Protocol of the Session on June 22, 2017

(Beifall der AfD)

Wir treten ein für ein subsidiäres Europa der souveränen Nationalstaaten, ja, mit einem gemeinsamen Binnenmarkt, aber keiner zentralistischen Zentralbürokratie.

Wenn Sie, wie Sie es heute mehrfach getan haben, insinuieren, dass Sie mit Ihren Ansichten für die Mehrheit der Menschen stehen würden und wir in der Minderheit seien, dann, liebe Kollegin, täuschen Sie sich, und dafür gibt es seit Kurzem auch eine paneuropäische Untersuchung – ich glaube, gestern oder vorgestern veröffentlicht – von der britischen Denkfabrik Chatham House, die in allen europäischen Ländern Befragungen, eine repräsentative Umfrage, durchgeführt hat. Dabei gab es zwei Gruppen, nämlich Bürger, also die breite Bevölkerung, und sogenannte Eliten, Entscheider in Politik, Wirtschaft etc.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: So wie Sie!)

Das Interessante ist, dass es dabei zu erklecklichen Differenzen gekommen ist. Wenn wir uns einmal die Ansichten der Bürger anschauen, wollen die Bürger zu 48 % eine Rückverlagerung von Kompetenzen der Brüsseler Bürokratie an die Nationalstaaten,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

und nur zu 24 % wollen die Bürger, dass die EU mehr Kompetenzen bekommt. Also, dies stützt unsere Position, Frau Kollegin, nicht Ihre.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau! Das ist die Meinung der Bürger!)

Auch in Bezug auf das Großthema Einwanderung sehen es die Bürger so, dass die Einwanderung nach Europa stärker gesteuert und klar begrenzt werden müsste, während die sogenannten Eliten es anders sehen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Klar!)

Sie sehen also, die AfD ist die Sachwalterin der Interessen und der Ansichten der Bürger nicht nur in Deutschland, sondern in Europa!

(Beifall der AfD)

Das ist jetzt amtlich, und da brauchen Sie auch gar keinen Daumen runter zu machen, Frau Kollegin Becker. Das ist jetzt durch Fakten belegt, das ist die Tatsache.

Vielen Dank, und nehmen Sie es jetzt vielleicht endlich an!

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Hartenfels das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur AfD lässt sich eigentlich nur festhalten – Herr Lohr,

das haben Sie gerade noch einmal deutlich gemacht –, Sie sind so weit weg von Europa,

(Abg. Damian Lohr, AfD: Nein, von der EU! – Zurufe von der AfD: Nein, das stimmt nicht! Differenzieren Sie das doch endlich einmal!)

dass es keine Anknüpfungspunkte gibt, mit Ihnen überhaupt in eine Debatte darüber einzusteigen. Das können wir uns an dieser Stelle wirklich sparen.

Herr Seekatz, aber eines hat mich bei Ihnen wesentlich mehr überrascht, und da muss ich, glaube ich, deutlicher werden als meine Kollegin vorher. Sie haben es vorhin so dargestellt, als hätten Sie eine Debatte um einen gemeinsamen Antrag mit uns geführt. – Wenn ich einmal aus dem Nähkästchen des Ausschusses plaudern darf, haben Sie sich trotz mehrmaliger Aufforderung von verschiedenen Personen, auch des Ausschussvorsitzenden, auf den Standpunkt gestellt, Sie diskutieren nicht im Ausschuss über diesen Antrag. Sie sehen dazu keine Notwendigkeit.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Aha, aha! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Unglaublich!)

Ich glaube, das ist typisch für die CDU, dass sie eher auf die Show-Effekte setzt und nicht auf eine ernsthafte Auseinandersetzung.

Wenn man seinen Antrag schon mit dem Titel überschreibt: „Die Zukunft Europas gestalten“, und noch nicht einmal bereit ist, dies mit seinen Ausschusskollegen zu diskutieren und auch um die besten Lösungen zu ringen, dann frage ich mich, wie Sie die Bürgerinnen und Bürger von Ihren Positionen überzeugen wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Alexander Licht, CDU: Nachdem Sie 80 % des Antrags gestrichen haben!)

Herr Licht, zu Ihrem Einwurf möchte ich Folgendes sagen: Wir hatten fast die komplette erste Seite Ihres Antrags übernommen, und wir hatten auch zwei von vier Spiegelstrichen übernommen, waren aber der Ansicht, dass bei einem Titel, der lautet: „Die Zukunft Europas gestalten“, doch wesentlich mehr Butter bei die Fische müsste und dass man sich wesentlich intensiver mit den Problematiken Europas auseinandersetzen müsste. Deswegen haben wir diesen Antrag noch einmal deutlich erweitert und ergänzt, und ich glaube schon, dass er es wert gewesen wäre, auf dieser Grundlage in eine Debatte einzusteigen.

Herr Seekatz, ich glaube eher, dass dieser Europaantrag der CDU-Landtagsfraktion zu einem bemerkenswerten Zeitdokument werden wird, gerade vor dem Hintergrund unserer gestrigen Gedenkstunde an Dr. Helmut Kohl als großem Europäer, und zwar aus meiner Sicht zu einem eher beschämenden Zeitdokument des Zustands der CDULandtagsfraktion, was Europa betrifft.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Sie, verehrte Damen und Herren von der CDU, haben sich mit diesem Europaantrag wirklich sehr weit von Ihrem Vorbild – auch von unserem Vorbild –, dem Europäer Helmut Kohl, abgesetzt.

