Protocol of the Session on June 2, 2016

Nein, Sie haben noch drei Minuten und 39 Sekunden Redezeit. – Bitte schön!

Dann verzichte ich.

Okay.

(Zuruf aus dem Hause: Auch gut, vielen Dank! – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Es liegt eine weitere Wortmeldung der Frau Abgeordneten Lerch vor. Bitte schön, Sie haben das Wort. Die FDP hat noch eine Redezeit von drei Minuten und 28 Sekunden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als bildungspolitische Sprecherin meiner Fraktion brennt es mir auf den Nägeln, an dieser Stelle noch einmal einiges klarzustellen.

Frau Klöckner, Sie haben von der Einheitsschule gesprochen. Es gibt in Rheinland-Pfalz keine Einheitsschule, und es wird auch keine Einheitsschule geben.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Koalitionsvertrag diesen Begriff nie verwendet, weder dem Wort nach und den Buchstaben nach noch dem Inhalt nach.

(Zurufe von der CDU)

Deshalb ist es nicht angebracht, dass die Opposition diesen Begriff gebraucht und damit die Eltern in diesem Land irreführt.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Julia Klöckner CDU)

Wir sprechen im Koalitionsvertrag von einem differenzierten und durchlässigen Schulsystem, und genau das wollen wir auch realisieren.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Und genau das schauen wir uns an!)

Es wird dabei bleiben, dass es in Rheinland-Pfalz alle Schularten geben wird, die es heute gibt. Das gilt für das Gymnasium gleichermaßen wie für die Förderschule. Ich appelliere noch einmal eindringlich an dieser Stelle: keine Irreführung in diesem Land, was die Eltern anbelangt und die Schüler.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig! – Weitere Zurufe von der SPD: Bravo! Sehr gut! – Abg. Christian Baldauf, CDU: Das war die erste klare Aussage dieser Koalition, Wahnsinn! – Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Vielen Dank, Frau Lerch.

Der Abgeordnete Dr. Bollinger hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Wir korrigieren unsere Aussage, die sechs Minuten Zuschlag waren bei den drei Minuten und 39 Sekunden Redezeit noch nicht dabei. Sie haben also neun Minuten und 39 Sekunden. – Bitte schön, Herr Dr. Bollinger, Sie haben das Wort.

(Beifall der AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Nachdem mein Vorredner hart mit der Ampel zu Gericht gegangen ist, darf ich mit einem persönlichen Aspekt eröffnen und wahrscheinlich überraschen. Die Erweiterung der repräsentativen Demokratie durch wirksame Volksentscheide auf allen Ebenen nach dem Schweizer Vorbild ist ein Kernanliegen der AfD. Wir möchten nämlich den Bürgern die Möglichkeit geben, selbst über wichtige Belange zu entscheiden, die ihr Leben direkt betreffen.

In Rheinland-Pfalz gibt es seit Längerem formal die Möglichkeit direktdemokratischer Beteiligungen der Bürger durch Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf der Landesebene. Dort sind die Hürden aber bislang so absurd hoch gewesen, dass dies faktisch unmöglich war, und deshalb ist auch bislang noch kein Volksentscheid umgesetzt worden. Wir haben in unserem Landtagswahlprogramm daher eine deutliche Senkung der erforderlichen Unterschriftenzahl für Volksinitiativen und Volksbegehren

gefordert und einen kompletten Wegfall der Quoren für Volksentscheide nach dem Vorbild der Schweiz.

Nun hat die Landesregierung unsere diesbezüglichen Vorschläge aufgegriffen und weitgehend übernommen.

(Heiterkeit bei SPD, FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit der Ministerpräsidentin Frau Dreyer)

Die AfD wirbt immer für Rheinland-Pfalz, und das begrüßen wir natürlich inhaltlich.

Nachsteuerungsbedarf sehen wir in Bezug auf die Quoren für Volksentscheide, die, wie in der Schweiz, vollständig entfallen sollten. Dafür und für die Stärkung der direkten Demokratie im Lande und im Bund werden wir uns in jedem Fall weiterhin einsetzen und würden auch eine Initiative mit unterstützen, die auf eine Einführung von bundesweiten Volksentscheiden gerichtet sein würde.

(Beifall der AfD)

Damit aber genug des Lobes. Meine Damen und Herren, als ich in der Regierungserklärung gelesen habe, dass Land und Kommunen Hand in Hand gehen, da musste ich zweimal hinschauen. Ich bin nämlich seit zwei Jahren Vorsitzender unserer Kreistagsfraktion im Neuwieder Kreistag und habe in dieser Eigenschaft ganz andere Erfahrungen gemacht, und ich gehe einmal davon aus, dass es vielen kommunalpolitisch aktiven Kollegen ähnlich geht.

