Protocol of the Session on December 18, 2014

die Landesregierung auffordern, sich für die kostenfreie Ausbildung der Physiotherapeuten einzusetzen.

(Zuruf der Abg. Frau Anklam-Trapp, SPD)

Diesen Appell an den jeweiligen Demografieminister – damals noch Herr Schweitzer, nun Frau BätzingLichtenthäler – kann ich nur unterstützen. Ich unterstütze das mit besonderem Nachdruck.

(Beifall der CDU)

Am 30. Juni, also drei Tage später, als bekannt war, dass wir eine Anfrage gestellt haben, hat die Landesregierung unsere Große Anfrage beantwortet. Interessant an dieser wirklich ausführlichen Antwort ist, dass Sie, Herr Schweitzer, keinen Mangel sahen, im Gegenteil, laut einer dpa-Meldung vom 11. Juli liege die Versorgung in Rheinland-Pfalz sogar über dem Durchschnitt. Na ja, die Arbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände auf Landesebene hat Sie am 30. Juli angeschrieben – ich habe eine Kopie dieses Schreibens erhalten – und Ihre Äußerungen in der Zeitschrift „FOCUS“, ebenfalls vom 11. Juli, in denen es um das gleiche Thema ging, dahin gehend kritisiert, dass Sie momentan keinen Fachkräftemangel sehen und sich dabei explizit auf die Physiotherapeuten beziehen. Ich habe den Artikel dabei, damit es keine Missverständnisse gibt.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner und Baldauf, CDU)

Herr Schweitzer, die Arbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände hat in diesem Brief, der an Sie gerichtet ist, Folgendes geschrieben:

Umso enttäuschter waren wir allerdings, als uns vonseiten Ihres Hauses deutlich signalisiert wurde, dass es schwierig sei, weiterhin konstruktiv und zeitnah in den entsprechenden Handlungsfeldern weiterzuarbeiten. –

(Beifall der CDU)

Ich bin gespannt, wie Ihre Nachfolgerin nun mit diesem Thema umgehen wird.

(Beifall der CDU – Frau Klöckner, CDU: Sehr gut! – Baldauf, CDU: Das kommt davon, wenn man Ver- merke unterzeichnet, ohne sie zu verstehen!)

Ich erteile nun Herrn Kollegen Dr. Dr. Schmidt von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Die Anforderungen an die Gesundheitsfachberufe sind in den letzten Jahren komplexer und vielfältiger geworden. Eine nachhaltige medizinische Versorgung kann in der heutigen Zeit wegen des demografischen Wandels, des medizinischen Fortschritts und der Komplexität der Aufgaben nur als eine Teamarbeit aller Akteure auf gleicher Augenhöhe erbracht werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um mit vorhandenen Ressourcen sinnvoll umzugehen – also auch hier die Bedeutung der Physiotherapie für uns.

Nicht zuletzt durch radikale Veränderungen in unserer Arbeitswelt ist die Bedeutung von Prävention und Physiotherapie stark gestiegen. Die Stärkung der eigenen gesundheitlichen Verantwortung Richtung Förderung der Selbstheilungskräfte ohne irgendwelche Nebenwirkungen muss im Vordergrund stehen. All das braucht unse

re heutige Arbeitswelt ebenso in der Bildung und im Alltag.

Ein wesentlicher Teil der medizinischen Versorgung wird durch Heilmittelerbringer wie Physiotherapeuten gewährleistet.

Das Thema Fachkräftesicherung ist gerade im Bereich der medizinischen Versorgung sehr bedeutend und ein zentraler Bestandteil der politischen Arbeit der Landesregierung auf diesem Gebiet. In Rheinland-Pfalz wurde nämlich bereits 2010 perspektivisch gehandelt und mit dem Landesprojekt Fachkräftesicherung für 18 Gesundheitsfachberufe mit dem Branchenmonitoring eine erste flächendeckende Arbeitsmarktanalyse durchgeführt.

