Protocol of the Session on March 19, 2015

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Bürgerinnen und Bürger aus dem Kreis Kusel. Herzlich willkommen hier im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Neuhof.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein individuelles selbstbestimmtes Leben bedeutet für mich auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Nur so hat der Satz, der Tod gehört zum Leben, für mich wirklich Bestand und Bedeutung.

Ich habe mit vielen Menschen im Vorfeld der heutigen Debatte zu diesem Thema gesprochen. Sie haben mich natürlich gefragt, was ich denn sagen werde. Ich habe ihnen gesagt, dass ich äußern werde, dass ich selbst bestimmen will, wie ich leben und wie und wann ich sterben möchte, und dass ich in den verschiedensten Situationen des Lebens genau diese wirkliche Entscheidungsfreiheit haben möchte.

Es hat bei vielen Menschen Erleichterung ob dieser Aussage gegeben. Es hat bei vielen Menschen auch

Einschränkungen gegeben, sei es religiöser oder sonstiger Art.

Wir haben in Deutschland gute gesetzliche Bedingungen. Ich nenne die Patientenverfügung, in der ich regeln und erklären kann, wie mit mir verfahren werden soll, wenn ich selbst nicht mehr meinen eigenen Willen kundtun kann.

Wir haben Gott sei Dank den straffreien Suizid und die straffreie Beihilfe zum Suizid. Das muss auch so bleiben. Das ist ganz wichtig.

Ich habe in meiner Patientenverfügung prophylaktisch geregelt, dass ich für mich das Recht der aktiven Sterbehilfe reklamiere, sofern es den rechtlichen Rahmen gibt; denn ich möchte niemanden in eine illegale Situation bringen.

Es ist – das möchte weiter ausführen – meine wirkliche Selbstbestimmtheit, die für mich ein Menschenrecht ist, legal nicht lebbar, heute in Situationen, in denen eindeutig der Wille besteht, das Leben zu beenden, dies aber aus eigener Kraft nicht mehr möglich ist. Das heißt, es muss nicht unbedingt der letale Ausgang einer Krankheit bevorstehen, oder aber die körperliche Eingeschränktheit macht das eigene Handeln unmöglich.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist es für mich unwürdig, zum Sterben in ein anderes Land fahren zu müssen. Es ist für mich unwürdig, mögliche kommerzielle Interessen erfüllen zu müssen. Es ist für mich unwürdig, Menschen um eine Hilfe zu bitten, die sie in eine illegale Situation bringt. Meine Würde ist individuell.

Mir ist auch bewusst vor diesem Hintergrund, wenn ich von aktiver Sterbehilfe rede, dass es sehr enger Bestimmungen bedarf. Mir ist sehr deutlich bewusst, dass eine solche Situation und mögliche Entscheidungen in Deutschland auf einem sehr hohen ethischen und geschichtsbezogenem Niveau geführt werden müssen. Für mich ist es wichtig, dass jegliche Kommerzialisierung und Werbung ausgeschlossen wird. Aber es zählt auch die ernsthafte Willensbekundung. Für diese wünsche ich mir einen gesetzlichen Rahmen.

Ich möchte auch Rechtssicherheit für Ärzte oder andere Personen, die letztendlich diese Assistenz erfüllen würden.

Ich weiß auch, ich habe hier die Lösung nicht. Ich weiß auch, es wird eine sehr lange Diskussion werden. Es ist wichtig, dass wir diese Diskussion führen und die Themen Sterben und Tod nicht mehr als Tabuthemen behandeln, sondern tatsächlich – vielleicht auch durch unser Vorbild heute – möglich machen, dass sie im öffentlichen Raum ernsthaft geführt wird.

Ich gehe mit allen Rednerinnen und Rednern zusammen, die eine intensive palliativmedizinische Betreuung fordern, klinisch und ambulant. Wirksame Schmerztherapie, selbstverständlich. Qualitativ hochwertige psychosoziale Versorgung, selbstverständlich. Das ist auch nicht im Widerspruch zu meiner persönlichen Meinung zu sehen. Ich denke, alle Hilfs- und Erleichterungsange

bote, die Begleitungsangebote und die Fürsorge müssen unabhängig von den Kosten für jeden selbstverständlich garantiert werden.

Ich hoffe, dass die Selbstbestimmtheit ein unveräußerliches Gut ist und dass auch für eine ausgeprägte Selbstbestimmtheit humane und freie Wege eröffnet werden können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Ich erteile Frau Kollegin Scharfenberger das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele Menschen wollen sich nicht mit dem Tod beschäftigen, obwohl wir doch wissen, dass es jeden von uns trifft. Wenn man sich allerdings mit dem Thema beschäftigt, dann wünschen sich doch die meisten einen schönen Tod. Man legt sich am Ende eines langen und gesunden, glücklichen und erfüllten Lebensabends ins Bett, schläft ein und wacht nie wieder auf. Ein sanftes Einschlafen, ein müheloses Hinübergleiten in eine andere Welt, und dies am liebsten zu Hause in der gewohnten Umgebung. Das ist das, was wir uns sicherlich alle wünschen. Doch die Realität sieht leider anders aus.

