Protocol of the Session on June 22, 2017

Deshalb sagen wir auch, wir brauchen ein transparentes System für ein vernünftiges Beschwerdemanagement. Das muss aufgebaut werden. Das ist ganz klar. Wichtig ist auch, es fehlt mir persönlich eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots, für automatische Programme, die Hassparolen und Fake News ins Netz streuen.

Ich hatte erläutert, dass ich diese Woche in Israel war und dort ein Gespräch mit der zuständigen Behörde gegen Cybercrime, Hass und Hetze im Internet hatte.

(Glocke des Präsidenten)

Da sage ich ganz deutlich, Israel wird auch ein Gesetz entwickeln. Ich bin mir sicher, dass wir am Ende zwar national beginnen, aber nicht national gegen das weltweite Netz agieren können. Deshalb braucht es eine Allianz all derer, die für Meinungsfreiheit stehen, aber auch für den Schutz der Persönlichkeitsrechte.

(Beifall der CDU, vereinzelt bei der SPD und des Abg. Thomas Roth, FDP)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Roth für die Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen an dieser Stelle über einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministers, der für viel Gesprächsstoff in den vergangenen Wochen gesorgt hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Gesprächsstoff.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Dem Grundsatz nach begrüßen wir Freie Demokraten das Tätigwerden des Bundesgesetzgebers gegen Hass im Netz. Er folgt damit einem einstimmigen Beschluss der Justizministerkonferenz aus dem vergangenen Jahr.

Wenngleich wir für größtmögliche Freiheit im Netz sind und die Meinungsfreiheit für ein unschätzbar wichtiges Gut halten, so kann das doch nicht dazu führen, dass unter diesem Deckmantel Straftaten im Internet verübt werden. Einem solchen Tun gilt es, mit aller Macht entgegenzutreten. Dies hat die Polizei am vorgestrigen Aktionstag gegen Hasskriminalität eindrucksvoll bewiesen. In 14 Bundesländern wurden Razzien durchgeführt, zum größten Teil gegen Volksverhetzung im Internet.

In den Details des Gesetzentwurfs gibt es jedoch aus unserer Sicht einige Bedenken und Änderungsnotwendigkeiten. Auch der Wissenschaftliche Dienst attestiert dem Gesetzentwurf Mängel im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit. Wenngleich es bei dem uns vorliegenden Gesetzentwurf nicht zentral um die Meinungsfreiheit geht, ist doch zu bedenken, dass diese in Deutschland nicht grenzenlos gegeben ist. Das Gesetz hat so ausschließlich strafbare Inhalte zum Gegenstand, die ohnehin nicht von der Meinungsfreiheit geschützt werden.

Dennoch stellt sich die Angelegenheit als schmaler Grat dar, der rasch zu einer Verletzung dieses Freiheitgrundrechts geraten kann. Konkret ist an dem Gesetzentwurf von unserer Warte zu kritisieren, dass dieser eine gerichtliche Vorabentscheidung vorsieht, ehe die zuständige Behörde ein Bußgeld verhängen kann. Dies stellt eine Durchbrechung des bisherigen Grundsatzes dar, dass Gerichte erst nachträglich behördliche Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen.

Unseres Erachtens führt dies zu einer Verkomplizierung und ist nicht nachvollziehbar.

Problematisch ist weiter, dass Nutzer, deren rechtmäßige Inhalte aufgrund des Gesetzes gelöscht werden, keine Möglichkeit haben, hiergegen vorzugehen. Man denke etwa an die Fälle von Schmähkritik, bei welchen nicht immer eindeutig ist, wann dies noch von der Meinungsfreiheit erfasst ist und wann nicht. Erlebt haben wir das vor nicht allzu langer Zeit mit dem Gedicht des TV-Moderators Jan Böhmermann.

Der Ausschluss von Widerspruch und Überprüfungsmöglichkeiten seitens des Betroffenen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist kein gangbarer Weg und eine Be

schneidung von Rechten des Bürgers, der sich rechtmäßig verhält. Mithin ist dies in dieser Form nicht tragbar und bedarf der Korrektur. Schließlich bestehen auch Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Europarecht und im Hinblick auf den Erfüllungs- und Kostenaufwand für die Länder, da wir insgesamt eine hohe Anzahl an Bußgeld und in der Folge auch an Gerichtsverfahren erwarten. Ein Gesetz auf den Weg zu bringen, ohne die Folgen realistisch abzuschätzen, welche auf die Justiz der Länder zukommen, kann allerdings nicht die Lösung sein. Es bedarf auch hier der Korrektur.

