Protocol of the Session on October 15, 2014

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einer Organspende wird Leben geschenkt. Organspende ist Nächstenliebe. Ich unterscheide jetzt nicht zwischen Lebendspende und postmortaler Spende.

Aber klar ist, bei Organspende geht es nicht um Waren oder Gegenstände, sondern um ein Geschenk, das von Mensch zu Mensch gemacht wird.

Organspende funktioniert nur mit Vertrauen. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden, aber das Vertrauen ist aufs Spiel gesetzt worden. Deshalb reden wir heute auch noch einmal darüber und werden immer wieder darüber reden; denn immer dann, wenn es Schlagzeilen gibt, wo es um Transplantationsskandale geht – ich sage bewusst nicht Organspendeskandale; denn es waren

keine Organspendeskandale, sondern Transplantationsskandale –, die das Thema Organspende in die Medien und deshalb wieder in die Zweifel gebracht haben, müssen wir es wieder schaffen, dafür zu werben, dass Organspende ein Akt der Nächstenliebe und ein Zeichen einer humanen Gesellschaft ist, um Menschen zu helfen, die auf andere angewiesen sind.

Gerade in Bezug auf das Thema postmortale Organspende ist es wichtig, dass die Kirchen ihre Haltung und ihre Stellung zur Organspende im Laufe der Zeit geändert haben. Ich bin froh, dass beide Kirchen in einer gemeinsamen Stellungnahme ihre Haltung pro Organspende deutlich herausstellen.

(Beifall der CDU und bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Manipulationen sind tödlich für Organspenden. Deshalb brauchen wir wirksame Kontrollen. Wir brauchen Transparenz, aber auch angemessene Sanktionen gegen jede Art von Manipulation. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die auf ein vertrauensvolles System und Akzeptanz in der Gesellschaft setzen, weil sie selbst auf der Warteliste stehen.

Es gibt einen Gestaltungsauftrag der Politik. Dieser betrifft Voraussetzungen, Kriterien, aber auch die Verfahren. Angesichts des Ranges, den das Thema hat, darf Politik die Debatte nicht alleine führen, sondern muss von der Gesellschaft getragen werden, nicht nur politisch, sondern auch ethisch.

Verehrte Frau Kollegin Ebli, Sie haben viele Punkte unseres gemeinsamen Antrags genannt. Ich bin froh – die Initiativen kamen aus verschiedenen Reihen und von verschiedenen Ebenen –, wenn das letztlich in einen solchen Antrag mündet; denn das ist ein gutes Zeichen.

Es geht um die Bildung neuen Vertrauens in Organspende und Organtransplantation. Der Rückgang der Organspender ist besorgniserregend.

Ich denke, wir sollten uns auch im Vergleich der Bundesländer nicht damit zufrieden geben, dass RheinlandPfalz bei den wenigen Spendern vielleicht ein bisschen weniger hat; denn es sind über 500 Menschen in Rheinland-Pfalz, die auf ein Spenderorgan warten.

Das Vertrauen in das System der Organspende muss wieder erhöht, aber auch die Abläufe optimiert werden; denn es geht um die Abläufe. Es ist wichtig, die Menschen nachhaltig für das Anliegen der Organspende in Rheinland-Pfalz zu gewinnen.

Ich sage es für uns in den eigenen Reihen, ich bin froh, dass ein Kollege, der durch eine Organspende selbst wieder Lebensqualität gewonnen hat, unter uns ist, und ich freue mich darüber, dass die Medizin das möglich gemacht hat.

(Beifall im Hause)

Es ist wichtig, die Menschen nachhaltig für das Anliegen der Organspende zu gewinnen. Es gibt viele Aktivitäten. Frau Kollegin Ebli, Sie haben es angesprochen. Eine ist beispielsweise „Herz zu verschenken“.

Auch ich darf eine solche Veranstaltung bei mir in der Region mit eröffnen. Schon bei der letzten Diskussion zu diesem Thema habe ich erwähnt, es gibt eine tolle Organisation von tollen jungen Menschen, deren Initiatorin leider verstorben ist, weil sie ein Organproblem hatte. Das sind die „Jungen Helden“, die mit vielen prominenten Menschen unkonventionell auf diese Sache aufmerksam machen.

