Ruth Ratter

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Danke, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Klöckner hat uns gestern ihre christdemokratische Grundüberzeugung in Zahlen gegossen vorgetragen – 600 Lehrerinnen und Lehrer, und das bei einem globalen Minderausgleich von Minderausgaben, die noch nicht einmal ein Achtel davon finanzieren. Wie das rechnerisch aufgehen soll, verstehe ich nicht. Da Sie aber gleichzeitig die Stärkung der Kulturtechniken gefordert hat, schlage ich vor, einen Rechenkurs zu machen. Das heißt, wir sollten einmal überlegen, was eine Lehrerstelle kostet. Was kosten zehn Lehrerstellen? Was kosten 100 Lehrerstellen? Was kosten 600 Lehrerstellen?
Dann werden Sie merken, dass Ihre Rechnung nicht aufgeht.
Liebe Frau Dickes, Sie haben ebenfalls die Kulturtechniken angesprochen. Wenn es wirklich nur darum geht, dass man den Zugang zur Schriftsprache auch über die Schreibschrift lernen muss, dann ist das noch ein bisschen wenig in einem Zeitalter, in dem sich gerade die Kulturtechniken in einem Umfang wandeln, bei dem ich sagen muss, das können Sie nicht ernsthaft gemeint haben. Natürlich lernen Kinder nach wie vor zu rechnen, zu lesen und auch nach Rechtschreibregeln zu schreiben. Ich mache mir keine Gedanken über den Untergang des Abendlandes in Rheinland-Pfalz.
Sie sind natürlich auch auf die dritte Stelle, die Frau Klöckner genannt hat, eingegangen. Das ist immerhin einer Ihrer Entschließungsanträge. Das ist der Punkt, der sich mit der Integration der zugewanderten Kinder und Jugendlichen
in Rheinland-Pfalz befasst. Sie haben gesehen, dass wir im Einzelplan 09, aber auch in den anderen Plänen des Haushalts sehr wohl einen starken Aufwuchs und gute Möglichkeiten haben, die Integration weiter zu fördern.
Ich nenne einmal, weil wir häufig über den Tellerrand hinausschauen, den ehrenamtlichen Dialogpartner, aber auch die Nutzung der Chancen zur Integration. Es ist aber auf alle Fälle so, dass der Aufwuchs der Möglichkeiten, die die Schulen im Land Rheinland-Pfalz benutzt haben, um Kindern und Jugendlichen Deutschunterricht zu geben, in einem Umfang geleistet wurde, dass ich sicher bin, dass man damit auch die Möglichkeiten genauso vorantragen kann, wie es altersgemäß möglich ist.
Ich möchte dazu eine Parallele aufgreifen. Wir hatten auch aus Deutschland heraus in den 30er-Jahren eine Flüchtlingswelle. Vielleicht haben Sie irgendwann einmal in der 5. oder 6. Klasse in der Schule die Buchserie von Judith Kerr „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ gelesen.
Frau Dickes, ich glaube, ich habe schon einmal angesprochen, darin wird die Situation eines Kindes geschildert, das im Ausland aufwächst, nämlich in Paris, und innerhalb weniger Monate die französische Sprache lernen muss. Dieses Kind gewöhnt sich an die Sprachmelodie in der Peergroup oder in der Klasse. Es gewinnt Zutrauen und lernt über Musik, Sport und den Kontakt mit den Klassenkameradinnen die Sprachmelodie und erfasst einzelne Wörter. Es ist vollkommen klar, dass der Sprachunterricht auf diesem Weg deutlich effizienter ist.
Ich habe vorgestern mit einem Schulpsychologen und einem Jugendpsychiater gesprochen. Dieser hat zu mir gesagt, ihr habt recht. Wenn es darum geht, traumatisierte Kinder und Jugendliche in Deutschland in den Alltag sich einleben zu lassen und ihnen die Chance und Möglichkeit zu geben, sich hier zurechtzufinden, ist es das Allerbeste, wenn man ihnen die Sicherheit des Alltags gibt und sie nicht in Sonderklassen steckt, in denen sie nur wieder an das Erlebte denken und das Erlebte mit den anderen Kindern und Jugendlichen austauschen.
Frau Dickes, ich bekenne mich dazu, dass ich gegen Segregation und gegen explodierende Modelle bin. Ich, meine ganze Fraktion und auch der Koalitionspartner sind das nicht nur im Bereich der Integration; denn Sie wissen es ganz genau. Für uns ist die Integration ein Teil des großen Begriffs der Inklusion; denn hier ist die eigentliche Aufgabe für die nächsten zehn und 20 Jahre in unserer Gesellschaft.
Ich bin froh, dass sich so viele Menschen im Land Rheinland-Pfalz der Größe dieser Aufgabe bewusst sind und so viele Möglichkeiten nutzen, um dieses ehrenamtliche Engagement in die Gesellschaft hineinzutragen. Vor allem aber bin ich froh, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer in Rheinland-Pfalz sehr gut mit der Situation nicht nur auseinandersetzen, sondern die Kinder und Jugendlichen, die zugewandert sind, annehmen und ihnen die faire Chance geben, sich bei uns einzuleben und in unserem Schulsystem Fuß zu fassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Dickes hat auch angesprochen, dass wir zu wenig täten, um das Funktionsstellentableau an den Realschulen plus zum Beispiel zu verändern. Wir haben dafür gesorgt, dass Realschullehrerinnen und -lehrer in einer Größenordnung, die sehr vorbildlich ist, die Möglichkeit haben, weitere Stellen auszuweisen.
Natürlich – das ist der eigentliche Punkt, den Sie angesprochen haben – wird es in Zukunft auch die Möglichkeit geben, über die Wechselprüfung auf Planstellen in dem Tableau aufzusteigen, die die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit ermöglicht. Es ist aber auch selbstverständlich, dass es dazu eines organisatorischen Rahmens und auch einer Feststellung bedarf.
Weiterhin möchte ich an der Stelle noch einmal sagen, dass Ihre Forderung, an 1.700 Schulen des Landes Vorlaufklassen einzurichten, ein bisschen schräg ist. In einer Stadt wie Trier zum Beispiel ist es hervorragend gelungen, die Kinder für zehn bis 20 Stunden in den Schulen zusammenzufassen. Ich möchte Ihnen an der Stelle widersprechen. Weite Wege sind bei dem, was daraus erfolgt, nicht unbedingt zwingend.
Wichtig ist aber vor allen Dingen etwas anderes, nämlich dass die Kinder aus diesen Kursen auch wieder herauskommen in dem Umfang, wie sie die sehr konzentrierte sprachliche Unterstützung an der Primarstufe in zehn, maximal 15 oder 20 Stunden in den Sekundarschulen brauchen. Deutschvorlaufkurse nein, sehr wohl aber gezielte Unterstützung, wenn es um die Sprachförderung geht. Das gilt auch für die BBS.
Sie haben einem zweiten Entschließungsantrag gestellt. Darin sind einige Punkte aufgeführt, die mir durchaus sympathisch erscheinen, wie zum Beispiel Punkt 5: Eigenverantwortung organisatorisch und personell stützen und stärken. – Was machen wir eigentlich? Wir tun genau das.
Wir wollen, dass die Autonomie der Schule zunimmt. Wir brauchen dazu einen Rahmen. Dieser Rahmen muss genauso sichergestellt sein wie die Möglichkeit, sich zu entfalten. Alles andere ist alter Käse, wie zum Beispiel 100 % Unterrichtsversorgung, das Zentralabitur, das Fachlehrerprinzip wieder stärken und das Fachprinzip. Das sind alles alte Hüte, die Sie seit fünf Jahren wie ein Mantra vor sich hertragen und bei denen ich wirklich sage, hier gibt es keine Fortschritte in Ihrer Denkweise.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. Ich würde gern noch etwas zu der AQS sagen. Natürlich hat Frau Klöckner gestern ganz groß und stolz behauptet, dass sie das Erstlingsrecht für diese Forderung haben. Das ist richtig; denn Sie haben sie nie gewollt. Eine Dekade erfolgreicher Arbeit für die AQS kann man nicht wegdiskutieren. Es ist etwas anderes, ob man auf etwas verzichten kann, weil gute Arbeit geleistet worden ist, oder ob man überhaupt keine Evaluation möchte.
