Vor vier Jahren auf dem Bundesärztetag in Kiel haben die Ärzte – unsere gesamte Berufsgruppe, ihre Vertreter und Delegierten – ein generelles Verbot beschlossen, Hilfe zum Freitod zu leisten. Ob Ärzte bei einem Verstoß ihre Approbation verlieren, ist von Bundesland zu Bundesland anders geregelt. Meines Wissens gibt es in Rheinland-Pfalz keine entsprechende Regelung, aber es ist zukünftig wichtig, dass neben der Beseitigung der noch vorhandenen weißen Flecken – dabei ist gerade die spezialisierte ambulante palliativmedizinische Versorgung unser aller Anliegen – auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte und auch der Studenten angeboten wird. Dabei müssen wir einen besonderen Fokus auf die Hausärzte und die Allgemeinärzte legen, die man dabei nicht im Regen stehen lassen darf; denn dies ist ein spezielles Segment, in dem man speziell weitergebildet werden muss.
Was heißt das konkret? – Dies umfasst nicht nur den Umgang mit dem sterbenden Menschen als solchem, sondern auch konkret zu werden, ihm durch geeignete
Medikamente zu helfen. Diesbezüglich haben wir einen großen Fortbildungsbedarf. Es gibt viele Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund mangelnder Erfahrung „Angst“ haben, mit Medikamenten nach dem Betäubungsmittelgesetz umzugehen. Dort muss der Fokus ansetzen, in diesem Bereich mehr Fort- und Weiterbildung anzubieten. Wir haben es einmal Ende der 70er-Jahre erlebt, als ein Schmerzmittel plötzlich als Betäubungsmittel kategorisiert wurde, und von heute auf morgen gingen die Verschreibungen des Medikaments drastisch zurück.
Ich darf abschließend sagen, dass ich als evangelischer Christ ausdrücklich das aktuelle Papier des Zentralrates der Katholiken unterstütze, das zusammengefasst dargestellt werden kann mit den Worten: Ja zur palliativen Begleitung, aber Nein zur Sterbehilfe.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. – So bestimmt es Artikel 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes.
Die Bioethikkommission Rheinland-Pfalz hat sich mit Sterbehilfe und Sterbebegleitung befasst. Ihre erste These beschäftigt sich mit der Selbstbestimmung auch am Lebensende und stellt fest: Die Würde des Menschen umfasst auch die Entscheidung über das eigene Sterben und über lebenserhaltende Eingriffe. Sie schließt die fremdbestimmte Erhaltung oder Verlängerung des Lebens aus, so die Bioethikkommission.
Dieser Äußerung schließe ich mich an, meine Damen und Herren. Menschen, die sich bewusst für ein Ende ihres Lebens entscheiden, treffen damit einen Entschluss, den es zu respektieren gilt. Unsere Rechtsordnung entspricht dem, indem sie die Selbsttötung nicht unter Strafe stellt. Konsequenterweise ist auch nicht strafbar, wer Beihilfe zu einem Suizid leistet. Bei dieser Rechtslage soll es auch bleiben. Das gilt für Angehörige ebenso wie für die behandelnden Ärzte, und es muss auch für Vereine gelten. Es gibt keinen sachlichen Grund, hier zu differenzieren.
Die strafrechtliche Frage ist aber nur eine Facette in der Diskussion. Sie darf nicht davon ablenken, dass wir eigentlich eine Debatte über Werte führen: Auf der einen Seite steht die freie Entscheidung, die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht der Einzelnen, und es besteht die Pflicht des Staates, Menschen in ihrem Leben zu schützen und zu begleiten.
Menschen in verzweifelten Lebenssituationen, Menschen in Kummer und Angst genauso wie in Krankheit oder mit unerträglichen Schmerzen brauchen zuallererst einmal unsere Unterstützung. Dabei betone ich aus
drücklich, es geht nicht nur um Menschen im Alter oder mit unheilbaren Leiden, es geht eben auch um junge Menschen, um Menschen in verzweifelten Lebenssituationen. Sie alle brauchen Beratungsangebote und auch eine gute ärztliche und pflegerische Betreuung. Die bessere personelle Ausstattung von Senioren- und Pflegeheimen ist dabei ein wichtiger Baustein, ebenso die wissenschaftliche Fundierung dieser Pflege.
Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die erste und bislang einzige Pflegewissenschaftliche Fakultät an der PTHV in Vallendar. Diese Forschung kann uns in Pflege und Begleitung der Menschen weiterbringen.
Die Palliativmedizin muss dringend ausgeweitet werden ebenso wie die Einrichtung von Hospizen. Wir müssen aber sicherstellen, dass Menschen sich nicht zu der Entscheidung gedrängt fühlen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Menschen wollen möglichst niemandem zur Last fallen, auch nicht in ihrem letzten Lebensabschnitt. Wer sich überflüssig fühlt und als Belastung für andere empfindet, kann sich zu einer Entscheidung genötigt fühlen, die er eigentlich selbst gar nicht will. Unterstützung und Pflege dürfen solche Gedanken nicht aufkommen lassen. Wir müssen die Pflegeeinrichtungen deshalb so ausstatten, dass für jeden Einzelnen genug Zeit für Pflege, für Respekt und für freundliche Zuwendung bleibt.
Wenn aber trotz der besten Rahmenbedingungen die Entscheidung zum Sterben wächst, dann müssen die Betroffenen auch Beratung und Hilfe finden können. Deshalb muss die Beihilfe zum Selbstmord straffrei bleiben, und zwar nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Vereine; aber wir müssen in diesem Bereich klare und enge Rahmenbedingungen setzen. Wirtschaftliche Zwecke können wir nicht tolerieren, auch keine Werbung. Aber nichtkommerzielle Beratung in engen gesetzlichen Grenzen und – ja, auch die Beihilfe zum Selbstmord – sollen erlaubt bleiben.
Jährlich suchen ungefähr 100 Menschen aus Deutschland die Schweiz auf, um dort sterben zu dürfen. Wer diesen schwerwiegenden Entschluss gefasst hat, wer dies selbstbestimmt und in vollem Bewusstsein der Tragweite seiner Entscheidung tut, meine Damen und Herren, der sollte nicht auch noch den Strapazen einer Reise in die Schweiz ausgesetzt werden, um dort in unvertrauter Umgebung zu sterben.
Wir müssen alles tun, um Menschen das Leben und das Leiden erträglich zu machen. Wenn sie sich aber dennoch für den Freitod entscheiden, muss das auch hier bei uns möglich sein. Der Staat ist verpflichtet, die Würde des Menschen zu achten. Dies umfasst Leben und auch Sterben in Würde. Deshalb müssen Beratungsangebote und Pflegebedingungen verbessert werden, Palliativmedizin und Hospizplätze ausgeweitet werden. Der Grundsatz der Menschenwürde bedeutet aber auch, dass ein selbstbestimmt und verantwortlich gefasster Entschluss zum Sterben ebenso Beachtung finden muss. Selbsttötung und die Beihilfe dazu sind in Deutschland nicht strafbar, und dabei sollte es bleiben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Es ist gut und wichtig, dass wir heute die Diskussion und diese Debatte um das Sterben miteinander thematisieren. Lassen Sie mich an der Stelle festhalten: Sterben ist keine Krankheit und keine Diagnose. Sterben gehört zum Leben. Die Trauerarbeit und die Begleitung des Menschen, der stirbt, aber auch seiner Familie, gehören unmittelbar dazu.
Ich komme aus einem kleinen Dorf, ich bin Krankenschwester. Bevor ich 2006 in den Landtag gekommen bin, habe ich fast 20 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet und manches Sterben erleben dürfen und müssen, und zwar sowohl als auch.
In unseren Dörfern war es noch bis vor Kurzem wirklich Brauch, dem Menschen, der stirbt, einen Besuch abzustatten. Das ist Nächstenliebe, es ist Fürsorge, es ist die Wertschätzung, es ist ein letztes Gespräch. Und danach? Oftmals der Besuch im Trauerhaus. Auch das ist etwas, was heute vielleicht ehrenamtlich gemacht wird, aber was unbedingt dazugehört.
