Protocol of the Session on June 26, 2014

(Beifall bei der CDU)

Einerseits will man die Lebensqualität der älter und mehr werdenden Menschen verbessern, andererseits braucht man diese alten Menschen dringend, um den demografischen Wandel zu gestalten. Man braucht diese alten Menschen in der Gesellschaft, um Aufgaben, die der Staat bzw. das Gemeinwesen aus finanziellen und personellen Gründen gar nicht mehr leisten können, zu erledigen.

Eine Grundvoraussetzung zur Bewältigung ist aber eine Änderung des Altersbildes in unserer Gesellschaft. Nicht nur, was jung und trendy ist, ist wichtig, sondern Reife und Erfahrungen müssen wertschätzend daneben stehen.

(Beifall der CDU)

In frühkindlicher und schulischer Bildung, Jugend- und Erwachsenenbildung muss daher ein neues Bild des Alters und älterer Menschen vermittelt werden. Aufgabe der Landesregierung ist es, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen und anzustoßen. Es kommt nicht nur darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Älterwerden ist zu erlernen. Nur dann nimmt man es auch an.

Im Sinne der eben genannten Veränderungen des Altersbildes wird die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben immer wichtiger. Seniorenpolitik hat für ein zeitgemäßes Bild vom Alter zu werben und das Alter als Chance darzustellen. Dazu gehört die Ehrenamtsförderung, die alle Generationen stärker anspricht und einbindet.

Es kann und darf nicht sein, dass Ältere von vornherein mit medizinischen und geistigen Defiziten belegt werden und größtenteils nur für Nebenarbeiten gebraucht werden.

Die Strategiewerkstatt der Staatskanzlei mit dem Beauftragten der Ministerpräsidentin fährt ein eigenes Konzept für das Bürgerengagement in Kommunen mit der Initiative „Ich bin dabei“. Diese Initiative wird insbesondere die Generation der Älteren für die Bewältigung der Demo

grafieaufgaben und Probleme gewinnen. Dies soll aber mit Beispielprojekten aus den Kommunen geschehen. Leitlinien und ein eigenes Konzept sowie ausreichende Finanzmittel der Landesregierung vermisse ich bei dieser Initiative. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

(Beifall der CDU)

An wen soll sich der helfensbedürftige Bürger eigentlich wenden? Ich wähle dieses Wort „helfensbedürftig“ bewusst. Ich habe es dem Buchtitel von Professor Dr. Klaus Dörner entnommen. Der Untertitel lautet: „Heimfrei ins Dienstleistungsjahrhundert.“ Das Buch gibt bereits Hinweise für die aktive Helfensbedürftigkeit vieler Menschen. Die Politik muss nur die Rahmen schaffen.

An wen soll sich also der helfensbedürftige oder hilfswillige Ehrenamtler wenden? An die Staatskanzlei? An das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie? An die Landeszentrale für Gesundheitsförderung? Alle machen etwas in Demografie. Ich hoffe sehr, dass der eine weiß, was der andere tut.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Peter Wilhelm Dröscher.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Thelen, als ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich dies zunächst mit einer gewissen Sympathie getan, weil er viele Dinge beschreibt, die wir gemeinsam für wichtig halten. Aber im weiteren Lesen hat sich dann doch die Einsicht durchgesetzt, dass wir heute diesem Antrag bei aller Sympathie nicht zustimmen können.

Herr Kollege Konrad hat schon deutlich gesagt, Sie wollen mit diesem Antrag zeigen, dass die Landesregierung und die die Regierung tragenden Parteien in diesem Land keine Strategie zur Bewältigung des demografischen Wandels hätten. Das ist nicht der Fall.

Fred Konrad hat das Thema schon eingehend behandelt. Deshalb nutze ich ein bisschen die Zeit – es ist heute meine letzte Rede –, noch ein paar persönliche Anmerkungen zum Thema zu machen.

„Zusammenland Rheinland-Pfalz“ – ein Logo, gut für Generationen. Der Anspruch, der hinter diesem Logo und hinter diesem Begriff steht, ist, den Wandel zu gestalten. Wir, das heißt die Landesregierung und die sie tragenden Parteien, wollen diesen Wandel gestalten. Wir haben auch in der Vergangenheit schon eine ganze Reihe von Schritten in diese Richtung getan.

Ich möchte ein paar Herausforderungen des Zusammenlebens der Generationen beschreiben, zunächst einmal etwas ungeordnet und nur stichwortartig.