InES ist die neue AQS. Die Schulen werden nun in die Autonomie gelassen, sich selbst zu überprüfen und mit den Ergebnissen der externen Evaluation zu arbeiten, die auch – das habe ich in der letzten Plenardebatte schon einmal gesagt – auf nationaler und internationaler Ebene an die Ergebnisse anknüpfen.
Ich komme zum letzten Punkt. Wenn Sie sich die Ausgabe 4/2015 der Zeitschrift „GEMEINSAM LERNEN“ anschauen – das ist eine Zeitschrift, die sicherlich auch in Ihrem Fach gelandet ist – und einmal nachsehen, wer den Deutschen Schulpreis gewinnt, dann stellen Sie fest, dass es nicht die gegliederte Schule und nicht das ist, was Sie sich erhoffen, nämlich die Schule, in der homogene Gruppen unterrichtet werden, sondern es sind die integrativen Systeme. Dort genau liegt die Zukunft. Dafür werden wir uns stark machen; denn das ist gelebte Inklusion. Ich empfehle Ihnen den Artikel von Herrn Sack, der sehr deutlich darauf eingeht.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Danke schön, Herr Präsident.
Ich hatte mich gemeldet, und es ist mir auch wichtig hier zu sprechen, auch wenn ich nur noch eine Minute und 30 Sekunden Redezeit habe.
Liebe Frau Dr. Ganster, ich habe den Antrag zur Kulturförderung nicht gefunden. Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut. Sie haben vorhin davon gesprochen, dass Sie zu dem Bereich Kultur einen Antrag gestellt hätten. Bei den Entschließungsanträgen ist jedoch nichts dabei.
Ich möchte gern noch auf das eingehen, was Sie zu „Jedem Kind seine Kunst“ gesagt haben. In der Tat, es ist ein sehr starker Aufwuchs da. Es ist ein Erfolg, aber es ist auch ein Erfolg für die Künstler, nicht nur für die Kinder und Jugendlichen, die nicht nur an den Schulen davon profitieren, sondern es geht auch darum, dass die Künstlerinnen und Künstler, die in unterschiedlichen Sparten aktiv sind – das geht von der Musik, über den Tanz und über die Bildende Kunst hin zur Literatur –, Möglichkeiten haben, Geld in einem abgesicherten Status zu verdienen.
Von daher finde ich es ganz wichtig und halte es nach wie vor für ein sehr erfolgreiches Konzept, das wir in dieser Legislaturperiode sukzessive haben aufwachsen lassen. Ich bin sehr froh, dass wir genau in dieser Form weitermachen können.
Etwas anderes möchte ich noch erwähnen, auch wenn es bereits mehrfach genannt worden ist: Mit kleinen Projekten für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit, aber nicht nur in der Flüchtlingsarbeit, sondern generell für niederschwellige Angebote sorgen zu können, ist ein Novum.
Es ist ein kleiner Betrag, aber ich hoffe und setze darauf, dass möglichst viele Menschen im Land davon profitieren und dazu Anträge stellen.
Danke.
Danke. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank gilt der Kollegin Brück; denn sie hat die wesentlichen Ausführungen, auf die ich mich auch vorbereitet habe, bereits getan, sodass ich mich ganz auf Ihre, Frau Dickes, konzentrieren kann.
Ich kann Ihnen natürlich nicht zustimmen. Ich bin sehr dankbar, dass Sie mich zitiert haben; denn gerade an diesem Zitat von 2013 kann man sehr gut belegen, dass sich innerhalb von zwei Jahren hinsichtlich der Schulentwicklung, aber vor allen Dingen der Evaluation, eine ganze Menge tun kann.
Das, was die AQS in den vergangenen zehn Jahren geleistet hat, ist bemerkenswert; denn im Grunde ist es eine Art Qualifizierungsoffensive der Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, die seit zehn Jahren und etwas länger eine umfassende Programmarbeit und Schulentwicklung schultern und dies auch anhand der Daten durch die AQS gespiegelt bekamen.
Frau Brück hat ausgeführt, dass diese Daten einen Anstoß für alle an der Schule Beteiligten bieten sollen. Die Einzelschule macht sich nun wie in den vergangenen Jahren auch schon auf den Weg, ihre eigene Schule weiterzuentwickeln und umzugestalten.
Liebe Frau Dickes, Sie verkennen, dass die Schulen in den letzten zehn oder 15 Jahren enorme Anstrengungen unternommen haben, um sich selbst ihr Profil zu schärfen und den Unterricht zu verändern. Die Schule des Jahres 2015 ist nicht mehr die Schule des Jahres 2000. Die AQS hat hierzu einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet.
Wir GRÜNE haben uns immer für die Autonomie der Schule eingesetzt. Wir müssen nun darauf achten, dass die interne Evaluation die Leerstelle, die durch den Wegfall der AQS sicherlich entstehen wird, schultern kann.
Ich will aber nicht verkennen, dass etwas anderes gewachsen ist. Das ist die Schulakademie, die im April dieses Jahres begonnen hat, ihre Arbeit aufzunehmen, und die nun etwas leisten kann, was die AQS tatsächlich nicht leisten konnte, nämlich über den Landesblick hinaus eine Vergleichbarkeit mit der Entwicklung der Schulen in den anderen Bundesländern. Wir kennen Evaluationen auch im bundesweiten Maßstab. Das, was aber dort geleistet wird, ist im Grunde so etwas wie eine Fortführung.
Bei den Bundesarbeitsgemeinschaften, die wir GRÜNE genauso wie die SPD und die CDU haben, habe ich immer wieder bestätigt bekommen, dass man sich an dem, was die AQS vorgelegt hat, orientiert. Wenn Sie mit Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und anderen reden – ich habe nur die drei B genannt –, werden Sie immer für den Qualifizierungsprozess Zustimmung finden, der sich letzten Endes in der Evaluation durch die AQS spiegelt. Insofern bin ich nicht bange, dass der Wegfall der AQS, der nun
nach zehn Jahren gelungener Arbeit kommt, durch weitere Anstrengungen ersetzt wird, die in die Schulen zurückgespiegelt werden.
Ich halte es für einen ausgemachten Blödsinn, deswegen von einer Fehlkonstruktion zu reden. Ein zahnloser Tiger war sie nicht. Dass der Aufbau einer Agentur für Qualitätssicherung mit Sicherheit nicht in den ersten Jahren reibungslos verlaufen konnte, ist nachvollziehbar.
Was die Leitung anbelangt, finde ich es sehr gut, dass der Fokus nun auf die Zentren für Lehrerbildung gerichtet wird. Ich freue mich, dass mit dem Leiter der AQS ein Mann an die Leitung kommt, der durch den Einblick in die letzte Zeit der AQS sehr viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Schulen mitbringt. Ich bin ganz sicher, dass er diese sehr gewinnbringend an dieser Stelle einsetzen wird.
Ja, auch mir ist die Auflösung der AQS vergleichsweise schwergefallen. Das gebe ich gern zu. Wir haben sehr intensiv darüber debattiert und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass man einen neuen Schritt gehen muss und dieser neue Schritt sehr wohl dazu beitragen kann, unsere Schulen weiterzuentwickeln und neue Schwerpunkte zu setzen.
Die Schulen haben mitgelernt. Ich sage es noch einmal. Es war nicht nur eine externe Evaluation. Das, was Sie kritisierend vermerkt haben, möchte ich an der Stelle positiv benennen. Es war auch eine Fort- und Weiterbildung für die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für die Eltern und Schüler; denn diese waren bei der Evaluation nicht zuletzt auch eingebunden, die dazu gedient hat, dass man einen neuen Blick auf die eigene Schule wirft. Nun wird man sich mit den anderen Schulen stärker vernetzen und mehr zusammenarbeiten.