Es gibt „Gold-Kommunen“, von denen die Rede war, aber die Regel sind sie sicherlich nicht – und das liegt nicht an den Kommunen. Ganz im Gegenteil sind die Kommunen gerade auch in Rheinland-Pfalz das schwächste Glied in der föderalen Finanzierungskette und bekommen von Bund und Land den finanziellen schwarzen Peter durchgereicht.

Wie die kommunalen Spitzenverbände und Vertreter der Kommunen regelmäßig zu Recht monieren, wurde das Konnexitätsprinzip massiv verletzt. Kommunen und Landkreisen wurden viele Aufgaben und damit verbundene Ausgaben insbesondere im Sozialbereich übertragen, ohne ihnen die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Ich möchte nur als Beispiel berichten, im Kreis Neuwied besteht der Haushalt zu 75 % aus Jugend- und Sozialabgaben, und 95 % davon sind Pflichtausgaben. Das, meine Damen und Herren, ist der Haushalt einer Sozialagentur.

(Beifall der AfD – Zuruf von der SPD)

Die Kommunen müssen die Misswirtschaft der Bundesund Landespolitik ausbaden und für die verantwortungslose Gesinnungspolitik vieler Bundes- und Landespolitiker zahlen, bei der von finanzieller Nachhaltigkeit nicht die Rede sein kann.

(Abg. Martin Haller, SPD: Was ist denn Gesinnungspolitik?)

Ein Beispiel hierfür ist die Finanzierung des Kita-Ausbaus auf Kosten der Kommunen, die in den kommunalen Haushalten massiv zu Buche schlägt. Es wurde bei diesem Konzept, das inhaltlich sicherlich Berechtigung hat, die Rechnung ohne die Kommunen gemacht, bzw. es wurde zulasten der Kommunen gemacht, ohne Einbezug der Kommunen.

Ein weiteres Thema sind die finanziellen Belastungen durch die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Asylbewerbern, die auch nach Erstattungen von Bund und Land noch sehr beträchtlich sind. Wenn man alles zusammenrechnet – die Hilfen für Asylbewerber, die Aufwendungen für diejenigen, die als Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten in Hartz IV hineinrutschen, Personalaufwendungen, die allein im Kreis Neuwied mit 1,5 Millionen Euro im Haushaltsplan 2016 verankert sind, Gesundheitskosten und die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die UMF –, liegen wir sicherlich mindestens im hohen einstelligen Millionenbereich.

(Abg. Ingeborg Sahler-Fesel, SPD: Sie werden komplett zurückerstattet! Es wird komplett zurückerstattet!)

Absolut nicht, das ist lächerlich! Lächerlich!

Auch in diesem Punkt werden die Kommunen finanziell alleingelassen, und ich denke, dass Neuwied in diesem Bereich eher als eine „Gold-Kommune“ für die Situation der Kommunen und Landkreise im Lande steht. Deren Gesamtsumme der Verschuldung liegt übrigens in Deutschland bei über 130 Milliarden Euro.

Der einzige Grund, weshalb der Schuldendienst die Kommunen nicht schon längst in die Insolvenz getrieben hat, sind die historisch niedrigen Zinsen, die aus der Niedrigzins-Strategie der EZB herrühren. Die Kehrseite davon ist wiederum die kalte Enteignung der deutschen Sparer durch den Wertverlust ihrer Ersparnisse.

(Beifall der AfD)

Herrn Sinn zufolge haben deutsche Sparer durch diese kalte Enteignung seit 2007 über 300 Milliarden Euro verloren.

Auch den Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken gerade auch in Rheinland-Pfalz schadet der Niedrigzins übrigens massiv. In diesem Bereich sollte sich die Landesregierung auf allen Ebenen einsetzen, um ein Ende dieser Niedrigzins-Strategie zu bewirken. Diese Themen – das wissen wahrscheinlich alle, die kommunalpolitisch aktiv sind – sind ein Dauerbrenner in kommunalen Haushaltsreden. Quer durch die Parteien sind sich jedes Mal alle einig, dass die Situation der Kommunen dringend verbessert werden muss. Die anwesenden Landtagsabgeordneten und Bundestagsabgeordneten versprechen, die Botschaft nach Mainz und Berlin zu tragen, und nichts passiert.

Es handelt sich hierbei um einen schon lange existierenden Missstand, und Rot-Grün hat hierbei eine besonders unrühmliche Rolle gespielt. Die vier Städte mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland liegen in

Rheinland-Pfalz.

Mehrere Kommunen und Landkreise sind gegen die Landesregierung vor Gericht gezogen, um sich eine bessere finanzielle Ausstattung zu erstreiten.

(Abg. Martin Haller, SPD: Und haben verloren!)

Aber ein kommunaler Finanzausgleich mit einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung steht weiterhin aus.

Frau Ministerpräsidentin, von „Hand-in-Hand“ sollte daher besser nicht gesprochen werden.

(Beifall der AfD)