Protocol of the Session on July 1, 2015

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute zu einem gemeinsamen Antrag gekommen sind. Es ist in der Tat so, dass wir in den letzten Monaten sehr sachlich miteinander zusammengearbeitet haben. Das ist im Interesse der Betroffenen. Wir haben kein Interesse daran, dass dieses Thema parteipolitisch als Zankapfel gesehen wird. Deshalb ist es schade, dass Sie das Nachkarten in dieser Frage nicht lassen konnten, Herr Dr. Wilke.

Es ist kein Thema, aus dem man parteipolitisch Kapital schlagen kann.

Es ist dennoch gut, dass sich alle Seiten aufeinander zu bewegt haben. Die fraktionsübergreifende Übereinstimmung ist ein starkes Signal an die Betroffenen, dass wir einerseits die wertvolle Arbeit anerkennen, die hohe Leistungsfähigkeit der Betroffenen, und dass wir andererseits den Erhalt der bewährten Strukturen unterstützen, wie die Trennung von Gerichtshilfe und Bewährungshilfe und die Beibehaltung des Sprechermodells.

Dazu gehört, dass wir Ja sagen zu den erforderlichen Veränderungen in der Aufgabengestaltung, beispielsweise in der Führungsaufsicht. Es ist sehr wichtig, dass wir vor dem Hintergrund komplexer werdender Delikte die Standorte konzentrieren und die Arbeit spezialisieren sowie die Führungsaufsicht um eine sozialpädagogische, sozialarbeiterische Komponente ergänzen. Es ist gut, dass wir die Fachaufsicht im Justizministerium an einer Stelle bündeln und dass wir den Datentransfer zwischen den Diensten verbessern und hierzu datenschutzrechtliche Grundlagen legen.

Meine Damen und Herren, die Arbeit und die Diskussionen zur Reform haben sich gelohnt. Wir schaffen die Voraussetzungen, dass die Sozialen Dienste künftig noch effektiver als bisher zusammenarbeiten und im Sinne unseres Rechtsstaates weiter erfolgreich wirken.

Danke schön.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Raue hat das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag ist in der Tat das Ergebnis eines lang dauernden Prozesses, und zwar eines noch längeren, als Sie ihn geschildert haben, Herr Dr. Wilke. Er nahm seinen Anfang – Sie werden sich erinnern – mit dem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2011.

Das Übergangsmanagement, so die begründete Feststellung, war verbesserungsbedürftig. Dies sollte durch ein eng verzahntes Hilfs- und Überwachungssystem geschehen. Deshalb beraten seit 2012 Arbeitsgruppen unter Beteiligung von Mitgliedern aus allen betroffenen Behörden und Gremien.

In einem drei Jahre andauernden Prozess wurden nun die Ergebnisse gefunden, die meine Vorredner schon im Einzelnen dargestellt haben. Lassen Sie mich aus diesen Ergebnissen zwei Aspekte herausgreifen, die mir besonders am Herzen liegen. Das ist zum einen die Gerichtshilfe. Es ist gut, dass die Strukturen der Gerichtshilfe unverändert erhalten bleiben werden. Ihre enge Anbindung an die Staatsanwaltschaft stellt ihre Beteiligung bei den Ermittlungen sicher. Ihre Erkenntnisse über die persönlichen Verhältnisse des Angeschuldigten schaffen eine sichere Entscheidungsbasis für eine schuldangemessene Strafe.

Außerdem ist es oft die Gerichtshilfe, die einen Täter-OpferAusgleich anstrebt. Der Ausgleich zwischen Täter und Opfer ist für beide die beste Art, die Folgen einer Straftat zu erkennen und zu beseitigen. Diese aktive Art der Konfliktlösung erlaubt den Geschädigten, ihre Rolle als Opfer umzukehren und eine aktive Position einzunehmen. Täter oder Täterin hingegen setzen sich ganz konkret mit ihrer Tat auseinander und müssen ebenfalls aktiv in eine Wiedergutmachung einsteigen. Das hinterlässt einen weit nachhaltigeren Eindruck, als es eine passiv erduldete Strafe alleine könnte.

Den Täter-Opfer-Ausgleich wollen wir, müssen wir in Rheinland-Pfalz weiter verstärken. Hierzu braucht es den Einsatz der Staatsanwaltschaften und eine starke Stellung der bei ihnen angesiedelten Gerichtshilfe, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ebenso wichtig ist uns auch eine wirksame und gut aufgestellte Bewährungshilfe. Ihr kollegiales und hierarchiefreies Sprechermodell ist einzigartig. Die Bewährungshelferinnen und -helfer wollen es beibehalten. Wir haben diesen Wunsch immer unterstützt und begrüßen es sehr, dass dem nun entsprochen wird.

In Bezug auf die jeweiligen Sprecher würden wir uns jedoch noch vorstellen können, dass eine Pensenentlastung ohne zwingendes Beauftragtenmodell möglich sein kann.

