Protocol of the Session on August 27, 2020

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Ich mache dies deshalb hier noch einmal deutlich, weil Kampagneplattformen wie zum Beispiel openPetition oder Change.org im Internet den Menschen suggerieren, dass sie ihr Anliegen dort mit der gleichen Chance einstellen können. Dies ist nicht der Fall. All diesen Kampagneplattformen ist gemein, dass sie die Weiterleitung eines Bürgeranliegens von einer willkürlich festgelegten Anzahl von Unterstützungsunterschriften abhängig machen. Sie machen damit die Wahrnehmung eines Grundrechts von der Überwindung einer bestimmten Hürde abhängig, obwohl der Ausübung dieses Rechts nach der Verfassung keine Hürden auferlegt wurden.

Vor diesem Hintergrund bin ich der Bürgerbeauftragten Barbara Schleicher-Rothmund dankbar, dass sie im September letzten Jahres eine hochrangig besetzte Veranstaltung mit dem Thema „Petitionsrecht – ein Grundrecht in Zeiten der Digitalisierung“ durchgeführt hat, auf der die Unterschiede zwischen dem Petitionsrecht als unmittelbarem Zugangsrecht zum Parlament und den Möglichkeiten der Kampagneplattformen im Internet von namhaften Fachleuten herausgearbeitet und deutlich gemacht wurden. Das Ergebnis ist klar. Petitionen sind Kerngeschäft des Parlaments.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als einzelne Abgeordnete und das Parlament in Gänze dürfen uns nicht von den Kampagneplattformen vereinnahmen lassen, indem wir eine offizielle Zusammenarbeit mit diesen Plattformen institutionalisieren. Das Parlament vertritt die Bürgerinnen und Bürger und befasst sich mit deren Anliegen, Sorgen und Nöten und nicht unpersönliche Internetplattformen, die eine Weiterleitung an die Parlamente von intransparenten Kriterien abhängig machen.

Wie umfangreich und mit welchen Anliegen die Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2019 von ihrem Eingaberecht Gebrauch gemacht haben, zeigt uns der Jahresbericht der Bürgerbeauftragten und belegen uns die Zahlen zu den Legislativeingaben. Im Jahr 2019 sind insgesamt 2.292 Eingaben bei der Bürgerbeauftragten eingegangen.

Schwerpunktthemen waren hierbei schon traditionell die

Eingaben aus dem Bereich des Justizvollzugs mit 720 Eingaben, gefolgt von den Eingaben aus dem Bereich der Ordnungsverwaltung und Verkehrsangelegenheiten mit 220 Eingaben. Auf Rang drei lagen Eingaben aus dem Bereich Gesundheit und Soziales. Die Gesamtzahl der Eingaben ist damit im Vergleich zum Vorjahr gleich geblieben.

Der Petitionsausschuss hat sich im vergangenen Jahr in insgesamt sieben Sitzungen mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger befasst. Dabei wurden insgesamt 2.284 Eingaben abschließend beraten und erledigt. Es wurden 258 Eingaben einvernehmlich erledigt und in 1.001 Fällen wurde eine Auskunft erteilt. 63 Eingaben wurden mit einem teilweise einvernehmlichen Ergebnis abgeschlossen. 109 Eingaben wurden in sonstiger Weise erledigt und 120 Eingaben von den Petenten zurückgezogen. Lediglich in 345 Fällen mussten die Eingaben nicht einvernehmlich abgeschlossen werden, weil die Rechtslage keine andere Lösung erlaubt hat.

Nimmt man die einvernehmlich erledigten Eingaben, die teilweise einvernehmlich erledigten Eingaben und die erteilten Auskünfte zusammen, dann konnte bei 1.322 der zulässigen Eingaben ein Ergebnis erzielt werden, mit dem den vorgetragenen Anliegen teilweise oder vollumfänglich entsprochen werden konnte. Dies entspricht einer Erfolgsquote von 70 %.

