Protocol of the Session on January 26, 2017

Situation und Entwicklung der ärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 17/973/1442/2035 –

Entwicklung der ärztlichen Versorgung und Versagen der Landesregierung Antrag der Fraktion der CDU – Entschließung – – Drucksache 17/2114 –

Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart.

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Enders.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten anwesenden Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Frau Marlies Kohnle-Gros besonders. Das ist das Dilemma, wenn man nach der Mittagspause reden muss. Dann ist das Plenum leider nicht so gut gefüllt, dann ist die Lautstärke aber auch geringer, und man kommt eher zu Gehör.

Meine Damen und Herren, wir kommen heute zur Aussprache der Großen Anfrage. Ich darf feststellen, dass die ärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz gefährdet ist. Wenn wir den Versorgungsatlas der KV aus dem Jahr 2012 betrachten, ist festzustellen, dass damals schon angemerkt wird, dass das Durchschnittsalter der Ärzte zum

Zeitpunkt der Zurruhesetzung sinkt, umgekehrt steigt das Alter beim Eintritt in die vertragsärztliche Tätigkeit, das heißt, ein zunehmendes Problem der Wiederbesetzung.

Im Versorgungsatlas zwei Jahre später, 2014, fällt auf, dass es eine Differenz, eine Lücke zwischen dem Behandlungsbedarf, der aufgrund der Demografie zunimmt, und dem ansteigenden Ärztemangel gibt. Das stellt die Ärztekammer fest und untermauert das damit, dass 50 % der Hausärzte zum damaligen Zeitpunkt über 55 Jahre sind, 30 % sogar über 60. Hinzu kommt, dass man aufgrund von Work-Life-Balance davon ausgehen muss, dass zwei frei werdende Plätze von drei Ärztinnen oder Ärzten wiederbesetzt werden müssen.

Meine Damen und Herren, die steigende Lebenserwartung führt dazu, dass auch ein steigender Behandlungsbedarf da ist. Jeder kennt das in seinem eigenen privaten Umfeld. Interessanterweise hat die Landesregierung bereits in einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2009 in der Drucksache 15/4125, aber auch in der Beantwortung dieser Großen Anfrage festgestellt, dass diese Entwicklung, dieser steigende Behandlungsbedarf aufgrund der älter werdenden Bevölkerung durch den zu erwartenden Rückgang der Bevölkerung kompensiert würde.

Das möchte ich bezweifeln. Das trifft auf den ländlichen Raum zu, aber so einfach ist das nicht; denn gerade im ländlichen Raum wird die Bevölkerung übermäßig stark durch eine gewisse Landflucht altern.

Zwei Jahre später, im Jahr 2016, hat dann die KV in ihrem Versorgungsatlas festgestellt, dass in den nächsten sechs Jahren 60 % der ambulant tätigen Ärzte ersetzt werden müssen. Wir stellen fest, dass die Landesregierung in den ganzen Jahren, die ich jetzt erwähnt habe, auf diese Entwicklung nicht so reagiert hat, wie es notwendig gewesen wäre.

Ich darf das mit drei Zahlen untermauern – leider ist die Ministerpräsidentin auch noch nicht da –: Im Jahr 2002 warnt bereits der Präsident der Landesärztekammer vor der Situation in der Zukunft. In der Zeitung „Trierischer Volksfreund“ des gleichen Jahres am 30. August wird die damalige Staatsministerin Dreyer dahin gehend zitiert, dass sie die kritischen Äußerungen des Präsidenten zurückweist. Das Gleiche wiederholt sich dann drei Jahre später auch in der „Mainzer Rhein-Zeitung“.

Erst im Oktober 2007, endlich, Gott sei Dank, kam es dann zum Masterplan, zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Guter Plan!)

Ja, der ist gut, aber klein. Der ist gemessen an dem, was er an Ergebnissen gebracht hat, leider ein Plänchen geblieben, Frau Anklam-Trapp. So viel dazu.

(Beifall bei der CDU)

Der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin – ich bin froh, dass er da ist. Ich rede ihn nicht schlecht, sondern gut. Er kam spät, Sie haben lange gebraucht. Der Kollege, der diesen

Lehrstuhl innehat, ist sehr engagiert, aber es wäre wünschenswert, wenn der Anteil von Lehre und Forschung künftig ansteigen würde.

