Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, über kaum ein Thema wird in Deutschland so kontrovers diskutiert wie über das Thema Zuwanderung. Leider ist diese Debatte – das haben wir heute wieder eindrücklich gemerkt – vielmals geprägt von Emotionen, von Nebelkerzen und von Angstmacherei.
Herr Köbler hat darauf hingewiesen, dass auch die BundesCDU mittlerweile für ein Einwanderungsgesetz ist. Ich muss ehrlich sagen, nach den Einlassungen des Kollegen von der CDU habe ich den Eindruck, da gibt es viel Unterstützung aus Rheinland-Pfalz nicht. Das finde ich schade, weil man in einem solchen Gesetz eigentlich eher Möglichkeiten und Chancen als negative Betrachtungen sehen sollte.
Was bislang in der Diskussion um Zuwanderung nach Deutschland oftmals fehlte, waren sachliche und konstruktive Lösungsansätze für die vielen in der Tat noch ungeklärten Fragen zu diesem so absolut wichtigen Thema.
Meine Damen und Herren, die Menschen in unserem Land werden zum Glück immer älter. Noch nie war es so vielen Menschen in unserem Land vergönnt, ein langes und gesundes Leben als Rentner und Pensionär zu führen. Dies ist eine Entwicklung, die uns alle erfreuen sollte, und es ist ein Indikator dafür, wie hoch die Lebensqualität in unserem Land ist. Aber diese Entwicklung stellt unser Land und unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen, denen die Politik jetzt mit den richtigen Ansätzen begegnen muss. In Zukunft werden die Unternehmen und Betriebe in unserem
Land mehr und mehr auf Menschen mit unterschiedlichsten beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen aus dem Ausland angewiesen sein. Schon jetzt konkurrieren die großen Konzerne um die fähigsten und klügsten Köpfe der Welt, ein Trend, der sich in Zukunft weltweit in allen Sektoren der Arbeitswelt verstärken wird.
Meine Damen und Herren, daher ist es absolut überfällig, die Wege für Menschen aus dem Ausland in unser Land jetzt mit einem Einwanderungsgesetz zu ebnen. Neben der Abmilderung des demografischen Wandels erfüllt der dem Bundesrat vorgelegte Antrag für ein Einwanderungsgesetz aber auch einen zweiten wichtigen Aspekt. Mit einem Einwanderungsgesetz kann die Asylmigration in geordnete Bahnen gelenkt werden. Es müssen Mechanismen etabliert werden, die legale Migration nach Deutschland ermöglichen.
Dieses genau verhindert, dass Menschen auf oftmals lebensgefährlichen Wegen irregulär nach Deutschland einwandern. Wir als Freie Demokraten, meine Damen und Herren, freuen uns ganz besonders, dass es erneut Rheinland-Pfalz ist, das eine Initiative für ein Einwanderungsgesetz in den Bundesrat einbringt. Ich will es einmal in Erinnerung rufen. Die erste Initiative für ein solches Gesetz ist auf den ehemaligen liberalen rheinland-pfälzischen Justizminister Peter Caesar zurückgegangen, damals noch im Bundesrat in Bonn. Schon Peter Caesar hat in den 80erJahren die Notwendigkeit für ein neues und modernes Einwanderungsgesetz gesehen und hat sich mit seinem Einsatz dabei parteiübergreifend bundesweit einen herausragenden Ruf erarbeitet. Leider ist er schon damals mit seiner Initiative an dem Widerstand der CDU gescheitert.
Wir hoffen nun, dass die aktuelle Initiative konstruktiv zwischen allen Parteien diskutiert wird und der Bundesrat endlich mit großer Mehrheit ein Einwanderungsgesetz beschließen wird. An der Zeit dafür ist es längst, meine Damen und Herren.
Damit haben alle Fraktionen die ersten Runde dieser Aktuellen Debatte bestritten, und ich darf Frau Staatsministerin Spiegel das Wort erteilen. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Landesregierung wird in der Bundesratssitzung am 23. September einen Entschließungsantrag für ein Einwanderungsgesetz einbringen. Wir fordern in diesem Antrag gemeinsam mit den Bundesländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen die Bun
desregierung auf, endlich zeitnah einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vorzulegen; denn unser Land – das ist hier schon mehrfach erwähnt worden – braucht endlich ein modernes Einwanderungsgesetz. Dabei können die Schlagworte „demografischer Wandel“ und „Fachkräftemangel“ an dieser Stelle gar nicht oft genug fallen. Wir brauchen absehbar mehr akademische wie auch nicht akademische Fachkräfte. Die Einwanderung kann hier ein wichtiger Baustein sein. Dafür muss unser Land allerdings Einwanderung gestalten. Die Öffnung des Arbeitsmarkts in definierten Engpassberufen war bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Es mangelt aber noch an einem attraktiven Gesamtkonzept für die Einwanderungswilligen von der Visaerteilung bis zur Einbürgerung. Es mangelt eben an einem Einwanderungsgesetz an dieser Stelle.
Bloße Änderungen im Aufenthaltsrecht werden hier nicht genügen; denn es müssen auch arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Regelungen definiert werden. Wir müssen beim Gesetzgebungsverfahren ausloten, wo genau Deutschland Einwanderung braucht und mit welchen kriteriengeleiteten Modellen Einwanderung gesteuert werden kann. Das kann zum Beispiel auch ein Punktesystem sein. Ein Einwanderungsgesetz sollte dabei unter anderem Engpassberufe definieren, die inländisches Fachkräftepotenzial nicht decken kann; denn inländisches Fachkräftepotenzial soll natürlich immer berücksichtigt und ausgeschöpft werden, meine Damen und Herren.