Es geht um Versorgungslücken und Handlungsbedarf in der Pflege. Es geht natürlich auch um den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, vor allem auf Bundesebene. Es geht um alternative Wohnformen und Quartierskonzepte, um die kommunale Verantwortung für eine generationengerechte Infrastruktur.

Es geht auch um zivilgesellschaftliches Engagement. Gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit, zukunftsorientierte Generationenpolitik sind die Stichworte. Beteiligungsorientierte Versorgungsstrukturen werden wichtiger und auch die Personenorientierung im Hilfemix.

Wir haben noch etwas in der Vergangenheit häufiger diskutiert. Es geht auch um inklusionsorientierte Versorgungslandschaften mit ausgebauten haushaltsnahen Dienstleistungen.

Aus dieser Aufzählung wird schon deutlich, dass die Kommunen eine besondere Rolle bei der Bewältigung des demografischen Wandels spielen. Die sinkenden Bevölkerungszahlen und die, wie die Fachleute sagen, dreifache Alterung, nämlich die Zunahme der Hochaltrigkeit, der absolute Anstieg der Anzahl älterer Menschen sowie das überproportionale Anwachsen der Älteren bezogen auf das Verhältnis von Jüngeren und Älteren sind Hauptkennzeichnungen des demografischen Wandels.

Aber diese Veränderungen zeigen sich auf kommunaler Ebene noch gemeinsam mit gesellschaftlichen Veränderungen, einem sozio-ökonomischen Strukturwandel mit Prozessen sozialer und ethnischer Segregation, mit der Veränderung privater Beziehungsformen, mit Singularisierung und mit einer Vielfalt des Alters.

Also die Kommunen spielen eine wesentliche Rolle.

Wie gehen wir mit der kommunalen Infrastruktur um, die angesichts rückläufiger Bevölkerungszahlen niemand mehr braucht? Wie gehen wir mit Dorfgemeinschaftshäusern, mit der Wasserversorgung, mit Kindergärten, mit der geringen Auslastung von Wohnfolgeeinrichtungen um? Wie gehen wir mit der Gefährdung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge um?

Ich denke, wir müssen neue Handlungskonzepte entwerfen, neue Konzepte zum Erhalt und zur Auslastung von Infrastrukturleistungen, neue Standortkonzepte für Kitas und Grundschulen.

Wir müssen interkommunale Versorgungsnetzwerke überdenken und aufbauen. Wir müssen über die Funktion von Grund- und Mittelzentren nachdenken.

Wir müssen über Kooperationen zwischen Gebietskörperschaften nachdenken. Dazu hat der Herr Innenminister heute Morgen schon einige wesentliche Anmerkungen gemacht. Ein wesentlicher Bereich in diesem Spektrum ist das Wohnen zu Hause in ländlichen Regionen. Wie schaffen wir es, dass es dezentral, kleinteilig und mobil funktioniert? Wie funktionieren Kooperationen mit anderen Kommunen bei Schulen, Kinderheimen usw.? Wie können wir Nahräume erhalten und alternative Wohnformen umsetzen?

Zur Quartiersentwicklung haben das Deutsche Zentrum für Altersfragen und das Kuratorium Altershilfe eine Untersuchung gemacht. Sie haben versucht, die Sozialraumorientierung mit Zielen zu versehen, die Anpassung der Infrastrukturen des Alltags, der Hilfen und der Selbsthilfepotenziale an die Zukunft. Als Ziel 1 wird das wertschätzende soziale Umfeld genannt. Als Ziel 2 werden tragende soziale Infrastrukturen genannt. Als Ziel 3 wird die generationsgerechte räumliche Infrastruktur genannt. Bedarfsgerechte Wohnangebote sind Ziel 4. Ziel 5 sind die bedarfsgerechte Dienstleistung und Angebote. Ziel 6 ist die wohnortnahe Beratung und Begleitung.

Ich gebe einen Hinweis dazu. Das Konzept „Gut leben im Alter“, das vor einigen Jahren schon von der Landesregierung veröffentlicht wurde, zeigt viele der Ansätze, die in diesen Zielen noch einmal formuliert werden. Den demografischen Wandel gemeinsam gestalten, das ist der eigentliche Hintergrund.

Frau Thelen hat heute Morgen schon den Fachtag Kommunale Pflegestrukturplanung zur Sozialraumentwicklung angesprochen, den die Landeszentrale für Gesundheitsförderung heute in einer Woche durchführen wird. Da wird ein Begriff geprägt, der in der Zukunft sicher eine große Rolle spielen wird, nämlich der Begriff „Sorgende Gemeinschaften“.

