Protocol of the Session on June 27, 2014

Leider nehmen immer weniger Wahlberechtigte dieses Wahlrecht wahr. Das zeigt sich ganz besonders bei den Kommunalwahlen. Dort ist die Wahlbeteiligung in den zurückliegenden Jahren stetig gesunken. Während im Jahr 1989 noch 77,2 % der Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, waren es zehn Jahre später, also 1999, 62,9 % und noch einmal zehn Jahre später, also 2009, 55,1 %. Seitdem verharren wir auf diesem niedrigen Niveau. Ich glaube, 2014 waren es 55,6 %.

Liebe Kolleginnen und Kollegen ganz gleich welcher Partei oder Fraktion, diese Entwicklung kann uns alle nicht freuen. Es gibt sicherlich unterschiedliche Gründe, warum Wahlberechtigte ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen. Unser Wahlrecht ist explizit keine Wahlpflicht. Auch die bewusste Verweigerung müssen wir tolerieren, aber stets um andere Überzeugungen werben.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch formale Gründe, die auf der Hand liegen und Wählerwillige eher abschrecken. Hier können und sollten wir als Gesetzgeber aktiv werden. Im Gemeinde- oder Stadtrat, im Verbandsgemeinderat oder im Kreistag wird über Wichtiges entschieden.

Hier geht es aber auch um Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar in ihrem täglichen Leben betreffen, nämlich darum, dass Wasser aus dem Wasserhahn fließt, wenn ich ihn aufdrehe, der Handwerksmeister von nebenan seinen Betrieb ausweiten und ins neue Gewer

begebiet übersiedeln kann und die Kita für die Kinder erweitert wird. Es geht auch um das Krankenhaus im Ort oder um die Mülltonne, die regelmäßig und pünktlich geleert werden soll.

Deshalb greift die CDU-Fraktion viele Anregungen und Schilderungen unserer Bürgerinnen und Bürger aus Rheinland-Pfalz gern auf. Die Erfahrungen der Kommunalwahlen in den vergangenen Jahren zeigen, dass viele Wählerinnen und Wähler in der Kabine mit dem umfassenden Wahlpensum zu kämpfen haben; denn häufig haben es die Stimmzettel richtig in sich. Es gibt Wahlen zum Gemeinderat, Verbandsgemeinderat und Kreistag und dazu die Möglichkeit, die Stimmen zu panaschieren und zu kumulieren. So kommen nicht selten bis zu 100 Kreuzchen zusammen, die die Wähler in der Wahlkabine vergeben können, aber nicht müssen. Wenn eine Stimme zu viel abgegeben wird, ist der ganze Stimmzettel ungültig. Das wollen wir nicht. Das ist ärgerlich. Ich denke, da sollten und können wir handeln.

(Beifall der CDU)

Eine ältere Dame sagte mir – ich zitiere –: Wenn ich ein zu großes Kreuz mache, habe ich versehentlich gleich mehrere Kandidaten gewählt. – Sie hat recht. Das ist für ältere Leute nicht zumutbar. Wir schlagen deshalb den baden-württembergischen Weg vor, bei dem die Wähler den Stimmzettel in aller Ruhe zu Hause ausfüllen und die vergebenen Stimmen auch nachzählen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, schlagen wir deshalb vor, die Stimmzettel für die Wahlen zum Gemeinderat, Verbandsgemeinderat und zum Kreistag vor dem Wahlsonntag automatisch den Wählerinnen und Wählern nach Hause zu schicken.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein ganz konkreter Schritt hin zu mehr Bürgerfreundlichkeit in unserem Land.

(Beifall der CDU)

Das würde den Bürgerinnen und Bürgern das Wählen erleichtern und sicherlich auch spürbar die Wahlbeteiligung erhöhen, zumindest die Hürden abbauen. Die Wählerinnen und Wähler können sich so zu Hause in Ruhe auf den Urnengang vorbereiten und mit einer schwierigen Abstimmungstechnik vertraut machen. Das gilt übrigens auch für Erstwähler. Gerade Hochbetagten wird dadurch der Druck genommen. Wir vermeiden dadurch ungültige Stimmen.

Sicherlich gibt es auch Argumente und Vor- und Nachteile, bei denen man abwägen muss. Das hat es übrigens auch in Baden-Württemberg und in Bayern gegeben. Baden-Württemberg zeigt übrigens jetzt unter grünroter Regierung, dass man verfassungsrechtlich nicht solche Bedenken hat, dass man es wieder abgeschafft hat. Das zeigt, man muss es nur wollen und sich auf den Weg machen. Sicher, die Wähler können auch Briefwahl beantragen. Aber auch diese ist aufwendig.

(Pörksen, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Einige schrecken vor der Kompliziertheit der Beantragung zurück.

Ich höre gerade von Herrn Pörksen von der SPD, das sei Quatsch. So gehen wir nicht mit Bürgeranliegen um.

(Beifall der CDU)

Wir nehmen so etwas auf. Das ist ein Anliegen. Für uns sind Bürgerhinweise ganz explizit kein Quatsch.

