Protocol of the Session on September 16, 2016

Frau Kollegin, ich habe Ihnen klar gesagt, für die Landesregierung überwiegen die Vorteile ganz klar. Wir sehen sowohl für die Ökonomie als auch für die Ökologie überragende Vorteile, sodass wir zu einem völlig anderen Abwägungsergebnis gekommen sind als der BUND. Aus diesem Grund haben wir es auch mit dem entsprechenden Nachdruck betrieben und für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Insofern teile ich die Einschätzung des BUND nicht.

Herr Kollege Dötsch, hatten Sie sich gemeldet?

Dann eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten BlatzheimRoegler.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Minister, Herr Kollege Noss hat es schon erwähnt, die Maßnahme wurde von der Vorgängerregierung, also von Rot-Grün, zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Insofern ist es ein Projekt des Bundes. Wir sind daher darauf angewiesen, dass der Bund die Finanzierung sicherstellt.

Erste Frage: Wird die Landesregierung mit Nachdruck im Bundesverkehrsministerium bzw. beim Bund diese Gelder einfordern?

Ich komme zu meiner zweiten Frage. Sie haben erwähnt, dass Herr Schuch als Vertreter des NABU auf der Informationsveranstaltung vor Kurzem das Projekt begrüßt hat. Es wurde aber auch angemerkt, dass es Kritiker gibt. Meine Frage lautet: Wird Ihr Haus aktiv in Gesprächsrunden mit den Kritikern beispielsweise von anderen Naturschutzverbänden in einen Dialog eintreten?

Ihre erste Frage beantworte ich klar mit Ja.

Zur zweiten Frage kann ich Ihnen sagen, dass wir selbstverständlich vertiefende Voruntersuchungen durchführen

werden. Das Projekt wird von der Bundesanstalt für Gewässerkunde und der Bundesanstalt für Wasserbau intensiv begleitet. Aufgrund der geplanten wasserbaulichen Maßnahmen werden nach jetzigem Stand auf jeden Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung, zahlreiche ergänzende ökologische Untersuchungen und auch ein Planfeststellungsverfahren notwendig sein. Deswegen werden wir einige Zeit warten müssen, bis das Projekt abgeschlossen sein wird. Das wird einige Jahre dauern.

Wir nehmen umweltpolitische Belange sehr ernst, aber – das muss man klar sagen – diese Maßnahme bringt natürlich einen Eingriff in den Rhein. Das ist klar. Ich habe beschrieben, dass es zu verschiedenen Maßnahmen kommen wird. Die Vorteile sind aber an dieser Stelle so überragend, weil die Maßnahmen nicht nur die Wasserstraße attraktiver machen, da man eben günstiger transportieren kann, sondern weil sie zugleich auch zu CO2Einsparungen führt. Die Güter, die heute nicht auf dem Rhein transportiert werden können, werden auf der Straße unter weniger umweltfreundlichen Bedingungen transportiert. Aus diesem Grund betreibt die Landesregierung dieses Projekt mit allem Nachdruck.

Weil wir in ein Planfeststellungsverfahren gehen und so schnell wie möglich bauen wollen, wollen wir alle umweltpolitisch vorgebrachten Bedenken rechtzeitig klären, weil wir nicht am Ende riskieren wollen, dass in einem Klageverfahren die aus rheinland-pfälzischer Sicht so wichtige Maßnahme verzögert wird.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Blatzheim-Roegler.

Vielen Dank. Ich habe noch eine Nachfrage. Grundsätzlich teilen wir ihre positive Einschätzung zum Projekt. Wir haben es schließlich für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Es ist auch im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Binnenschiffe wollen.

Meine Frage ging eher dahin, dass man möglichst im Vorfeld die geäußerten Bedenken ernst nimmt und in einen Dialog tritt oder von mir aus auch an einem runden Tisch zusammenkommt, sodass es gar nicht erst zu rechtlichen Auseinandersetzungen bei dem Punkt Planfeststellung kommt. Das kann ein Projekt aufhalten. Wenn man schon im Vorhinein weiß, dass es Bedenken gibt, war meine Frage, ob die Landesregierung zeitnah diese Bedenken aufgreift und vielleicht in einem Dialog ausräumen möchte.

Frau Kollegin, die Landesregierung ist bei allen Verkehrsinfrastrukturprojekten dafür offen, mit den Naturschutzverbänden in einen Dialog zu treten. Wir sind auch stets daran interessiert, umweltpolitische Belange zu berücksichtigen. Wir sind jederzeit gesprächsbereit und haben ein großes

Interesse daran, dass durch eine Einigung vielleicht auf konkrete Baumaßnahmen ein Klageverfahren vermieden werden kann, weil das natürlich am Ende zur Beschleunigung der Maßnahme führt. Da ist die Landesregierung vollumfänglich gesprächsbereit.