Die Themen, die an die Bürgerbeauftragte und damit auch an den Petitionsausschuss herangetragen wurden, waren dabei so vielfältig wie das Leben selbst. Diese reichten von einer zu Recht erfolgten Beschwerde über Mitarbeiter eines Ordnungsamtes, die beanstandete Dauer eines Baugenehmigungsverfahrens, den Lärmbelästigungen durch den Anliegerverkehr für einen Supermarkt, über Probleme mit dem ÖPNV, Beschwerden über den Zustand einer Straße, die begehrte Übernahme von Kosten für eine Wohnung im Bereich der Sozialleistungen für eine alleinstehende Mutter mit sechs Kindern bis zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für Nebenwohnungen.

Hierfür möchte ich an dieser Stelle der Bürgerbeauftragten Barbara Schleicher-Rothmund ganz herzlich danken.

(Beifall bei SPD, vereinzelt bei der CDU und bei der FDP)

In diesen Dank schließe ich ihren Stellvertreter Hermann Linn und ihr gesamtes Team ein. Sie alle haben hier hervorragende Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger geleistet.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Liebe Frau Schleicher-Rothmund, ich möchte Ihnen auch im Namen des gesamten Petitionsausschusses für die hervorragende und kollegiale Zusammenarbeit danken. Sie stehen uns mit Tat und Rat zur Seite. Sie sind persönlicher Ansprechpartner. Sie verschaffen dem Petitionsrecht mit Ihrem Einsatz Geltung.

Darüber hinaus hat der Petitionsausschuss fünf öffentli

che Petitionen beraten und hierüber einen Beschluss gefasst. Diese wurden von insgesamt 3.521 Bürgerinnen und Bürgern mitgezeichnet. Dies macht einmal mehr deutlich, dass es der Kampagneplattformen nicht bedarf, um sich mit Anliegen an das Parlament zu wenden. Der Landtag Rheinland-Pfalz verfügt über niedrigschwellige Möglichkeiten, die die Bürgerinnen und Bürger nutzen können, damit sie ihre Anliegen in die parlamentarischen Beratungen einbringen können.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bürgerbeauftragte jährlich über 30 Sprechtage im ganzen Land und an ihrem Dienstort in Mainz durchführt. Indem sie als persönliche Ansprechpartnerin zur Verfügung steht, verleiht sie dem Petitionsrecht ein Gesicht.

Der Petitionsausschuss ist ein Arbeitsausschuss. Das wurde bereits anhand der Anzahl der beratenen Einzelpetitionen deutlich. Hinzu kommen noch 46 Legislativeingaben, die vom Ausschuss beraten und beschlossen wurden. Diese beinhalten drei Sammellegislativeingaben, die von 2.988 Bürgerinnen und Bürgern mitgezeichnet wurden.

Legislativeingaben sind Eingaben, mit denen Bürgerinnen und Bürger die Änderung, Aufhebung oder den Erlass von Gesetzen oder Rechtsverordnungen erreichen möchten. Nach der Geschäftsordnung des Landtags werden diese nicht von der Bürgerbeauftragten, sondern vom Landtag selbst bearbeitet. Hierfür und für die rechtliche Beratung und Betreuung des Petitionsausschusses sage ich dem zuständigen Referenten Dr. Matthias Mayer sowie seiner Mitarbeiterin, Frau Nugdalla, meinen herzlichen Dank. Bei ihnen wissen wir unsere anspruchsvolle Aufgabe in guten Händen.

Nicht unerwähnt möchte ich die Arbeit der Strafvollzugskommission lassen, bei der es sich um einen Unterausschuss des Petitionsausschusses handelt. Dieser hatte im vergangenen Jahr an fünf Sitzungsterminen getagt. Davon fanden zwei Sitzungen als auswärtige Sitzungen in der Jugendarrestanstalt in Worms sowie der Justizvollzugsanstalt Wittlich statt. Hierbei handelt es sich um eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Kommission befasst sich mit der Situation im rheinland-pfälzischen Strafvollzug.

Wie wichtig diese Aufgabe ist, zeigen auch die insgesamt 720 Eingaben, die die Bürgerbeauftragte im vergangenen Jahr bearbeitet hat. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle, dass es gelungen ist, in der JVA Zweibrücken eine MutterKind-Einrichtung sowie eine Sozialtherapie zu schaffen. Ich möchte hier Herrn Justizminister Mertin, seinem Staatssekretär Herrn Fernis und dem zuständigen Abteilungsleiter, Herrn Dr. Hund, für die gute Zusammenarbeit danken.

