Etwas weniger erfreulich: Herr Joa, Sie sind vorhin nicht anwesend gewesen. Ich habe eingangs über das Ergebnis der Ältestenratssitzung berichtet. Sie haben gestern den Abgeordneten Hüttner als „Drecksack“ tituliert. Das ist unbestreitbar unparlamentarisch. Sie werden hiermit für diese Äußerung gerügt.
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch jetzt schon gesagt, verdammt noch mal! – Abg. Martin Brandl, CDU: Der war doch nicht da! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na und, ist doch egal! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wenn er ein Ehrenmann wäre, würde er sich dafür entschuldigen!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren vor ein paar Jahren mit dem Ausschuss für Integration in Griechenland und haben dort Gespräche geführt, unter anderem mit Männern und Frauen der Küstenwache, die uns ganz schlimme Details von ihrer Arbeit erzählt haben. Sie hätten sich nie träumen lassen, dass sie nicht nur für die Sicherheit von Schiffen da sind, sondern dass sie so viele Menschen im Meer auffinden, die gar keine andere Hoffnung haben, als ein wackeliges Boot zu besteigen.
Die derzeitige Situation, die wir derzeit in den Lagern sehen – das hat die Kollegin Binz schon geschildert –, die wegen Corona ein bisschen aus der medialen Aufmerksamkeit verschwunden sind, die aber dennoch da sind, die Menschen in den überfüllten Lagern, die wirklich nicht das einhalten können, was wir im Moment gesagt bekommen: Das kann man so nicht verdrängen.
Ich habe in meinem Wohnzimmer ein Bild, das ein geflüchtetes Kind gemalt hat. Seine Erinnerung war ein Boot auf ganz hohen Wellen. Immer wenn ich das Bild anschaue, muss ich einfach an diese Kinder denken. Unsere Kinder, die hier sind, können behütet und gut aufwachsen.
Wir haben eine Verantwortung, dafür zu sorgen, auch wenn es nicht einfach ist und es kein Fingerschnipsen gibt, um die Situation nachhaltig zu verbessern. Aber wir müssen den Druck trotzdem weiter aufrechterhalten.
Einmal natürlich den Druck auf europäischer Ebene. Wenn ein Logo der EU an den Lagern prangt, dann fragt man sich eigentlich, was das soll. Die Zustände dort sind nicht würdig, dass dort ein solches Zeichen prangt.
Aber ich sehe es, wenn ich nach Spanien, Italien oder Griechenland schaue, die von Corona sehr getroffen sind und wo rechte Kräfte aufgetaucht sind, weil viele Menschen aufgenommen worden sind. Deswegen braucht man eigentlich die europäische Lösung.
Wir haben ein paar Kinder aufgenommen, das hat die Kollegin auch gesagt, und es sollten weitere folgen. Im Moment ist nichts passiert.
Ich habe mit unserer Bundestagsfraktion gesprochen. Der Druck wird aufrechterhalten. Aber wenn ich geradeaus zur CDU-Fraktion schaue – Innenminister Seehofer ist schließlich beteiligt, er hat in Berlin gerade einem eigenen Programm eine Absage erteilt –, dann muss ich schon sagen: Wir müssen zumindest, auch wenn es schwierig ist – ich weiß, es ist kein leichtes Unterfangen, und wir haben es schon oft hier besprochen –, einmal gemeinsam an einem Tisch überlegen, was es für Lösungen gibt.
Diese Menschen sind schon mehrere Jahre dort. Das ist die Kindheit von diesen Kindern in diesen Lagern. Wenn ich
Deswegen denke ich, das ist unsere Verantwortung. Man kann das nicht verdrängen. Es gibt den Hashtag „#LeaveNoOneBehind“, also wirklich niemanden zurückzulassen oder zu vergessen.
Also appelliere ich auch an Sie und Ihre Kontakte in der CDU, einmal zu sagen: Wir sind bereit. Wir haben als RheinlandPfalz gesagt: Wir wollen unseren Beitrag leisten, wenn Menschen über ein Bundesaufnahmeprogramm hierher kommen, und wir wollen, dass dann auch ein Teil hier in Rheinland-Pfalz untergebracht wird.
Die Kollegin hat auch gesagt, es gibt einige Kommunen, die sich als sichere Häfen erklärt haben, und viele Flüchtlingsorganisationen, denen wir danken können, die sich in diesem Bereich engagieren. Aber wir brauchen einfach ein bisschen mehr und dürfen das nicht vergessen, auch wenn sich die Situation – das ist auch klar – noch verschärft hat.
Also lassen Sie uns gemeinsam weiterarbeiten und Druck aufbauen, damit es weitergeht. Denken Sie einfach an die Menschen, die nicht das Glück hatten, hier geboren zu sein, in einem friedlichen Land, und die fliehen mussten, weil eine Katastrophe passiert ist.
Denken Sie an diese Menschen, wenn man einmal eher positive Bilder will. Wir müssen dafür sorgen, weil es unsere Verantwortung als Politik ist, auch etwas für diese Menschen zu tun.
