Protocol of the Session on August 17, 2011

über 1 Million Menschen; das ist der größte rheinlandpfalz-weit –, nach wie vor an dem Standort Oberlandesgericht in Koblenz ihre kompletten Fälle erledigen könnten.

Das gilt für die Anwältinnen und Anwälte genauso wie für die Bürgerinnen und Bürger. Ich meine, das ist bedenkenswert. Ich halte nach dieser emotional geführten Diskussion das für sinnvoll, was wir gemacht haben. Wir haben gesagt, wir berufen eine Kommission mit Expertinnen und Experten ein, die uns alle beraten, die Gespräche mit den Betroffenen vor Ort und mit den Beteiligten führen, deren Vorschläge aufnehmen, die aber auch über den Tellerrand hinaussehen und fragen: Wo könnte man in der Justiz Veränderungen vornehmen, damit sie zukunftsfähig aufgestellt ist?

Frau Klöckner, in Ihrer Pressemitteilung lese ich, Sie finden das enttäuschend. Sie finden es enttäuschend, wenn Professor Hermann Hill, Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaften und Öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der Vorsitzender dieser Kommission sein wird und auch im Sachverständigenrat „Schlanker Staat“ tätig ist, sein Wissen zur Verfügung stellt. Sie finden es enttäuschend, wenn zwei amtierende OLG-Präsidentinnen und -Präsidenten dieser Kommission angehören, die ihren reichen Erfahrungsschatz auch mit Veränderungen in der Justiz einfließen lassen.

Sie finden es enttäuschend, wenn mit Jochen Dieckmann ein früherer Justizminister und Finanzminister eines großen Bundeslandes und ein langjähriger Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, der also auch kommunale Aspekte mit einbringen kann, in einer solchen Kommission mitarbeitet. Sie finden es enttäuschend, dass eine ehemalige Staatsrätin und Mitglied eines Verfassungsgerichts dabei ist. Sie finden es enttäuschend, dass mit Alf Stephan der langjährige Abteilungsleiter Finanzen, der den Haushalt des Landes wirklich aus dem Effeff kennt, dabei ist.

Es ist die ausdrückliche Zusage gegeben worden, dass diese Kommission mit allen Beteiligten und Betroffenen sprechen und unabhängig ihre Vorschläge machen kann. Wir haben unsere Vorschläge und Überlegungen vorgelegt, weil sie Substanz haben und wir uns nicht so wie Sie in der Opposition, Frau Klöckner, gleich auf die Aussage festgelegt haben: Nein, das geht nicht! Nein, dagegen!

(Frau Klöckner, CDU: Wir wollten das OLG nicht schließen!)

Von Ihnen habe ich aber leider weder in der Vergangenheit noch heute gehört, wie man Strukturen verändert und wie man spart.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sitzen in Rheinland-Pfalz alle in einem Boot. Sie sitzen mit in diesem Boot. Wenn wir Veränderungen vornehmen müssen, lade ich Sie gerne dazu ein, ge

meinschaftlich – so wie das auch im Titel dieser Aktuellen Stunde steht – daran mitzuwirken.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Frau Klöckner, nur dagegen ist aber viel zu wenig für eine verantwortliche Opposition!

(Anhaltend starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Dr. Wilke.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dieser Beifall hat der geschundenen Seele des Herrn Ministers gut getan; denn er hat in den vergangenen Wochen wirklich viel durchmachen müssen. Dafür trägt aber nur er allein und niemand sonst die Verantwortung.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wenn jetzt der eine oder andere die Emotionalisierung der Diskussion gerügt hat, stellt sich die Frage, ob nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird. Wir sollen an der Emotionalisierung schuld sein, Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall der CDU)

Sie haben in den Koalitionsvertrag wie in Stein gemeißelt geschrieben: Das OLG Koblenz und die Generalstaatsanwaltschaft werden aufgelöst.

(Dr. Rosenbauer, CDU: So ist es! – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das steht so nicht drin! Wer lesen kann, ist im Vorteil!)

Jetzt hat sich ergeben, dass Bürgerinnen und Bürger weit über die Justiz hinaus damit nicht leben können und das für absolut ungerecht und ungerechtfertigt halten. 40.000 Unterschriften sind zusammengekommen. Jetzt kommen Sie nach einem halben Jahr, das verloren gegangen ist, auf den Pfad der Tugend zurück und werfen uns Emotionalisierung vor. Entschuldigung, da komme ich nicht mehr mit.

(Beifall der CDU)

Richtig ist, dass verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden muss. Herr Ministerpräsident, Sie haben so schön in der Pressekonferenz gesagt: Ich blicke nicht zurück. – Der „SWR“ hat das genau richtig kommentiert: Sie blicken nicht zurück, weil Sie dann, wenn Sie das täten, auf ein Scherbenmeer zurückblicken würden. – Genau das ist es nämlich. Es wird ziemlich viel Kraft und Zeit kosten, dieses verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen.