Ich komme zum Schluss und möchte meinen Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss und der Strafvollzugskommission für die gute und kollegiale Zusammenarbeit danken. Sie haben mir den Einstieg in die Arbeit als Vorsitzender dieses Ausschusses leicht gemacht. Wir haben stets sachorientiert zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes diskutiert und entschieden. Lassen Sie

uns dies genauso fortsetzen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, vereinzelt bei der CDU, bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für Ihren Bericht, Herr Vorsitzender.

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Elfriede Meurer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich mit einem Dank. Der Bericht der Bürgerbeauftragten Barbara Schleicher-Rothmund ist klar strukturiert und gut lesbar. Auch wer nicht im Petitionsausschuss ist, hat die Möglichkeit, sich schnell einen Überblick zu verschaffen.

Die Petitionen sind so vielfältig und außergewöhnlich wie manchmal das Leben. Fragt man jedoch nach dem Anlass für die Petitionen, stellt man fest, dass unabhängig der Themen die Gründe fast immer die gleichen sind. Es gibt zu lange Wartezeiten auf Entscheidungen. Es gibt strukturelle Probleme. Es gibt konträre Interessen bzw. konträre Rechte. Es geht um die Folgen von Personalmangel. Es geht um das Fehlverhalten von Verwaltung und Behörden und der daraus folgenden Konflikte. Es geht um Kommunikationsdefizite. Die Zuständigkeit ist unklar. Es gibt einfach nur Informationsbedarf. Es gibt Fehlinterpretationen. Es gibt Vollzugsdefizite, schlichte Überforderung, Vorbehalte gegenüber Behörden und die Komplexität von Recht. Schlicht und ergreifend sind die Menschen auch überfordert und wissen einfach nicht weiter.

Einige Beispiele werde ich gerne aus dem Bericht zitieren, zum Beispiel zum Thema „Wartezeit“. Eine Bürgerin wartete zwei Jahre auf die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren. Auf die Neuberechnung seiner Altersrente wartete ein Bürger zweieinhalb Jahre. Mithilfe der Bürgerbeauftragten konnte in beiden Fällen abgeholfen werden. Die neue Rentenberechnung ergab immerhin eine Nachzahlung von rund 16.000 Euro.

Beispiel Personalmangel: Ich zitiere aus dem Bericht: „Thematisch wichtig bleibt weiterhin die Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten und der Sicherungsverwahrung. Der Personalmangel wird regelmäßig nicht nur von Anstaltsleiter und Bediensteten eingeräumt und beklagt, auch zahlreiche Gefangene und Untergebrachte schildern Missstände durch Sport- und Freizeitausfall, nicht durchgeführten Aufschluss auf den Abteilungen, gestresste Bedienstete, die einen angespannten und überlasteten Eindruck machen und denen keine Zeit für ausgiebige Gespräche bleibt.“

Im Mai dieses Jahres waren laut Angaben des Justizministeriums 106 Stellen im Justizvollzug nicht besetzt, obwohl

bereits heute Planstellen mit Anwärtern besetzt sind. Der Grund sind fehlende Anwärterstellen in der Vergangenheit, eindeutig ein strukturelles Problem. Verlässliches, verantwortliches Regierungshandeln sieht sicherlich anders aus.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich nenne noch ein Zitat aus dem Bericht: „Jeder Arbeitstag im Vollzug bietet Herausforderungen, die nur mit hohem Einsatz und Verantwortungsbewusstsein zu meistern sind, dies zudem unter den erschwerten Bedingungen des Personalmangels und der zunehmenden Anforderungen durch neuartige Drogen und Sprachbarrieren. Dies verdient in besonderem Maße Unterstützung und Anerkennung der Gesellschaft. Gleichzeitig ist es ein interessanter Beruf, in dem viel erreicht werden kann, da mit Blick auf den Resozialisierungsgedanken Menschen in die Gesellschaft zurückgeführt werden können, die es allein nicht geschafft haben. Egal ob Vollzugs-, Werkdienst, Sozial- oder Psychologischer Dienst, Verwaltung, Anstaltsarzt oder Sanitätsdienst: Auf jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter warten hier menschlich interessante Betätigungsfelder, die wichtig für die Gesellschaft sind.