(Zurufe von der AfD: Er kann sich nicht mehr wehren! Der spät-Grüne Kohl als ein Vorbild!)

Ich will anhand des Textes Ihres Europaantrags detailliert erläutern, was ich damit meine. Sie kommen mit dem Anspruch daher, die Zukunft Europas zu gestalten, und im zweiten Absatz findet sich sogar der Satz: „Wir müssen die europäische Idee wieder mit Leben füllen und sie offen vertreten.“

Dann suche ich doch einmal im Antrag der CDU, wie Sie die europäische Idee mit Leben füllen wollen und wie Sie sie offen vertreten. Das findet sich auf der zweiten Seite Ihres Antrags, und da lassen Sie die Katze dann aus dem Sack.

Da lese ich etwas von wachsenden Migrationsströmen, vor denen sich Europa offensiv und lückenlos schützen muss. – Das ist ein toller Gedanke, um die europäische Idee mit Leben zu füllen.

Da finde ich auch die platte Gegenüberstellung des angeblich christlich-jüdischen Erbes in Europa und des islamistischen Terrors. – Mit dieser Aussage soll auch angeblich die europäische Idee mit Leben gefüllt werden. Mich erinnert das eher an puren Populismus, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Drittens fällt Ihnen zum Thema der europäischen Idee nichts Besseres ein, als dass die Landesregierung die Sicherheitsbehörden personell und organisatorisch besser ausstatten soll.

Wir können uns gern über die Innere Sicherheit und Extremismusprävention unterhalten, dazu sind wir Grüne immer gern bereit, und dazu ist auch die Ampelkoalition immer gerne bereit, aber dann bitte an der richtigen Stelle, wie zum Beispiel in der gestrigen Diskussion zum Polizei- und Ordnungsbehördengesetz. Dort gehören diese Debatten hin, und dort sollten sie dann auch geführt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Nein, meine Damen und Herren von der CDU, in Ihren perspektivischen Forderungen kann ich nichts Visionäres entdecken: keinen europäischen Geist, keinen Tatendrang, für Europa offensiv zu streiten, keinen Mut, ein Bild von einem europäischen Haus zu entwerfen, welches seinen Herausforderungen auch gerecht werden kann.

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, wer mit dem Anspruch daherkommt, die europäische Idee mit Leben füllen zu wollen, muss eigentlich über ganz andere Fragestellungen und Perspektiven sprechen, und wir haben in unserem Antrag auch skizziert, worüber

wir eigentlich reden müssten. Wir müssten über gezielte Investitionen in eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft reden und über die Schaffung von Arbeitsplätzen durch einen neuen Zukunftsfonds im EU-Haushalt. Darüber müssten wir reden. Wir müssten über eine starke Klimaschutz- und Energie-Union mit ehrgeizigen Zielen mit Blick auf die erneuerbaren Energien reden: Raus aus der Atomkraft, raus aus der Kohlekraft, hinein in die Erneuerbaren. Das muss europaweit passieren.

Wir wissen auch, für viele Menschen auf der Flucht ist Europa ein Sehnsuchtsort des Friedens und der Menschenrechte, und das ist gut so. Es ist gut, dass wir in Europa ein solches Bild in die Welt senden. Darauf könnten wir eigentlich stolz sein. Deshalb wollen wir eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union. Wir wollen sichere Fluchtwege nach Europa, und wir wollen vor allen Dingen die Fluchtursachen in den Herkunftsstaaten intensivst durch eine Entwicklungszusammenarbeit, durch fairen Handel und durch eine aktive Friedenspolitik bekämpfen.

(Glocke der Präsidentin)

Insofern kann ich nur sagen, Herr Seekatz, Sie haben die einmalige Chance vertan, hier mit einer gemeinsamen Stimme eines Teils dieses Hauses zu sprechen. Ich kann nur festhalten, dieser Europaantrag der CDU heult mit den populistischen Wölfen. Das ist erschreckend, das ist abstoßend, und das ist nicht akzeptabel.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Heiterkeit und Zurufe von der AfD)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerpräsidentin Dreyer.

Danke. Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Man kann sich eigentlich kaum einen passenderen Zeitpunkt vorstellen, an dem dieses Parlament über die Zukunft der Europäischen Union diskutiert.

Es ist eigentlich alles gesagt worden. Anfang der Woche begannen in Brüssel die Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens, was sehr bedauerlich, aber eben inzwischen auch eine europäische Realität ist.

Die französischen Präsidentschaftswahlen im Mai haben einen Pro-Europäer in den Élysée gebracht. – Lieber Herr Lohr, Ihre Interpretation zu Herrn Macron lässt mich ehrlich gesagt nur Verwunderung empfinden.

Klar ist auf jeden Fall, im Gegensatz zu Ihrer Freundin Marine Le Pen ist Macron ein echter Pro-Europäer und hat damit auch die Wahl gewonnen. Im Übrigen können wir nur hoffen, dass über Macron der deutsch-französische Motor wieder stärker anfängt zu laufen und wir damit auch eine Möglichkeit haben, Europa wieder stärker auf Vordermann zu bringen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das 60-jährige Jubiläum der Römischen Verträge ist auch schon genannt worden, und auch ich stehe noch unter dem Eindruck des Festaktes in Rom, der mich als Bundesratspräsidentin sehr beeindruckt hat.