Protocol of the Session on September 4, 2017

Dass dieser Prozess nicht immer einfach und sicher mit vielen, teils sehr emotional geführten Gesprächen und umfassenden Diskussionen verbunden ist, möchte ich gar nicht abstreiten. Dennoch stellen wir uns im Interesse der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger dieser Herausforderung.

Meine Damen und Herren, zum Schluss noch ein paar Worte zur allgemeinen Finanzsituation der kommunalen Ebene. Bei der Beurteilung – das meine ich wirklich, als ich eben zu Anke Beilstein sagte, das ist nicht zynisch gemeint – darf man auch die Kommunen selbst nicht ganz aus der Pflicht nehmen. Ein Blick – das steht auch im Kommunalbericht – auf die durchschnittlichen Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B zeigt, dass die rheinland-pfälzischen Gemeinden schon noch einen Nachholbedarf bei der Anpassung der Hebesätze haben.

Unbestritten der Zusicherung einer Mindestfinanzausstattung liegt es auch an den Kommunen, die eigenen Steuerquellen nicht nur zu pflegen, sondern sie auch zu nutzen, eine Entscheidung, die allerdings als Ausdruck – darauf lege ich allergrößten Wert – der kommunalen Selbstverwaltung den Kommunen selbst überlassen bleiben muss.

Zudem steht noch Ende dieses Jahres die Evaluierung des kommunalen Finanzausgleichs (KFA) an. Dabei soll vor allem die starke Belastung durch Sozialausgaben für die Träger der örtlichen Sozialhilfe im Fokus stehen. Ohne den Ergebnissen vorweggreifen zu wollen, möchte ich auf

einen maßgeblichen Aspekt bei der Bewertung der kommunalen Finanzlage hinweisen: Für eine differenzierte Beurteilung ist es ausschlaggebend, die Finanzausstattung der Kommunen nicht isoliert zu betrachten. Stattdessen muss diese immer auch mit der Finanzlage des Landes verglichen werden. Ein Vergleich hat in der Vergangenheit gezeigt, dass von 2002 bis 2012 die Kommunen relativ gesehen besser mit Finanzmitteln ausgestattet waren als das Land.

Im Rahmen der Evaluierung des KFA bleibt nun abzuwarten,

(Glocke des Präsidenten)

wie sich dieses Verhältnis in den letzten Jahren entwickelt hat.

Meine Damen und Herren, der Kommunalbericht des Rechnungshofs hat uns verdeutlicht, dass wir noch viel zu tun haben. Die Landesregierung stellt sich den Herausforderungen und ist mit den anstehenden Reformen auf dem richtigen Weg.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich bin beim letzten Satz.

Ich bin gespannt auf die kommende Evaluierung des KFA und freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen und hier im Plenum.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention auf die Rede der Frau Abgeordneten Becker hat sich Herr Abgeordneter Frisch gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Becker, ich bin schon etwas verwundert über das Argument mit den kleinteiligen Strukturen als Ursache für die Finanzmisere unserer Kommunen. Das ist mir in der ganzen Debatte bisher noch nicht begegnet. Ich denke, wenn man sich anschaut – wir haben die Zahlen eben gehört –, dass es vor allem die großen Einheiten und die kreisfreien Städte sind, die enorme Schulden angehäuft haben, überzeugt mich das Argument keineswegs.

Wo sollen denn unsere Kommunen bitte schön noch Einsparungen hernehmen? Die Aufgaben, die ihnen vom Land zugeteilt worden sind, wofür sie nicht ausreichend finanziell ausgestattet sind, lassen ihnen kaum Luft zum atmen. Schauen Sie sich einmal die freiwilligen Leistungsbereiche etwa einer Stadt wie Trier an. Da ist nichts mehr zu sparen. Sie können noch einige Blumen einsparen, die dann in den Beeten an den Alleen nicht mehr gepflanzt werden, aber ansonsten ist die Stadt mit ihren Einsparmöglichkeiten quasi vollkommen am Ende.

Deshalb ist es ein strukturelles Problem, nämlich eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen angesichts der vielen Aufgaben, die vom Land, teilweise auch vom Bund, den Kommunen in den letzten Jahren auferlegt worden sind. Wenn wir nicht dahin kommen, dass wir das Konnexitätsprinzip wieder ganz klar einhalten, wird es für die Kommunen keine Zukunft geben. Dann werden sie es niemals schaffen, von ihren Altschulden herunterzukommen. Im Gegenteil, sie werden permanent neue Schulden aufhäufen.