Die Bürgerbeauftragte dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Justizvollzug für ihre engagierte und herausfordernde Tätigkeit. “

Soweit der Dank und der Werbeblock im Bericht. Dem können wir uns, die CDU-Fraktion, nur vollumfänglich anschließen.

(Beifall der CDU)

Beispiel aus dem Straßenbau: Wenig Verständnis gibt es seitens der Bürger für lange Vollsperrungen und große Umwege. Sicher gibt es im Einzelfall Gründe für längere Bauzeiten, die nicht immer vermieden werden können; dennoch kann festgestellt werden, wenn umfassend erläutert wird, warum es so ist, haben die meisten Bürgerinnen und Bürger Verständnis für die Maßnahmen.

Bei einem weiteren Beispiel – wofür wenig Verständnis aufkommt – bei den Landesstraßen antwortete die Landesregierung auf die Frage nach dem Zustand einer Landesstraße, es können nicht alle wünschenswerten Maßnahmen gleichzeitig realisiert werden. Weiter wurde ausgeführt, die Verkehrsteilnehmer könnten bei schadhaften Fahrbahnen ihr Fahrverhalten auf den Straßenzustand abstellen. Abschließend das Beispiel: Der LBM versucht, die Gefahrenstellen zu beseitigen oder wird zumindest durch Warnschilder darauf hinweisen. – Schön, kann man da nur sagen.

Ich nenne ein Beispiel von Fehlverhalten von Verwaltung und Behörden: Wenn Mitarbeiter im kommunalen Vollzug ihr Fahrzeug ins absolute Haltepunktverbot stellen, um Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen, zu kontrollieren, dann ist es nicht verwunderlich, wenn das zu Konflikten führt, erst recht nicht, wenn sie darauf angesprochen auch noch behaupten, sie dürfen das. Zum Glück hat dann der

Bürgermeister den Mitarbeiter in einem persönlichen Gespräch darauf hingewiesen, dass es für ihn keine Sonderrechte gibt. Somit konnte diese Petition einvernehmlich abgeschlossen werden.

Unabhängig von all diesen Einzelfällen gibt es über weite Strecken gegenüber Behörden und Verwaltungen Vorbehalte, leider zu Recht. Wenn einerseits vielfältig lange Wartezeiten beklagt werden, erhielt in einem anderen Fall eine Petentin bereits neun Tage nach dem Tode ihres Ehegatten, unglücklicherweise am Tag der Beerdigung, ein Schreiben der Stadtverwaltung, dass die bis dahin genutzte 45 m2

große Wohnung für eine Person die angemessenen Unterkunftskosten um monatlich 16,10 Euro überschreitet. Ob die Frist von sechs Wochen angemessen ist, sei dahingestellt, neun Tage sind es auf jeden Fall nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr oft werden ältere Bürgerinnen und Bürger unsicher im Umgang mit Verwaltung und haben das Gefühl, sie seien Bittsteller. Dabei wird in den Gesprächen deutlich, dass sie sich lieber in ihrer Lebensführung weiter einschränken, als auf die Leistungen des Staates angewiesen zu sein. Deutlich wird das gerade in Gesprächen, in denen nach der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gefragt wird, weil sie nur über eine kleine Rente verfügen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich bin schon am Ende der Zeit. Lassen Sie mich gerade noch ein Dankeschön sagen. Entschuldigung. Ich hätte noch einige, auch positive Beispiele aus Verwaltung und Behörden gehabt.

Abschließend möchte ich mich auch für die CDU-Fraktion herzlich für die konstruktive und sachorientierte Zusammenarbeit mit der Bürgerbeauftragten Barbara SchleicherRothmund, ihrem Stellvertreter, Hermann Josef Linn, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Büro der Bürgerbeauftragten bedanken. In den Dank einschließen möchte ich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags sowie die Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss. Herzlichen Dank.