Ich möchte mich auch noch einmal am Ende meiner Rede ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die für die AQS gearbeitet haben. Es war für sie nicht immer leicht. Das ist richtig. Das stimmt. Ich denke aber, sie werden sich weiterhin mit dem, was sie gelernt und getan haben, in unser Bildungssystem einbringen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass sich diese zehn Jahre Erfahrung mit der AQS positiv auf die weiteren Zukunftsentwicklungen
unseres Schulsystems auswirken können.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, danke für das Wort. – Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Übereinstimmung mit den Empfehlungen von Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz zur Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt vom März dieses Jahres kommt der vorliegende Gesetzentwurf einem nicht gerade unbedeutenden Regulierungsbedürfnis nach. Dieses ergibt sich aus der pädagogischen Tatsache, dass Lehrkräfte, wie Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz betonen, professionelle Kompetenzen benötigen – Herr Präsident, da zitiere ich mir Ihrer Erlaubnis –, „um besondere Begabungen oder etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und andere Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler zu erkennen und entsprechende pädagogische Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen.“ – Diesem Anliegen trägt das Gesetz, das heute in zweiter Lesung vorliegt, Rechnung.
Es hat den Fokus insbesondere auf die dritte Phase der Lehramtsausbildung gelegt; denn die bestehenden Kollegien haben die Verantwortung für das Gelingen der Schule der Vielfalt. Das Gesetz nimmt aber auch die vorgeschalteten Phasen der Lehrerfortbildung auf, nämlich bei den Praktika, die verstärkt auch in Schwerpunktschulen stattfinden sollen, oder bei der Landesverordnung, die insbesondere die Regularien für die Zweite Lehramtsprüfung gestaltet.
Worauf zielt also die erwartete Steigerung der Kompetenz ab? – Der Inklusionsbegriff wird häufig isoliert und in erster Linie auf den Personenkreis von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschränkt. Der Begriff der Inklusion umfasst aber im Anschluss an die wissenschaftliche Verwendung durch Talcott Parsons und Niklas Luhmann allgemein die Einbeziehung bislang ausgeschlossener Akteurinnen in Subsysteme und bezieht daher alle Dimensionen von Vielfalt ein.
Die menschenrechtliche Perspektive auf Inklusion umfasst genau diesen weiten Begriff der Inklusion, wie übrigens auch das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Schulgesetz. Meine Damen und Herren, meine Kollegin von der CDU, das haben Sie offensichtlich noch nicht verinnerlicht; denn Sie folgen in Ihren Ausführungen im Wesentlichen den Ausführungen des Philologenverbands. Herr Kollege Licht, die Reihe derer, die dieses Gesetz nicht in unserem Sinne interpretieren, ist doch nicht so ganz lang.
In einer reinen Beschränkung auf den Personenkreis der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sehen wir GRÜNE wie unsere sozialdemokratischen Partnerinnen daher eine Einengung, die den in der UN-Behindertenrechtskonvention formulierten Rechtsanspruch nicht einzulösen vermag. Deswegen betone ich noch einmal: Inklusion schließt alle Dimensionen von Vielfalt und alle Merkmale von Individualität mit ein.
Die Belege aus der empirischen pädagogischen Forschung zeigen deutlich auf, dass eine Fortbildung für ein inklusives Bildungs- und Schulsystem nur im Team dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht werden kann und sich nicht auf einen individuellen Kompetenzaufbau bei Einzellehrkräften beschränken darf. Die Erweiterung der Kompetenzen in multiprofessionellen Teams auf der Ebene der Einzelschule ist deshalb auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem unverzichtbar. Herr Licht, hier sind alle Schulen gefragt und nicht nur die Schwerpunktschulen; denn an allen Schulen haben wir es mit heterogen zusammengesetzten Schülerinnengruppen und zunehmend auch mit Multiprofessionalität zu tun.
Die Fortbildungsplanung liegt wie bislang auch in der Hand der Einzelschule, die den Gegebenheiten entsprechend planen kann und muss. Über die Einzelschule hinaus führt eine Netzwerkbildung zur praktischen Weitergabe der guten Beispiele. Deshalb sind neben Inhousefortbildungen gerade Universitäten ein geeigneter Ort für die Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzstufen und den Austausch von praxisorientiertem Wissen, aber auch der Aufbau von Hospitationsschulen und Netzwerken bietet hier wertvolle Ansätze.
Hierauf geht insbesondere der § 15 des Gesetzes ein. Inklusive Unterrichtsentwicklung funktioniert nachhaltig nur als Schulentwicklungsprozess. Das ist selbstverständlich. Die Schulen haben das längst erkannt. In diesem Prozess haben die Schulleitungen eine wichtige Schlüsselfunktion. Das haben auch wir erkannt. Deswegen fördert das Gesetz die Professionalisierung der Schulleitungsfunktion. Das ist eine alte Forderung der Schulleitungsverbände und somit auch ein wichtiger Schritt, der den Schulen an dieser Stelle weiterhilft.
Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von Jutta Allmendinger, die uns sehr früh diesbezüglich beraten hat. Sie sagt in ihrem Buch „Schulaufgaben“: Es bedarf großen Könnens, aus Vielfalt großen Nutzen für alle zu ziehen, aber es lohnt sich.
Danke schön.
Herr Präsident, vielen Dank für das Wort.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Frau Brück hat zum Glück die Zahlen alle so gut referiert, dass ich direkt auf Sie, Frau Dickes, antworten kann.
Die Sache mit dieser Bankrotterklärung scheint mit einer gewissen Schizophrenie verhaftet zu sein.
Einerseits behaupten Sie, dass die Politik eine Art von Untergang des Abendlandes ist, was hier in Rheinland-Pfalz in Sachen Bildung geschieht, und andererseits fordern Sie, dass die AQS, die Sie immer abschaffen wollten, letzten Endes nun komischerweise in Ihren Augen dem entspricht. Ich kann das nicht so ganz nachvollziehen.
Die AQS, die in der Tat in den vergangenen zehn Jahren eine wichtige Arbeit geleistet hat im Sinne einer externen Evaluierung, hat einen guten Beitrag zur Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz geleistet und mit dem Programm InES nun die Voraussetzungen geschaffen, dass das, was da gemacht worden ist, auch weitergeführt werden kann.
Die Klassengrößen und ihre Reduzierung in den letzten Jahren konnten bis zu einem guten Teil durchgeführt werden und haben zu Verbesserungen beigetragen. Aber wir müssen uns den Realitäten stellen. Die Realitäten bedeuten eben auch, dass die Voraussetzungen, die 2011 gegeben waren, sich nun in dieser Form nicht erfüllen.
Dass tatsächlich weniger Schülerinnen und Schüler an den Grundschulen in diesem Schuljahr angekommen sind – 300 an der Zahl –, heißt nun noch nicht, dass sie nicht im Laufe des Kalenderjahres möglicherweise nicht noch aufgestockt werden müssen, und so bleibt unser Fazit, dass die guten Voraussetzungen, die wir momentan bei Beginn des Schuljahres haben, eben auch weiterentwickelt werden müssen; denn es ist davon auszugehen, dass noch mehr Sprachkurse gebraucht werden.
Frau Dickes, ja, aber begleitend. Es hat überhaupt keinen Zweck, was Sie erneut fordern und was wir ablehnen, mit Vorlaufklassen die Kinder zu separieren, sie in GhettoKlassen zu unterrichten.
Es ist ungemein wichtig, dass Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen auch die Möglichkeit haben, sich unterschiedlich weiterzuentwickeln mit Kindern in ihrem Alter, mit Kindern in den Schulen, in denen sie später auch Fuß fassen sollen.
Von daher ist es sinnvoll, dass wir zusätzlich zum Unterricht an den Schulen auch weiterhin Unterricht in Sprachklassen haben, aber gemeinsam Musikunterricht, Sportunterricht und die Dinge mehr, die an den Grundschulen und weiterführenden Schulen gemeinsam unterrichtet werden können.
Natürlich, die Aufstockung der Mittel kann nicht mit dem mithalten, was notwendig wäre. Aber woran liegt das denn bitte schön? –
Vielleicht an den Bundesmilliarden. – Möglicherweise bräuchte es mehr Gelder auch vonseiten des Bundes.
Wir haben uns hier einer großen Aufgabe zu stellen. Ich bin sehr froh und sehr dankbar, dass die Bundeskanzlerin sich bereit erklärt hat, das auch entsprechend anzugehen. Wir sind alle gefordert. Von daher bedeutet das eben auch, die vielen Ehrenamtlichen, die sich dankenswerterweise auch dem Sprachunterricht in den Schulen und gemeinsam mit den Schulen angenommen haben, zu unterstützen. Es bedeutet auch, die Lehrerinnen und Lehrer, die keine Ausbildung haben in Sachen Deutsch als Zweitsprache durch das Pädagogische Landesinstitut weiterhin zu begleiten. Es bedeutet eben auch, dafür Sorge zu tragen, dass die Willkommenskultur, die sehr stark aus der Bevölkerung auch in das Bildungssystem hineingetragen wird, eben nicht nur unsere Anerkennung findet, sondern alle Unterstützung, die wir den Menschen, die dort vor Ort arbeiten, geben können.