Ich glaube aber, es zählt das Gesicht eines jeden; denn jeder in der Gesellschaft kann innerhalb der Familie dafür werben, weil der beste Organspendeausweis, den man in der Tasche hat, nicht hilft, weil wir in Deutschland eine Zustimmungslösung und nicht die Widerspruchslösung haben, was meiner Meinung nach richtig wäre.

In Deutschland haben wir die Zustimmungslösung bei der Organspende, die erweiterte Zustimmungslösung. Das heißt, selbst wenn man zugestimmt und einen Organspendeausweis hat, können Angehörige – auch zu Recht, weil es eine besondere Situation ist, wenn jemand hirntot ist, die oft mit einem Schock einhergeht – widersprechen.

Deshalb ist es so wichtig, dass die Angehörigen immer mit ins Boot genommen werden und eine solche Landtagsdebatte öffentlich stattfindet und wir über das Thema Organspende reden, aber auch dafür werben.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Es war politisch schwer genug, die Voraussetzungen für Organspenden und die Zulässigkeit von Organentnahmen zu regeln. 1997 wurde das Transplantationsgesetz von Horst Seehofer als damals zuständigem Minister nach langen Diskussionen auf den Weg gebracht, wie Sie wissen. Heute sind wir weit vorangekommen, aber die Manipulationen – das will ich noch einmal deutlich sagen – haben uns zurückgeworfen.

Wir brauchen absolute Zuverlässigkeit, präzise Nachvollziehbarkeit und vollkommene Transparenz, um die Vorkommnisse in zurückliegender Zeit aufarbeiten und künftig verhindern zu können.

Es gibt einen aktuellen Jahresbericht 2013/2014 der Prüfungs- und Überwachungskommission. Herz-, Nieren- und Pankreastransplantationsprogramme wurden untersucht.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Es ist jedoch wichtig, hier eine Differenzierung vorzunehmen; denn die Unregelmäßigkeiten gab es bei den Herztransplantationsprüfungen im Herzzentrum Berlin, aber vieles, das meiste, ist positiv, ist richtig gelaufen. Die implementierten Kontrollen tragen.

Ich glaube, auch das sollte heute erwähnt werden, dass vieles, was gemeinsam politisch auf den Weg gebracht worden ist, im Sinne derer, die betroffen sind, gefruchtet hat.

(Beifall der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir sind häufig auf Menschen zugegangen, wir, die Gesellschaft, aber vielleicht noch nicht intensiv genug. Ein Gesetz alleine wird das nicht leisten können, auch ein Antrag, selbst von uns gemeinsam, wird das nicht leisten können, aber es wäre sicherlich erwähnens- und nachdenkenswert, das Thema dort zu implementieren, wo es zu entsprechenden Kontaktaufnahmen kommt oder wo Menschen damit konfrontiert werden, eine Entscheidung zu treffen. Wie sie sie treffen, das müssen sie selbst entscheiden.

Das wäre zum Beispiel der Erste-Hilfe-Kurs oder schon frühzeitig in den Schulen. Vertrauen entsteht aus Information. Diese Information muss gewährleistet sein, denke ich.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Organspende rettet Leben, kann Leben retten. Wir werden niemals 100 %ige Sicherheit haben, es wird immer auch um eine existenzielle Frage auch von Ärzten gehen, die ihren Patienten sehr nahestehen. Deshalb ist es sehr wichtig – das will ich noch einmal sagen –, dass die Abläufe transparent sind und die Transplantationsbeauftragten genügend Raum haben, sich nicht nur den Betroffenen, sondern auch ihren Kolleginnen und Kollegen zuzuwenden.

(Glocke der Präsidentin)

Häufig ist nämlich festgestellt worden, dass in Kliniken auch Fachpersonal nicht so informiert und sensibilisiert ist, wie es sein sollte.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Dr. Schmidt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass heute alle drei Fraktionen gemeinsam dieses wichtige Thema behandeln können. Es wurden bereits einige sehr wichtige Aspekte daraus angesprochen, nämlich die Sensibilisierung, die Aufklärung und die Optimierung der Ablaufprozesse. Deshalb möchte ich mich auf meinen eigenen Anteil aus Sicht eines Allgemeinmediziners beschränken, der früher einmal sehr intensiv mit Medizin zu tun gehabt hat.

