Protocol of the Session on November 11, 2020

Meine Damen und Herren, an den grundsätzlich falschen Weichenstellungen – Stichwort „Akademisierungswahn“ – ändern leider auch die gut gemeinten Initiativen der Landesregierung nichts, die die FDP gerne in den Mittelpunkt stellen möchte, zumal die Landesregierung nicht konsistent handelt.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der aufmerksame Beobachter kann durchaus unterschiedliche Akzente zwischen dem Wirtschaftsministerium einerseits und dem Wissenschaftsministerium andererseits erkennen. Auch die vor drei Jahren mit viel öffentlichem Getöse vorgestellte Fachkräftestrategie hat nicht geholfen. Wir bemängeln schon seit ihrer Veröffentlichung, dass der Fachkräftestrategie von Frau Ministerpräsidentin Dreyer – die leider gerade nicht lauscht – der klare Fokus fehlt. Sie ist – wie vieles, was aus der Staatskanzlei kommt – ein Sammelsurium von Ideen und Projekten, aber – anders als der Titel verspricht – ohne strategische Weitsicht.

Meine Damen und Herren, mehr dazu in der nächsten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Kollegin Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Kollegen der FDP haben die Aktuelle Debatte mit dem wichtigen Thema „Fachkräftesicherung in Zeiten von Corona – Jungen Menschen und Unternehmen Perspektiven bieten“ überschrieben.

Fachkräftesicherung ist sicher besonders in diesen Monaten der Pandemie noch einmal ein Feld, auf das man ein Auge werfen muss, aber – ich glaube, das haben wir bereits von verschiedenen Rednerinnen und Rednern gehört – sie ist für uns als regierungstragende Fraktionen und die Landesregierung eine stetige Aufgabe.

Wir haben – ich möchte kurz auf die aktuellen Rahmenbedingungen eingehen – in den Corona-Haushalt bzw. in den Haushalt, den wir für die schwierige Situation der Corona-Pandemie diskutiert und verabschiedet haben, alleine für die Stabilisierung der rheinland-pfälzischen Wirtschaft 250 Millionen Euro eingestellt.

Wir haben sehr darauf geachtet – mein Dank geht an das zuständige Wirtschaftsministerium –, dass es in den Zeiten, als die normalen Ausbildungsmessen nicht stattfinden konnten, das Programm „Ausbildung kennt keine Auszeit – Ausbildung JETZT!“ gab. Der Weg zu den Auszubildenden oder zu denjenigen, die den Abschluss gemacht haben, wurde auf vielfältige Weisen gesucht, sowohl durch digitale Angebote als auch Angebote im Freien, wo man sie durchführen konnte. Das hat zum Erfolg geführt.

Die Insolvenzprogramme, die es im Übrigen schon länger gibt – weil es leider auch außerhalb der Pandemie immer wieder vorkommen kann, dass eine Firma aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel Krankheit, Insolvenz anmelden muss –, wurden fortgeführt.

Beim Handwerk hat die Pandemie auch noch einmal sehr deutlich das gezeigt, was wir Grünen schon immer betont haben, nämlich dass Handwerk goldenen Boden hat und es sich lohnt, in eine Handwerksausbildung zu investieren. Wir sollten immer wieder auch Eltern ermuntern, sich die spannenden Handwerke anzuschauen, die es heutzutage gibt.

Die handwerkliche Ausbildung ist eine super Grundlage, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber nicht nur das. Gerade in Rheinland-Pfalz – es gibt auch Bundesprogramme – haben wir Maßnahmen und Programme entwickelt, damit sich der- oder diejenige nach einer abgeschlossenen Ausbildung weiterbilden und weiterqualifizieren kann.

Ich möchte vor allem die Honorierung von bestandenen Meisterprüfungen durch den sogenannten Aufstiegsbonus I erwähnen, aber auch, dass man nicht unbedingt ein Abitur

braucht, um anschließend noch ein Studium zu absolvieren. Ich weiß nicht, welche handwerkliche Ausbildung Sie vorher gemacht haben, Herr Dr. Bollinger, der immer gegen die Akademisierung wettert.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?)

Wir geben den jungen Menschen vielfältige Möglichkeiten, um ihren Weg zu finden.

Es ist ganz klar: Handwerk hat goldenen Boden.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

In der Pandemie waren es auch die mittelständischen und kleinen Handwerksbetriebe, die einigermaßen durch die Krise gekommen sind. Es gilt natürlich, allen zu helfen. Das haben wir mit dem kommenden Haushalt vor. Für die Fachkräfte- und Existenzsicherung sind im Moment im Haushaltsentwurf alleine 8,5 Millionen Euro und 15 Millionen Euro für den Meisterbonus enthalten, der zum Teil durch den Bund geschultert wird. Das sind die richtigen Zeichen in dieser Zeit.

Ich möchte auch noch darauf zurückkommen, dass die Landesregierung den Ovalen Tisch, die Landesstrategie zur Fachkräftesicherung, noch einmal neu aufgelegt hat. Die erste Fassung gab es im Jahr 2014. Eine neue Version gibt es für die Jahre 2018 bis 2021. Dort ist auch das Element der Fachkräftesicherung durch Personalentwicklung in mittelständischen Unternehmen enthalten; denn natürlich müssen immer wieder Fortbildungen angeboten und angenommen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Im Übrigen ist in dieses Programm auch – wir reden so viel von Digitalisierung – die Stärkung der MINT-Förderung und des Fachs Informatik an Schulen einbezogen.