Meine Damen und Herren, ja, Inklusion hat insofern eine neue Bedeutung bekommen. Wir müssen uns tatsächlich eben auch eingestehen, dass Inklusion bedeutet, jedes Kind, jeden Menschen so, wie er bei uns ist, anzunehmen. Es geht da nicht um diesen engen Begriff, der sehr häufig gebraucht wird, sondern es geht um den weiten Begriff der Inklusion, wie ihn die UN-Behindertenrechtskonvention definiert hat.
Ich glaube, dass wir diesen Begriff hier im Land RheinlandPfalz leben und alles dafür tun müssen, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Eltern, vor allen Dingen aber auch die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, dass sie ihre Biografie, ihren Bildungsgang, ihren persönlichen Lebensweg so ausgestalten können, wie es ihren Möglichkeiten entspricht. Ich denke, dazu sollten wir alles unternehmen, was in unserer Macht steht. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Landesregierung hier auf dem richtigen Weg ist.
Vielen Dank.
Danke, Herr Präsident! Frau Kollegin Dickes, ich habe in 20 Jahren Lehrerin im Alltag gelernt.
Ich habe von Anfang an beherzigt, dass eine Bewertung
einer Leistung, zum Beispiel mangelhaft, niemals die Person des Schülers betrifft, sondern immer nur das, was vorgelegt wird. Insofern habe ich Ihre Aussage gemeint und nicht Sie persönlich beleidigt. Das bitte ich, an der Stelle festzuhalten.
Daneben möchte ich Ihnen gerne sagen, dass die Anrufe und die Mails, die ich bekomme, sehr wohl davon ausgehen, dass die Schulen und die Lehrerinnen und Lehrer Probleme haben. Das wird niemand von uns bestreiten; denn die Aufgaben, denen wir uns zu stellen haben, sind immens.
Aber wir haben auch Angebote; denn die jungen Erwachsenen, die zu uns kommen, zwar nicht mehr schulpflichtig sind, aber sehr bildungswillig und wie ein Schwamm all das aufsaugen, was wir ihnen anbieten können an Unterricht und an Möglichkeiten, brauchen auch unsere Hilfe und Unterstützung. Ich sehe hier durchaus noch Spiel nach oben und freue mich, dass insbesondere die Kollegs, die wir auch im Land haben, Angebote für diese Schülerinnen und Schüler machen.
Ich glaube, dass so noch viele andere Menschen auf die Idee kommen zu unterstützen, wo immer es geht, sodass wir unsere Aufgaben auch in der Supervision wahrnehmen möchten.
Das, was ich zu den Ghettoklassen gesagt habe, war apostrophiert. Ich meinte selbstverständlich nur, dass es auch in Ihrem Sinne nicht möglich oder sinnvoll sein sollte zu segregieren.
Wir verstehen den Begriff der Inklusion im Sinne von Heterogenität in der Arbeit. Wenn wir heterogene Gruppen unterrichten – das ist durchaus in unserer Intention –, dann ist es deutlich leichter, voneinander zu lernen.
Genau so verstehe ich es auch mit dem Sprachunterricht. Ich negiere nicht, dass man kleine Gruppen intensiv auch in der deutschen Sprache und nur in der deutschen Sprache betreuen muss,
aber das ist nicht alles. Die Willkommenskultur ist das Entscheidende.
Danke.
Frau Ministerin, die Lehrerinnen und Lehrer, die an den Schulen beliebt sind, werden auch im Vertretungsfall sehr gern von Eltern und Schülerinnen und Schülern unterstützt. So kam auch die Onlinepetition zustande. Darf ich Sie fragen, welche Möglichkeiten eine Diplommathematiklehrerin oder eine unterrichtende Fachkraft in diesem Zusammenhang hat, die Qualifikation der gymnasialen Unterrichtserlaubnis zu erreichen? Hätte die betreffende Kollegin dies nicht in der Vergangenheit bereits auf sich nehmen können?
Danke Frau Präsidentin! Frau Dickes, statt der angemahnten Moral zeigen Sie unter dem Gejohle Ihrer Fraktion Doppelmoral.
Das skandierte Klatschen hat das deutlich gezeigt.
Sie wissen ganz genau, dass wir ein sehr großes Interesse daran haben, dass Lehrerinnen und Lehrer mit der kompletten Ausbildung für ihren Beruf unterrichten, nämlich mit dem ersten und dem zweiten Staatsexamen.
Wenn man nun den Verlauf der diversen Fragestellungen in den letzten Jahren zum Thema betrachtet, dann sehen Sie, dass in der 14. Wahlperiode – Ihre Anfrage war absehbar – nur elf Fragen zu dem Thema gestellt wurden, fünf Mündliche Anfragen.
Eine davon hat der Abgeordnete Wiechmann gestellt. Er hat die Landesregierung damals gefragt – Frau Ahnen wird sich vielleicht noch daran erinnern –, wie viele Lehrerinnen und Lehrer mit Vertretungsverträgen erstes und/oder zweites Staatsexamen haben. Damals hat sich herausgestellt, dass das etwa hälftig ist. Das zeigt genau den Fall, den wir am Beispiel von Herrn Beckmann gehört haben
das war eine sehr gute und eine berechtigte Frage –, dass sehr viele Vertretungslehrerinnen und -lehrer in der Zeit, in der sie temporär den Unterricht für erkrankte Kolleginnen und Kollegen oder Lehrerinnen, die schwanger sind, übernehmen, Praxiserfahrung sammeln. Das ist auch heute noch so.
Sie wissen und kennen die Zahlen aus dem letzten Jahr; denn in den letzten Jahren haben Sie, seitdem die 16. Wahlperiode läuft, 137 Anfragen zu diesem Thema gestellt. Die sind alle von Ihnen gekommen, das heißt, es müsste Ihnen eigentlich klar sein, dass wir in den knapp 1.000 Grundschulen vor allem Schwangerschaftsvertretungen haben und die normalerweise nach der Zeit der Geburt nur noch begrenzt verlängert werden können.
Ich glaube, dass die verschiedenen Argumente, die die Ministerin an den Beispielen belegt hat, zutreffend sind und in der Tat da, wo ein Vertretungsgrund nach den Ferien vorliegt, auch die Vertretungsverträge verlängert werden.
Nun, wenn Sie sich den skandalisierten Fall einmal anschauen, müssen Sie sich leider auch fragen: Warum hat sich die Kollegin, die eben keine Lehramtsausbildung hat, nicht wirklich darum bemüht, sich weiterbilden zu lassen, um damit tatsächlich auch ein Anrecht auf eine Planstelle erwerben zu können? – Es ist für diese Frau gut ausgegangen, und ich will das auch gar nicht herunterreden. Dass die Schule sich für diese Kollegin entschieden hat, ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Schulen darum bemühen, selbstständig die Situation, die in der Tat in den MINT-Fächern durchaus angespannt ist, für sich selbst zu verbessern. Dort, wo das aber nicht ohne Weiteres möglich ist, müssen wir tatsächlich auch die Kräfte, die nicht über die volle Lehramtsausbildung verfügen, auffordern, ihre Qualifizierung zu Ende zu führen. Das wäre der richtige Weg gewesen.
Nun, wenn Sie weiterhin mit „abspeisen“, mit „nicht der einzige Fall“, „so viele Menschen vertrauen auf...“ usw. argumentieren, dann sollten Sie auch Ross und Reiter nennen. Sie haben wieder Unterstellungen formuliert, die man so nicht im Raum stehen lassen kann.
Wenn Ihnen konkrete Fälle bekannt sind, dann sollten Sie sie auch nennen. Sie haben diesen einen Fall benannt, aber in Ihrem Redebeitrag sehr wohl darauf abgehoben, dass dies nicht der einzige sei.
Insofern kann ich nur hoffen, dass Sie das, was Sie behaupten, auch belegen können.
