Den Extremisten – gleich welcher Richtung – dürfen wir das Feld nicht überlassen. Darüber sind wir uns hoffentlich einig. Es spielt keine Rolle, ob sie rechts, links oder aus dem religiösen Bereich sind. Unserer politischen Arbeit in Rheinland-Pfalz eine Mitschuld an irgendwelchen Taten
einen politischen Gegner mittels einer zu Neutralität verpflichteten Behörde zu beschädigen. Das ist armselig! Weitere Äußerungen gibt es in der zweiten Runde.
(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ganz schön lauter Applaus für einen Vorsitzenden, der kein Vorsitzender mehr sein darf! – Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Außer persönliche Angriffe können Sie nichts! – Abg. Uwe Junge, AfD: Wie armselig! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Die Substanz unserer Gesellschaft! – Abg. Michael Frisch, AfD: Was soll das denn jetzt? Billig! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Danke für die Reaktion, dass Sie mich da bestätigen! – Abg. Matthias Joa, AfD: Arrogant sitzt er da! Arrogant! Sie wissen ganz genau, dass die Vorwürfe zutreffen! – Weitere Zurufe von SPD und AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordnete Monika Becker von der FDP-Fraktion hat jetzt das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der am Montag vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2019 zeigt Folgendes eindrucksvoll: Die Morde in Halle, Hanau und an Walter Lübcke stellen unsere Sicherheitspolitik im gesamten Bundesgebiet vor große Herausforderungen.
Die Gefährdungslage insbesondere des Rechtsextremismus ist hoch. Die Zahl der Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz ist im vergangenen Jahr um 85 Personen auf rund 735 gestiegen.
Rechtsextremisten setzen unsere liberale Demokratie und den Rechtsstaat stark unter Druck. Sie zielen auf die Be
seitigung der grundlegenden Werteprinzipien unserer Verfassung ab. Dabei sind die Opfer nicht nur Einzelpersonen wie Polizisten, Politiker und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, sondern auch unsere gesamte Zivilgesellschaft.
Meine Damen und Herren, zudem zeigt der Bericht, dass die Verfassungsfeinde links wie rechts heute hoch agil und digital vernetzt sind. Längst verbreiten sich Hass und Hetze nicht nur auf analogen, sondern auch auf den digitalen Feldern unserer Gesellschaft. Extremisten nutzen diese Plattformen als Echoräume, wo eine kritische und eine sachliche Auseinandersetzung fehlt.
Dass Worten Taten folgen können, dokumentiert der oben genannte Mord an Walter Lübcke, aber auch der Mord an Gürsün Ince, an Helmut Leja, an Gülüstan Öztürk, an Klaus R., an Alberto Adriano oder an Horst Hennersdorf. Meine Damen und Herren, diese Namen stehen exemplarisch für 109 Tote rechter Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1990.
Meine Damen und Herren, der Bericht dokumentiert darüber hinaus, dass wir unseren Blick schärfen müssen; denn Rechtsextremisten haben ihren Weg von den Stammtischen hin zu einem Habitus eines geistigen und intellektuell anmutenden Milieus gefunden. Deshalb muss sich jeder einzelne Bürger gegen Extremisten positionieren und sich davor schützen, von ihnen vereinnahmt zu werden; denn, meine Damen und Herren, Rechtsextremismus hat heute viele Gesichter. Rechtsextremisten tragen nicht mehr nur Glatze, sondern auch Krawatte.
So sitzen sie in unseren Parlamenten und verbreiten unter dem Schutzmantel des Parteiengesetzes ihr völkisches Gedankengut.
sondern ein Teil einer Haltung, die Mitmenschen ausgrenzt und dabei an den Pfeilern unserer Werteordnung rüttelt.
(Abg. Joachim Paul, AfD: Sie müssten sich beim Steuerzahler entschuldigen! – Weitere Zurufe von der AfD – Glocke der Präsidentin)
Eine Erosion von Grundrechten können wir nur gemeinsam aufhalten, indem wir kontinuierlich verhindern, dass diese Verfassungsfeinde Spaltpilze auf die Felder unserer Gesellschaft tragen.
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund sind wir froh darüber, dass die Sicherheitsarchitektur unseres Landes stark und robust aufgestellt ist. So weitet das novellierte Verfassungsschutzgesetz die Befugnisse des Verfassungsschutzes aus und stärkt zugleich dessen parlamenta
Darüber hinaus beobachtet seit Mitte 2019 eine Taskforce „Gewaltaufrufe rechts“ einschlägige soziale Medien und identifiziert damit frühzeitig potenzielle Täter. So können in enger und intensiver Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz Radikalisierungsprozesse gestoppt und Gefahren für unsere Demokratie abgewehrt werden. An dieser Stelle möchte ich auch allen Sicherheitskräften in Rheinland-Pfalz für ihren unermüdlichen und erfolgreichen Kampf gegen Extremismus danken.
Meine Damen und Herren, der Verfassungsschutzbericht macht uns klar, dass jeder Einzelne von uns im Kampf gegen den Extremismus sehr wachsam bleiben muss;
denn die Verteidigung unserer Verfassung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das ist für die FDP-Fraktion und für mich persönlich von höchstem Stellenwert.
(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gerade einmal 99 Tage her, dass in Hanau neun Menschen aus offensichtlich rassistischen Motiven getötet wurden. Der Täter verletzte dabei mehrere Menschen, bevor er sich selbst und seine Mutter erschoss.
