Protocol of the Session on September 17, 2020

Ich zitiere weiter: Die Soforthilfe des Landes zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beträgt 2,765 Millionen Euro. –

Sie sehen also den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der guten Finanzlage meines Landkreises, der auf dem Weg ist, zum dritten Mal hintereinander einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können, und der Politik dieses Landes.

(Zurufe der Abg. Christian Baldauf, Martin Brandl und Gerd Schreiner, CDU, und des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Lieber Herr Kollege Baldauf, ich bin Ihnen äußerst dankbar, dass Sie den Zusammenhang hergestellt haben zwischen der CDU – – –

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Mensch, Herr Baldauf, Sie müssen doch wissen, seit wann er Landrat ist! Der erste ausgeglichene Haushalt geht noch auf die Kappe von Theresia Riedmaier!

Mensch, Herr Baldauf! Das muss man doch wissen, wenn man hier Zwischenrufe macht!

(Beifall der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD, und Christian Baldauf, CDU)

Ich bin Ihnen zutiefst dankbar für das argumentative Dreieck „Heimat – Land – Finanzen“. Ich sage Ihnen, es ist gut, dass wir in diesem Land eine gute Ministerpräsidentin und eine gute Landesregierung haben.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Kurzintervention! Hallo!)

Dann sind nämlich in unserer jeweiligen Heimat die Finanzen so gefügt, wie ich es gerade am Beispiel meines Kreises beschrieben habe.

Lieber Herr Brandl, vielen Dank für Ihre Kurzintervention!

(Beifall der SPD, bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete Lerch, eine blaue Karte kann nicht zu einer Kurzintervention, sondern nur zu einem Redebeitrag gezogen werden. Sonst würde das Instrument vielleicht noch mehr ausufern.

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.

(Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Niemand bezweifelt, dass wir in den letzten Monaten eine Situation hatten, die alles andere als normal war. Deshalb haben wir als AfD-Fraktion den ersten Nachtragshaushalt der Landesregierung mitgetragen. Zudem wollten wir deutlich machen, dass wir bereit sind, Verantwortung im Interesse unserer Wirtschaft und unserer Bürger zu übernehmen. Die gleiche Verantwortung ist es jedoch, die uns heute den zweiten Nachtragshaushalt in der vorliegenden Form ablehnen lässt.

Die Landesregierung plant mit einer Nettokreditaufnahme von 3,45 Milliarden Euro die höchste Neuverschuldung in der Geschichte des Landes überhaupt.

Zweifellos werden damit Maßnahmen finanziert, die zwingend notwendig sind. Dazu zählt beispielsweise die Unterstützung unserer Kommunen, deren Haushalte durch den Lockdown und dessen Folgen erheblich belastet werden. Hier rächt sich jetzt die über viele Jahre hinweg betriebene Unterfinanzierung durch das Land.

Städte, Kreise und Gemeinden, die bereits vor Corona vor dem finanziellen Kollaps standen, weil man sie zwar ständig mit neuen Aufgaben belastet, dafür aber nicht ausreichend alimentiert hat, brauchen diese Hilfe unbedingt. Gleiches gilt für die rheinland-pfälzischen Unternehmen, wobei wir uns deutlich mehr für unsere mittelständischen Betriebe gewünscht hätten.

Auch die Unterstützung des ÖPNV halten wir für richtig. Angesichts der stark zurückgegangenen Fahrkartenerlöse sind die Verkehrsunternehmen – ob öffentlich oder privat – in eine Schieflage geraten; und wir müssen ihnen helfen.

Neben diesen notwendigen Maßnahmen gibt es im vorliegenden Nachtragshaushalt einige wirtschaftlich vernünfti

ge Dinge, die wir schon lange gefordert haben und die nun anscheinend möglich sind. Hierzu zählen etwa die Förderung des Breitbandausbaus, die Stärkung der beruflichen Bildung, die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen, insbesondere im benachteiligten ländlichen Raum, sowie Projekte zur Digitalisierung der Wirtschaft und zur Förderung von Gründern und Start-ups.

Das sind alles sinnvolle Maßnahmen. Sie waren aber schon vor Corona sinnvoll und werden es auch noch lange nach Corona sein. Dass man sie erst jetzt im Rahmen eines Nachtragshaushalts beschließt, ist bezeichnend und macht einmal mehr die Versäumnisse der Landesregierung in der Vergangenheit deutlich.

(Beifall der AfD)

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind vor allem jene der Gesundheit von Bedeutung. Hier belaufen sich die Mehraufwendungen auf über 860 Millionen Euro; etwa 40 % davon sind Eigenmittel des Landes. Diese Ausgaben sind wichtig, um all jene zu unterstützen, die für die Bekämpfung der Pandemie und den Gesundheitsschutz unserer Bürger sorgen. Ihnen sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt.

(Beifall der AfD)

Damit ist es aber nicht getan. Wir müssen vielmehr die richtigen Lehren aus den Erfahrungen der letzten Monate ziehen. Wir müssen auch jenseits besonderer Ausnahmesituationen eine ausreichende finanzielle Ausstattung unseres Gesundheitssystems sicherstellen. Dies gilt sowohl für den Öffentlichen Gesundheitsdienst als auch für die Notwendigkeit einer flächendeckenden ambulanten und stationären medizinischen Versorgung.