Dass der Vertretungspool, der in diesem Jahr auf 800 Lehrerstellen anwachsen wird, seine Berechtigung hat und sich vor allen Dingen für die jungen Leute gut darstellt, die mit dem zweiten Staatsexamen nicht auf Anhieb eine Planstelle erhalten, ist ein Beleg dafür, dass sich die Landesregierung darum kümmert und wir als Koalitionsfraktion auch dahinterstehen. Sie kennen die Regularien; denn in den zwei Jahren, in denen diese Verträge laufen, bevor diesen Menschen eine feste Schule zugewiesen wird, können diese jungen Kolleginnen und Kollegen in bis zu vier verschiedene Schulen versetzt werden. Das ist mit Sicherheit eine gute Lösung, um die Vertretungslehrertätigkeit auch mit einer Qualifizierungsphase für neue Lehrerinnen und für erste Stellen zu begleiten.
Ich hoffe, Sie müssen nicht wieder damit anfangen, aber ich bin ganz sicher, dass Ihnen auch nach den Ferien diese Fragestellung erneut einfallen wird,
und ich freue mich schon auf die 138. Anfrage von Ihrer Seite.
Danke, Frau Präsidentin, für das Wort. Da, wo Argumente fehlen, fängt das Geschrei an. Das ist nun einmal so.
Das trifft die CDU in besonderem Maße, wie man an dieser Stelle sieht. Sie, Frau Dickes, sollten etwas präziser fragen und auch präziser argumentieren.
So beginnen, was Sie eingangs gesagt haben, nicht morgen die Ferien, sondern morgen ist der letzte Schultag.
Liebe Frau Dickes, die Ferien sind jetzt keineswegs nur eine Verlängerungsmöglichkeit für auslaufende Verträge, sondern sie dienen den Lehrern als unterrichtsfreie Zeit zur Nachbereitung dieses und zur Vorbereitung des nächsten Schuljahres. Sie haben auch eine Funktion der Erholung, aber – das möchte ich an der Stelle einfach noch einmal feststellen –, es kann nicht sein, dass definierte Verträge verlängert werden, damit man tatsächlich den Übergang von einer Berufsphase in die andere so erleichtern kann, wie Sie sich das wünschen.
Sie können das gerne einmal quantifizieren, und dann können Sie im nächsten Jahr – Sie können das doch jetzt schon – im kommenden Haushalt einen Titel einbringen – ich empfehle Ihnen ein Deckblatt – zur Finanzierung der Vertretungslehrerstellen in den Ferien.
Es wäre eine Aufforderung an Sie, den Haushaltstitel in dieser Form einfach einmal vorzustellen.
Sie haben immer noch nicht richtig verstanden, dass es keinen Zweck hat, Vertretungsverträge – –
im Unterricht ausführen zu lassen, wenn die Leute, die diese kurze Zeitfrequenz sicherlich sinnvoll im Unterricht auch bewerkstelligen, nicht ihre volle Qualifizierungsphase erreicht haben. Insofern sage ich an der Stelle noch einmal: Sie können nicht in fünf Minuten eine sehr komplexe Vielfalt
a) von Vertretungsgründen, b) von Vertretungschulen, c) von verschiedenen zeitlichen Aspekten in ein Paket schnüren. Ich glaube, das braucht einen differenzierten Blick, und der scheint Ihnen völlig abzugehen.
Danke Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Martin Brandl, das stimmt alles nicht so ganz.
Die Mindeststandards für den Berufseinstieg und die Begleitung wurden 2011 auf den Weg gebracht. In der Tat gibt es seit dieser Zeit und in manchen Schulen sogar schon sehr viel länger die von Ihnen erwähnten Berufskoordinatoren. Natürlich arbeiten die nicht nur einen Tag. Deswegen muss man die auch nicht so stärken, wie Sie das verlangen. Das gibt es schon sehr lange, die organisieren die Praktika und machen vieles mehr, was an den Schulen bereits besteht.
Insofern sage ich schon: Lesen bildet.
Sie hätten vielleicht doch das ganze Konzept und auch den Pressespiegel verfolgen sollen, um zu sehen, was das Konzept der Landesregierung beinhaltet; denn die Zukunft läuft – das ist richtig – seit 2011 und an den allermeisten Schulen auch schon ein bisschen länger, nun aber künftig an allen Mittel- und Oberstufen des Landes.
Ja, die meisten Schulen haben Praktika, Berufsinformationstage, sie besuchen das BiZ, und Infoabende werden für die Eltern, für Betriebe veranstaltet. Praxistage gehören zum Schulprofil.
Was aber nun neu hinzukommt, ist ein verbindlicher Rahmen und der verpflichtende Einstieg. Der hat eine neue Qualität, einen neuen Qualitätsanspruch, der auch dadurch begründet ist, dass sichergestellt wird, dass alle weiterführenden Schulen dabei sind und auch alle dort Beteiligten: die Eltern, die das Zertifikat mit unterschreiben, die Lehrerinnen und Lehrer, die den Rahmen in der Schule für diejenigen, die von außen hinzukommen, garantieren werden – und das, ohne dass für die Schulen ein finanzieller Mehraufwand entsteht, und nicht einmal die organisatorische Mehrarbeit wird derzeit im ersten Teil im kommenden Jahr von Februar bis April 2016 von den Schulen geleistet, sondern es wird zentral organisiert. Es handelt sich also um ein Rundum-sorglos-Paket.
Selbstverständlich bleiben dabei die Berufskoordinatoren der Schule nicht außen vor; denn die Einbindung an diesen einen Orientierungstag ist keine Eintagsfliege, sondern der Kontakt bleibt bestehen.
Es ist so, dass die Schülerinnen und Schüler qualifiziert auf die Berufsfelder vorbereitet werden, unter anderem
durch die Potenzialanalyse, die auch von den Kollegen geleistet werden muss, aber nicht nur dadurch, sondern auch durch alle anderen Bausteine, die damit noch verbunden sind.
Waren bislang zum Beispiel Praktikumsstellen allzu oft das Ergebnis von Vitamin-B-Beziehungen und Verbindungen der Eltern, hilft nun das genaue Hinschauen auf die Potenziale bei der Auswahl des Berufsfeldes für die Praktika. Die App ist natürlich attraktiv für die Jugendlichen und wird mit Sicherheit ihre Möglichkeiten weiter zur Ausführung bringen. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass die Schülerinnen und Schüler das nicht nur als einen Ausstieg aus dem Schulalltag betrachten werden, sondern sie sehr viel ernsthafter darüber nachdenken werden, welcher Weg für sie der geeignete Weg in die Berufswelt ist, sei es über das duale System, die Berufsausbildung, über den Fachhochschulabschluss oder über das Abitur und die Hochschule.
Heute schon können wir nicht davon ausgehen, dass Betriebe selbstverständlich von der nachfolgenden Generation übernommen werden.
Es ist aber auch das Recht der Kinder und Jugendlichen, ihren eigenen Anlagen entsprechend ihren Berufsweg zu suchen und auch zu finden, und das – an dieser Stelle gebe ich Ihnen recht – ist nur dann möglich, wenn wir sie kontinuierlich begleiten und eben keine Eintagsfliegen setzen. Ich glaube, die Schulen haben sehr gut vorgearbeitet, und das Ministerium hat nun alle diese Maßnahmen gebündelt und dafür gesorgt, dass der verbindliche Rahmen dafür gute Aussichten hat, den Jugendlichen diesbezüglich eine gute Entscheidung für ihren weiteren Berufsweg zu ermöglichen.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Es ist wichtig, dass eben nicht nur die 8. und 9. Klassen davon betroffen sind, sondern in der Oberstufe das, was in der Mittelstufe vorgearbeitet wurde, auch an den Gymnasien wiederum aufgegriffen wird. Nur allzu häufig ist die Wahl der Leistungskurse mehr durch die Wahl des Lehrers motiviert – also der Lieblingslehrer, die Lieblingslehrerin – als durch die tatsächlichen Begabungen und Möglichkeiten. Ich glaube, an dieser Stelle haben wir einen weiteren Sprung in die richtige Richtung gemacht zu sagen, ich überlege mir, wo meine Potenziale sind, und kombiniere dann meine Fächer zu einem Profil,
das mir zum einen die allgemeine Hochschulreife bringen kann, mir aber zum anderen auch den Spielraum eröffnet, mich dort zu orientieren, wo ich besonders qualifiziert bin. Mehr dazu sage ich in der zweiten Runde.
