Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie zu erwarten war, wird die Debatte nicht um Zahlen geführt, sondern es wird moralisiert.
Frau Spiegel, es ist beim besten Willen nicht lauter, wenn Sie sagen, es gibt tragische Einzelfälle, und Sie holen einen von 2015. Frau Willius-Senzer, Sie arbeiten immer wieder mit dem Begriff unanständig. Ich bitte Sie, unanständig ist es, wenn man vor der Wahl etwas anderes sagt, als man nach der Wahl umsetzt.
Wenn man vor der Wahl von einem Rechtsbruch bei der Öffnung der Grenzen spricht und klar sagt, es gibt keine Integrationspflicht, dann muss es danach auch so bleiben.
Noch einmal: Die Familiennachzügler sind eine große Gruppe. Das müssen wir doch sehen. Nach den Asylsuchenden waren die Familiennachzügler die zweitgrößte Migrantengruppe unter den Nicht-EU-Ausländern seit 1998, und das wird auch wieder so passieren.
Noch etwas, das mir besonders am Herzen liegt: Es kann doch nicht sein, dass wir nicht in der Lage sind, die Identitäten von Menschen, die hier bereits in der ersten und zweiten Flüchtlingswelle hereingekommen sind und bei denen – ich nenne es einmal so, auch wenn es vielleicht wieder polarisiert – die „Familienwelle“ möglich ist, tatsächlich auch festzuhalten. Ähnlich wie bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werden wir diesem Prinzip doch nicht Herr werden. Die Familienverhältnisse in den Ländern, die den Familiennachzug speisen werden, werden doch größer sein. Es werden drei oder fünf sein.
Ein Recht auf Familiennachzug – das sage ich Ihnen – setzt natürlich auch voraus, weil sie auf die rechtliche Grundlage abgehoben haben, dass man nicht abschieben kann, das heißt, dass eine Familienzusammenführung nur in dem Land möglich ist, in das man zurückgeht. Aber das bestreite ich.
Hier bin ich bei Herrn Kessel, wenn er sagt, klare Einzelfallprüfung, und da werden Sie in Syrien nicht mehr viele finden.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch eine Sache. Ich glaube, Sie wollen einfach nicht auf die Ebene kommen, die wir vorhin versucht haben, sachlich einzunehmen.
Wie viele Kinder die einzelnen Menschen haben, wissen Sie gar nicht. Sie sind doch wenig im Gespräch mit den Menschen.
Wir haben doch gar keine Kenntnis darüber. Das haben wir eben schon gehört. Da Sie sich einfach dessen verweigern wollen, es sachlich anzunehmen, es geht einfach um den Familiennachzug. Wir haben es an Beispielen dargelegt. Ich glaube, es braucht auch Beispiele, um Ihnen vielleicht näher zu erklären, dass es wichtig ist, dass die Familie beisammen ist.
Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie irgendwo allein sind und nicht wissen, was mit Ihrer Familie geschieht, dann ist es doch klar, dass man vielleicht nicht fähig ist, so schnell eine Sprache zu lernen, so schnell irgendwo anzukommen. Deswegen ist es wichtig, dass man versucht, die Familien zusammenzuführen, die Möglichkeit zumindest einräumt, dies dann wieder zu tun und Anträge zu stellen.
(Abg. Uwe Junge, AfD: Wenn ich nicht weiß, wo meine Familie ist, bewege ich mich zu meiner Familie!)
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist das zweite Thema der Aktuellen Debatte beendet.
Abgasskandal –Verbraucherpolitische Konsequenzen für Rheinland-Pfalz auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4181 –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor über zwei Jahren wurde bekannt, dass Autohersteller seit Jahren falsche Angaben über den Stickoxidausstoß von Dieselfahrzeugen gemacht und sogar mit hohem Erfindergeist daran getüftelt haben, wie man dies technisch vertuschen kann. Betroffen sind mehrere Millionen Kfz. Man geht von 1 Million Dieselfahrzeugen in Rheinland-Pfalz aus.