Zusammenfassend möchte ich nochmals betonen, dass wir das Tätigwerden der Bundesregierung grundsätzlich begrüßen und unterstützen. Wir wissen auch, dass es sich bisher lediglich um einen Gesetzentwurf handelt. Doch leider ist dies an nicht unerheblichen Stellen mit handwerklichen Fehlern durchsetzt, und deshalb braucht dies auch eine dringende Überarbeitung.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schellhammer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mitte Februar haben wir uns hier im Rahmen einer Orientierungsdebatte intensiv mit Hasskommentaren im Netz auseinandergesetzt und darüber ausgetauscht, welche Auswirkungen eine solche Entgrenzung im Netz haben kann. Hetze und Hass ist im Netz, also derart heftige Rechtsverletzungen, sind nicht nur eine Zumutung für betroffene Personen, sie sind auch, wenn sie 100.000-fach ausgesprochen, gepostet und geteilt werden, eine gravierende Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie, gerade wenn sie ungeahndet bleiben.

Wir haben uns in der Orientierungsdebatte intensiv damit befasst und auch verschiedene Handlungsoptionen diskutiert. Dass gehandelt werden muss, steht auch für meine Fraktion außer Frage.

Hass verstärkt sich, indem er im Netz teilbar wird. Damit verstärkt sich auch bei den Betroffenen die Wirkung einer solchen Aussage.

Die grüne Bundestagsfraktion hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es Handlungsbedarf gibt, und die Bundesregierung auch dazu aufgefordert, konkrete Maßnahmen vorzulegen. Aber bis auf Offene Briefe an die Plattformbetreiber oder folgenlose Arbeitsgruppen ist lange Zeit in dieser Legislaturperiode nichts passiert. Erst in diesem Jahr wurde nun ein Gesetzentwurf im Bundestag vorgelegt, und die Kritik war eindeutig. Darauf ist schon eingegangen worden. Vom Richterbund über die Digitalwirtschaft und zahlreichen NGOs bis hin zu den eigenen netzpolitischen Sprechern und Journalistinnen und Journalisten wurde der vorgelegte Gesetzentwurf kritisiert.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion, auch der Befassung des Rechtsausschusses am Montag im Bundestag, scheint es unwahrscheinlich, dass dieses Gesetz in dieser Legislaturperiode überhaupt noch beschlossen wird. Ich sage auch, zu Recht.

Sollte es im Bundesrat doch noch Gegenstand werden, dann sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich der Bundesrat bereits kritisch dazu geäußert hat. Er hat Kritik vorgebracht und bezweifelt, dass die vorgesehenen Maßnahmen überhaupt geeignet wären und es überhaupt vertretbar ist, dass die Überprüfung auf private Plattformbetreiber abgewälzt wird. Wenn solche Maßnahmen aber unwirksam sind, wiegt der Vorwurf umso schwerer, dass es möglicherweise eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ist.

Darüber hinaus wird bei der Diskussion über das Gesetz oft vergessen,

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

dass, wenn es beschlossen wird, es auch zur Notifizierung bei der EU vorgelegt werden muss. Sollte es überhaupt im Bundestag beschlossen werden, ist fraglich, ob es nicht abschließend in Brüssel versenkt wird.

Zusammenfassend: Inhaltlich und auch handwerklich ist dieses Gesetz hoch problematisch. Das haben wir immer wieder eindeutig auch im Bundestag ausgedrückt. Wir haben als Grüne dort eigene Ansätze präsentiert. Der Ansatz geht umfassender auf die Problematik Hate Speech, Fake News und Social Bots ein, und zwar nicht, indem die Anbieter selbst zum Richter gemacht werden. Sie werden aber in die rechtliche Verantwortung genommen. Das ist meines Erachtens der richtige Weg.

Wir müssen nicht nur Rechtsverfahren stärken, sondern auch diese Form von Hasskommentaren als ein soziales Problem sehen. Sie sind nämlich vorrangig zwischen Menschen und damit auch ein soziales Problem. Menschen agieren derart entgrenzt, dass sie die Würde ihrer Mitmenschen verletzen. Eine solche Gesellschaft kann niemand wollen. Nicht die Einsetzung einer möglicherweise vierten Gewalt im Internet ist die Lösung, sondern ein gesellschaftliches Klima, das ganz klar Hass und Hetze ächtet, und zwar rechtlich, moralisch und gesellschaftlich.

Da der Antrag der AfD, der später auf der Tagesordnung steht, eben diese Ächtung nicht vornimmt, werden wir diesen Antrag ablehnen.