Sehr geehrte Damen und Herren, nicht ohne Grund bezeichnet Dr. Pfadenhauer vom Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten das Land RheinlandPfalz als das fortschrittlichste im Bereich der medizinischen Versorgung. Darauf können wir stolz sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, in Rheinland-Pfalz gibt es 19 Physiotherapeutenschulen. Diese werden von Krankenhäusern oder privaten Trägern geführt. Die 13 Physiotherapieschulen in privater Trägerschaft finanzieren sich ausschließlich über Schulgeld.

Es ist für uns eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, ob manche Schülerinnen und Schüler durch das Schulgeld nicht wegen ihrer sozialen Herkunft daran gehindert werden, der Ausbildung zu ihrem eigenen Traumberuf nachzugehen. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Initiative der Landesregierung, diesbezüglich mit den Kassen, Krankenhäusern und Physiotherapeuten, ebenfalls Logopäden und Ergotherapeuten über die Abschaffung des Schulgeldes ins Gespräch zu kommen.

In Rheinland-Pfalz sind in den letzten Jahren keine Physiotherapeutenpraxen geschlossen worden. Im Gegenteil, ein wesentlicher Grund für die geringe Orientierung zur Aufnahme einer Ausbildung in der Physiotherapie ist das niedrige Einstiegsgehalt nach bestandener Prüfung. Wir unterstützen deshalb die Forderung der Physiotherapeutenverbände nach einer angemessenen und leistungsgerechten Vergütung.

In Zukunft wird auf allen politischen Ebenen die hohe Kunst sein, wie intelligent wir mit den bestehenden Ressourcen sowohl materiell als auch personell umgehen. Im Bereich von Heilmittelerbringung müssen wir gute und attraktive Arbeitsbedingungen schaffen, wodurch sich auch die Kolleginnen und Kollegen selbstständig finanzieren und weiterbilden können.

2014 erhielten die Physiotherapeuten einen Sitz im gemeinsamen Landesausschuss in Rheinland-Pfalz.

Mit Gründung einer Pflegekammer haben wir in Rheinland-Pfalz ein Zeichen für diese Fachberufe gesetzt.

Das Thema Physiotherapie verlangt viel fachliche Kompetenz und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Deshalb begrüßen wir die Akademisierung der physiotherapeutischen Studiengänge an Fachhochschulen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Beispiel für die Bedeutung der Physiotherapeuten sagen. Ich war vor sieben Jahren in Schweden gewesen. Dort bin ich mit Verwandten in den Kindergarten gegangen. Dort wurden die Kindererziehenden zweimal in der Woche von Masseuren massiert. So weit das, wie wichtig diese Arbeit für präventive Gesundheit der Menschen ist.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Frau Dr. Machalet, Sie haben das Wort für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder, der sich schon einmal wegen eines Beinbruchs oder wegen Problemen mit dem Rücken von einem Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin behandeln lassen musste, weiß, wie wichtig diese Gruppe im Geflecht der Anbieter medizinischer Leistungen ist.

Gestatten Sie mir den Nebensatz, Frau Kollegin Astrid Schmitt wird sicherlich ein Lied davon singen können. Wir hoffen, dass Sie dann im nächsten Jahr wegen guter physiotherapeutischer Versorgung wieder unter uns weilen kann.

(Beifall im Hause)

2013 lagen die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Heilmittel bei 5,54 Milliarden Euro. 85,5 % der ausgestellten Heilmittelverordnungen waren der Physiotherapie zuzuordnen. Wir wissen – da sind wir uns alle einig –, dass der Bedarf an Physiotherapie aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden Veränderung der Morbiditätsstruktur deutlich zunehmen wird. Daher ist es uns allen – das kam eben zum Ausdruck – wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass wir auch in einigen Jahren noch ausreichend Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten haben.

Die Landesregierung hat – Herr Dr. Enders, Sie haben es bereits angesprochen – mit dem Branchenmonitoring für die Gesundheitsberufe bereits 2002 ein Instrument eingeführt, das sehr genau den Bedarf quantifiziert. Wir haben derzeit rund 2.000 Praxen und 6.255 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Damit sind wir im Ländervergleich überdurchschnittlich gut versorgt.

