Protocol of the Session on May 31, 2017

Deshalb war sofort klar, das kann nicht hingenommen werden. Hier müssen wir als Integrationsministerium aktiv werden; denn zwangsweise Rückführungen von Menschen aus Kirchenräumen sind inakzeptabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin daher auch sehr froh, dass wir innerhalb kürzester Zeit zusammen mit meinem Kollegen, dem Innenminister Roger Lewentz, für den 22. Mai ein Treffen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Evangelischen und der Katholischen Kirche sowie des Landkreistags Rheinland-Pfalz und des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz organisieren konnten.

Es ist gut, dass wir uns dabei ganz offen und in konstrukti

ver Atmosphäre austauschen konnten; denn dieses Treffen hat Klarheit gebracht. Wir haben uns als wichtigstes Ergebnis nochmals darauf verständigt, dass wir die bewährte Praxis beim Kirchenasyl in Rheinland-Pfalz fortführen wollen; denn es ist nicht akzeptabel, wenn einzelne Behörden und staatliche Ebenen mit ihren Entscheidungen einen bestehenden Konsens in solch einer zentralen Frage aufkündigen. Daher werden wir auch künftig im Einzelfall den vertrauensvollen Dialog auf der Suche nach konfliktfreien Lösungen suchen.

Meine Damen und Herren, eine gute, eine vertrauensvolle und eine frühzeitige Kommunikation und eine besondere Sensibilität aller Beteiligten ist dabei das A und O. Vertrauen kann nur dann bestehen und entstehen, wenn alle Seiten bestehende Absprachen einhalten.

Die Kirchen haben noch einmal klar gemacht, dass das Kirchenasyl von ihren Gemeinden nur als Ultima Ratio und nach reiflicher Abwägung aller Fakten gewährt wird. Es müssen begründbare besondere Härten vorliegen. In der absoluten Mehrzahl der aktuellen Fälle von Kirchenasyl geht es – das wurde auch schon angesprochen – um sogenannte Rücküberstellungen nach der Dublin-Verordnung. Diese Verordnung regelt, dass grundsätzlich der europäische Mitgliedstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist, den ein Flüchtling als erstes betreten hat.

Die kommunalen Ausländerbehörden führen die Rücküberstellung in den zuständigen EU-Mitgliedstaat im Rahmen des Dublin-Verfahrens als Amtshilfe für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch. Das zwischen dem Bund und den Kirchen für sogenannte Dublin-Fälle im Kirchenasyl getroffene Verfahren ist darauf ausgerichtet, dass diese Fälle dann nochmals überprüft werden. Der gesamten Vereinbarung liegt dabei die Idee zugrunde, dass ein von den Beteiligten gesteuerter Prüfungs- und Kommunikationsprozess deeskalierende Wirkung hat.

Meine Damen und Herren, diese Vereinbarung begrüße ich ausdrücklich; denn sie ermöglicht eine von allen beteiligten Seiten gesteuerte lösungsorientierte Einzelfallprüfung in diesen besonderen Härtefällen. Aber auch in Kirchenasylfällen außerhalb des Dublin-Verfahrens gilt das uneingeschränkte Grundprinzip: Alle Beteiligten stehen im Einzelfall im vertrauensvollen Dialog miteinander, um konfliktfreie Lösungen zu finden und diese dann umzusetzen. –

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und vereinzelt bei der FDP)

Frau Abgeordnete Lerch, ich gebe Ihnen völlig recht, das ist natürlich ein Spannungsfeld, in dem sich alle Beteiligten bewegen. In Rheinland-Pfalz gibt es seit 1997 ein eingeführtes Clearingverfahren, das sich sehr gut bewährt hat und bei dem die betroffene Kirchengemeinde mit der zuständigen Ausländerbehörde eine einvernehmliche Lösung anstrebt. Dies hat in der Regel die erneute eingehende Prüfung des Falls zur Folge. Während der Prüfung wird vom Vollzug der Abschiebung abgesehen.

Meine Damen und Herren, es gilt, an diese bestehenden, bewährten Vereinbarungen zum Umgang mit Kirchenasyl

in Rheinland-Pfalz anzuknüpfen. Das genannte Gespräch zum Kirchenasyl war dafür ein sehr guter Anfang. Ich bin deswegen auch optimistisch, dass wir in den aktuellen Fällen des Kirchenasyls mit den Beteiligten zu einvernehmlichen Lösungen kommen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Nun hat Herr Abgeordneter Frisch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser doch sehr emotionalen Debatte möchte ich gern auf die Grundproblematik des Kirchenasyls zu sprechen kommen. Der evangelische Theologe und langjährige SPD-Politiker Richard Schröder hat den Satz geprägt: Sache der Kirchen ist die Barmherzigkeit, Sache des Staates ist die Gerechtigkeit. –

Das heißt aber jetzt nun nicht – ich denke, da sind wir missverstanden worden –

(Vereinzelt Heiterkeit bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Uwe Junge, AfD)

dass staatliche Gesetze nicht den Kriterien der Barmherzigkeit und der Humanität genügen. Ich halte es für einen grundlegenden Fehler, hier einen Widerspruch zwischen Rechtsstaatlichkeit und Humanität konstruieren zu wollen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt zurückrudern, das geht aber nicht! Unsere Gesetze in einem demokratischen Rechtsstaat sind so, dass sie die Grundsätze der Humanität berück- sichtigen. (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die AfD nicht! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das müssen Sie Herrn Joa erklären, nicht uns!)