Etwa die Hälfte der Deutschen stirbt heute in Krankenhäusern oder in Pflegeheimen, oftmals alleine und leidend. Gerade solchen Szenarien – allein auf meist unpersönliche Hilfe angewiesen, mit Schmerzen dahinsiechend – macht den Menschen Angst. Diese Angst müssen wir den Menschen nehmen.

Hier sehe ich eine immer wichtiger werdende Aufgabe der Palliativmedizin und der Palliativpflege; denn wenn ein Patient schon nicht mehr zu heilen ist, sollte ihm doch wenigstens ein Leben in Würde und ohne zu große Belastungen ermöglicht werden.

Auch diese letzte Phase des Lebens ist geprägt von physischen und psychischen Bedürfnissen. Neben rein pflegerischen Maßnahmen wie der Optimierung von Lagerung, Umgebungstemperatur oder das Stillen von Hunger, Durst und Schmerzen spielen auch Faktoren wie Angst, Unruhe, Gesprächsbedarf oder auch der Wunsch nach Zuneigung und körperlicher Nähe eine Rolle.

Gute und ausreichende Sterbebegleitung, wenn möglich im familiären Rahmen oder in Einrichtungen mit entsprechend ausgebildetem Fachpersonal, ist daher unbedingt auszuweiten. Gerade in unseren Hospizeinrichtungen oder im Rahmen der ambulanten Hospiz- und Palliativteams wird bereits jetzt schon – unterstützt von vielen Ehrenamtlichen – eine hervorragende Arbeit geleistet. Diese Angebote müssen wir unbedingt ausweiten.

Wenn wir dies tun, bin ich der festen Überzeugung, dass viele Sterbende diese letzte Phase ihres Lebens auch annehmen werden. Allerdings müssen wir uns auch mit den Situationen beschäftigen, wenn das Leiden unerträglich wird und die Lebensmotivation überdeckt und somit das Leben nicht mehr lebenswert ist, wenn es der innigste Wunsch eines Sterbenden ist, ein elendes Dahinsiechen beenden zu wollen, wenn Menschen wohlüberlegt den Tod dem Leben vorziehen. Dies ist eine ganz persönliche Wahrnehmung. Das kann niemand von uns von außen bestimmen.

Die Würde und die Selbstbestimmung werden durch das Grundgesetz garantiert. Das betrifft eben nicht nur das Leben, sondern vor allen Dingen auch den Tod. So, wie ich als mündiger Mensch ein originäres Menschenrecht auf ein selbstbestimmtes Leben habe, so habe ich auch ein originäres Recht auf ein selbstbestimmtes, humanes und schmerzfreies Sterben. Dazu bedarf es intensiver Beratung und letztendlich auch Menschen, die dem Sterbenden zur Seite stehen. Dies darf aber auf keinen Fall gewerblich und damit gewinnorientiert passieren; denn dies würde wiederum gegen die Menschenwürde verstoßen.

Aus diesem Grund muss gerade für Ärzte, die einen Patienten auf dessen Wunsch hin bei einem Suizid begleiten, eine strafrechtliche Sicherheit bestehen. So gilt es hier, eine gesetzliche Neuregelung unter Einbeziehung der bisherigen richterlichen Entscheidungen zu finden. Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung, um zu vermeiden, dass Menschen ins Ausland gehen, um zu sterben.

Ich habe bei meinen Recherchen folgende Aussagen einer Tochter gefunden, die ich mit Erlaubnis der Präsidentin gerne vorlesen möchte: „Für meinen Vater war die Möglichkeit, Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können, ein emotionaler Anker. Zu wissen, dass er diese letzte Entscheidung selbst treffen konnte, stärkte seinen Lebensmut. Er wäre andernfalls viel früher innerlich zusammengefallen. Diese Möglichkeit war allerdings von der Fähigkeit abhängig, die Reise in die Schweiz antreten zu können, was ein Minimum an körperlicher Selbstständigkeit voraussetzte. Der nächste Schub der Krankheit würde ihm diese vermutlich nehmen. Wollte er die Gelegenheit ergreifen, musste er bald handeln. Das aber heißt: Wäre Sterbehilfe in Deutschland möglich gewesen, hätte mein Vater den nächsten Sommer vermutlich noch erlebt.“ Ich denke, das spricht sehr für sich.

Wenn also diese schwere Entscheidung einmal gefallen ist – kein Mensch scheidet leichtfertig aus dem Leben –, dann müssen wir alles daransetzen, ein humanes Sterben in vertrauter Umgebung zu ermöglichen.