Es ist ein großes Glück, alt zu werden. Es ist ein Glück, das wir zu schätzen wissen. Wir wissen aber auch, dass mit 25 % Krebserkrankungen oftmals ein wirkliches Leiden einhergeht. Davor haben die Menschen große Angst, eine natürliche Angst vor dem Sterben. Es ist die Angst, die die Menschen umtreibt, vor Schmerz, vor Siechtum. Und es ist die Angst, den anderen zur Last zu fallen, die Angst, nicht selbstbestimmt zu sein.
Meine Damen und Herren, die Hochleistungsmedizin hat unglaublich viel geleistet, um zum Beispiel Schmerzen zu mindern, zu reduzieren. Aber diese Hochleistungsmedizin ist heute auch in der Lage, dass man in Ruhe sterben kann.
Ich schließe mich der Fortführung unserer guten Strategie an, weiter Hospize, Palliativabteilungen und Netzwerke auszubauen. Unsere Pflegestützpunkte leisten eine gute und beratende Arbeit. Aber palliativ meine ich wirklich im Sinne von Fürsorge und Schützen vor Schmerz und Pein. Das Hospiz und das Ehrenamt ersetzen an vielen Stellen das, was früher die Familie und die dörfliche Gemeinschaft waren. Unser Ziel muss es sein, den Sterbenden nicht allein zu lassen. Das entscheidet oftmals das Wie des Sterbens. Für mich ist es eine soziale Kernaufgabe der Zukunft.
Meine Damen und Herren, fast alle Sterbenden bedauern am Lebensende, wie ich erlebt habe – das darf ich so aus meinen Eindrücken sagen –, nicht genug Zeit gehabt zu haben für Freunde, für Kinder, für das, was ihnen wirklich wichtig war. Kaum jemand findet Ruhe und Geborgenheit ohne die letzte seelische Zuwendung.
Neben allen medizinischen Möglichkeiten bin ich der Meinung, dass wir genau das unserer Elterngeneration und den Schwerstkranken jeden Alters wirklich schuldig sind.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zur Letztverlässlichkeit dann, wenn es wirklich kein Zurück und keine Alternative mehr gibt, gehört es für mich auch unbedingt, den freien Willen des Sterbenden zu akzeptieren, um ihn dann in Würde gehen zu lassen.
Die meisten Menschen, die ich erlebt habe, halten, sobald sie schmerzfrei und umsorgt sind, am Leben die letzten Stunden und Tage – man weiß oft nicht, wie lange – fest, ein letztes Lachen, ein letzter Besuch eines lieben Menschen, vielleicht die Hand halten, das Auskosten bis zur letzten Stunde. Es gehört meiner Meinung nach unbedingt in die Hände der Ärzte, und zwar derer, die es wollen. Diese brauchen Rechtssicherheit.
Ich schließe mich an, ein Verbot jedweder gewerblicher vereinsmäßiger Sterbehilfe ist für mich unabdingbar. Meine Damen und Herren, ein Werbeverbot gehört absolut dazu.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, lassen Sie es uns als gemeinsame Aufgabe einer humanen Gesellschaft erleben, der besondere Wert des älteren, des kranken, des behinderten Menschen, so würde ich es mir wünschen, Sterben als die letzte Begleitung, und dann loslassen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! 7.000 Euro für den schnellen Tod. – Das war die Überschrift über einem Artikel in der „RHEINPFALZ“ im Februar 2014. Im Weiteren stellt der Autor dar, wie der Verein Sterbehilfe Deutschland aus der Nähe von Hamburg seine Mitgliedschaften gestaltet.
Da gibt es vier Klassen. Eine Klasse wird M genannt für 50 Euro jährlich, für die man aber nur eine Beratung zum Thema Patientenverfügung erhält.