Dabei ist klar, wenn die Landesregierung die Krankenhausinvestitionsförderung weiterhin so vernachlässigt, wie dies in den letzten Jahren der Fall war, und es nicht gelingt, dem drohenden Ärztemangel wirkungsvoll zu begegnen, dann werden Engpässe, wie wir sie in der Corona-Krise glücklicherweise nicht erlebt haben, in Zukunft selbst unter Normalbedingungen unvermeidbar sein.

Alles in allem sind die Maßnahmen, die im zweiten Nachtragshaushalt vorgesehen sind, kaum zu beanstanden. Abgesehen von der Förderung einiger nicht genuin coronabedingter Projekte im Bereich „Klima und Energie“ bilden sie eine solide Basis zur Bewältigung der Krise.

Ganz anders sieht es bei der Frage der Finanzierungen, insbesondere bei der Schaffung des geplanten Sondervermögens, aus. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Ich kann verstehen, dass das vorgeschlagene Sondervermögen für die Regierung praktisch ist. Man hat für die Zeit bis zur nächsten Wahl Ruhe, muss nicht ständig das Parlament nach Geld fragen (...). Außerdem hat man eine schöne Kriegskasse (...). Das Sondervermögen, das uns die Landesregierung hier vorschlägt, ist ein Schattenhaushalt.

Das Parlament gibt mit dieser Ermächtigung für ein Sondervermögen einen erheblichen Teil seiner Souveränität ab. (...)

(Beifall bei der AfD)

Verschwende niemals eine gute Krise, soll Churchill einmal gesagt haben. Wenn wir als Fraktion hinterfragen, ob Machtverschiebungen von Parlament zu Regierung, für die es außerhalb von Krisenzeiten niemals eine Mehrheit geben würde, wirklich notwendig sind, dann machen wir dies auch im Interesse der Parlamentarier (...).“

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wo bleibt Ihr Applaus? Das soeben Zitierte stammt von Marius Weiß, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPDFraktion im Hessischen Landtag.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Er hat im Plenum die Pläne der Landesregierung zur Einrichtung eines Sondervermögens zur Bewältigung der CoronaFolgen mit vollem Recht scharf kritisiert. Das sind die gleichen Pläne, die Sie als alternativlos bezeichnen und gegen jede Kritik vehement verteidigen.

Offensichtlich ändert sich sozialdemokratische Logik beim Überschreiten des Rheins grundlegend.

(Beifall der AfD)

Während sich Ihre hessischen Kollegen Sorgen um die Rechte des Parlaments und damit um demokratische Grundprinzipien machen, scheint Sie das nicht im Geringsten umzutreiben. Wie wäre es, wenn Sie sich innerhalb Ihrer Partei auf eine Linie einigen könnten? Oder ist doch der Eindruck richtig, den immer mehr Bürger in diesem Land gewinnen, dass es der SPD weniger um Sachpolitik und das Wohl der Menschen als um die eigene Macht geht?

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Dabei steht Entscheidendes auf dem Spiel. Es geht um nicht weniger als um unsere Landesverfassung. Die Einrichtung des Sondervermögens wird von vielen Experten als verfassungswidrig angesehen. Der Rechnungshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von der Landesregierung hierfür genannten Begründungen nicht das Abweichen von den Verfassungsprinzipien der Vollständigkeit und Einheit des Haushalts sowie von den Grundsätzen der Jährlichkeit und Fälligkeit rechtfertigen.

Die als Argument angeführte Planungssicherheit für die Hilfeempfänger gibt es ohnehin nicht wirklich, weil die Ansätze sehr pauschal sind und praktisch keine konkreten Forderungen beinhalten. Sie könnte außerdem auch anders sichergestellt werden. Hinzu kommt, dass es angesichts der zeitlichen Nähe zu den regulären Haushaltsberatungen problemlos und ohne Nachteile möglich wäre, sämtliche Maßnahmen auch dort zu etatisieren.

Warum das nicht passiert, liegt auf der Hand: Die vom Rechnungshof sogenannte gebündelte Maßnahmendarstellung im Sondervermögen erlaubt es der Landesregierung, Gelder in Millionenhöhe am Landtag vorbei und nach eigenem Gutdünken zu vergeben. Dies ist ein Blankoscheck, ein Schattenhaushalt, mit dem die Budgethoheit des Parlaments, ein wesentliches Element unserer demokratischen Verfassung, unterlaufen wird.

Selbst die von der Finanzministerin als Beruhigungspille betonte Transparenz ist nicht ausreichend gegeben; denn durch die Aufteilung der Maßnahmen in das Sondervermögen einerseits und den Landeshaushalt andererseits taucht vieles doppelt auf; und es werden demselben Zweck dienende Mittel nicht voneinander abgegrenzt.

Auch wenn man hier keine Verschleierungsabsicht unterstellt, sieht Transparenz anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Ein zweiter und nicht minder bedeutsamer Kritikpunkt ist die hohe Neuverschuldung von mehr als einem Sechstel des Landeshaushalts. Ist es wirklich notwendig, jetzt schon mit Zinszahlungen verbundene Kredite für Aufwendungen aufzunehmen, die zu einem erheblichen Teil erst in den kommenden Jahren getätigt werden? Warum wird nicht zwischen kassenwirksamen Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für die Zukunft unterschieden? Welche Sparanstrengungen werden unternommen?