Danke, Herr Präsident. – Lieber Herr Martin Brandl, nein!
Die Berufskoordinatoren können jetzt bereits Fortbildungen machen,
in Betriebe gehen, Sie können 14 Tage am Stück einen Betrieb besuchen, um sich dort weiterzubilden. Jetzt können Sie das nicht einfach leugnen.
Es ist nach wie vor eine Unterrichtsstunde in der Woche.
Das ist nicht eine Stunde; denn jede Stunde muss vor- und nachbereitet werden. Das ist kein geringer Prozentsatz der Arbeitszeit eines Lehrers und einer Lehrerin. Bei einem Deputat von 24 Stunden ist es ein Vierundzwanzigstel. Bei einer Realschule plus sieht es etwas anders aus.
Aber es liegt im Belieben und im Benehmen mit der Schulleitung, das Konzept an der Schule selbst zu entwickeln. Das heißt, nicht jede Schule hat genau die gleiche Konzeptionierung des Berufseinstiegs. Diese Autonomie würde ich auch sehr gerne bei der Schule belassen.
Neu ist vieles andere mehr. Ich habe die App genannt, die Potenzialanalyse usw. Entscheidend aber ist, dass die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer, die Beratungen durch qualifizierte Leute anbieten können, in die Schulen hineingehen und standardisiert ist, dass jede Schule im Land – in der Mittel- und in der Oberstufe – die gleichen Möglichkeiten hat und es nicht von der Qualität der Berufswahlkoordinatoren abhängt, wie viel Betriebe am Berufsinformationstag in der Schule sind.
Das wird es darüber hinaus geben. Aber insgesamt ist es so, dass der Start für alle gemeinsam gesetzt wird. Ich denke, es ist eine dankenswerte Aufgabe, das so aufs Gleis zu setzen.
Ich wünsche mir, dass die Berufswahlkoordinatoren dies in der Zukunft auch so weiterführen, wie wir es im nächsten Jahr zum ersten Mal als Premiere erleben werden.
Danke schön.
Danke, Herr Präsident! – Liebe Frau Dickes, die Dimension der Inklusion scheint bei Ihnen noch nicht angekommen zu sein.
Sonst würden Sie bemerkt haben, wie wichtig es in der Tat ist, dass wir in allen Phasen der Lehrerbildung, der Fortund der Weiterbildung, darauf einen besonderen Schwerpunkt legen. Meine Vorrednerinnen haben das sehr gut herausgestellt. Sie haben es trotzdem noch nicht akzeptiert. Das macht aber nichts; denn wir werden noch weitere Kontakte haben, bei denen wir darüber reden können.
Wir haben schon in der Vergangenheit sehr viel Wert darauf gelegt, dass Eltern und auch Lehrerinnen und Lehrer auf die Wahl des Schulorts, aber auch auf die Begleitung der Kinder und Jugendlichen vorbereitet werden müssen. Ausgehend vom Prinzip der Gleichberechtigung fordert nämlich die UN-Behindertenrechtskonvention für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen den Zugang zu einem inklusiven Bildungssystem auf allen Ebenen des lebenslangen Lernens. Somit darf kein Mensch vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden.
Wir haben in einem ersten Schritt dazu – das wurde bereits erwähnt – das Wahlrecht der Eltern auf die Schulform ihres Kindes im Schulgesetz mit Wirkung zum 1. August 2014 festgeschrieben.
Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz
haben in ihrer Empfehlung vom März 2015 zur Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt darauf verwiesen, dass Schülerinnen aller Schularten mit den unterschiedlichsten Begabungen und Entwicklungspotenzialen ein Recht auf gemeinsamen Schulbesuch haben. Ich möchte an dieser Stelle erneut deutlich machen, dass die für alle Schularten gemeinsame weitere Entwicklung der inklusiven Kompetenzen der Lehrerinnen Ziel des heute vorgelegten Gesetzes ist. Alle Lehrerinnen stehen heute schon vor erhöhten Anforderungen in der Diagnostik, Beratung und Förderung auch von Hochbegabten, aber auch in der Herausforderung des schulischen Alltags. Auch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sind eben nicht für heterogene Lerngruppen gerüstet. Auch hier setzt das neue Gesetz an.
Es ist sein erklärtes Ziel und zugegebenermaßen auch Grund für seinen sperrigen Titel, die inklusive Kompetenz der Lehrkräfte in allen Phasen der Lehrerkräftebildung zu stärken, um sich für künftige Entwicklungen in unserem Schulsystem fit zu machen.
Die guten Beispiele, die es an unseren Schulen bereits gibt, wurden schon erwähnt. Es sind nicht gerade wenige, die belegen, welchen Erfolg für die persönliche Schulkarriere/Bildungskarriere eines Kindes Binnendifferenzierung und individuelle Förderungen haben. Ein inklusives Schulsystem entwickelt sich im engen und intensiven Dialog mit allen Beteiligten, und es ist eben immer auch noch eine Haltungsfrage. Wo gibt es dazu aber bessere Ausgangspunkte als bei der Zusammenführung und Weiterentwicklung der vorhandenen Kompetenzen aller Schularten, aller Lehrerinnen und Lehrer, aller Professionen, die in der Schule ihre Arbeitsplätze haben? Die Vielfalt der Begabungen erfordert nämlich vielfältige Unterstützung und unterschiedlichste methodisch-didaktische Ansätze.
Noch einmal: Angesichts der besonderen Bedeutung der Inklusion und der wichtigen Rolle, die entsprechend qualifizierten Lehrkräften zum Gelingen einer inklusiven Beschulung zukommt, ist es konsequent, dass das vorgelegte Gesetz alle Phasen der Lehrerbildung, Fort- und Weiterbildung umfasst und aufeinander abstimmt.
Frau Kollegin Brück hat bereits deutlich gemacht, dass es uns sehr wichtig ist, hierbei unterschiedliche Bausteine in den Blick zu nehmen. Ich will das an der Stelle nicht alles wiederholen. Es ist aber vielleicht erwähnenswert, dass einerseits die unter schulischen Aspekten besonders wichtigen Fort- und Weiterbildungen den einen Schwerpunkt in der Fortbildungsplanung der Lehrerinnen und Lehrer haben, aber andererseits daneben die persönlichen Fortbildungen weiterhin ihren Bestand haben.
Die Frau Ministerin hat auf die jüngst veröffentlichte repräsentative Studie der Bertelsmann Stiftung „Wie Eltern Inklusion sehen: Erfahrungen und Einschätzungen“ hingewiesen. Diese hat empirisch festgestellt, dass die Mehrheit der Eltern Inklusion als wichtig für die Gesellschaft einschätzt. Nicht nur dies, sondern sie hat auch festgestellt, je mehr Berührungspunkte für eine Familie mit Inklusion bestehen, desto höher ist auch die Offenheit und Zustimmung für inklusionspädagogische Konzepte.
Mit diesem Gesetz leisten wir heute einen wichtigen Bei
trag zur didaktischen Verbreitung der notwendigen pädagogischen Konzepte, und zwar an allen Schulen. Ich freue mich deshalb auf die weitere Beratung.
Liebe Frau Dickes, ich wage noch zu erwähnen, dass es nicht nur den VBE gibt. Wenn Sie die anderen Stellungnahmen gelesen haben, wissen Sie, dass wir überdurchschnittlich viel Lob dafür bekommen haben.
Ich freue mich auf die Anhörung, die wir sicherlich durchführen werden, und die weitere Beratung im Ausschuss sowie auf die zweite und dritte Lesung.
Danke, Herr Vorsitzender. Die Zeit reicht mir. – Ich gebe
nicht auf, das stimmt. In der Tat habe ich gestern Abend die Gelegenheit gehabt, mit dem VBE zu reden, Sie offensichtlich auch, Sie reproduzieren einfach die Meinung von Herrn Boldt.
Insofern bin ich ein wenig irritiert; denn natürlich habe ich ihm erklärt, dass es nicht darum geht, grundständige Sonderpädagogen in der Fortbildung der Gymnasiallehrer, Realschullehrer plus und Ähnlichem auszubilden, sondern es tatsächlich um grundlegende Kompetenzen schon im Praktikum geht, auch im orientierenden.