Vor etwa 104 Tagen fanden Razzien gegen die Terrorzelle „Gruppe S“ in mehreren Bundesländern statt, darunter auch in Rheinland-Pfalz. Der festgenommene Mann aus Koblenz hetzt dabei seit Jahren gegen Muslime. – So begann das Jahr 2020. Das dürfen wir auch in Corona-Zeiten nicht vergessen.
Der Blick zurück in das Jahr 2019 ist von ebenso erschütternden Ereignissen geprägt. Ich möchte an die Anschläge auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 erinnern – dabei verloren zwei Menschen ihr Leben –, oder auch an den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke im Juni 2019.
Wenn wir uns den Verfassungsschutzbericht von 2019 anschauen, dann bestätigt er, was diese blutigen Geschehnisse aufzeigen: Die extreme Rechte stellt eine reale und gegenwärtige Bedrohung für die öffentliche Sicherheit und somit für uns alle dar. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht belegt, dass der Rechtsextremismus Menschenfeind
lichkeit bedeutet. Gezielt werden Menschen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe als minderwertig betrachtet. Die allgemeine Würde des Menschen wird angegriffen. Genau das haben diese Anschläge auch gezeigt: Menschenhass tötet.
Wir haben die Entwicklung in den vergangenen Jahren in allen Extremismusbereichen zur Grundlage dafür genommen, dass wir den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz reformieren. Eine stärkere parlamentarische Kontrolle und eine effektivere und zunehmend digitale Arbeit des Verfassungsschutzes werden künftig möglich sein. Damit können alle verfassungsfeindlichen Bestrebungen genauer beobachtet werden. Deswegen sind wir gespannt auf den Verfassungsschutzbericht im Jahr 2020 und darauf, was die neuen Mittel dann zutage bringen.
Wir erwarten, dass der Verfassungsschutz dabei ein besonders wachsames Auge darauf hat, was derzeit mit gezielten Desinformationskampagnen im Zuge der Corona-Pandemie stattfindet. Das ist eine Entwicklung, die uns mit Sorge umtreibt. Es sollen gezielt staatliche Institutionen verächtlich gemacht und die Pandemie zum Anlass genommen werden, Verunsicherung zu schüren. Auch das muss genau beobachtet werden.
Der Verfassungsschutzbericht zeigt auch, was rechte Gewalt im Netz bedeutet. 77 % aller Hasspostings gehen auf rechtes Gedankengut zurück. Das zeigte bereits eine Statistik des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 2018. Digitale Gewalt ist aber auch reale Gewalt; denn rechte Gewalt im Netz macht etwas mit den Menschen. Sie führt nicht nur zu psychischen Problemen von Personen, sondern sie bringt Menschen auch dazu zu schweigen, und sie führt dazu, dass sich Menschen motiviert sehen, rechte Taten außerhalb des Netzes zu begehen.
Wir müssen dabei einen besonderen Aspekt hervorheben. Die Gewalt der extremen Rechten im Netz richtet sich in besonderem Maße auch gegen Frauen, die sich politisch äußern. Antifeminismus ist ein zentraler Punkt rechter Ideologien. Das haben Pamphlete der Attentäter gezeigt. Das zeigen auch Untersuchungen.
Deswegen bin ich sehr dankbar dafür, dass das rheinlandpfälzische Frauenministerium zum Thema „Rechte Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Netz“ eine Fachtagung gemacht hat. Es ist eine gezielte Strategie der extremen Rechten, politisch engagierte Frauen zum Schweigen zu bringen. Dieser Geschlechteraspekt des Antifeminismus in der rechten Ideologie muss stärker berücksichtigt werden, auch von unseren Sicherheitsbehörden.
Danke. – Ein weiterer Aspekt, den wir uns alle vergegenwärtigen müssen, ist die Affinität der rechten Szene zu Waffen. Wir wissen, dass sich Reichsbürger und andere radikale Rechte nicht davor scheuen, diese Waffen einzusetzen. Rechte müssen konsequent entwaffnet werden. Das ist sehr wichtig. Sicherheitsbehörden müssen gegen den
Der legale Waffenbesitz – es ist Auftrag der Kommunen, diesen legalen Waffenbesitz zu kontrollieren – muss stärker kontrolliert werden; denn Waffenbesitz kombiniert mit rechtem Menschenhass führt zu einer realen Gefahr. Die bestehenden Sicherheitslücken, die es noch im Waffenrecht gibt, müssen geschlossen werden. Das ist das Mindeste, was wir für die Opfer dieser Attentate tun müssen.
Ein weiterer Aspekt, der im Verfassungsschutzbericht aufgeführt wird, betrifft die rechten Stichwortgeber, die leider inzwischen in fast allen Parlamenten vertreten sind. Es ist nur konsequent, dass sich der Verfassungsschutz endlich auch Personen aus der AfD annimmt. Der Zusammenhang zwischen rechten Parolen im Parlament und rechten Taten dürfte inzwischen allen Demokratinnen und Demokraten bewusst sein. Es ist eine große Aufgabe des Verfassungsschutzes, auch diesen neuen rechtsextremen Parteien seine Aufmerksamkeit zu widmen.
Die tagesaktuelle Meldung, die wir heute vom Bundesinnenministerium gehört haben, ist, über die Hälfte der politisch motivierten Kriminalität kommt von rechts. Es ist deswegen konsequent, dass unsere Sicherheitsbehörden in dem Punkt einen Schwerpunkt setzen. Der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz setzt hier die richtigen Schwerpunkte. Vielen Dank für die Arbeit.