Protocol of the Session on July 2, 2015

(Zuruf von der SPD)

bei denen die Lehrer über das Normalmaß hinaus ihren Schülern etwas mitgeben wollen, auch gegen den Mainstream dieser Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Dass es diese positiven Beispiele des überdurchschnittlichen Engagements gibt, nehmen Sie als Beweis für eine hervorragende Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz, aber das klingt mir – verzeihen Sie, Frau Brück – sehr nach Äpfeln und Birnen und den verzweifelten Versuchen.

Rheinland-Pfalz belegt beim Bildungsmonitor vergangenen Jahres den zehnten von 16 Plätzen. Das hört sich bei mir nicht überdurchschnittlich, sondern nach hinterem Mittelmaß an.

(Beifall bei der CDU)

Auch bei den Bildungsausgaben, bei dem, was diese Landesregierung in Schüler investiert, sind wir hinteres Mittelfeld in Rheinland-Pfalz. Die Leistungen, die dann allgemein herauskommen, sind dementsprechend.

Den Bauchladen haben Sie heute vorgeführt und nach dem Wert des Abiturs gefragt. Was ist denn ein Abitur wert, das in Rheinland Pfalz jeder besteht?

(Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jeder besteht, das gibt es ja nicht! – Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Sie wollen, dass ein Schüler, der das Gymnasium besucht, auch bis zum Ende geführt wird. „Abschulen“ ist nicht das, was auf Ihrer Agenda steht. Das wollen Sie abschaf

fen. Klassenwiederholungen wollen Sie abschaffen. Alle Schüler, die in einer Schule starten, sollen zum Abschluss geführt werden.

(Carsten Pörksen, SPD: Wir schaffen die Schule ab, dann ist Ruhe!)

Natürlich haben wir dann eine Bestehensquote, die bei 99 % liegt. Nur: Sie haben das Projekt „Keiner ohne Abschluss“, das Sie bei den Realschulen plus eingeführt haben, mittlerweile auf die Gymnasien übertragen.

(Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Man muss sich da ernsthaft fragen: Welchen Wert hat das für Schülerinnen und Schüler, auch für ihre Zukunft? Wir wollen nämlich nicht nur Noten, wir wollen auch Schüler, die in der Zukunft Erfolg haben.

(Beifall bei der CDU – Carsten Pörksen, SPD: Deswegen kommen Sie nie an die Regierung!)

Bei der letzten Frage, Frau Kollegin – pardon –, reichen nicht einmal mehr Äpfel und Birnen aus. Das ist der Vergleich von Ideologie und gesundem Menschenverstand.

(Carsten Pörksen, SPD: Wo sind Sie denn da angesiedelt?)

Was bitte schön hat das Abschneiden einzelner besonders geförderter Jugendlicher bei „Jugend forscht“ mit dem Erlernen der Schriftsprache mit Schreiben nach Gehör im ersten Schuljahr zu tun, außer, dass diese Methode erst recht Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern benachteiligt? Das sagt uns die Wissenschaft.

(Carsten Pörksen, SPD: Welche?)

Das ist nicht politische Meinung, sondern es ist klar unterlegt, dass die Kinder, die das Glück haben, aus einem bildungsnahen Elternhaus zu kommen, die gefördert werden, bei denen die Eltern lesen und auch einmal Korrektur lesen, wenn der Aufsatz oder die Geschichte im ersten oder zweiten Schuljahr geschrieben werden,

(Glocke der Präsidentin)

bevorteilt werden, aber die Schere zu denen, die das nicht haben, geht bei den von Ihnen propagierten freien Lernmethoden – dazu ist ein Baustein das „Schreiben nach Gehör“, aber noch vieles andere –

(Glocke der Präsidentin)

so weit auseinander. Das ist nicht die Politik, die wir wollen, sondern gleiche Chancen für alle.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Kollegin Ratter das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Frau Dickes, der eine Satz hat mir gefallen: Wir wollen nicht nur Noten. – Wir auch nicht. Wir wollen viel, viel mehr. Insofern bin ich dankbar, dass die Vielfalt der Optionen, die Schule auch heute schon bietet, junge Menschen weiter bei ihrer Entwicklung und bei ihrer Bildungsbiografie zu helfen, in dieser Mündlichen Anfrage zum Ausdruck kam. Da hatte auch die Anlauttabelle ihren Platz. Wenn Sie Kinder, die kreatives Schreiben schon in der Kita betreiben – es gibt Fünfjährige, die schon Bücher schreiben –, beobachten, dann ist denen die Rechtschreibung egal. Mir ist auch egal – das sage ich Ihnen an dieser Stelle – oder sogar sehr, sehr recht, dass diese Kinder in ihrer Kreativität gefördert und nicht in der Rechtschreibung gehemmt werden. Frau Huth-Haage, genau deswegen wird in der ersten Klasse, liebe Frau Dickes, bei Aufsätzen die Rechtschreibung nicht bewertet.

