Protocol of the Session on June 25, 2014

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Sahler-Fesel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Atomkraftwerk Cattenom beweist leider

immer wieder selbst, dass Stör- oder Zwischenfälle fast zur Tagesordnung gehören. Ich greife nur die letzten Monate kurz heraus. Am 7. Mai wurden Mitarbeiter eines externen Unternehmens im Werk in einem der Reaktorblöcke verstrahlt. Es wurde mitgeteilt, die Werte sind unter dem Grenzwert.

Am 5. Juni wurden vier Mitarbeiter leicht verstrahlt. Am 23. Juni – wie schon gesagt – hat ein Brand auf einem Gerüst im Maschinenraum stattgefunden. Das sind alles Vorfälle in dem abgeschalteten Reaktorblock 2. Wobei ich mich schon frage, obwohl die Frage hier nicht zur Debatte steht, wie es zur Verstrahlung kommen konnte und wo die Arbeiten stattgefunden haben. Aber das ist nicht unser Thema.

Meine Damen und Herren, Herr Henter, Sie haben völlig recht, wir sind uns über Parteigrenzen hinweg einig, ob in der Region wie im Kreistag Trier-Saarburg, wir fordern zum wiederholten Mal, dass dieses Kernkraftwerk abgeschaltet wird. Die Landesregierung hat – das muss hier ganz klar festgestellt werden – diese Position auf allen ihr möglichen Ebenen glasklar vertreten, und zwar bis hin nach Paris. Eindeutige Worte, eindeutige Gespräche und eindeutige Forderungen sind gestellt worden.

Herr Henter, ich muss Ihnen widersprechen oder etwas richtigstellen. Der Weg zur Abschaltung führt ganz allein über Berlin. Herr Henter, Sie waren dabei, als im Internationalen Parlamentarier-Rat der französische Vertreter erklärt hat, der Gesprächspartner für Paris ist Berlin. Das ist unsere Krux. Wenn die nationale Ebene RheinlandPfalz wäre, dann hätten wir gar kein Problem; denn Rheinland-Pfalz steht klar hinter der Abschaltung.

Diese Klarheit würden wir uns natürlich von der Kanzlerin wünschen; denn von einer Kanzlerin, die mit schwarz-gelber Mehrheit den rot-grünen Atomausstieg und die Abschaltung von Atomkraftwerken rückgängig gemacht hat – man muss wieder einmal daran erinn- ern –, die unter dem Schock von Fukushima die Rolle rückwärts gemacht hat und die Gefahren der Atomkraft endlich erkannt haben will, erwarten wir ein bisschen mehr, als dass sie nach zwei Anschreiben – zwei brauchte Frau Klöckner, habe ich gerade gehört – von ihrer stellvertretenden Bundesvorsitzenden bereit ist, im Gespräch mit dem französischen Präsidenten dieses Thema anzusprechen. Genau das ist das Problem, dass wir den Rückhalt von der Kanzlerin nicht haben.

Es ist richtig, dass Atomkraft und Atomkraftwerke nationale Angelegenheiten sind, über die wir hier in Deutschland nicht bestimmen. Das ist völlig richtig. So ist Cattenom die nationale Angelegenheit der Franzosen. Jetzt haben wir uns wunderbar im Kreis gedreht.

(Zuruf des Abg. Schmitt, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Moment, wir sind noch nicht fertig. Hören Sie einfach bis zum Ende zu.

Die Auswirkungen, die Gefahren betreffen nicht nur die Region und Rheinland-Pfalz. Atomkraft ist nicht beherrschbar. Wenn das endlich einmal die Kanzlerin einsehen würde – Herr Henter, die SPD hätte sie an

ihrer Seite, machen Sie sich keine Sorgen –, dann würde sie genau dieses zur nationalen Angelegenheit erklären und sich voll hinter unsere Forderungen stellen.

Die Auswirkungen sind nicht zu bannen. Das haben Bereiche wie Hiroshima ganz deutlich gezeigt. Deshalb ist es nicht nur unser Anliegen in Rheinland-Pfalz, dass wir die Abschaffung von Cattenom fordern. Wir erleben, dass der Reaktor nicht zu beherrschen ist. Wir erleben, dass immer wieder Störfälle da sind. Die Zahlen wurden alle genannt. Wir führen im Kreis Trier-Saarburg Katastrophenschutzübungen durch, um uns vorzubereiten. Wir reden über die Ausgabe von Jodtabletten – na, wunderbar –, aber wir kommen keinen Schritt weiter, wenn sich nicht endlich Berlin an unsere Seite stellt und unsere Forderungen unterstützt.

Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Lemke das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich danke sehr für die Aufnahme dieses Themas, bei dem es wieder um die Sicherheitsmängel im AKW Cattenom geht. Ich kann mir vorstellen – das erlebe ich auch –, dass Sie schon fast alle 850 meldepflichtigen Ereignisse rezitieren können. Ich glaube, was uns eint und gemeinsam prägt, ist vor allen Dingen das Gefühl – vielleicht muss man das einfach einmal so deutlich zum Ausdruck bringen, weil es uns gemeinsam motiviert und bewegt, etwas dagegen zu tun –, dieser Technologie im grenznahen Raum quasi hilflos ausgeliefert zu sein. Das ist das Einzige, was Politik nicht kann, nicht will und was wir nicht hinnehmen. Hilflos stehen wir dieser Sache nicht gegenüber, aber wir müssen die Kräfte gemeinsam bündeln, um die Abschaltung zu erzwingen.

Wie erzwingen wir sie aber gemeinsam? – Natürlich mit allen Regeln der politischen Kunst. Hier muss ich doch in Richtung CDU natürlich sagen: Ich hoffe, ich habe Sie nicht missverstanden, wenn Sie von uns, von der Landesregierung, von mir als zuständiger Ministerin verlangen, wir sollten Beschlüsse fassen ohne Anwesenheit der Franzosen gegen die Franzosen mit Mehrheit, was absolut unüblich ist und nicht den politischen und diplomatischen Gepflogenheiten entspricht, quasi willkürlich vorgehen und einfach einmal den Schalter umlegen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich sage Ihnen, wenn das möglich wäre, würden wir das sicherlich tun. Wir sind hier aber in einem demokratischen Haus. Genau die Wege, die demokratisch zur Abschaltung des AKW führen, sind beschrieben worden. Ich finde es deswegen wichtig festzuhalten – Frau

Klöckner hat das eben hineingerufen, und wir haben es dann noch einmal gehört, nachdem sie das über die dpa öffentlich verkündet hat –, dass Frau Merkel hier selbst Verantwortung übernehmen will. Ich bin einmal gespannt, wann wir die Früchte dieser Gespräche ernten werden.

Für mich – ich glaube, das ist das Einzige, wo wir wirklich sehr konkret als Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer zeigen können, dass es anders geht – gibt es nur eine Maßnahme, die wirklich hilft, nämlich die Energiewende vollständig in Rheinland-Pfalz umzusetzen und zu zeigen, dass es andere Wege gibt. Das ist beispielgebend und nimmt andere mit. Das überzeugt im Übrigen auch in der Großregion die französischen Partner, aber nicht nur die, sondern auch die Belgier und Luxemburger, die auf unserer Seite sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dass Brüssel diese Vorhaben mit umfangreichen Finanzmitteln – ich habe darüber berichtet – über INTERREG und EFRE unterstützt – die INTERREGFördermittel sind sogar noch einmal aufgestockt wor- den – und wir gemeinsam Umweltnetzwerke betreiben und uns treffen und wir eine gemeinsame Raumordnung auch zur Netzplanung tätigen, sind Dinge, die genau dazu führen und zu denen Sie eingefordert haben, dass wir uns im Sinne der europäischen Integration einbringen. Dies tun wir bereits.

Dies tun wir erfolgreich, weil wir auch auf der anderen Seite der Grenze feststellen, dass die Partner dort mitgehen, obwohl es dort ein zentral organisiertes staatliches Energiewirtschaftssystem gibt. Dennoch sind kleine Akteure dabei, das zu tun, was hier die Energiewende so erfolgreich gemacht hat. Die Bürgerinnen und Bürger bringen es selbst in Bewegung und zeigen, auch sie haben auf französischer Seite ein Sicherheitsbedürfnis. Auf belgischer Seite ist es vorhanden; auf luxemburgischer Seite ist es vorhanden. Auch da wird längst an der Energiewende gebaut.

Vor diesem Hintergrund will ich noch einmal kurz auf die technische Zuverlässigkeit eingehen. Wenn wir sagen, das ist ein Schrottreaktor – das sagen wir oft und sehr bewusst –, sagen wir das natürlich auch im Vergleich zu anderen Reaktoren. Schließlich wird darüber eine umfangreiche Statistik geführt. Nicht nur der Stresstest und unser eigener Gutachter haben das bestätigt, sondern auch im Vergleich stellt sich das immer wieder dar.

Die Tatsache, dass bei Reparaturarbeiten Mitarbeiter des AKW verletzt, verstrahlt werden und Schäden mitnehmen, zeigt uns doch, wie hoch das Gefahrenpotenzial selbst bei dem abgeschalteten Reaktor ist. Auch bei dem letzten Brand ging es um eine Situation im abgeschalteten Reaktor im Zuge des Wartungsbetriebs. Das heißt, wir haben hier eine mangelnde Sicherheitskultur.