Herr Präsident, meine sehr verehrten, lieben Kolleginnen und Kollegen! Die von den Grünen heute beantragte Aktuelle Debatte ist ein Stück weit unehrlich und durchschaubar. „Jetzt helfen: Geflüchtete Menschen von den griechischen Inseln sofort aufnehmen. Bund muss Blockadehaltung aufgeben“.
Damit suggerieren Sie, dass die Bundesrepublik Deutschland bislang nicht geholfen und keine Flüchtlinge aufgenommen hat. Dies versuchen Sie durch Ihren zweiten Satz noch zu verstärken: „Bund muss Blockadehaltung aufgeben“.
Also liebe Kolleginnen und Kollegen, richtig ist doch auch, dass die Bundesrepublik Deutschland bis zum Ausbruch der Corona-Krise im März dieses Jahres 400 Flüchtlinge pro Tag aufgenommen hat. 400 Flüchtlinge pro Tag!
und damit wir alle – tue zu wenig, hat entweder wenig Ahnung, oder er ignoriert sehenden Auges die enorme Hilfsbereitschaft und die großen Kraftanstrengungen, die die staatlichen Einrichtungen, aber auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geleistet haben und leisten.
In den vergangenen fünf Jahren haben rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland Zuflucht gefunden. 1,8 Millionen! Dann von einer Blockadehaltung der Bundesregierung zu sprechen, ist wirklich schlichtweg falsch. Das gehört zu der Debatte und zur Ehrlichkeit einfach ein Stück weit dazu.
Richtig ist auch – das haben Sie auch angesprochen –, dass die Bundesrepublik Deutschland zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie und zur Verhinderung weiterer Infektionsketten innerhalb der Europäischen Union alle Dublin-Überstellungen von und nach Deutschland bis auf Weiteres ausgesetzt hat. Sie sind so lange ausgesetzt, bis die COVID-Pandemie ausgestanden oder im Griff ist.
Es handelt sich dabei nicht um eine Blockadehaltung, sondern es handelt sich schlichtweg um eine vorübergehende Maßnahme für einen effektiven Gesundheitsschutz, und zwar für einen effektiven Gesundheitsschutz für Deutschland und Europa, also für uns alle.
Ich möchte Ihnen auch sagen: Wir sprechen von einer vorübergehenden Aussetzung der Dublin-Überstellung, die gerade einmal zwei Monate andauert. Zwei Monate! Die Grünen, die dieser Landesregierung auch angehören, haben nichts gesagt, als es wegen COVID zu Grenzschließungen zu Frankreich, Luxemburg oder Belgien kam.
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Natürlich haben wir etwas gesagt! – Zuruf der Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als der Bundesinnenminister das ausgesprochen hat, gab es keine Debatte. Aber jetzt sprechen Sie plötzlich von den Außengrenzen. Das ist doch Doppelmoral. Das ist doch Doppelmoral, wie Sie da sprechen. Das ist doch nicht in Ordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der derzeitige Aufnahmestopp ist auch nicht absolut. Es sind immerhin 73 Geflüchtete nach Rheinland-Pfalz gekommen. Auch die vom Bundesinnenminister aufgenommenen Minderjährigen – die Kollegin hat es angesprochen – kamen nach Deutschland und nach Rheinland-Pfalz.
Wir haben uns an die Spitze gestellt und vieles probiert, auch der Bundesinnenminister. Es ist doch nicht so, dass
Kommen wir von den Grenzschließungen zu Ihrer Forderung: sofort Flüchtlinge aufnehmen. – Sorry, diese Forderung ist schlicht unrealistisch.
Sie wissen doch tatsächlich gar nicht, wie das umsetzbar ist. Wie wollen Sie denn das im Rahmen der COVID-Pandemie überhaupt umsetzen? Wie wollen Sie diese Hygienemaßnahmen hier in Deutschland umsetzen? Sollen Charterflüge gebucht werden? Wollen Sie Busse einsetzen? Oder sollen die Flüchtlinge vielleicht selbstorganisiert durch die Mitgliedsstaaten bis nach Deutschland einreisen?
Sie schreiben eine 14-tägige Quarantäne vor für Personen, die jetzt von außerhalb der Europäischen Union nach Deutschland oder in die Europäische Union kommen. 14 Tage Quarantäne, wie soll denn das funktionieren? Das kann doch im Augenblick überhaupt nicht richtig funktionieren. Wir haben diese Kapazitäten schlicht und ergreifend einfach nicht.
Ich sage Ihnen ganz offen: Natürlich – da sind wir doch bei Ihnen – brauchen wir ein koordiniertes gesamteuropäisches Vorgehen. Deutschland ist Mitglied der Europäischen Union. Wir halten es daher für ganz wichtig, dass alle Hilfsmaßnahmen auf europäischer Ebene koordiniert und gebündelt werden.
Es gibt doch Bemühungen. Diese Bemühungen, eine gesamteuropäische Lösung zu finden, sind derzeit im Unterfangen. Das wird gemacht, und wir wollen keine nationalen Alleingänge, weil das ein Stück weit der falsche Weg ist.