Dann gibt es noch einen Einwand, dass es zu Missbrauchsfällen kommen könnte. Hier lohnt sich ein Blick zu unserem Nachbarn nach Baden-Württemberg oder noch weiter südlich nach Bayern. In beiden Ländern gibt es bereits solche Verfahren. Beide Länder haben gute Erfahrungen mit diesem Verfahren gemacht. Zu einem Anstieg des Missbrauchs ist es nicht gekommen. Eine doppelte Wahl ist übrigens auch ausgeschlossen.

Wer per Briefwahl abgestimmt hat, wird im Wahllokal natürlich nicht ein zweites Mal seine Stimme abgeben können. Ich finde es hochinteressant. Wir machen einen Vorschlag als CDU-Opposition ohne Schaum vor dem Mund. Wir machen einen Vorschlag. Wir schlagen sogar einen Gesetzentwurf vor. Man kann anderer Meinung sein, aber unser Vorschlag wird auch in anderen Bundesländern praktiziert. Ihr Problem als SPD ist doch, dass wir einen Vorschlag machen und Sie Ihre gebetsmühlenartige Behauptung, wir würden keine Vorschläge machen, so nicht mehr aufrechterhalten können.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Deshalb, wir stehen zu dieser demokratischen Dienstleistung vor Ort. Deshalb möchte ich zum Abschluss die Bürger zu Wort kommen lassen, die uns zu diesem Thema geschrieben haben.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Jemand hat einen Brief geschrieben! – Glocke des Präsidenten)

Ein Bürger aus dem Norden des Landes sagte, diese Dimension der Stimmzettel ist zu viel, wir würden das gerne zu Hause machen. – Es gibt noch weitere Beispiele, und deshalb sagen wir Ja zu mehr Bürgerbeteiligung. Geben Sie sich deshalb einen Stoß, nicht nur weil eine Opposition etwas vorschlägt, sondern weil es gut ist. Stimmen Sie dem zu.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Noss das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Klöckner, erst einmal Butter bei die Fisch: Was erhoffen Sie sich wirklich von diesem Ge

setz? – Das nur mit mehr Bürgernähe zu belegen, ist meines Erachtens etwas zu kurz gesprungen.

Dieses Gesetz wurde von Ihnen bereits 1984, 1998 und 2009 eingereicht.

(Frau Klöckner, CDU: Super!)

Es wurde jeweils abgelehnt. Aber Sie lassen danach nicht nach, dieses Gesetz weiterhin zu fordern.

Darüber hinaus möchte ich eines feststellen, die Räte, die jetzt gewählt wurden, sind noch nicht einmal in Gänze konstituiert.

(Frau Klöckner, CDU: Ja und? – Weitere Zurufe von der CDU)

Das heißt, die nächsten Kommunalwahlen finden nach jetziger Gesetzeslage im Jahr 2019 statt. Ich stelle fest, dass Sie in diesem Fall Gründlichkeit zugunsten von Schnelligkeit vernachlässigen. Was soll dieser Schnellschuss aus der Hüfte? Das möchte ich wirklich gerne wissen. (Unruhe im Hause)

Frau Klöckner, Sie sagen immer, seien Sie nicht so aufgeregt. Das sage ich zu Ihnen auch. Bleiben Sie ganz ruhig sitzen, hören Sie zu, dann können Sie sich später melden, wenn Sie noch Redezeit haben, aber immer dieses „Dazwischengequatsche“.

(Zurufe von der CDU)

Na ja, dieses Problem haben Sie nicht, Sie lässt man nicht reden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir sind über diesen Schnellschuss sehr verwundert, um das klar zu sagen.

(Ernst, CDU: 1998 – Schnellschuss?)

Das sollte ein witziger Beitrag sein. Das ist gründlich misslungen.

(Zuruf des Abg. Ernst, CDU)

Darüber hinaus, Ihre Angaben, die Sie immer wieder machen, stimmen hinten und vorne nicht. Wir haben in Rheinland-Pfalz – Sie sagten es bereits – eine Steigerung von 0,5 % bei der Wahlbeteiligung. Wir haben weniger Fehler, weniger ungültige Stimmen.

Sie sprachen vorhin die tolle Wahlbeteiligung von Baden-Württemberg an. Wissen Sie, wie hoch die ist? – Die Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg ist im letzten Jahr von 50,7 % auf 49,1 % gesunken.

(Beifall des Abg. Fuhr, SPD – Zurufe von der CDU)

So weit die Wahlbeteiligung, das Mehr an Bürgerbeteiligung, was durch dieses Gesetz eventuell erreicht werden könnte.

Darüber hinaus gehen Sie an den verfassungsrechtlichen Bedenken völlig vorbei. Die sind Ihnen völlig egal.

(Baldauf, CDU: Das ist bei Ihnen immer anders!)

Sie erwarten eigene Vorteile, deshalb gehen Sie diese Sache so an.

Sie sprachen davon, dass das Ganze Bürgerbeteiligung und mehr Bürgerfreundlichkeit mit sich bringt. Gleichzeitig betreiben Sie eine massive Art der Diskriminierung, indem Sie den alten Menschen unterstellen, dass diese Probleme hätten, dieses Wahlrecht wahrzunehmen. Das ist sehr bemerkenswert.