Ich sage Ihnen aber auch: Diejenigen, die aus grundlegenden Erwägungen heraus jede Form des Eingriffs ablehnen, wird man am Ende nicht überzeugen können. Denen treten wir mit klarer Entschlossenheit entgegen und werden den Bau vorantreiben, weil die politische Entscheidung eine Abwägungsentscheidung ist, die für uns mit großer Klarheit zugunsten der Rheinvertiefung zu treffen ist.

(Beifall der FDP)

Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet. Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir dürfen weitere Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, zunächst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Notariats Dr. Benno Sefrin aus Haßloch. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Darüber hinaus dürfen wir Schülerinnen und Schüler des Elisabeth-Langgässer-Gymnasiums aus Alzey mit ihren polnischen Austauschschülerinnen und Austauschschülern begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Wird CETA das Vorsorgeprinzip im Umwelt- und Verbraucherschutz sowie der Produktsicherheit aushebeln? – Nummer 10 der Drucksache 17/940 – betreffend, auf.

Herr Hartenfels, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die in verschiedenen Studien dargelegte Schwächung des in der EU etablierten Vorsorgeprinzips als Grundpfeiler des europäischen Umwelt- und gesundheitlichen Verbraucherschutzes durch das CETA-Abkommen?

2. Wie bewertet die Landesregierung die bisher bekannten Regelungen des CETA-Abkommens im Bereich der Agro-Gentechnik im Zusammenhang mit dem Vorsorgeprinzip?

3. Wie bewertet die Landesregierung die in CETA vorgesehene „regulatorische Kooperation“ hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf europäische Standards

im gesundheitlichen Verbraucherschutz und Tierschutz?

4. Wie bewertet die Landesregierung die Ausführungen im Entwurf des Abkommens im Bereich der chemischen Rückstände in Lebensmitteln und der hormonellen Disruptoren?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Höfken.

Vielen Dank. Die Schwächung des Vorsorgeprinzips ist etwas, was die Menschen umtreibt. Auch der Europäische Gerichtshof sieht die nationalen Mitgliedstaaten, die nationalen Parlamente, in der Verantwortung, über Freihandelsabkommen mit zu entscheiden. Deswegen ist es gut, dass es hier im Parlament diskutiert wird.

Es gibt inzwischen zahlreiche Gutachten, unter anderem des renommierten Professors Stoll, Universität Göttingen, Internationales Wirtschafts- und Umweltrecht. Wir sehen hier tatsächlich berechtigten Anlass zur Sorge und für Kritik. Es wird morgen eine große Demonstration stattfinden, auf der auch diese Besorgnis zum Ausdruck gebracht wird. Man muss leider sagen: Für mich ist das ein schwindender Rückhalt der Europäischen Union an diesem Punkt, den ich lieber nicht gesehen hätte.

Das Vorsorgeprinzip ist ein sehr wichtiges rechtsstaatliches Prinzip in Europa. Das bedeutet, vor dem Inverkehrbringen von Produkten und Inhaltsstoffen muss es den Nachweis der Unschädlichkeit eines solchen Produkts geben. Das bedeutet, dass auch die Inverkehrbringer, also die Produzenten, dies nachweisen müssen.

In den USA und Kanada ist das ganz anders. Dort wird ein nachsorgender Ansatz gefahren. Es gibt auch ein anderes Rechtsprinzip. Der Ansatz nennt sich wissensbasiert. Das heißt, erst gibt es das Inverkehrbringen der Produkte so lange, bis der Nachweis der Schädlichkeit erbracht wird, also eine Umkehr dieses Rechtsprinzips. Wir sehen natürlich, dass in der EU der Vorsorgeansatz konterkariert wird.

Ich will noch einmal sagen, das Vorsorgeprinzip ist nicht irgendetwas, sondern ein fest verankertes rechtliches Prinzip, unter anderem in Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, und Grundpfeiler der sozialen Martkwirtschaft, Grundlage der EU-Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher- und Chemikalienpolitik.

Wenn wir zu CETA kommen, das Professor Stoll bewertet hat: Er kommt zu dem Schluss, in CETA kommt das Vorsorgeprinzip nicht vor. Es ist rechtlich nicht verankert. Ich sage einmal ganz laienhaft – ich bin keine Juristin –, es widerspricht damit auch den europäischen Prinzipien.