Herr Dr. Enders, Sie haben das in Zweifel gezogen. Aber die Zahlen stammen aus dem Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.

Nachdem wir auf 100.000 gesetzlich Krankenversicherte in Rheinland-Pfalz 67,1 Physiotherapeuten haben – der Bundesdurchschnitt liegt hier bei 58,3 –, heißt das, ent

lang der Zahlen haben wir eine Überversorgung. Aber wir alle wissen natürlich auch, wie solche Zahlen zu bewerten sind.

Nach dem Branchenmonitoring – auch diese Zahl haben Sie angesprochen – liegt die Fachkräftelücke bis 2020 bei 360.

(Unruhe im Hause)

Das bedeutet – ich denke, das ist unser aller Ziel; auch das wurde zum Ausdruck gebracht –, dass die Weichen dafür gestellt werden müssen, dass dem wachsenden Bedarf auch in Zukunft Rechnung getragen werden kann.

Die Große Anfrage macht deutlich, dass der Prozess zur Fachkräftesicherung nicht nur in der Physiotherapie seitens des Landes schon lange eingeleitet ist. Die Zahl der Ausbildungsplätze hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Aktuell werden an den 19 Schulen im Land 2.346 Plätze zur Verfügung gestellt. Es gibt 1.575 Auszubildende. Im Schuljahr 2012/13 wurde die maximale Soll-Anzahl der Ausbildungsplätze an den Krankenhäusern von 564 auf 773 erhöht.

Der zentrale Punkt, um den es bei dem Thema Ausbildung geht, ist natürlich das Schulgeld. Auch das haben Sie ausgeführt. 327 Euro im Monat durchschnittlich bei einem Einstiegsgehalt von 1.200 Euro machen die Ausbildung natürlich nicht sonderlich attraktiv. Sechs Schulen, die von einem Krankenhaus getragen werden, werden von den Krankenkassen teilfinanziert. In Mainz und seit diesem Jahr auch am Verbundkrankenhaus Bernkastel-Wittlich wird kein Schulgeld erhoben.

Wir haben bereits – auch das haben Sie angespro- chen – nach vielen langen und intensiven Gesprächen mit den Heilmittelerbringern – also nichts, was in irgendeiner Form aus der Luft gegriffen gewesen wäre – im Plenum die Landesregierung aufgefordert, sich für eine kostenfreie Ausbildung einzusetzen, weil uns als Sozialdemokraten wichtig ist, dass wir für gebührenfreie Bildung stehen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung ist aktiv geworden. Ich gehe davon aus, dass Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler uns gleich über den aktuellen Stand in Kenntnis setzen wird.

Die Ausbildungskosten sind aber nicht das einzige Thema, wenn es um die Attraktivität des Berufs Physiotherapeut oder Physiotherapeutin geht: Teure Nachqualifikationen zur Befähigung für die GKV-Abrechnung, Fort- und Weiterbildungskosten in Höhe von 20.000 bis 30.000 Euro über ein Berufsleben, ein nicht auskömmlicher Durchschnittsstundensatz von 33 Euro, Hausbesuche mit einer Wegepauschale von 9,56 Euro oder auch das Thema Verweildauer im Beruf – die liegt nämlich bei nur sieben bis acht Jahren – sind, denke ich, ganz zentrale Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

All diese Punkte spielen eine Rolle. Lassen Sie mich kurz noch etwas zur Akademisierung sagen. Auch da

rauf wird in der Beantwortung der Großen Anfrage eingegangen. (Glocke des Präsidenten)

Akademisierung ist kein Wert an sich, aber es geht darum, auch die Wissensweitergabe und Forschung in der Physiotherapie zu professionalisieren. Das nutzt dem Berufsstand, das nutzt aber vor allem den Patientinnen und Patienten.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)