(Beifall im Hause)

Wir begrüßen Gäste bei uns im Landtag, Mitglieder der Schüler Union Mainz. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Dickes.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gesetze werden gerade in solch elementaren Fragen immer nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Egal welche Position der Einzelne im Bundestag vertreten wird, er wird es sich nicht leicht gemacht und versucht haben, die Folgen abzuschätzen.

Keiner der vorgelegten Entwürfe im Bundestag will Sterbehilfe zum Regelfall machen. Aber es wird diskutiert, wie weit der Spalt sein darf, um bei schwerem Leiden im Einzelfall die Tür zu öffnen. Bei der Frage, ob wir grundsätzlich ärztlich assistieren Suizid und organisierte Sterbehilfevereine zulassen wollen, habe ich sehr große Bedenken; denn wenn wir Türen öffnen, werden wir nicht verhindern können, dass der Spalt immer größer wird und die Schwelle immer öfter überschritten wird.

In welche Konflikte stürzen wir Ärzte, wenn sich bei extrem leidenden Menschen das Gefühl festsetzt, vom Arzt Assistenz beim Suizid erwarten zu können?

Ich hatte hierzu vergangene Woche ein sehr intensives Gespräch mit einem Bekannten aus den Niederlanden zu diesen Fragen. Wir haben nicht über die Frage der aktiven Sterbehilfe diskutiert. Darüber reden wir zum Glück nicht. Aber es ging um die Frage von Selbstverständlichkeiten. Sterbehilfe ist in den Niederlanden vom Einzelfall zu etwas Selbstverständlichem geworden, etwas, was man automatisch in seine Überlegungen mit einbezieht, das bei dem einen oder anderen zu dem Konflikt führt, aus Rücksicht auf andere schneller gehen zu müssen.

Auch in den Niederlanden hat man sich bei der Gesetzgebung viele Gedanken gemacht. Aber Gesetze entwickeln nun mal auch eine Sogwirkung.

Bei der Verabschiedung des dortigen Gesetzes ging es ausschließlich um Menschen, die unsägliches Leid erdulden müssen, z. B. im Endstadium einer Krebserkrankung. Von Demenz und psychischen Erkrankungen war damals überhaupt nicht die Rede. Aber in der Realität sieht es so aus, dass die Sterbehilfe bei psychisch Kranken immer weiter zunimmt. Meine Kollegin Hedi Thelen hat es eben ausgeführt, dass im Jahr 2013 über 100 Demenzkranke Sterbehilfe in Anspruch genommen haben. In Anspruch genommen heißt, andere haben entschieden. Ärzte mussten auf Wunsch von Angehörigen zu Herrschern über Leben und Tod werden. Wir müssen uns wirklich Gedanken machen, in welche Konflikte wir vor allem Ärzte dabei stellen.

Die Tür, die hier einmal geöffnet wurde, ist immer weiter auf gegangen. Das wollte zu Beginn keiner. Aber die Entwicklung ging nun mal vom Einzelfall zum Normalfall.

Wir haben das auch hier in Deutschland erlebt bei der Frage des Lebensschutzes von Ungeborenen. Es ging seinerzeit bei dem Thema Abtreibung um Straffreiheit und enge Grenzen, um Indikationen. Heute stellen wir die Frage nach der Indikation nicht mehr, sondern stel

len es in die persönliche Entscheidungsgewalt von Eltern, ob ein Ungeborenes leben darf oder nicht. Wir wissen alle sehr wohl, dass damit ein enormer Druck auf Eltern gewachsen ist.

Hat ein Kind eine Behinderung, dann wird heute ganz automatisch davon ausgegangen, dass es zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt.

Es wurde eben schon von meiner Kollegin, Frau Beilstein, Professor Weber zitiert: Dann darfst du auch nicht klagen. – Ich erlebe auch aus persönlichen Gesprächen diesen Satz, dass Eltern ihn hören müssen, wenn sie sich dafür entscheiden, ein behindertes Kind auszutragen und zur Welt zu bringen. Das ist keine Wertung. Das ist eine Feststellung. Ich möchte diese Tür am Ende des Lebens nicht öffnen.

Wenn Menschen aufgrund einer für sie unerträglichen Situation ihr Leben beenden möchten und dafür Unterstützung suchen, finden sie diese Unterstützung. Aber ein rechtliches Öffnen zum ärztlich assistierten Suizid macht dieses zu einer Option unter vielen und wird Menschen dem Konflikt aussetzen, aus Rücksicht auf Angehörige und vielleicht mit Blick auf eine Entwicklung dieser Gesellschaft, in der immer mehr ältere Menschen sind, schnell zu gehen. Deshalb spreche ich mich hier dafür aus, keine Tür zu öffnen und an der bisherigen Rechtslage nichts zu ändern.

(Beifall im Hause)