(Simone Huth-Haage, CDU: Ich habe einen Erstklässler zu Hause!)

Weil die Rechtschreibung da noch in der Entwicklung ist, braucht man Hilfestellung.

(Simone Huth-Haage, CDU: Rechtschrei- bung hat nichts mit Kreativität zu tun!)

Die Vielfalt der Methoden an den Grundschulen des Landes hat ihren Stellenwert zu Recht. Zu Recht haben Kinder unterschiedliche Möglichkeiten, und vor allem auch die Lehrerinnen und Lehrer können auf die unterschiedlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Kinder entsprechend adäquat antworten.

Nicht mehr als 10 %: Wenn Sie sich die Schulen genauer anschauen, wird auch in diesen Schulen, in denen mit der Anlauttabelle und dem „Schreiben nach Gehör“ intensiv gearbeitet wird, alles andere vermittelt. Ich denke, dass das, was Sie hier anführen, eine Schwarz-Weiß-Malerei ist, die überhaupt keine Berechtigung findet, die der Realität nicht standhält.

(Carsten Pörksen, SPD: So ist es!)

Gehen wir weiter zum Nächsten: Wettbewerbe. – Ich bin dankbar für jede Klasse, für jeden Lehrer und für jede Gruppe in der Schule – es gibt auch Schülergruppen, die sich selbst auf den Weg machen ohne die Unterstützung aus dem Kollegium –, die bei Wettbewerben mitmachen. Warum? – Die Ministerin hat eindeutig belegt, dass wir eine breite Vielfalt, eine Bandbreite der Wettbewerbe, haben, die sehr erstaunlich ist und die bereits im Kita-Bereich beginnt. Dabei sind so unterschiedliche Sachen wie Kinderrechte formulieren, Kinderrechte leben bis hin zum EssayWettbewerb Philosophie und dazwischen die komplette Bandbreite, und eben nicht nur die Wettbewerbe „Jugend forscht“ und „Jugend musiziert“, wobei das „nur“ natürlich nicht qualitativ und auch nicht quantitativ gemeint ist, sondern die Auswahl der einzelnen Fächer betreffen sollte.

Frau Ministerin, ich habe deswegen nachgefragt, inwieweit es tatsächlich auch um die pädagogischen Aspekte geht, weil ich fest davon überzeugt bin, dass soziale Kompetenzen nicht im Frontalunterricht erworben werden, dass

Persönlichkeitsentwicklung und Neugier durch außerschulische Lernorte, aber auch durch Wettbewerbe gefördert werden; denn in diesem Bereich haben wir die Möglichkeit, tatsächlich Kreativität und Neugier zu fördern und zu erhalten. Wir alle kennen die Problematik, dass Kinder und Jugendliche in der fünften Klasse motiviert an die weiterführenden Schulen kommen, dass es aber spätestens mit Beginn der Pubertät da durchaus Abstriche zu machen gilt. Hier haben wir die Möglichkeit, aus dem 45-MinutenRhythmus auszubrechen. Hier haben wir die Chance, dann auch Beiträge zu leisten, die gemeinsam entstehen, und doch sehr differenziert unterschiedliche Aspekte einer Arbeit mit einzubringen.

Lassen Sie mich noch auf das Abitur kommen; denn in der Tat wollen wir, dass wir individuell in den allgemeinbildenden Schulen, aber auch zieldifferent unterrichten. Frau Dickes, Ihr Argument, 99 % sollen dann aufs Gymnasium und zum Abitur, ist natürlich lächerlich. Wenn ich zieldifferent unterrichte, heißt das nicht, dass alle 13 Jahre die Schule besuchen. Man kann auch in einer Schule, in der zieldifferent erfolgreich unterrichtet wird, nach der neunten Klasse und der Berufsreife in die duale Ausbildung.

Kommen wir zum Abitur. Heute schreibt der Bildungsforscher in der „FAZ“ in einem sehr ausführlichen Artikel – das möchte ich an der Stelle doch noch ganz kurz mit auf den Weg geben –, dass das Zentralabitur möglicherweise mit dazu beigetragen hat, dass eben nicht die Vergleichbarkeit der Abiturnoten im Fokus steht, sondern die Unterschiede und möglicherweise auch Veränderungen und Schwankungen in diesem Bereich möglicherweise gar durch das Zentralabitur gefördert sein könnten. Ich greife das deshalb auf, weil Sie immer wieder kolportieren, dass das des Rätsels Lösung für Rheinland-Pfalz sei. Wir haben bereits die bessere Lösung. Wir haben bereits die besseren Abituraufgaben. Die Ministerin hat es deutlich gemacht, bundesweit ist man sehr froh darüber, dass wir in Rheinland-Pfalz einen solchen Pool bereits vorhalten.