CETA stellt in seiner Ausführung das Vorsorgeprinzip infrage, besonders in wichtigen Kapiteln zu Gesundheit und Pflanzenschutz, aber auch im TBT-Artikel, in dem es um

technische Handelshemmnisse geht. Was wir sehen, ist, dass quasi in der Anerkennung der CETA oder der kanadischen Prinzipien eine Aushöhlung des EU-Prinzipes erfolgt, was meines Erachtens rechtlich außerordentlich problematisch ist, aber natürlich auch zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung in Europa für diejenigen führen kann, die nicht ausländische Investoren oder multinationale Konzerne sind.

Für die Landwirtschaft bedeutet das beispielsweise, dass – so wird geschätzt – sich der Export aus Kanada um das 14-Fache bei Schweinefleisch erhöht, bei Rindfleisch um das 12-Fache. Die EFFAT, die Europäische Arbeitnehmergewerkschaft für Landwirtschaft, schätzt, dass allein im Rinderbereich 100.000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen.

Zur zweiten Frage, der Gentechnik: Ja, natürlich, hier gibt es massive Interessen Kanadas. Es ist der fünftgrößte Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. In Europa ist das Prinzip, auch gemäß Vorsorgeprinzip, ein Produkt wird erst zugelassen, wenn es diese Zulassung durchläuft, also die ganzen entsprechenden Verfahren durchlaufen hat, auf Prüfung von gesundheitlicher oder Umweltbedenklichkeit. Auch dort könnte man noch etwas verbessern. Es muss gekennzeichnet werden. In Deutschland gibt es ein Standortregister. Auch die EU sieht inzwischen vor, dass Mitgliedstaaten sagen können, sie möchten ganz auf den GVO-Anbau verzichten. Auch Rheinland-Pfalz hat entsprechende Prinzipien beispielsweise im Koalitionsvertrag niedergelegt.

In den USA und in Kanada gibt es aber quasi keine Zulassung. Es gibt auch keine Kennzeichnung. Es gibt auch null Informationen darüber, was und wo überhaupt gentechnisch veränderte Organismen ausgesetzt wurden, weil das Prinzip dort ist. Sie sind wie konventionelle Produkte zu betrachten.

Das ist ein bisschen erstaunlich, wenn man weiß, dass kleine Unterschiede in den Genen schon die Unterschiede zwischen Mann und Frau, zwischen Schweinen und Menschen oder auch zwischen Inhaltsstoffen, die schädlich sein können, ausmachen.

CETA geht sehr weit auf die Interessen Kanadas ein, und zwar in Kapitel 25 – Zusammenarbeit bei GVO – geht es vor allem darum, letztendlich den Interessen Kanadas bei der Nulltoleranz stärker zu entsprechen. Sie wissen vielleicht, beispielsweise bei der Leinsaat hat es hier Probleme gegeben. Dort sind die gentechnisch veränderten Organismen den Kanadiern entwischt und kontaminieren nun weite Teile des Anbaus. Hier will man, dass die EU das anerkennt und solche Produkte auch importiert, obwohl sie keine Genehmigung haben.

Letztendlich geht es um die Aushebelung des geltenden Rechtes. Das ist ein großes Einfallstor. Natürlich haben wir hier große Sorgen, was unsere Prinzipien angeht.

Zum Thema regulatorische Kooperation, Kapitel 21, im engen Zusammenhang übrigens mit den Investor-StaatsSchiedsverfahren oder auch dem jetzt neuen Investorengerichtshof: Der Deutsche Richterbund sagt, dass diese Gerichtshöfe keine rechtliche Grundlage haben. Das finde

ich eine sehr weitgehende Aussage. Sie machen sich natürlich enorm in der Entscheidungsfreiheit der regionalen Parlamente bemerkbar, in den Mitgliedstaaten, im Europäischen Parlament, aber auch in den Ländern.

CETA und TTIP verpflichten die Parlamente auf Abstimmung für bestehende und neue Gesetze und Regeln auf allen Ebenen bis in die Kommunalparlamente. Das Ziel dabei ist, bei der Abwägung, die wir natürlich alle treffen – Sie und auch die Regierung –, die Einbeziehung von Investoreninteressen zum Prinzip zu machen. Das heißt, abgewägt werden nicht die gesundheitlichen Auswirkungen, die Situation der Bürger und Bürgerinnen, die Verbesserung im Bereich der Umwelt, nein, mindestens gleichberechtigt, so die Stellungnahme, sind dann ökonomische Interessen zu sehen. Man muss auch ganz klar sagen, die Europäische Union, aber auch Deutschland sehen bei unseren Rechtsprinzipien ausdrücklich die Abwägung im ökonomischen Interesse, das heißt, eine Kosten-Nutzen-Analyse, nicht als Grundlage von Entscheidungen.