Ich möchte auf diesen Begriff eingehen; denn die Sicherheitskultur steht neben der Tatsache, dass wir abschalten wollen. Auch an der Sicherheitskultur gibt es Nachbesserungsbedarf. Das ist etwas, da können wir dauerhaft etwas erreichen. Frau Klöckner, wenn ich das

ergänzen darf, Sie sollten auch die Kanzlerin darauf ansprechen, dass sie sich an die französische Seite wendet, so wie wir das getan haben, und den Dialog mit Hollande aufnimmt, so wie auch wir mit dem Umweltminister sprechen, um umgehend die Sicherheitskultur zu verbessern, damit es nicht zu Störfällen kommt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Dr. Konrad das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Henter, ich glaube Ihnen, dass Sie und die CDU-Fraktion in diesem Hohen Hause zu der Forderung stehen, Cattenom abzuschalten. Sogar Oberbürgermeister Felix Zimmermann von Trier hat sich schon vor 1989 dagegen ausgesprochen, weitere drei Blöcke in Cattenom zu bauen. Leider wurde ihm nicht gefolgt.

Damals wurde uns erzählt, dass man die Sicherheit hat, dass eine Kernschmelze im Normalbetrieb eines AKW nur alle 10.000 Jahre vorkommen würde. Heute wissen wir, dass bei 400 Kernkraftwerken weltweit vier Kernschmelzen in kommerziell betriebenen Reaktoren vorgekommen sind. Sie erinnern sich, in Three Mile Island, in Harrisburg, in Tschernobyl und mindestens zweimal in Fukushima.

Wenn man das hochrechnet, haben wir eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 140.000, dass Sie, Herr Henter, und Sie, Herr Schmitt, heute Abend nicht nach Hause fahren können, weil es einen radioaktiven Fallout aus dem Kernkraftwerk in Cattenom gibt. Das ist ungefähr 1 Promille so hoch wie sechs Richtige im Lotto. Wer von uns hat noch nie Lotto gespielt in der Hoffnung, sechs Richtige zu haben? Das liegt zwischen fünf Richtigen – da hat man schon einmal gehört, dass es einen gibt – und fünf Richtigen mit Superzahl. Es gibt deshalb nur eines, was sicherer ist als ein Atomkraftwerk abzuschalten, nämlich es erst gar nicht zu bauen.

Ich darf Sie daran erinnern, dass damals sehr viele Kräfte in Deutschland – auch die beiden großen Parteien – nicht gegen den Bau von Atomkraftwerken waren. Eines müssen wir uns aber heute merken: Wer heute hier in Deutschland die Energiewende schlechtre- det – wir wissen, wo die Leute sitzen, die sie schlechtreden – und wer so tut, als sei sie unbezahlbar, wird niemals irgendein Nachbarland davon überzeugen können, seine Atomkraftwerke ebenfalls abzuschalten. Der ist dafür mitverantwortlich, welche Wahrscheinlichkeiten herrschen, dass an den Grenzen unseres Landes Rheinland-Pfalz diese Gefahren bestehen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Klöckner das Wort.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Frau Präsidentin! In Frankreich bezieht man 75 % des Stromes derzeit aus Atomkraftwerken. Bis 2025 will man diesen Anteil auf 50 % reduzieren. Ende 2016 geht das älteste AKW in Fessenheim an der deutschen Grenze vom Netz. Es wird stillgelegt. Deshalb wäre es folgerichtig, gerade in der Reduktion in Frankreich beim Atomstrom nicht als Nächstes, sondern unmittelbar auch Cattenom abzuschalten. Das ist die Position der CDU. Das ist die Position der Bundeskanzlerin.

(Beifall der CDU)

Frau Sahler-Fesel, ich möchte eines sagen. Man kann Dinge unterstellen, dass die Kanzlerin diese Position nicht hätte. Ich werfe Ihnen gar nicht vor, dass Sie nicht mit der Kanzlerin sprechen. Dann dürfen Sie aber so etwas nicht einfach behaupten. Unsere Landtagsfraktion hat die Größe, nicht nur in Berlin mit der Kanzlerin, die unserer Partei angehört, sondern auch mit Ihrem Bundesvorsitzenden der SPD, Herrn Gabriel, zu sprechen.

(Beifall der CDU)

Dann bekommt man ein Gesamtbild. Übrigens haben wir – Sie sicherlich auch – mit Herrn Gabriel über Cattenom gesprochen. Deshalb habe ich mein Buch mitgebracht, in dem steht, was Herr Gabriel zu uns sagte. Er sagte, er selbst kann die Franzosen nicht zwingen, sondern nur an sie appellieren.

Frau Sahler-Fesel, der Weg geht nicht über Berlin, sondern allein über Paris, weil die Europäische Union demokratisch aufgestellt ist. Hier zählen die Entscheidungen der Nationalstaaten, ob Sie das wollen oder nicht. Alles andere lenkt davon ab, dass wir in einem Boot sind und Sie nicht einfach in Richtung Berlin zeigen und sagen können, dass die Kanzlerin schuld daran ist, dass Cattenom nicht abgestellt wird. Ich glaube nicht, dass Sie das selbst glauben.

(Beifall der CDU)

Ich glaube, deshalb ist eines klar. Ich bin dankbar, dass es Frau Ministerin Lemke erwähnt hat.

(Glocke der Präsidentin)

Man kann es nicht erzwingen.