Dann kam das Jahr 2015 mit dem Antrag der CDU-Fraktion zur Einführung eines Modellstudiengangs nach § 41 Approbationsordnung. Wir hatten damals eine sehr hitzige Debatte. Ziel war es – das gibt es seit 1999 –, bereits ab dem ersten Semester die Studenten zum Medizinstudium praxisnah zum Patienten hinzuführen. Der damalige Staatssekretär im Wissenschaftsministerium hat mir einige Tage vor der Debatte gesagt: Toller Antrag, könnte von mir sein, trotzdem können wir nicht zustimmen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wer hat das gesagt?)

Der damalige Staatssekretär, ich habe Zeugen dafür. Herr Professor Dr. Deufel hat das damals in Berlin am Rande des Landesfestes zu mir gesagt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ha! Am Rande des Landesfestes!)

Ja, er hatte ein Glas Wein getrunken, also bitte übertreiben Sie das nicht.

Hohn und Spott in der Debatte hier, der Antrag wurde abgelehnt. Warum haben wir diesen Antrag gestellt? Ich will das hier noch einmal sagen, wissend, dass es seit 2013 im Koalitionsvertrag die Vereinbarung gibt, das Medizinstudium fortzuentwickeln, und 2015 – Frau Bätzing-Lichtenthäler ist dort auch vertreten – eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet worden ist. Aber wir wissen alle, wie lange es in der Realität dauert, bis so etwas umgesetzt wird.

Das Ergebnis ist jetzt, wir haben einen Kompromiss bei diesem Masterplan Medizinstudium 2020, der nur verpflichtend einen Lehrstuhl, ein Quartal verpflichtend ambulante Tätigkeit im PJ und die Allgemeinmedizin als verpflichtendes Prüfungsfach hat. Es geht aber nicht um mehr Studienplätze, und die Landarztquote ist optional. Das ist zu kurz gesprungen, deshalb hätten wir mit einem Modellstudiengang schon erheblich weiter kommen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir hätten in die richtige Richtung gehen können, um das Studium praxisnäher zu machen.

Ich bin mittlerweile fast 34 Jahre Arzt, unser Studium war damals nicht sehr praxisbezogen. Wir mussten uns alles in den Semesterferien, in der freien Zeit selbst aneignen, um die Praxis zu bekommen. Das muss heute anders werden.

Ich komme jetzt in die aktuelle Zukunft. Es gab am vorletzten Wochenende eine „dpa“-Meldung, in der die Ministerin dahin gehend zitiert wurde, dass sie mit dem Förderprogramm für Praxen und mit der Förderung von Medizinstudenten gegen die Situation gegensteuern will. Das ist lobenswert. Man muss dann aber auch sagen, dass die Förderung der Medizinstudenten nach Lesart der Landesregierung ein Tertial Förderung im PJ bedeutet, wenn man in der Allgemeinmedizin sein PJ macht. Ein Tertial, das sind vier Monate. Das ist gar nichts.

Das Programm der Landesregierung zur Förderung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum funktioniert nicht. Das sehen wir im Haushalt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Mittel fließen nicht ab. Ich habe mich lange gefragt, wie es kommt, dass sie nicht abfließen. Gibt es vielleicht keinen Bedarf? Im Jahr 2015 sind von eingestellen 400.000 Euro nur ca. 232.000 Euro abgerufen worden. Die Situation in diesem Jahr ist nicht anders. Warum ist das so? Nach intensiven Recherchen erschließt es sich mir mittlerweile. Es liegt an der Förderpraxis, die in anderen Bundesländern – da nenne ich nicht nur Bayern, sondern auch Nordrhein-Westfalen – sowohl vom Fördermodus als auch von der Höhe her optimaler ist. Aus Zeitgründen will ich Ihnen die Zahlen ersparen.

Das Hauptproblem ist aber hier die Information der Ärzte; denn in Rheinland-Pfalz darf nicht doppelt gefördert werden. Wenn die KV fördert, fördert das Land nicht. Das gilt in Bayern anders. Darüber hinaus besteht das Problem, zurzeit zumindest, wenn jemand diesen Antrag nur wenige Wochen oder Monate nach Aufnahme der Tätigkeit stellt, dass es dann zu spät ist, weil dann eine Deadline überschritten ist.

Da kann ich nur appellieren: Verbessern Sie das! – Das wird auch den Abfluss der Mittel deutlich beschleunigen. Das ist ein Informationsdefizit. Da muss sich die Förderpraxis etwas ändern.