Meine Damen und Herren, das Thema Organspende ist für viele Menschen ein hoch sensibles und emotionales, aber auch mit Ängsten verbundenes Thema. Die öffentliche Wertschätzung für Organspender und ihre Familien muss in unserer Gesellschaft zu einer Selbstverständlichkeit werden, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Herr Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery.

Durch die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben und dem eigenen Tod entwickelt der Mensch individuell im Laufe seines Lebens die Bereitschaft zu einer großen und auch sozialen Verantwortung der Organspende. Dieses Vertrauen ist durch Eigennutz und

Gier einiger Akteure im Jahr 2012 massiv erschüttert worden, was auch beim Rückgang der Spenderzahlen deutlich geworden ist.

In Deutschland besteht heute aktuell ein Organmangel. Das Ziel der Deutschen Stiftung Organtransplantation ist es, allen Patientinnen und Patienten auf der Warteliste die notwendige Transplantation zu ermöglichen. Jedes gespendete Organ bedeutet eine neue Chance auf ein neues Leben; doch viele warten vergebens. Täglich sterben in Deutschland drei Menschen, weil kein Organ frühzeitig zur Verfügung steht.

Jeder Mensch kann in die Situation kommen, dass er eine Organspende benötigt. Die Organspende ist ein Akt des Humanismus und der Nächstenliebe. Die Landesregierung ist gemeinsam mit ihren Partnerinnen und Partnern wie beispielsweise der Landeszentrale für Gesundheitsförderung und der Initiative Organspende Rheinland-Pfalz auf vielfältige Weise tätig, um Menschen für die Bedeutung der Organspende im Land zu sensibilisieren und ihre Bereitschaft dafür zu erhöhen. Die Transplantationsbereitschaft in Rheinland-Pfalz ist auch dank hervorragend engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr hoch.

Um eine nachhaltige Bereitschaft zur Organspende erreichen zu können, müssen wir auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine aufklärende Sensibilisierung in Gang bringen, die aus meiner Sicht vor allen Dingen in der Schule beginnen muss. Das Thema Leben und Sterben sollte intensiv im Ethikunterricht behandelt werden. Die Ursachen für ein zurückhaltendes Verhalten bei der Organspende liegen neben den Skandalen in der Vergangenheit auch in der Verdrängung von Tod, in Unwissenheit und Ängsten sowie im Verbergen von Gefühlen.

Meine Damen und Herren, ich hatte bereits in meiner Rede in der letzten Plenarsitzung auf das sehr lebendige Beispiel eines palästinensischen Jungen hingewiesen, das auch heute wieder erwähnenswert ist in einer Zeit, in der man den Eindruck gewinnen könnte, dass Lösungen nur noch mit Gewalt und Krieg erzielt werden können. Daher ist es wichtig, auch Lichtblicke zu erwähnen und dass für den Vater des verstorbenen Jungen nicht Gier, nicht seine Nationalität oder seine Religion die Motivation für sein Handeln gewesen sind, sondern allein eine tiefe Liebe zu anderen Menschen. Diese Form des Humanismus muss auch in der Zukunft Schule machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, nicht nur Glück und Leid verbinden uns Menschen weltweit, sondern auch Gier. Kinderarbeit und Kinderarmut durch ein ungerechtes Wirtschaftssystem aus dem 19. und 20. Jahrhundert machen auch Kinderleben und Organe in den armen Ländern zu einer Ware. Es ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche politische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Bereitschaft zur Organspende nicht der Gier und ökonomischen Interessen geopfert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, oberstes Ziel muss es sein, verloren gegangenes Vertrauen in die ordnungs

gemäßen Abläufe der Organtransplantation wiederherzustellen. Deshalb freue ich mich, dass wir heute gemeinsam dieses wichtige Thema behandeln und an die Öffentlichkeit das Signal senden, dass die Organspende ein Akt tiefer Liebe zu anderen Menschen ist, aber auch eine große soziale Verantwortung darstellt, die aus meiner Sicht als gesundheitspolitischer Sprecher sehr gesundheitsfördernd ist und auch zu unserem Bruttonationalglück beiträgt. Meine Damen und Herren, wer sich bewusst für eine Organspende entscheidet,

(Glocke der Präsidentin)

entscheidet sich nach dem Ende seines eigenen Lebens für das Weiterleben eines anderen Menschen. Dies verdient unseren allergrößten Respekt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Minister Schweitzer, Sie haben nun das Wort.