Die Bewährungshilfe nimmt sehr individuell den Menschen

in den Blick, der da jeweils vor ihr steht. Die Probanden haben so unterschiedliche Probleme, Hilfsanfragen und Unterstützungsbedarfe wie Menschen eben unterschiedlich sind. Dieser Differenziertheit kann man nur begegnen mit einem offenen Blick und großer fachlicher und persönlicher Kompetenz. Diese Kompetenz kann durch ein Computerraster nicht ersetzt werden.

Unsere EDV muss weiterentwickelt werden. Daten müssen effizient erhoben, sicher gespeichert, schnell und rechtssicher übermittelt werden können. Sie ersetzen aber nicht den menschlichen Blick. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, dies künftig im Blick zu behalten.

Herr Justizminister, zum Schluss erlauben Sie mir noch eine Bitte. 2012 wurden von Ihrem Haus umfangreiche Fragebögen an alle in den ambulanten Sozialen Diensten der Justiz Arbeitende versandt. Diese Bögen wurden mit großem Einsatz ausgefüllt und mit dem Willen, Schwierigkeiten durchaus nicht aus dem Weg zu gehen. Alle möchten für die Zukunft etwas bewegen.

Je nach Dienst wurden 50 bzw. bis an die 200 Fragen gestellt und beantwortet. Diese Antworten enthielten zum Teil sehr konkrete Problemstellungen und Verbesserungsbedarfe. Ein herzlicher Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bewährungshilfe, Gerichtshilfe und Führungsaufsicht für diesen großen Einsatz.

Ich würde mich freuen, wenn diese Vorschläge in Ihrem Haus aufmerksam gelesen und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft würden; denn niemand kennt die Sozialen Dienste der Justiz so gut wie die, die darin arbeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit unserem gemeinsamen Antrag setzen wir einen vorläufigen Schlusspunkt. Nein, am Ende des Prozesses sind wir nicht. Herr Dr. Wilke, da stimme ich Ihnen zu. Strukturen und Rahmenbedingungen sind geklärt. Aber die Entwicklung muss weitergehen. Veränderte Rahmenbedingungen, Veränderungen in der Gesellschaft werden immer wieder Veränderungen in den Sozialen Diensten der Justiz erfordern.

Unser Antrag formuliert die Eckpunkte, unter denen diese weitere Entwicklung erfolgen soll. Es freut mich, dass wir uns über die Fraktionen hinweg über diese Eckpunkte einig sind und diesen Antrag gemeinsam beschließen können. Dass das durchaus nicht selbstverständlich ist, zeigen die Diskussionen, die wir heute in diesem Haus geführt haben. Es tut dem Umgang in diesem Parlament gut, und es tut auch der Sache gut.

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Zustimmung zum Antrag und für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Staatsminister Professor Dr. Robbers das Wort.

Prof. Dr. Gerhard Robbers, Minister der Justiz und für

Verbraucherschutz:

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es war im November vergangenen Jahres, dass ich Ihnen unser Reformvorhaben erstmals habe vorstellen dürfen. Damals habe ich Ihnen weitere Schritte zugesagt.

Diese weiteren Schritte haben wir mit dem Landeskonzept zum Übergangsmanagement und mit dem Konzept zur Neuorganisation der Führungsaufsicht nunmehr eingeleitet. Ich kann insoweit Vollzug melden.

Die von uns eingesetzten Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit inzwischen abgeschlossen. Es hat bestes Einvernehmen geherrscht. Für diese Arbeit danke ich allen Beteiligten aus vollem Herzen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke, dass Sie diesen Dank unterstützen.

Selbstverständlich haben wir alle Fragebögen gelesen, ausgewertet und eingebracht in diesen Reformprozess. Das Reformvorhaben ist damit einen wesentlichen Schritt vorangekommen. Ich freue mich sehr, dass der Landtag mit dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen unsere Vorhaben begleitet. Damit wird der Bedeutung der Resozialisierung von Straffälligen und der Arbeit der Sozialen Dienste Ausdruck verliehen.

Lassen Sie mich Ihnen die Fortentwicklung unserer Arbeit kurz erläutern. Die Verbesserung des Übergangsmanagements war ein zentrales Anliegen der Koalition zum Bereich der Sozialen Dienste. Ich bin überzeugt, dass wir mit den Vorschlägen der Arbeitsgruppe diesem Anliegen gerecht werden.

Mit dem neuen Konzept wird auf der Grundlage des Landesjustizvollzugsgesetzes landesweit einheitlich die Zusammenarbeit der Beteiligten im Vollzug und außerhalb des Vollzugs, hier insbesondere mit der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht, geregelt. Es werden klare Vorgaben geschaffen, was wann und zu welchem Zeitpunkt verbindlich zu geschehen hat.