Dort geht es zum Beispiel um Formen der Zuwendung. Das geht jungen Leuten manchmal sehr wohl ab, aber auch älteren. Das ist ganz unterschiedlich. Es geht darum, Unterschiede zunächst einmal zu erkennen, sich, was die Studierenden anbelangt, für das sensibilisieren zu lassen, was man in der Theorie möglicherweise schon gehört und gelernt hat, und damit Theorie und Praxis miteinander zu verzahnen. Später in den vertiefenden Praktika wird man das mit Sicherheit noch verstärkt weiterentwickeln können.
Was Sie über die Fachebene gesagt haben – jetzt habe ich noch 8 Sekunden –, kann ich überhaupt nicht gelten lassen; denn natürlich geht es um Fachdidaktik und andere Kompetenzen, die in heterogenen Lerngruppen neu aufgestellt werden müssen.
Danke.
Danke Herr Präsident! Rechte fallen nicht vom Himmel, Mann, Frau muss sie sich erkämpfen, auch das Recht auf
Selbstbestimmung, das lehrt uns der Blick in die Geschichte.
Das Recht auf Selbsttötung ist ein Selbstbestimmungsrecht. Wer es nur mit Hilfe einlösen kann, dem darf diese Hilfe nicht verweigert werden.
Wir haben mehrfach gehört, dass Suizid nicht bestraft werden kann – wie denn auch im Falle des Vollzugs – und auch Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafrechtlich verfolgt werden darf. Von jährlich 100.000 Selbsttötungsversuchen in Deutschland werden 10.000 vollzogen. Dennoch wird der Suizid häufig verbrämt, tabuisiert und etwa bei der Verweigerung eines kirchlichen Begräbnisses auch sanktioniert.
In der Apologie des Sokrates legt Platon seinem Protagonisten in den Mund, er, Sokrates trinke den Schierlingsbecher aus freien Stücken und verzichte darauf, sich dem Urteil der freien Männer von Athen zu unterziehen.
Der Kasus ist hinreichend bekannt. Er untermauert, dass ein Mensch nach reiflicher Überlegung in freier Entscheidung den Weg in den Tod wählen kann.
Ich führe Sokrates als Kronzeugen an, fest überzeugt davon, dass die Aufgabe der Sterbebegleitung nicht allein durch die Einrichtung und den Ausbau von noch so guten Palliativstationen und Hospizen geleistet werden kann, auch nicht durch eine regional verdichtete ambulante Versorgung, persönliche Betreuung und individuelle mitfühlende Hilfe.
Diese Ansätze sind alle richtig und wichtig, hierin stimme ich meinen Vorrednerinnen zu, aber Wolfgang Herrndorf, Erich Loest und Fritz Raddatz, um nur drei herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu nennen, die sich in den letzten zwei Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit aus freien Stücken selbst getötet haben, hätten diese hier zu Recht gelobten Konzepte professioneller Hilfe und persönlicher Zuwendung leider nicht geholfen.
Herrndorf, Loest, Raddatz waren in sehr unterschiedlichen Situationen vor ihrem Tod. Sie alle befanden sich aber meiner Überzeugung nach nicht in einer psychischen Ausnahmesituation, und sie haben sich vorbereitet, Herr Dr. Wilke.
Herrndorf litt an einem Gehirntumor, einem Glioblastom: „Keine Chance auf Heilung, wenige Jahre bitterer Verfall. Was ich brauche, ist eine Exit-Strategie“, schrieb Herrndorf am 30. April 2010 in seinem literarischen Blog, drei Jahre bevor er sich von dieser Welt verabschiedete. Herrndorf wollte nicht bis zum kargsten Ende miterleben, wie ihm seine sprachlichen Fähigkeiten und alles, was seine Person ausmachte, abhandenkommt, ohne den Funken Hoffnung auf Heilung. Herrndorf hatte den Mut, besagten Tabus zum Trotz sein auswegloses Leid zu thematisieren.
Er wollte die öffentliche Debatte anregen, und er beschrieb in drastischen Passagen seine Überlegungen. Herrndorf musste sein Leben selbst in der Hand haben – und seinen Tod. Er nahm die Pistole. Herrndorf ist kein Einzelfall. Der Freitod ist bestimmt in vielen Fällen ein Fehler, eine psychische Störung, aber eben nicht in allein.
Extrem auch Fritz Raddatz: Notgedrungen handelte er vor der Zeit als vitaler Greis. Von Raddatz wissen wir genau, wie planvoll er vorgegangen ist; denn er hat jeden einzelnen Schritt in den Tod schriftlich aufgezeichnet, Abschiedsbriefe öffentlich gemacht. Raddatz war 83 Jahre alt und kerngesund, als er in Zürich Sterbehilfe in Anspruch nahm.
Raddatz wollte den rechten Moment nicht verpassen, hatte Angst davor, nicht mehr rüstig genug zu sein, um die Reise von Hamburg in die Schweiz anzutreten. Ihm hätte eine legale Exit-Strategie in Deutschland vielleicht noch ein paar zufriedene Jahre geschenkt.
Extrem auch Erich Loest, der schon ein Gefangener war, hinter der Zeit handelte. Loest sprang 87-jährig aus dem Fenster seines Zimmers im Krankenhaus. – Ja, vielleicht hätte er sich jemandem anvertrauen können, der ihm einen anderen Weg hätte eröffnen können. Aber wer ihn wie ich hat kennenlernen dürfen, weiß, dass bei aller nicht auszuschließenden Verbitterung und Enttäuschung Loest sehr bewusst seine Entscheidungen zu setzen verstand.
Freiheit ist ein hohes Gut. Das Grundgesetz garantiert sie so wie die Menschenwürde. Ihre Konsequenz, die Konsequenz der Freiheit, müssen wir aushalten können.
Wir haben bereits in anderen Fragen Verfahren ausgehandelt, um zwischen der Selbstbestimmung des Individuums und anderen Werten zu vermitteln. Ich erinnere an den Schwangerschaftsabbruch oder an die Geschlechtsanpassung. Auch im Maßregelvollzug, den wir heute in erster Linie gesetzlich behandelt haben, versuchen wir die Vermittlung zwischen der im Grundgesetz verankerten Achtung der individuellen Freiheit und dem gesellschaftlichen Schutzanspruch und wissen gleichwohl,
dass wir beiden Werten nicht gleichermaßen gerecht werden können – und dieses gilt auch für den Suizid.
Bei aller Vorsorge müssen wir deshalb die Regeln setzen für die Menschen, die bereit sind, Menschen, die in den Tod gehen, verantwortlich zu begleiten.
Danke schön.
Frau Ministerin, Sie haben das hervorragende Abschneiden der Schülerinnen und Schüler aus Rheinland-Pfalz bei bundes- und auch internationalen Wettbewerben – die gibt es nun auch – bereits dargestellt. Ich möchte Sie gerne fragen, was aus Ihrer Sicht der pädagogische Mehrwert der Teilnahme an Wettbewerben ist.
Frau Ministerin, es wird immer wieder kolportiert, dass die Abiturprüfungen in unseren unterschiedlichen gymnasialen Oberstufen, also an der IGS, im berufsbildenden Bereich, am Kolleg und am Gymnasium, nicht gleichwertig seien.
Frau Ministerin, vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, ob die Auswahl der Abituraufgaben in unterschiedlicher Form letzten Endes dargestellt wird oder ob eine Vergleichbarkeit der Abituraufgaben tatsächlich gewährleistet ist.
Vera Reiß, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Wei
terbildung und Kultur:
Selbstverständlich Letzteres, weil viele Wege führen nach vorne, und auch viele Wege führen zum Abitur, einmal klassisch über das Gymnasium, entweder bei uns in neunjähriger oder achtjähriger Form, oder eben über die Integrierten Gesamtschulen – mittlerweile haben wir 55 an der Zahl, jedes Jahr kommen weitere Oberstufen hinzu – oder eben über die sehr, sehr guten beruflichen Gymnasien. Die Abiturergebnisse und die Qualität des Abiturs sind in Rheinland-Pfalz völlig gleichwertig, egal, welchen Zugang man als junger Mensch wählt. Auch das war uns immer wichtig gewesen, dass wir ein durchlässiges Bildungssystem haben und man über unterschiedliche Wege zum Abitur kommen kann.