Dann gibt es eine Klasse V, 200 Euro jährlich, mit dem vollen Angebot inklusive Suizidbegleitung, aber eine Wartezeit dafür von drei Jahren.
Dann gibt es eine Klasse L, 2.000 Euro einmalig, nur ein Jahr Wartezeit. Sozusagen gibt es dann als Premiumangebot 7.000 Euro einmalig, und dafür Sofortzugang zu allen Angeboten.
Sie, verehrte Damen und Herren, glauben, dass das nicht sein kann? Doch. Auf der Homepage des Vereins
Ich frage: Welches Menschenbild, welche Kaltschnäuzigkeit, welche Menschenverachtung stehen hinter einem solchen Mitgliedschafts- und Beitragsmodell?
Zu Recht sind wir, glaube ich, hoffentlich, hier im Landtag im allgemeinen Konsens, dass die Menschenwürde von Menschen in existenzieller Not mit Füßen getreten wird und gesetzgeberischer Handlungsbedarf nachhaltig gegeben ist.
Wir erinnern uns, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger in der letzten Wahlperiode des Bundestages schon einen Versuch unternommen hat, der aber daran gescheitert ist, dass er gerade den Umtrieben solcher Vereine wie dem Verein Sterbehilfe nicht ernsthaft das Handwerk legen konnte, weil nur gewinnorientiertes Handeln unter Strafe gestellt werden sollte.
Meines Erachtens zutreffend scheint sich jetzt ein weitergehender rechtlicher Ansatz durchzusetzen. Jede organisierte Sterbehilfe, ob gewinnorientiert oder nicht, soll strafrechtlich verfolgt werden können.
Ja, Beihilfe zur Selbsttötung ist straflos – das wurde schon mehrfach angesprochen –, und dabei soll es auch bleiben. Sterben nach Fahrplan und Betriebsanleitung ist aber qualitativ etwas völlig anderes. Es stellt sich gerade in unserem Land mit seinen vielfältigen Bürden aus der Geschichte außerhalb der Werteordnung. Dagegen strafrechtlich vorzugehen, setzt ein wichtiges Zeichen für das Leben.
Gibt es im Übrigen noch weitergehenden Regelungsbedarf? Das Recht, im Speziellen das Strafrecht, schweigen bereits jetzt nicht zum Thema. Es gibt Straftatbestände wie Tötung auf Verlangen, unterlassene Hilfeleistung, und, was mir manchmal in der Betrachtung zu kurz kommt, es gibt eine Rechtsprechung, die schon seit vielen Jahren bemüht ist, diese Vorschriften mit Augenmaß anzuwenden und Grenzfällen gerecht zu werden, und sei es bei der Strafzumessung.
Gesetzgeberisch über das oben Gesagte hinaus muss also nur tätig werden, wer entweder alle Schleusen öffnen und aktive Sterbehilfe umfassend oder weitgehend legalisieren will, oder wer es verbieten will, wer jegliche Unterstützung in einer Grenzsituation, in der der autonome Mensch entscheidet, ich will aus dem Leben scheiden, verweigern will. Beides will ich nicht.
Die Argumente dafür haben verschiedene Vorrednerinnen und Vorredner genannt. Dem schließe ich mich an.
Aber könnte nicht die Grenze zwischen Strafwürdigkeit und Strafbarkeit präziser gefasst werden? Diese Frage höre ich oft. Ich bin skeptisch. Ich vertraue, wie ich schon sagte, auf die Rechtsprechung, und ich vertraue auf das ärztliche Berufsrecht, von dem ich allerdings auch erwarte, dass es Raum lässt für die verantwortete Sterbebegleitung. Beim Strafrecht scheint mir, so mein Fazit, abgesehen von der organisierten Sterbehilfe weniger mehr zu sein.
Ganz anders sehe ich den Bedarf beim Ausbau palliativer medizinischer Betreuung. Hierzu haben Vorrednerinnen und Vorredner, die dazu noch besser sprechen können, schon Ausführungen gemacht. Auch denen schließe ich mich an.