Jetzt war die Zeit so schnell vorbei. Ich muss wohl noch in die zweite Runde.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Für die Landesregierung hat Wirtschaftsminister Dr. Wissing das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort braucht qualifizierte Fachkräfte. Nachdem ich die Debatten heute bisher mehr verfolgt als mich daran beteiligt habe, will ich noch einmal betonen: Rheinland-Pfalz ist ein außerordentlich erfolgreicher Wirtschaftsstandort.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird von der CDU seit Jahren in einer Rede nach der anderen bestritten. Es wird ein Zerrbild des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz gezeichnet.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Genau so ist es!)

Was behauptet wird, stimmt nicht; denn Rheinland-Pfalz ist ein hochinnovativer Wirtschaftsstandort mit einer enormen Kraft. Die ganze Welt blickt gerade auf unseren Wirtschaftsstandort, weil wir in der Pandemie mit BioNTech in Mainz die zentrale Lösung zur Bewältigung eines Problems liefern, das die Menschheit auf der gesamten Erde beschäftigt. Wir können auf diesen Wirtschaftsstandort stolz sein und sollten ihn nicht schlechtreden lassen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch einmal etwas erwähnen, weil von Herrn Baldauf gesagt worden ist, BioNTech hätte in RheinlandPfalz keine Unterstützung erfahren. Das ist falsch, weil das Unternehmen von unseren Forschungsinvestitionen erheblich profitieren konnte. Es ist auch deshalb falsch, weil der Vergleich mit Brandenburg völlig hinkt.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das müssen Sie dem sagen, der es gesagt hat!)

Herr Kollege Baldauf, Sie sollten schon wissen, wenn Sie über Wirtschaftspolitik reden, dass die Beihilfemöglichkeiten in den neuen Bundesländern andere sind als in Mainz am Rhein.

Ich finde, es gehört sich nicht, ein Zerrbild in die Welt zu setzen, in Brandenburg hätte BioNTech mehr Fördermittel bekommen als in Mainz.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Deshalb sind sie doch da!)

Mainz ist ein Exzellenzstandort mit einer Universitätsmedizin, die es einem am Ende ermöglicht, so erfolgreich zu sein, dass man einen Wirkstoff gegen das Coronavirus entwickelt.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Rahmen des Sondervermögens „Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie“ ein Gesamtvolumen von fast 1,6 Milliarden Euro und Ausgabenansätze in Höhe von 250 Millionen Euro zur Stabilisierung der rheinlandpfälzischen Wirtschaft eingestellt und von Ihnen bewilligt bekommen. Rund 14 Millionen Euro davon werden wir für die technisch-digitale Ausstattung von Berufsschulen nutzen. Die moderne Ausstattung ist dort enorm wichtig.

Weil bereits über Unterricht gesprochen worden ist, will ich noch einmal Herrn Brandl daran erinnern: Wir arbeiten extrem eng und sehr erfolgreich mit dem Bildungsministeri

um zusammen, und zwar nicht nur im Bereich von MINT und anderen Dingen. Frau Kollegin Dr. Hubig hat ein außerordentlich sensibles Verständnis, auch für die Notwendigkeit wirtschaftlicher Belange.

Bei der Unterrichtsversorgung an berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz sind wir enorm vorangekommen. Sie wird kontinuierlich ausgebaut, hat heute ein hohes Niveau und wird noch weiter gesteigert. Weil Sie so gerne über Unterrichtsausfall reden, sollten Sie auch einmal die Erfolge dieser Landesregierung anerkennen.

Als die CDU regiert hat, lag der Unterrichtsausfall bei bis zu 15 %. Jetzt liegt er bei unter 3 %. Freuen Sie sich doch, dass wir in diesem Bereich in Rheinland-Pfalz so erfolgreich vorangekommen sind.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde schon über die Kampagne „Ausbildung kennt keine Auszeit – Ausbildung JETZT!“ gesprochen. Diese kam genau zum richtigen Zeitpunkt und brachte Unternehmen und Jugendliche zusammen. Die Kampagne wurde gestartet, um junge Menschen in ihrem Ausbildungswunsch zu bestärken und sie zu ermuntern, sich beraten zu lassen und bei Ausbildungsbetrieben zu bewerben.

Die Werbemotive wurden über 9 Millionen Mal in sozialen Netzwerken und bei Suchanfragen platziert. Die Kampagne war ein großer Erfolg. Zigtausend Besucherinnen und Besucher konnten wir auf die Kampagnenwebsite www.ausbildung-rlp.jetzt aufmerksam machen und so die Wahrnehmung der beruflichen Bildung deutlich verbessern.

Wir haben zudem ein Insolvenzprogramm. Ich erinnere mich noch an die erste Diskussion im Wirtschaftsausschuss, weil ich als Wirtschaftsminister darauf hingewiesen habe, dass eine solche Pandemie und ein Lockdown nicht ohne Insolvenzen verlaufen können. Sie haben sich dann aufgeregt, was ich sagen würde, wäre sehr ungewöhnlich.

Wir haben allerdings die Realität von Anfang an im Blick gehabt und dafür gesorgt, dass ein Insolvenzprogramm für Auszubildende aufgelegt wird. Es ist wichtig, dass eine Landesregierung die Realität wahrnimmt und sich nicht in Utopien verliert.

Seit dem Jahr 2008 greift bei uns schon ein Landesprogramm, mit dem wir Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und freie Berufe unterstützen, wenn Insolvenzen, die in einem Wirtschaftssystem unvermeidbar sind, beantragt werden müssen. Dann sollen die Auszubildenden ihre Ausbildung fortsetzen können. Die Ausbildungsbetriebe erhalten auf Antrag einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 2.500 Euro je übernommenem Auszubildenden. Damit begleiten wir die zeitlich befristeten Programme „Ausbildungsplätze sichern“ des Bundes.