(Beifall der AfD)

Es ist bezeichnend, dass unter dem Kommunalen Entschuldungsfonds in den vergangenen Jahren die Schulden dieser Städte weiter angewachsen sind. Wie soll man das den Bürgern im Land erklären? Das Land legt einen Entschuldungsfonds auf. Was ist das Ergebnis? Die Schulden sind höher als jemals zuvor. Da kann nur jeder vernünftige Mensch sagen, da ist etwas grob schiefgelaufen. Ich kann nicht erkennen, dass die Landesregierung ein Konzept hat, wie sie langfristig diesen Entwicklungen begegnen will.

Für die Kommunen ist das ein fataler Zustand. Wir haben ebenfalls gehört, sobald auch nur die Zinsbelastung um einen geringen Prozentsatz ansteigt, gehen tatsächlich in vielen Kommunen unseres Landes die Lichter aus. Dafür trägt die Landesregierung die Verantwortung. Wir können nur an Sie appellieren, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie wir die Zukunft unserer Kommunen absichern können.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich der Frau Abgeordneten Becker das Wort.

Sehr geehrter Herr Kollege, man hat fast den Eindruck, Sie waren mit der Rede Ihrer Kollegin zu diesem Thema nicht einverstanden. Sonst hätten Sie jetzt nicht noch eine Gegenrede halten müssen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Wer nicht weiß, dass die Verwaltungsstrukturen in Rheinland-Pfalz eines der großen Probleme sind, der hat den Kommunalbericht nicht gelesen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen haben.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile der Frau Abgeordneten Schellhammer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Kommunalbericht 2017 des Landesrechnungshofs kommt zu dem Ergebnis, dass sich Teile der rheinlandpfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände trotz gestiegener Einnahmen zunehmend verschulden. Die Lage kann man als angespannt bezeichnen. Selbstverständlich nimmt auch meine Fraktion die Finanzsituation der Kommunen sehr ernst.

Schauen wir aber in die Zahlen: Die Haushalte der rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände schlossen 2016 mit einem Defizit von 15 Millionen Euro ab. Das ist sicherlich nicht erfreulich, jedoch im Vergleich zu den letzten Jahren erkennt man, dass es eine deutliche Verbesserung gibt, wenn man sich den kommunalen Finanzierungssaldo anschaut. Ich möchte die Zahlen nennen: 2011 minus 439 Millionen Euro, 2012 minus 372 Millionen Euro, 2013 minus 306 Millionen Euro, 2014 minus 375 Millionen Euro, 2015 plus 82 Millionen Euro und 2016 minus 15 Millionen Euro.

Die Verbesserung hat verschiedene Ursachen. Allein im Doppelhaushalt 2017/2018 haben wir 323 Millionen Euro über den kommunalen Finanzausgleich für unsere Kommunen eingestellt. Damit steigt der KFA von 2,6 Milliarden Euro auf 2,9 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung des KFA um knapp 12 % gegenüber der Steigerung im Gesamthaushalt um 3,6 %.

Auch die Einnahmen aus Schlüsselzuweisungen sind 2006 wieder gestiegen. Sie übertrafen mit 1,5 Milliarden Euro den Vorjahreswert um fast 9 %.

Ein weiterer Grund ist auch – darauf wurde schon eingegangen –, dass der Entschuldungsfonds des Landes seine Wirkung zeigt. Im Moment nehmen ca. 700 Kommunen in Rheinland-Pfalz am Kommunalen Entschuldungsfonds teil. Das sind aber 100 weniger als am Anfang, da diese Kommunen erfolgreich diesen Prozess beendet haben. Man kann also durchaus sagen, dass der Kommunale Entschuldungsfonds seine Wirkung zeigt.

Wir dürfen aber selbstverständlich nicht die Augen vor Problemen der Kommunen verschließen. Deshalb wird die Landesregierung – das haben wir auch so im Koalitionsvertrag festgehalten – selbstverständlich Maßnahmen umsetzen, damit sich die Finanzsituation unserer Kommunen verbessert.

Der kommunale Finanzausgleich wird evaluiert, und wir gehen im kommenden Jahr die Reform des KFA an. Bei der Reform kommt es darauf an, auf der einen Seite nach einer gleichmäßigen Finanzausstattung der Kommunen untereinander zu schauen und auf der anderen Seite eine mögliche Anpassung der Verteilung innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs anzustreben.