Erstmals wird die Einbeziehung der Bewährungshilfe zu einem frühen Zeitpunkt vorgesehen, das heißt noch während der Vollstreckung des Strafvollzugs der künftigen Probanden und damit vor Erlass eines gerichtlichen Unterstellungsbeschlusses. Aus diesem Grund waren auch neue Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit der Bewährungshilfe für den Zeitraum vor der Bewährungsunterstellung zu entwickeln.

Ich denke, hier hat die Arbeitsgruppe kluge Lösungen gefunden. In keinem Fall wird, sei es vor der Entlassung, sei es nach der Entlassung, aus Gründen einer fehlenden Zuständigkeit fortan jemand durch das Raster fallen.

Wichtig ist uns auch die persönliche Einbeziehung der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer in die Vollzugsplanung. Dies haben wir unter Zugrundelegung des Deliktkatalogs aus dem Visierkonzept mit unterschiedlichen Beteiligungsabstufungen gelöst.

Das Konzept sieht für die Gefangenen auch Hilfen für das konkrete Entlassungsmanagement vor. Wir führen einen neuen Dokumentenordner ein. Bundesweit einmalig und bundesweit erstmalig ist diese Einführung. Die Gefangenen erhalten ein Heft und eine Begleitübersicht für ihre persönlichen Dokumente und für die im Laufe der Haft erworbenen Zertifikate.

Ein großes Problem vieler Gefangener ist gerade, dass sie keinen Überblick über ihre persönlichen Dokumente haben. Die Dokumentenmappe soll langfristig Abhilfe schaffen. Nach der Entlassung kann das Heft mitgenommen werden. Bewährungshilfe und andere Ämter haben Einblick, damit dort auf einen Blick erfasst werden kann, was bisher erreicht worden ist und was noch zu veranlassen sein wird. Das hilft ganz allgemein beim weiteren Lebenslauf; das hilft bei Bewerbungen; das hilft bei Gängen zum Amt; das hilft bei der Arbeit und im Privatleben.

Das Landeskonzept zum Übergangsmanagement ist auf breiter Ebene mit den Vollzugsanstalten und Gerichten erörtert worden. Es ist mit den Beteiligten abgestimmt worden. Es ist auf große Zustimmung gestoßen. Es setzt neue Maßstäbe.

Einen weiteren Reformschwerpunkt bildet die Neuorganisation der Führungsaufsichtsstellen. Wir wollen ihre Zahl von bisher acht auf vier reduzieren. Sie werden an die Landgerichte Frankenthal, Koblenz, Mainz und Trier angegliedert sein.

Neu ist auch, dass wir in den Führungsaufsichtsstellen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter einsetzen. Sie werden solche Aufgaben wahrnehmen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen der Aufsichtsstelle als solcher und damit nicht explizit dem Leiter zugeschrieben sind. Die Leiterinnen und Leiter der Stellen werden also durch die Neuorganisation von einem Teil der bisherigen Aufgaben entlastet. Wir sehen in dieser Neuregelung auch einen Zuwachs an sozialarbeiterischer Kompetenz in den Führungsaufsichtsstellen, der mit dem Aufgabenkatalog und der Bedeutung der Stellen korrespondiert.

Der Schwerpunkt der Arbeit der Führungsaufsichtsstellen liegt darin, das Verhalten der verurteilten Personen zu überwachen, insbesondere, ob die von der Strafvollstreckungskammer auferlegten Weisungen eingehalten werden. Der gesetzliche Auftrag der Führungsaufsichtsstellen liegt aber auch darin, den unterstellten Personen Betreuung und Hilfe zukommen zu lassen. Hierzu gehört auch die Beratung der vom Gericht im Rahmen der Führungsaufsicht ebenfalls bestellten Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers über notwendige Maßnahmen. Die Bewährungshilfe erfährt damit ebenfalls eine Unterstützung und wird professionell gestärkt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden zügig die Umorganisation bei den Gerichten umsetzen, wir werden zügig die notwendigen verwaltungsrechtlichen Vorgaben schaffen, und wir werden die Zusammenarbeit von Justizvollzug und den ambulanten Diensten der Justiz datenschutzrechtlich auf eine gesetzliche Grundlage stellen.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, wie es sich für so gewichtige Neukonzeptionen gehört, haben wir uns vorgenommen, beide Konzeptionen relativ bald nach ihrer Einführung zu evaluieren. Wir gehen davon aus, dass wir dies bereits nach einem Jahr vornehmen werden, damit wir neue Anforderungen rechtzeitig erkennen und ihnen nicht nur entgegenwirken können, sondern wir rechnen damit, dass wir weitere Verbesserungen aufnehmen können und sie dann alsbald einbringen werden.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ganz wichtig ist, die gesamte umfassende Reform stärkt die Sicherheit der Bevölkerung. Resozialisierung ist menschlich, sie ist richtig, sie eröffnet Lebenschancen, und sie macht unser Land noch sicherer.

Ich bin mir sicher, dass wir mit diesen Konzepten einen guten Weg beschreiten und dass die Justiz in RheinlandPfalz damit nach vorne gebracht wird.