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch einen Satz erwähnen, weil es auch dazugehört: Zukunftswerkstatt. – Die laufen überall. Frau Ministerin, ich habe aber einmal nachgehört. Die Agentur, die Firma aus Bonn, die das wissenschaftlich betreut hat, hat sich die Informationen, die sie Ihnen für teuer Geld berechnet hat, bei der KV kostenlos geholt. Die Informationen hätten Sie bei der KV umsonst bekommen können. Ich habe mich dort direkt erkundigt. Dieses Geld hätte man besser einsetzen können. Das war ein Weg, der suboptimal war.

Meine Damen und Herren, kommen wir jetzt zu den Studienplätzen und dem Stichwort Landarztquote.

Der Begriff „Landarztquote“ erscheint auch in den ursprünglichen Plänen des Masterplans „Medizinstudium 2020“. Es ist umstritten, sich festzulegen, zehn Jahre im ländlichen Raum als Arzt zu arbeiten. Dies wird von den Medizinstudenten kritisiert, aber auch von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin mit Argumenten, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, nämlich dass es dem Image der Allgemeinmedizin schade – ich weiß nicht, weshalb es dem Image schaden sollte, wenn sich jemand für zehn Jahre verpflichtet – und es eine Zumutung sei, sich so früh zu entscheiden.

Die Bundeswehr zeigt seit über 40 Jahren, dass es erfolgreich geht. Ich bin mit vorhandenem Studienplatz als Student zur Bundeswehr gegangen und habe mich auf 15 Jahre verpflichtet. Ich habe mit 19 Jahren diese Entscheidung getroffen und habe sie bis heute nicht bereut.

Was dort funktioniert, kann auch in Rheinland-Pfalz funktionieren, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Gestern war ein Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ zur Landarztquote zu lesen. Darin sagt zumindest der Redakteur, dies sei nicht möglich, weil man nur die Leistungsbereitschaft und Eignung für den Beruf als Kriterien für die Auswahl nehmen könne. Entschuldigung! Diese Kriterien galten und müssen auch in Zukunft gelten. Sie müssen auch für Ärzte gelten, die über die Landarztquote, wenn es sie denn gäbe, hineinkommen wollen. Dann darf es keine Zulassung light geben. Dort gelten die gleichen Kriterien. Es gibt keine Medizinstudenten zweiter Klasse.

Ich weiß, beim Eignungstest bei der Bundeswehr kamen Studenten oder potenzielle Studenten mit einem Abitur von 3,0. Sie wurden gar nicht erst zum Test zugelassen, weil man gesagt hat, da stimmt etwas nicht. Wer ein Abitur mit 3,0 macht, der kann es nicht und/oder will es nicht, zumindest zum damaligen Zeitpunkt. Entwickeln kann sich jeder Mensch selbstverständlich.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Mir ist klar – deswegen weise ich auch die Kritik der Studenten und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin zurück –, dass eine Landarztquote nicht die alleinige Lösung ist. Aber wenn man eine nachhaltige Politik betreiben will, dann ist es ein weiterer Mosaikstein, der dazu beiträgt, in der Zukunft etwas zu verbessern.

(Beifall der CDU)

Dies kann man auch mit Stipendienprogrammen kombinieren. Man könnte als Alternative sagen, man gibt solchen Studenten ein Stipendium, die bereit sind, später im ländlichen Raum zu arbeiten, die vielleicht einen Studienplatz mitbringen und die eine andere Voraussetzung haben, die also dafür belohnt werden, dass sie Interesse haben, die aber den Studienplatz eben nicht über eine Quote bekommen, sondern ihn mitbringen. So macht es die Bundeswehr übrigens auch mit großem Erfolg. Dies hat natürlich auch etwas mit Geld zu tun, und so, denke ich, kann man mit Geld auch umgehen, Herr Schweitzer.

Dies alles funktioniert dann, wenn man die Zahl der Studienplätze – ich sage bewusst – maßvoll erhöht. Damit hat man Plätze für die Landarztquote.

(Beifall bei der CDU)

Die drei Präsidenten unserer Landesärztekammern in Rheinland-Pfalz, in Hessen und im Saarland haben für eine 10 %ige Erhöhung geworben. Die Landesregierung geht in der Beantwortung der Großen Anfrage davon aus, dass dies kein geeignetes Instrument ist, dass sich mehr Studenten für den hiesigen ländlichen Raum entscheiden. Woher wissen Sie das? Ich bezweifle das. Ich bin da sehr optimistisch.