr nach Mainz, Stuttgart oder München fahren, weil es der Umwelt nicht entspricht, weil zu viel NO2 ausgestoßen wird. Das kann
Auf die Vorschläge, was an weiteren Forderungen zu stellen ist, werde ich in der zweiten Runde eingehen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Binz, Sie haben sogar in einigem Recht. In manchen Punkten teile ich Ihre Einschätzung.
Die Abgasaffäre hat sich zu einer Vertrauenskrise der Automobilindustrie ausgewachsen. Es ist eine der größten Industrieskandale seit der Nachkriegszeit. Es droht – Herr Kollege Hartloff hat den Begriff schon genannt – ein Schaden für die Marke Made in Germany. Der Schaden ist hausgemacht. Manager der Autoindustrie haben über Abgaswerte getäuscht, die in der Realität nie einzuhalten waren, Behörden und Händler systematisch hinters Licht geführt, Kunden unanständig behandelt, dazu der Verdacht der Manipulation verbotener Absprachen der Konzerne zulasten von Kunden, des technischen Fortschritts und des Klimaschutzes.
Deshalb hat es Bundeskanzlerin Merkel auf den Punkt gebracht, als sie bei der Eröffnung der IAA erklärte – ich zitiere –: „Unternehmen der Automobilindustrie haben Regelungslücken exzessiv ausgenutzt. Sie haben sich damit nicht nur selbst Schaden zugefügt, sondern vor allem auch Verbraucher und Behörden getäuscht und enttäuscht.“
(Beifall der CDU und der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lieber mal wegschauen, Herr Baldauf!)
Deutschland ist weltweit führend. 870.000 Beschäftigte erwirtschaften einen Umsatz von weit über 400 Milliarden Euro. Hunderttausende gut bezahlte Arbeitsplätze, sei es
in den Werken der Automobilkonzerne, bei den Autohäusern um die Ecke, bei den Zulieferern oder auch im Bereich des Exports, hängen eng vom wirtschaftlichen Erfolg der Automobilindustrie ab.
Deshalb gilt es einerseits, den Skandal akribisch aufzuarbeiten, und zwar ohne Wenn und Aber. Das darf jedoch nicht dazu führen, die gesamte Automobilindustrie und den Dieselantrieb insgesamt zu verdammen. Es ist entscheidend, dass aus der jetzigen Vertrauenskrise, die sehr wohl gerechtfertigt ist, keine Gefährdung unseres Wirtschaftsstandorts erwächst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb ist es wichtig, dass bestehende Regeln eingehalten, entsprechende Technologien nachgerüstet und Verantwortliche haftbar gemacht werden.
Die Verunsicherung – es ist angesprochen worden – der Kunden ist groß. Wir wollen, dass die Verbraucher in allen Bereichen ihre Rechte wirksam und unbürokratisch durchsetzen können. Bundesverkehrsminister Dobrindt und die Autoindustrie sind sich zumindest darin einig, alle Fehler zu beheben. 5,3 Millionen Dieselautos werden mit SoftwareUpdates nachgerüstet – es ist schon ausgeführt worden –, und zwar vollumfänglich auf Kosten der Hersteller.
Es geht nicht nur um die Fahrzeuge – das ist wichtig –, die nicht rechtskonform sind, sondern auch um solche, die eine Typengenehmigung haben, die wir aber mit diesen Updates noch emissionsärmer und umweltverträglicher machen können. Es bedarf darüber hinaus weiterer Maßnahmen.
Herr Kollege Hartloff, ja, die Klagerechte von geschädigten Verbrauchern gegenüber Unternehmen müssen gerade in Bezug auf die Verjährung gestärkt werden. Ansprüche, die nach zwei Jahren verjähren, sind zu kurz gegriffen. Deshalb schließe ich mich Ihnen an. Wir müssen die Automobilindustrie auffordern, auf die Verjährungseinrede zu verzichten.
Ich sage es auch ganz deutlich: Sollte das nicht passieren, dann müssen wir im Gesetzgebungsverfahren darangehen, diese Verjährungsfristen zu verändern. Ob dazu die Sammelklagen der richtige Weg sind, schließen wir nicht aus,
aber wir schließen es so aus, wie es die Grünen bisher immer gefordert haben, weil, werter Kollege Braun, dies keinem einzigen Verbraucher hilft, im Gegenteil, die Verfahren nur unnötig in die Länge zieht.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, zu fordern, dass unsere Autos umweltfreundlicher werden müssen, ist das eine. Doch eine ganze Technologie zu verbieten, wie es die Grünen mit dem Verbrennungsmotor ab 2030 wollen, geht an der Sache vorbei und ist weltfremd.