Die Belastung der einzelnen Kommunen, insbesondere der Städte und Landkreise – das wurde schon mehrfach erwähnt –, die besonders hohe Sozialausgaben haben und dadurch auch einen hohen Schuldenstand verzeichnen, werden wir im Rahmen der Evaluation und der Diskussion in den Blick nehmen.

Wir müssen aber schauen, dass selbstverständlich neben dem KFA, den wir angehen wollen, aber immer auch die Perspektive des Bundes zu sehen ist, weil es insbesondere die gestiegenen Sozialausgaben sind. Deswegen müssen wir weiterhin die Forderung aufrechterhalten, dass sich der Bund strukturell auch an den gestiegenen Ausgaben beteiligen muss. Nur gemeinsam wird daraus ein Schuh, indem wir als Land schauen, wie wir den KFA reformieren können. Wir müssen aber gleichzeitig an den Bund appellieren, sich strukturell an den gestiegenen Ausgaben zu beteiligen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Aber auch die Einnahmeseite – das hat Frau Kollegin Becker schon erwähnt – muss in den Blick genommen werden. Der Kommunalbericht hat auch festgestellt, dass trotz steigender Steuereinnahmen niedrigere Pro-KopfEinnahmen als im Durchschnitt der übrigen Flächenländer erzielt wurden. Das ist ein Vergleich, den wir uns genau anschauen müssen. Das lag auch an den benannten Hebesätzen. Auch der Finanzreport der Bertelsmann Stiftung hat das gezeigt.

Wenn man den Blick nach Hessen und NordrheinWestfalen richtet, so haben die Kommunen dort auch einen hohen Stand an Kassenkrediten. Sie haben eine wesentlich höhere Steigerungsrate, was beispielsweise die Grundsteuer B anbelangt. Während Hessen und NordrheinWestfalen eine Steigerung ihrer Hebesätze im Zeitraum 2005 bis 2015 bei der Grundsteuer B im Bereich von 38 % oder 24 % erzielt haben, so sind es die Kommunen in Rheinland-Pfalz wesentlich zurückhaltender angegangen, nämlich nur mit 17 %. Mit dieser Steigerungsrate liegen wir, obwohl hoch verschuldete Kommunen in diesem Land existieren, lediglich im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Deswegen müssen wir auch bei der Diskussion um die finanzielle Ausstattung der Kommunen selbstverständlich über die Hebesätze der Realsteuern sprechen.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Ich möchte noch kurz auf die Forderung der CDU nach einer Generaldebatte eingehen. Wir können hier sehr intensiv diskutieren, was wir auch machen. Immer wieder ist das Thema Kommunalfinanzen im Landtag auf der Tagesordnung. Aber eine Generaldebatte oder Grundsatzdebatte ist nicht das geeignete Instrument.

(Glocke des Präsidenten – Zurufe von der CDU)

Wir werden Fakten zur Evaluation des KFA auf dem Tisch haben. Die Kommunen erwarten von uns Lösungen. Diese werden wir zielorientiert auf der Grundlage der Evaluation des KFA hier diskutieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister

Lewentz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zum Kommunalbericht 2017 den Ausführungen von Herrn Noss, Frau Becker und Frau Schellhammer noch einige Ergänzungen anzufügen. Wir haben in der Ampelkoalition gemeinsam in der Koalitionsvereinbarung vereinbart, dass wir vier Ziele auf den Weg bringen. Ich möchte Ihnen das noch einmal vortragen.

„Der kommunale Finanzausgleich ist ein geeignetes Instrument, das wir evaluieren und fortentwickeln wollen. Der Stabilisierungsfonds hat sich bewährt, weil er wirksam zu einer Verstetigung der Einnahmen der Kommunen beiträgt.“ Das ist das erste Ziel.

„Hierdurch ist bereits heute absehbar, dass die Finanzausgleichsmasse bis zum Jahr 2020 weiterhin stärker als die Gesamtausgaben des Landes wachsen wird. Angesichts des zuletzt positiven Finanzierungssaldos der Kommunen werden bei der Evaluation im Jahr 2017 die Frage der gleichmäßigen Finanzausstattung der Kommunen und eine mögliche Anpassung der Verteilung innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs im Vordergrund stehen.“ Das ist das Ziel 2.