Der Verfasser dieses Begriffes ist mir nicht ganz unbekannt. Ich habe mit Thomas Klie über viele Jahre zusammengearbeitet. Er hat im Land mit dafür gesorgt, dass wir bei der Vorbereitung des Landesgesetzes über Teilhabe und Wohnformen eine Grundlage gerontologischer Art hatten. Thomas Klie hat zu diesem Thema ein Buch geschrieben unter dem Titel „Wen kümmern die Alten?“.

Er weist auf einige Aspekte hin, die sehr wichtig sind, dass die Themen Sorge, Pflege und hohes Alter nicht an die Medizin, die Pflegeheime oder die Pflegeversicherung delegiert werden dürfen, sondern das politische, aber auch gesellschaftliche Themen sind, Inklusionsziele nicht einfach nur rein technisch gesehen werden müssen, sondern wir verhindern müssen, dass Menschen mit Behinderungen behindert werden. Das ist eine wichtige Geschichte.

Es geht um die Menschen mit Pflegebedarf und eine neue Sicht zum Thema Demenz, Demenz als Weg aus dem Leben, der auch akzeptiert werden muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kein anderes Land in Nord- und Westeuropa hat so viele pflegende Angehörige wie die Bundesrepublik. Wir arbeiten sehr viel mit osteuropäischen Pflegekräften. Das ist ein Aspekt, bei dem wir neue Überlegungen anstellen müssen.

Die Pflege der Eltern oder des Partners kann zur Zerreißprobe für das eigene Leben werden. Die Angehörigen müssen wir noch mehr in den Blick nehmen. Pflege ist – das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit – nicht nur eine Frage der Gesundheitspolitik, sondern ein Querschnittsthema ganz besonders der Familienpolitik. Das sind einige Aspekte, die in der Zukunft eine Rolle spielen werden.

Ich habe es vorhin schon gesagt, das ist meine letzte Rede vor diesem Hohen Hause. Sie haben es vielleicht gemerkt, am Anfang war doch ein bisschen Nervosität mit dabei.

Das Thema der alternden Gesellschaft verfolgt mich seit etwa 1970. Damals habe ich in meinem ersten Beruf ein Konzept zum Thema Essen auf Rädern entworfen. Das ist lange her. In den 80er-Jahren habe ich mich mit der demografischen Entwicklung auf der Grundlage einer Längsschnittuntersuchung aus einem Bonner Institut beschäftigt, wo wir zum ersten Mal entdeckt haben, wie sich die Alterskohorten entwickeln. Dann kamen die Themen Demenz, Pflegeversicherung und Geriatrie hinzu.

Ich habe gestern Abend Herrn Schuhmann getroffen, der mich daran erinnert hat, dass ich zwei Jahre vor meiner Wahl in den Landtag schon einmal im Sozialministerium zu einer Expertenanhörung zu diesem Thema eingeladen war.

Seit 1996 – es sind noch einige in diesem Landtag, mit denen ich im Bereich Sozialpolitik seit damals zusammenarbeite – gehöre ich diesem Landtag an. Das sind 18 gute Jahre, wie ich schätze.

Deshalb sage ich ein herzliches Dankeschön an alle, mit denen ich in dieser Zeit zusammenarbeiten durfte, manchmal auch gestritten habe. Letztendlich haben wir, denke ich, viel gemeinsam bewegt.

Meine erste Rede im Landtag – das ist ziemlich genau 18 Jahre her – war geprägt dadurch, dass ich einen ziemlichen Spagat machen musste. Es kam jemand, der Erfahrung in der Altenpflegeausbildung hatte, der selbst Schulen geleitet hatte, in eine Fraktion, in der die Meinung zu der Ausbildung in den Pflegeberufen nicht immer die war, die ich mitgebracht habe. Aber ich denke, damals ist der Spagat gelungen.

Heute war es etwas einfacher, auf Wiedersehen zu sagen bei allen im sozialpolitischen Bereich, aber auch bei allen Kolleginnen und Kollegen in diesem Landtag, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, die über diese 18 Jahre für mich eine Art Heimat im Landtag darstellten.

Heute Morgen habe ich noch gesagt, ich gehe frohen Mutes, aber so ein bisschen Wehmut ist doch dabei.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltend Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Ministerpräsidentin Dreyer.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte nicht zum Thema sprechen. Das wird der Staatssekretär des zuständigen Ministeriums machen.