Frau Ministerin, wie sehen Sie die künstlerische Entwicklungsperspektive für das Orchester, das eine hervorragende Arbeit leistet, in der Zukunft?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Frau Dickes, der eine Satz hat mir gefallen: Wir wollen nicht nur Noten. – Wir auch nicht. Wir wollen viel, viel mehr. Insofern bin ich dankbar, dass die Vielfalt der Optionen, die Schule auch heute schon bietet, junge Menschen weiter bei ihrer Entwicklung und bei ihrer Bildungsbiografie zu helfen, in dieser Mündlichen Anfrage zum Ausdruck kam. Da hatte auch die Anlauttabelle ihren Platz. Wenn Sie Kinder, die kreatives Schreiben schon in der Kita betreiben – es gibt Fünfjährige, die schon Bücher schreiben –, beobachten, dann ist denen die Rechtschreibung egal. Mir ist auch egal – das sage ich Ihnen an dieser Stelle – oder sogar sehr, sehr recht, dass diese Kinder in ihrer Kreativität gefördert und nicht in der Rechtschreibung gehemmt werden. Frau Huth-Haage, genau deswegen wird in der ersten Klasse, liebe Frau Dickes, bei Aufsätzen die Rechtschreibung nicht bewertet.
Weil die Rechtschreibung da noch in der Entwicklung ist, braucht man Hilfestellung.
Die Vielfalt der Methoden an den Grundschulen des Landes hat ihren Stellenwert zu Recht. Zu Recht haben Kinder unterschiedliche Möglichkeiten, und vor allem auch die Lehrerinnen und Lehrer können auf die unterschiedlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Kinder entsprechend adäquat antworten.
Nicht mehr als 10 %: Wenn Sie sich die Schulen genauer anschauen, wird auch in diesen Schulen, in denen mit der Anlauttabelle und dem „Schreiben nach Gehör“ intensiv gearbeitet wird, alles andere vermittelt. Ich denke, dass das, was Sie hier anführen, eine Schwarz-Weiß-Malerei ist, die überhaupt keine Berechtigung findet, die der Realität nicht standhält.
Gehen wir weiter zum Nächsten: Wettbewerbe. – Ich bin dankbar für jede Klasse, für jeden Lehrer und für jede Gruppe in der Schule – es gibt auch Schülergruppen, die sich selbst auf den Weg machen ohne die Unterstützung aus dem Kollegium –, die bei Wettbewerben mitmachen. Warum? – Die Ministerin hat eindeutig belegt, dass wir eine breite Vielfalt, eine Bandbreite der Wettbewerbe, haben, die sehr erstaunlich ist und die bereits im Kita-Bereich beginnt. Dabei sind so unterschiedliche Sachen wie Kinderrechte formulieren, Kinderrechte leben bis hin zum EssayWettbewerb Philosophie und dazwischen die komplette Bandbreite, und eben nicht nur die Wettbewerbe „Jugend forscht“ und „Jugend musiziert“, wobei das „nur“ natürlich nicht qualitativ und auch nicht quantitativ gemeint ist, sondern die Auswahl der einzelnen Fächer betreffen sollte.
Frau Ministerin, ich habe deswegen nachgefragt, inwieweit es tatsächlich auch um die pädagogischen Aspekte geht, weil ich fest davon überzeugt bin, dass soziale Kompetenzen nicht im Frontalunterricht erworben werden, dass
Persönlichkeitsentwicklung und Neugier durch außerschulische Lernorte, aber auch durch Wettbewerbe gefördert werden; denn in diesem Bereich haben wir die Möglichkeit, tatsächlich Kreativität und Neugier zu fördern und zu erhalten. Wir alle kennen die Problematik, dass Kinder und Jugendliche in der fünften Klasse motiviert an die weiterführenden Schulen kommen, dass es aber spätestens mit Beginn der Pubertät da durchaus Abstriche zu machen gilt. Hier haben wir die Möglichkeit, aus dem 45-MinutenRhythmus auszubrechen. Hier haben wir die Chance, dann auch Beiträge zu leisten, die gemeinsam entstehen, und doch sehr differenziert unterschiedliche Aspekte einer Arbeit mit einzubringen.
Lassen Sie mich noch auf das Abitur kommen; denn in der Tat wollen wir, dass wir individuell in den allgemeinbildenden Schulen, aber auch zieldifferent unterrichten. Frau Dickes, Ihr Argument, 99 % sollen dann aufs Gymnasium und zum Abitur, ist natürlich lächerlich. Wenn ich zieldifferent unterrichte, heißt das nicht, dass alle 13 Jahre die Schule besuchen. Man kann auch in einer Schule, in der zieldifferent erfolgreich unterrichtet wird, nach der neunten Klasse und der Berufsreife in die duale Ausbildung.
Kommen wir zum Abitur. Heute schreibt der Bildungsforscher in der „FAZ“ in einem sehr ausführlichen Artikel – das möchte ich an der Stelle doch noch ganz kurz mit auf den Weg geben –, dass das Zentralabitur möglicherweise mit dazu beigetragen hat, dass eben nicht die Vergleichbarkeit der Abiturnoten im Fokus steht, sondern die Unterschiede und möglicherweise auch Veränderungen und Schwankungen in diesem Bereich möglicherweise gar durch das Zentralabitur gefördert sein könnten. Ich greife das deshalb auf, weil Sie immer wieder kolportieren, dass das des Rätsels Lösung für Rheinland-Pfalz sei. Wir haben bereits die bessere Lösung. Wir haben bereits die besseren Abituraufgaben. Die Ministerin hat es deutlich gemacht, bundesweit ist man sehr froh darüber, dass wir in Rheinland-Pfalz einen solchen Pool bereits vorhalten.
Ganz besonders wichtig ist mir, Ihnen die Frage zu stellen, welcher Lehrerverband sich eigentlich hinter Ihre Forderung stellt. Warum meinen Sie eigentlich, Bildungsgerechtigkeit mit dem Zentralabitur erreichen zu können? Lesen Sie einmal den Artikel nach. Ich glaube, Sie würden genau das Gegenteil erreichen.
Danke schön.
Danke, Frau Präsidentin.
Da kann ich nur sagen, ich bin froh, dass Sie nicht das kriegen, was Sie wollen, zumindest nicht in dieser Legislaturperiode.
Also der Vorwurf, den Sie mir machen, kommt mir vor wie ein Kind beim Blindekuhspiel, als ob man sich die Augen verbindet und denkt, man ist nicht mehr da, also umgekehrt, als ob man sich verstecken würde.
Gehen Sie doch einmal an ein Gymnasium. Sie wissen doch, welche Formen der Beeinträchtigung, auch der festgestellten – – –
Ja, genau.
Da haben wir in der Tat mit Elternvertretern von sechs Gymnasien gesprochen. Ich habe diese Elternvertreter gefragt, wer von ihnen bzw. wie viel Nachhilfeunterricht an ihrer Schule seitens der Eltern finanziert wird.
Ich bin ganz sicher, dass die Rückmeldungen an dieser
Schule gar nicht so schlecht waren, wie Sie sie offensichtlich wahrnehmen. Wahrscheinlich haben wir eine unterschiedliche Wahrnehmung. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle, wir alle wissen, dass es auch am Gymnasium einer individuellen Förderung bedarf, und zwar nicht nur für Teilleistungsschwäche, sondern eben auch für sozialemotionale Befindlichkeiten von Kindern, die eine besondere Unterstützung brauchen. Wir wissen, dass wir im Autismusspektrum eine ganze Menge an Arbeit zu leisten haben. Wir wissen auch, dass am Gymnasium Förderpläne geschrieben werden, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen.
Noch einmal, auch am Gymnasium wird im Aufsatz die Rechtschreibung nicht bewertet.
Das ist keine Katastrophe, weil es auf die Inhalte ankommt und darauf, wie ein Aufsatz aufgebaut ist.
Zum zieldifferenten Unterricht möchte ich aber an dieser Stelle noch sagen, ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler verlässt in der Zeit der Sekundarstufe I das Gymnasium. Wenn Sie dann behaupten, dass wir am Gymnasium nicht zieldifferent unterrichten, dann verschließen Sie die Augen vor der Realität.