(Beifall der CDU)

Ich darf jemanden zitieren, der wirklich unverdächtig ist, das Geschäft der Opposition im Land zu betreiben. Frau Mogg, ehemalige SPD-Abgeordnete im Bundestag, die Ihrer Partei angehört, Herr Ministerpräsident, wird in der „Rhein-Zeitung“ mit dem Satz zitiert: Sie sieht Licht am Ende des Tunnels, aber auch viele Fragen. Ihr ist wichtig, dass zerstörtes Vertrauen wiederhergestellt wird. – Recht hat Frau Mogg.

Der erste Schritt, den Sie unternehmen müssen, um dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen, ist die absolut notwendige Wiederbesetzung der Präsidentenstelle in Koblenz.

(Beifall der CDU)

Frau Klöckner hat schon zu Recht gesagt, dass dies das zentrale Anliegen überhaupt ist. Herr Ministerpräsident, Herr Justizminister, da rechnen wir nicht in Monaten, sondern da rechnen wir in Wochen; denn die Arbeitsfähigkeit dieses Gerichts muss gewährleistet sein.

(Beifall der CDU)

Kolleginnen und Kollegen, es darf nämlich nicht dazu kommen, dass Urteile aufgehoben werden, weil gegen die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters verstoßen wurde. Das ist ein zentraler Punkt in der Justiz.

(Baldauf, CDU: Ein Revisionsgrund!)

Herr Baldauf hat das richtig bemerkt. Das ist ein absoluter Revisionsgrund. Wir waren auch in Koblenz. Im Moment gibt es da ein ganz, ganz wichtiges Strafverfahren, ein Staatsschutzverfahren. Man macht sich ganz große Sorgen, ob dieser Prozess überhaupt ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, wenn die Präsidentenstelle nicht unverzüglich besetzt wird. Ich meine, das sollte uns schon Sorgen bereiten. Wir haben gehört, selbst die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat von diesem Sachverhalt schon Kenntnis genommen und macht sich so ihre Gedanken.

Herr Minister, geben Sie daher im Hinblick auf die Präsidentenstelle Gas. Stehen Sie zu Ihrem Wort. Ich sage Ihnen eines: Wir als CDU machen alles mit,

(Pörksen, SPD: Na, na, na! Aber wir nicht! – Unruhe bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

wenn es am Ende den richtigen Bewerber trifft. Wir bieten Ihnen auch an, wenn es sein muss, dass es eine Sondersitzung des Richterwahlausschusses geben kann, um das Verfahren zu beschleunigen. Je früher die Stelle besetzt wird, umso besser, damit wieder verfassungsgemäße Zustände in Koblenz hergestellt werden.

((Beifall der CDU)

Zur Justizreform insgesamt will ich auch noch ein paar Sätze sagen. Alle Verantwortung lastet jetzt auf der von Ihnen eingesetzten Expertenkommission. Wir – das sage ich ganz offen – werden deren Arbeit kritischkonstruktiv begleiten. Eines muss aber auch einmal klar gesagt werden: Diese Kommission ist eine Regierungs

veranstaltung und keine Sache des Parlaments. – Auch wenn in den Medien in den vergangenen Tagen öfter ein Bogen zur CDU geschlagen wurde, ist klar, dass weder die CDU-Landtagsfraktion noch die CDU-Landespartei in diese Kommission eingebunden sind. Wir sind nicht Teil dieser Veranstaltung.

(Pörksen, SPD: Sie wissen gar nicht, was Sie wollen!)

Genau deshalb ist es aus unserer Sicht wichtig, dass sich auch das Parlament bei dieser wichtigen Frage einbringt. Genau deshalb haben wir eine Große Anfrage gestellt. Genau deshalb haben Sie die auch beantwortet. Genau deshalb haben wir beantragt, dass zu dieser Antwort eine Anhörung im Rechtsausschuss stattfindet.

Das ist vor allen Dingen unter einem Gesichtspunkt extrem wichtig. Es ist nämlich nicht sichergestellt, ob wirklich alle Betroffenen von dieser Expertenkommission angehört werden und dort zu Wort kommen. Wir, wir als Parlament, werden ihnen die Gelegenheit dazu geben, sich mit allen Gesichtspunkten einzubringen. Dann können wir darüber reden, wie am Ende eine schlüssige Justizreform aussieht.

Eines will ich an der Stelle auch einmal klarstellen: Es wird immer so getan, als könnte der Landesetat über den Justizetat saniert werden. Das sind die 220 Millionen Euro, von denen die Rede ist. Nur 5 % des Landeshaushalts, jeder 20. Euro, fließen aber überhaupt in die Justiz. Da wollen Sie mit dieser Maßnahme den Landeshaushalt sanieren? Bitte lassen Sie die Kirche im Dorf.

Wir bringen uns über das Parlament, über die Ausschussberatungen, in dieses Verfahren ein. Wir werden den Betroffenen Gehör verschaffen.

(Glocke des Präsidenten)

Nur so lässt sich eine Justizreform gemeinsam gestalten.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Kollegen Hoch von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Frau Klöckner, ich bin schon etwas überrascht, dass sich in jeder Sitzung zeigt, dass man es Ihnen nicht recht machen kann.

(Frau Klöckner, CDU: Wirklich nicht, mit der Schließung des OLG ohne Begründung!)

Sie kritisieren die Expertengruppe als enttäuschend und verlautbaren öffentlich, deren Mitglieder würden ohnehin