Freiwillige Appelle an Plattformbetreiber und ein Gesetzentwurf, der kritikwürdig ist und vermutlich gar nicht beschlossen wird, helfen keinem Opfer von Hasskommentaren und machen unseren gesellschaftlichen Umgang damit auch nicht besser. Wir wollen weder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit noch personenbezogene Menschenfeindlichkeit, weder offline noch online. Es gilt, Hass zu ächten bei Wahrung der Meinungsfreiheit, aber auch konsequent zu handeln. Meine Damen und Herren, das sollte in der kommenden Bundesregierung ganz weit oben auf der Agenda stehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht nun Frau Staatssekretärin Raab.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin dankbar, dass wir heute wieder eine so differenzierte Debatte zu dem Umgang mit Hasskommentaren in den sozialen Netzwerken führen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hassbotschaften nehmen im Internet immer mehr zu. Das war auch der Grund dafür, warum die Polizei zu Beginn der Woche bundesweite Razzien durchführte. Anlass war der bundesweite Aktionstag gegen Hassbotschaften.

Meines Erachtens ist das ein ganz wichtiges Signal; denn Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt.

Deshalb möchte ich betonen, die Zielrichtung des vorgelegten Entwurfs zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist richtig. Strafrechtlich relevante Inhalte müssen verlässlich aus dem Netz entfernt werden, und die großen Sozialen Netzwerke und Plattformanbieter müssen hierbei in die Pflicht genommen werden.

Die am 1. Juni von der EU-Kommission vorgestellten Ergebnisse eines EU-Monitorings zeigen – nachdem der Code of Conduct ein Jahr in Kraft war – zwar gewisse Fortschritte. Im Durchschnitt haben 59 % aller Meldungen von Hassbotschaften dazu geführt, dass der entsprechende Inhalt entfernt wurde. Damit liegt der Prozentsatz zwar deutlich höher als noch vor sechs Monaten, als jugendschutz.net ein deutschlandweites Monitoring durchführte, aber er ist bei Weitem noch nicht hoch genug.

Auch dass YouTube höhere Löschquoten aufweist als beispielsweise Facebook, zeigt, es geht mehr. Daher formuliere ich erneut, dass die Landesregierung das Ziel des Gesetzentwurfs, die Verbesserung des Löschverhaltens der Unternehmen, ausdrücklich unterstützt.

Ferner greift der Gesetzentwurf auch Berichtspflichten, ein fundiertes Beschwerdemanagement der Unternehmen und einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten auf. Sind empfangsberechtigte Personen nur irgendwo in den USA oder sonst wo auf der Welt in einer Briefkastenfirma zu Hause, laufen Beschwerden und Klagen ins Leere.

Wir Länder haben uns seitens der Justizministerkonferenz – die aktuell in Deidesheim tagt – und seitens der Rundfunkkommission aktiv in den Gesetzgebungsprozess eingebracht und im Bundesrat Stellung bezogen.

Nach den guten Erfahrungen mit dem Staatsvertrag zum Schutz der Menschenwürde und zum Jugendschutz setzen wir uns für das Ziel ein, eine Balance zwischen der konsequenten Bekämpfung von Hassbotschaften bei Wahrung der Meinungsfreiheit herzustellen. Wir haben im Jugendschutz ein staatsfernes und ein fein ausziseliertes System geschaffen. Das kann auch bei Hassbotschaften, wo ähnliche Mechanismen greifen müssen, über eine koregulierte

Selbstkontrolle erfolgen. Auch die EU-Kommission hat in ihrem Monitoring-Bericht die Selbstregulierung als effizientes Mittel im Kampf gegen Hate Speech hervorgehoben. Der von Ihnen zitierte UN-Sonderberichterstatter verweist genau darauf.

Wir haben ein mehrstufiges Verfahren mit staatlich anerkannten Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle und dennoch staatsfern. Wir haben bereits vier solcher Einrichtungen. Dieses System garantiert schon seit vielen Jahren das verfassungsrechtlich gebotene Gleichgewicht zwischen rechtlichen Eingriffen in die Meinungsfreiheit und den größtmöglichen Schutz derselben.

Längst haben wir – das wissen wir aus zahlreichen Gesprächen mit dem Bundesjustizminister und den Mitgliedern des Deutschen Bundestags – erfahren, dass Änderungsvorschläge noch in dieser Legislatur – Frau Schellhammer – mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgegriffen werden sollen. Auch liegt der Gesetzentwurf bereits in Brüssel zur Notifizierung vor.

Insbesondere Änderungsvorschläge wie die Thematik der Selbstregulierung oder die Flexibilisierung der starren Fristen würden wir seitens der Länder sehr begrüßen.