Ganz besonders wichtig ist mir, Ihnen die Frage zu stellen, welcher Lehrerverband sich eigentlich hinter Ihre Forderung stellt. Warum meinen Sie eigentlich, Bildungsgerechtigkeit mit dem Zentralabitur erreichen zu können? Lesen Sie einmal den Artikel nach. Ich glaube, Sie würden genau das Gegenteil erreichen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Reiß.

Frau Abgeordnete Dickes, Sie haben eben gefragt, was „Schreiben nach Gehör“ – richtig heißt es „nach Anlauttabelle“, umgangssprachlich „Schreiben nach Gehör“ – damit zu tun, dass unsere Schülerinnen und Schüler erfolgreich bei Schulwettbewerben oder bei Schulleistungsvergleichen

abschneiden. Ich frage einmal zurück: Was hat „Schreiben nach Gehör“ damit zu tun? – Als wir im vorletzten Plenum eine Regierungserklärung zur Wissenschafts- und Forschungspolitik abgegeben haben, hat die Fraktionsvorsitzende Klöckner mit „Schreiben nach Gehör“ angefangen. Ich sage Ihnen, was es damit zu tun hat. Sie haben – dabei bleibe ich – Ihre Fraktionsvorsitzende schlecht beraten, dieses Thema in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen zu stellen oder „Schreiben nach Gehör“ zu verbieten, wie man auf der Homepage nachlesen kann und wie der Südwestrundfunk auch berichtet, weil „Schreiben nach Gehör“ – das haben wir eben aufgrund einer Abfrage deutlich gemacht – an unseren rheinland-pfälzischen Grundschulen nennenswert überhaupt keine Rolle spielt. Es gibt auch überhaupt keine nennenswerte Unzufriedenheit von Eltern. Ich hoffe sehr, dass es nie dazu kommt, dass Sie in der Grundschulpädagogik eingreifen können und das hohe Engagement unserer Lehrkräfte durch engmaschige Vorgaben, wie vorgestern gehört, unterbinden können. Das hoffe ich wirklich sehr.

(Beifall der SPD)

Ich zitiere einmal – er ist auch auf der Homepage des SWR zitiert – den Landeselternbeiratsvorsitzenden Herrn Dr. Ralle. Da bin ich ganz nah bei ihm. Er sagt, Eltern interessiert, was hinten rauskommt. Egal welche Lernmethode oder Wege des Schreibenlernens angewandt würden, Eltern sollten immer hinterfragen, ob die jeweilige Methode auch von den Lehrern kritisch hinterfragt wird.

Dann hat der Südwestrundfunk offensichtlich recherchiert und geschaut, wie das in Rheinland-Pfalz ist und ob es kritische Stimmen dazu gibt. Da können wir nachlesen, offensichtlich scheint es an den Grundschulen in RheinlandPfalz kein großes Thema zu sein. Es wird der Vorsitzende des Schulelternbeirates der Erkenbert-Grundschule in Frankenthal zitiert. Er sagt wörtlich: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir nennenswerte Probleme hatten, mit dieser Art Schreiben zu lernen. –

Sie versuchen, ein Thema hochzuziehen, das an unseren rheinland-pfälzischen Grundschulen keine Rolle spielt. Deswegen haben wir uns auch ein Bild darüber verschafft. Ich würde Sie herzlich bitten, bleiben Sie doch einfach bei der Realität, weil Vorwürfe, die keine Substanz haben, es nicht bringen. Wir haben „Keiner ohne Abschluss“ nicht am Gymnasium. Was soll das denn? Wir haben sehr gute Schülerleistungen am Gymnasium. Wir haben auch kein „Abschulungsverbot“ am Gymnasium. Wir haben auch nicht das Sitzenbleiben abgeschafft. Worüber sprechen Sie denn eigentlich? Sie versuchen, einen Konflikt zu generieren, den es wirklich nicht gibt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde Sie herzlich bitten, im Interesse der 41.000 Lehrerinnen und Lehrer, nehmen Sie die guten Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler doch einfach auch als Opposition zur Kenntnis. Sie sind doch auch verpflichtet, die Lehrerleistung zur Kenntnis zu nehmen. Versuchen Sie nicht, Potemkinsche Dörfer aufzubauen, an denen wir uns hier abarbeiten, die es in diesem Land und in der rheinland-pfälzischen Schulpolitik nicht gibt. Nehmen Sie