Passieren konnte dies auch durch ein Staatsversagen; denn trotz Hinweisen von Verbänden gab es keinen Aufklärungswillen vonseiten des Bundesverkehrsministeriums, und die Führung dieses Ministeriums begünstigte sogar eine Kultur des Wegschauens im zuständigen Kraftfahrtbundesamt.
Der Dieselskandal hat eine Debatte über die Zukunft von Dieselfahrzeugen, er hat sogar eine Debatte über die Zukunft der ganzen deutschen Automobilbranche ausgelöst. Was aber aus unserer Sicht bis heute völlig zu kurz kommt, ist die Debatte über folgendes Thema: Wie kommen eigentlich die betrogenen Verbraucherinnen und Verbraucher nun zu ihrem Recht? Denn neben den Menschen, die unter der schlechten Luft leiden, sind die betrogenen Autokäufer eine weitere Gruppe der Geschädigten.
Die Verbrauchertäuschung, die wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, die aufgedeckt wurde durch Teile der Autoindustrie, ist wohl in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einzigartig, und sie offenbart einmal mehr eine massive Rechtslücke im Verbraucherrecht; denn es kann nicht sein, dass der Verursacher der Schäden,
derjenige, der täuscht und betrügt, am Ende damit sogar durchkommt, und zwar schlicht und ergreifend deswegen, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher keinen rechtlichen Hebel haben, der es Ihnen mit einem angemessenen Aufwand ermöglicht, ihr Recht geltend zu machen.
Es ist auch nicht so, dass es nicht in anderen Bereichen bereits weitgehende Möglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher gäbe, zu ihrem Recht zu kommen. Nehmen wir das EU-Fahrgastrecht, bei dem sie automatisch Anspruch auf Entschädigung haben. Wenn sie aber jetzt ein Dieselauto gekauft haben und dieses nicht das hält, was es verspricht, dann stehen sie damit momentan ziemlich allein da; denn es ist nach wie vor unklar, ob sie als Verbraucher ihr Auto zurückgeben oder auf eine Entschädigung hoffen können. Hierzu laufen noch unterschiedliche Gerichtsverfahren einzelner Verbraucher.
Auch nähert sich die Verjährungsfrist eventueller Ansprüche mittlerweile bedrohlich, und Verbraucherinnen und Verbraucher, die bislang vielleicht untätig geblieben sind, weil sie auf ein Handeln der Politik gehofft haben, müssen nun befürchten, dass sie gar nichts mehr bekommen.
Was müsste also getan werden, um die Verbraucherrechte endlich wirksam zu stärken? Es braucht dringend – und das ist längst überfällig – die Möglichkeiten kollektiver Rechtsdurchsetzung, also Gruppenverfahren. Auch dies ist jahrelang durch die Bundesregierung versäumt worden. Es ist jahrelang versäumt worden, diese Rechtslücken, die existieren, zu schließen und endlich die Rechte der Verbraucher so zu stärken, dass sie ihren Schaden beheben können.
Bereits 2014 hat der Bundestag über einen solchen Gesetzentwurf der grünen Bundestagsfraktion zur Einführung einer Verbrauchersammelklage diskutiert. Dieser ist leider abgelehnt worden. Scheinbar konnte man sich zu diesem Zeitpunkt, ein Jahr vor Beginn des Dieselskandals, nicht vorstellen, das Verbraucherrecht zu stärken.
Doch auch 2017, als der grüne Gesetzentwurf erneut eingebracht wurde, wurde sich damit erst gar nicht befasst.
Es ist also schon viel zu viel Zeit verstrichen, und das hat auch insgesamt dem Ansehen der Politik geschadet, wenn wir uns anschauen, dass zum Beispiel 63 % im Deutschlandtrend die Auffassung teilen, die Politik vertrete in der Dieseldebatte eher die Interessen der Autokonzerne als die der geschädigten Bevölkerung.
Es ist also an der Zeit zu handeln. Was würde jetzt eine Verbrauchersammelklage bringen, bzw. was muss noch getan werden? Ich sagte es bereits, erst einmal muss die Verjährung der Ansprüche gesetzlich verlängert werden; denn sonst läuft sie Ende 2017 aus.