Das Lohnniveau muss durch Einwanderung gleich bleiben, genauso wie auch die Arbeitsbedingungen gleich gut bleiben müssen. Ein Einwanderungsgesetz sollte – das ist in unserem Entschließungsantrag ausgeführt – auch einen unkomplizierten Familiennachzug regeln. Es sollte den Familienangehörigen auch konsequent der Erwerb der deutschen Sprache angeboten werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen außerdem eine breite gesellschaftliche Debatte über Einwanderung und Veränderungen, die damit einhergehen. Wir brauchen ein Grundverständnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist; denn wir sind mittlerweile nach den USA das zweitbeliebteste Einwanderungsland. Da ist es wichtig, dass wir endlich auch mit den entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen darauf reagieren.
Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Grundverständnis, dass Einwanderinnen und Einwanderer hier willkommen sind; denn es werden nur Menschen zu uns kommen, wenn sie sich hier erwünscht fühlen. Wir stehen bei der Einwanderung im globalen Wettbewerb mit anderen Ländern wie USA, Kanada oder Australien, die beispielsweise mit der Landessprache Englisch punkten können.
Es ist aber auch so, dass wir im Rahmen eines Gesetzentwurfs für ein Einwanderungsgesetz prüfen wollen, in welchen Bereichen man für Asylsuchende einen unkomplizierten Spurwechsel von der Asylschiene in die Einwanderungsschiene zulassen kann. Im vergangenen Jahr wäre sicher die eine oder andere Handwerkerin oder der eine oder andere Handwerker, beispielsweise aus dem Kosovo oder aus Mazedonien, für eine solche Lösung in Betracht
gekommen. Meine Damen und Herren, das hätte unsere Handwerksbetriebe hier im Land sehr gefreut, die immer mehr Stellen nicht besetzen können.
An die Adresse der AfD muss ich sagen, das hat an dieser Stelle überhaupt nichts mit illegaler Einwanderung zu tun. Da haben Sie das Konzept nicht verstanden, oder vielmehr, Sie wollen es an dieser Stelle nicht verstehen.
Meine Damen und Herren, das weltweite Rennen um die Einwanderinnen und Einwanderer hat längst begonnen. Kanada hat im letzten Jahr ein neues Immigrationsprogramm namens „Express Entry“ aufgelegt, und andere Länder passen ihre Gesetzgebung ebenfalls an das 21. Jahrhundert an.
Wir fordern den Bund jetzt zum schnellen Handeln auf, wenn wir den Anschluss in diesem weltweiten Rennen nicht verlieren wollen; denn, meine Damen und Herren, die Zeit ist reif für ein Einwanderungsgesetz. Dafür wird sich Rheinland-Pfalz im Bundesrat starkmachen.
Ich eröffne die zweite Runde dieser Debatte und erteile Herrn Dr. Braun von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht noch einmal darauf eingehen, dass es Vorschläge gibt, die differenziert genug sind für ein Einwanderungsgesetz. Ich glaube, dass genau die Grundlage für die Wirtschaft klar ist und wir nicht nur im Bereich der Handwerkerinnen und Handwerker, sondern vor allem auch des Pflegepersonals, bei den Krankenhäusern usw. sehr froh gewesen wären, wir hätten genügend Zuwanderung gehabt. Ich glaube, da sind alle in diesem Saal einig. Ich will allerdings in den zwei Minuten, die ich zur Verfügung habe, noch kurz darauf eingehen, was die Opposition hier vorgetragen hat. Ich bin wirklich enttäuscht, dass in einer Lage, in der in Deutschland über Einwanderung und die Bedingungen für Einwanderung diskutiert werden muss, Sie auf diese Art und Weise den Ball flach halten und sich nur bedeckt halten und sagen, Sie wollen da nicht mitmachen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, als Volkspartei CDU müssen Sie doch hier Vorschläge vorlegen, und Sie können sich nicht wegducken, wenn es um ein Einwan
derungsgesetz geht, wenn es darum geht, Einwanderung zu organisieren, wenn Sie sich die ganze Zeit beschweren, es sei unorganisiert. Wir sorgen dafür, dass es organisiert wird, und dann ducken Sie sich einfach nur weg und machen keine Vorschläge. Das geht nicht in einem Landtag.
Dass die AfD mit dem Zwischenruf von Herrn Dr. Bollinger, sie waren die Ersten, die ein Einwanderungsgesetz gefordert haben, eine lustige Zwischeneinlage gemacht hat, muss ich nicht weiter erwähnen. Aber das zeigt, wie geschichtsverloren und wie geschichtsunbewusst die AfD ist. Man denkt manchmal, vor Ihnen hätte es in Deutschland gar nichts gegeben.
Sie müssen sich doch einmal an dem orientieren, wie die Debatte in Deutschland läuft. In Deutschland läuft die Debatte in die Richtung, dass wir uns alle einig sind, ein Einwanderungsgesetz voranbringen zu müssen.
Dann müssen wir uns hier inhaltlich darüber auseinandersetzen, welche Bedingungen wir haben wollen. Frau Spiegel hat Bedingungen hier klar erläutert. Da kann die CDU doch einmal Ja dazu sagen und mitmachen.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. – Doch noch. Herr Dr. Bollinger für die Fraktion der AfD, bitte schön.
(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Als Ihr kurz nach dem 30jährigen Krieg das erste Einwanderungsgesetz gemacht habt!)