Wenn nun über zahlreiche Gerichtsurteile ein Verfahren beendet ist, wenn auch eine Härtefallkommission gegebenenfalls einen Fall überprüft hat, dann sollten natürlich die dort getroffenen rechtsstaatlichen Urteile auch konsequent umgesetzt werden.

Wenn nun Vertreter der Kirchen – wofür ich durchaus Verständnis habe und was ich sehr respektiere –

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

aus ihrer subjektiven Sicht die Dinge anders bewerten, dann kann es nicht dazu führen, dass damit vom Staat ge

troffene Urteile in irgendeiner Form ausgehebelt werden.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alle klatschen, außer Herrn Joa!)

Das kann schon deshalb nicht sein, weil es subjektive Einschätzungen sind, die aber nicht von einer Mehrheit oder von den entsprechenden demokratisch legitimierten Gremien mitgetragen werden.

Stellen Sie sich einmal vor, die Kirche würde sich in anderen Bereichen – ich will nur einmal als Beispiel den Lebensschutz nennen – über staatliche Gesetze, Anordnungen und Entscheidungen hinwegsetzen mit dem Hinweis, dass man aus der subjektiv christlichen Perspektive hier eine andere Meinung dazu hätte. Ich möchte nicht hören, was gerade von der linken Seite dann an Häme und Kritik über die Kirchen ausgeschüttet werden würde.

(Beifall bei der AfD – Glocke des Präsidenten)

Insofern halten wir das Kirchenasyl nicht für erforderlich, weil wir rechtsstaatliche Prinzipien haben. Wir möchten gern, dass der Staat in unserem Land das letzte Wort hat und die Kirchen in ihrem sozialen Bereich alles tun können, was sie tun möchten, aber darüber hinaus sich nicht in staatliche Entscheidungen einmischen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klöckner.

Herr Präsident! Herr Joa und Herr Frisch, das ist wieder typisch AfD, der eine überzieht, der andere relativiert.

(Beifall der CDU, bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Problem, das immer wieder in diesem Parlament stattfindet.

Ich sage es ganz offen, ich halte es für unerträglich, was Sie gesagt haben, Herr Joa. Sie haben gesagt, Barmherzigkeit ist nicht die Aufgabe des Rechtsstaates. Ich sage Ihnen, ich lebe in einem anderen Deutschland, ich lebe auch in einem anderen Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz spielt auch Barmherzigkeit eine Rolle.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Joa, wohin es führt, wenn ein Rechtsstaat nicht Barmherzigkeit walten lässt, das erleben wir zur Zeit in der Türkei. Ich will nicht, dass wir ein solcher Staat werden.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist doch kein Rechtsstaat!)

Unsere Rechtsordnung – auch das sollten Sie wissen – sieht sich aus sich selbst heraus nicht als absolut. Das gab es schon einmal in der Geschichte Deutschlands, dass der Rechtsstaat unabhängig von allen Kriterien das geschriebene Wort als absolut gesehen hat. Was wir hier haben, ist nicht ein Kontrast, ein Gegengewaltmonopol der Kirche zum Gewaltmonopol des Staates. Sie haben ein Gegenüber dargestellt. Innerhalb des Gewaltmonopols des Staates ist das Kirchenasyl als ein Verfahren im Verfahren vorgesehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Das ist der entscheidende Unterschied, auch wenn Sie das nicht anerkennen. Am Ende ist eines klar: Es gibt Absprachen, anhand derer das Verfahren des Kirchenasyls läuft. Das hat Frau Dr. Ganster vorhin sehr klar erläutert.

Am Ende muss dann klar sein – ich hätte mir diese Antwort von der Frau Ministerin gewünscht; diese Antwort geben wir als Union –, wenn das Verfahren nach den klaren Kriterien, die besprochen worden sind, abgeschlossen ist, dann muss eine Entscheidung gefällt werden.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch klar!)

Da haben wir gesagt, dann hat am Schluss der Rechtsstaat das Wort.

(Beifall der CDU)

Zu diesem Rechtsstaat gehört für mich ganz klar die Barmherzigkeit. Ich bin dankbar, dass heute die AfD wieder gesagt hat, wes Geistes Kind sie am Ende ist.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Präsidenten)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer.