Protocol of the Session on March 27, 2014

aber in der Landesregierung eine Verfassungsabteilung. Es wäre auch in anderen Situationen häufiger angeraten gewesen, einmal die Verfassungsabteilung zu konsultieren. Deshalb ist unsere Schlussfolgerung zum jetzigen Zeitpunkt aus der Debatte, dass der Anschein entstanden ist, diese Wahlzettel könnten den Wähler in der Kabine beeinflussen. Deshalb ist unsere ganz klare Schlussfolgerung, dieses Gesetz kann wegen diesem Anschein so auf keinen Fall durchgewunken werden bzw. unverändert dem Gericht vorgelegt werden.

(Pörksen, SPD: Das entscheidet das Verfassungs- gericht! – Weitere Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir sagen, wir legen ein Gesetz vor, damit es nicht notwendig ist, dass ein Gericht ein Gesetz kassieren muss, wenn wir schon wissen, wo die Probleme liegen.

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten)

Das ist letztlich ignorant.

Ich möchte zum Schluss festhalten, dass es einen entscheidenden Unterschied gibt. Rot-Grün sagt, im Zweifel lassen wir das Gericht entscheiden.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 3 Minuten!)

Die Union sagt, wir nehmen Verantwortung wahr und legen ein Gesetz vor, das Rechtssicherheit schafft.

(Beifall der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen dann zu den Abstimmungen.

Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3380 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir kommen jetzt zu einer Änderung der Tagesordnung, und zwar hat der Ältestenrat festgelegt, dass wir Punkt 15 der Tagesordnung vorziehen, wenn die Gebärdendolmetscherinnen anwesend sind, die wir zu diesem Tagesordnungspunkt eingeladen und verpflichtet haben.

Ich rufe daher Punkt 15 der Tagesordnung auf:

Fünfter Bericht zur Lage der behinderten Mensch- en und über die Umsetzung des Landesgesetz- es zur Herstellung gleichwertiger Lebensbe- dingungen für Menschen mit Behinderun- gen in Rheinland-Pfalz gemäß § 13 des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Mensch- en (LGGBehM) Besprechung des Berichts der Landesre- gierung (Drucksache 16/2805) auf Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3393 –

dazu: Politik der Teilhabe für Menschen mit Behinderungen Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Entschließung – – Drucksache 16/3440 –

(Die Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt werden von zwei Gebärdendolmet- scherinnen übersetzt)

Es wurde eine Grundredezeit von 10 Minuten vereinbart. Wer spricht? – Herr Kollege Dröscher von der SPDFraktion hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir besprechen heute den Fünften Bericht zur Lage der behinderten Menschen und über die Umsetzung des Landesgesetzes zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz. Wir haben 2002, also in der vorletzten Wahlperiode, in diesem Haus das Landesgesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz beschlossen, und zwar unter dem Leitbild „Benachteiligungen beseitigen, Teilhabe gewährleisten und Selbstbestimmung ermöglichen“.

2009 haben wir die UN-Konvention auf allen Ebenen – dem Bund und den Ländern – beschlossen. 2010 haben wir dann in Rheinland-Pfalz den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention als ersten Aktionsplan in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Da waren die Leitbilder ähnlich, nämlich „gesellschaftliche Barrieren abbauen, gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen“ und dann zusätzlich – ich möchte sagen – das Zauberwort Inklusion. Dieser Begriff eignet sich offenbar auch sehr als emotionalisierter und auch ideologisierter Diskussionsgegenstand.

Ich denke, wir müssen sachlich darüber reden, und zwar mit großer Empathie für die Menschen mit Behinderungen, aber an der Sache orientiert. Ich denke, dass wir 2013 oder 2014 – der Bericht stammt aus 2013 –, wenn wir uns die Frage stellen, welche Lebenswirklichkeit es in Rheinland-Pfalz für Menschen mit Behinderungen gibt und ob Rheinland-Pfalz auf dem Wege zur Inklusion ist, diese Fragen mit den im Fünften Bericht beschriebenen

Handlungsfeldern beantworten können. Wir sind auf dem Weg, aber die Aufgaben sind groß.

Wir werden 2015 den Aktionsplan wohl fortschreiben und ihn perspektivisch mit dem Umsetzungsbericht zusammenlegen. Das wäre wahrscheinlich die günstigste Lösung.

Das Leitbild ist bei den Betroffenen ganz klar: Leben wie alle, mittendrin von Anfang an.

Ich will einige der Handlungsfelder beschreiben. Zunächst zum Handlungsfeld „Erziehung und Bildung“. Wir haben zum gemeinsamen Lernen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen, das so früh wie möglich beginnen soll, gestern das Schulgesetz novelliert. Wir haben Inklusion in der Schule beschlossen. Wir haben zu Wahlrechten und Förderzentren Regelungen getroffen. Damit haben wir eine Entwicklung, die schon seit vielen Jahren mit den Schwerpunktschulen begonnen hat, mit einer neuen Qualität versehen.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass der Prozess einer gemeinsamen Beschulung eine verantwortungsvolle Begleitung benötigt. Schulen, die sich dieses Ziel auf ihre Fahne schreiben, werden in der Zukunft sicher auch in der Schulleitung Förderschullehrer benötigen. Das ist eine Einschätzung, die ich einbringen möchte.

Wir haben die Lehrerausbildung geändert und zusätzlich 200 Stellen eingerichtet, sodass hier erste und gute Schritte gegangen worden sind.

Ein zweites Handlungsfeld ist der Bereich Arbeit. Positiv zu nennen sind die Integrationsfachdienste, die Integrationsfirmen, das Budget für Arbeit und auch die im Landesdienst gestiegene Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderungen, aber die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderungen steigt wieder. Wir haben auch die Sorge, dass wir bei den Werkstattplätzen weiteren Bedarf haben oder Bedarf angemeldet wird. Wir müssen uns also auch darum kümmern. Wir müssen den Übergang von der Schule zum Beruf angehen. Es sind also noch viele Aufgaben zu leisten.

Ein weiterer Bereich ist der Bereich Wohnen. Hier lautet das Leitbild der Betroffenen: Wohnen wie ich mag. – Das Landeswohnformen- und Teilhabegesetz, das sich in der Evaluation befindet, ist ein Ansatz, weg von dem Heimgesetz alter Art zu kommen. Das persönliche Budget ist in Rheinland-Pfalz ein besonderer Ansatz. Wir werden auch weiter quartiernah ambulante Wohnformen stärken müssen. Wir werden die Dezentralisierung großer stationärer Einrichtungen begleiten und dafür sorgen müssen, dass das in der Praxis funktioniert.

Ein weiterer Punkt ist die Eingliederungshilfe. Wir haben gestern auch darüber gesprochen, dass die Diskussion über die Finanzierung der Soziallasten ganz besonders und die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs, den wir in der Enquete-Kommission im Landtag besprechen, eine große Aufgabe ist. Die Große Koalition in Berlin ist dabei, das Teilhabeleistungsrecht neu zu ordnen. Wir fordern eine zeitnahe Umsetzung eines Bundesteilhabegesetzes.

Die gesellschaftliche Aufgabe Inklusion kann nur gelingen, wenn sich die Gemeinschaft in allen Bereichen gegenüber Menschen mit Behinderung öffnet. Deshalb sind auch die Bereiche Freizeit und Kultur sowie das Ehrenamt zu beachten. Sportvereine und Kirchengemeinden sind dabei, den Bereich der Inklusion zu entdecken. Alle Bereiche sind gefragt.

Dabei dreht es sich häufig auch um die Frage der Mobilität und der Barrierefreiheit. Die Zielvereinbarungen, die wir erreicht haben, die Landesbauordnung, die geändert wurde und noch einmal geändert wird, und die im Personenförderungsgesetz festgeschriebenen Ziele, bis 2022 Barrierefreiheit zu erreichen, werden nicht ausreichen.

Auf europäischer Ebene wird von einem Rahmengesetz Zugänglichkeit gesprochen. Auch die DIN-Normen verändern sich. Ich denke, hier spielt auch der Bereich leichte Sprache eine Rolle. Der Kollege Fred Konrad hat das beim letztjährigen Bericht sehr deutlich vorgeführt. Hier kommt die Brücke zu den Kommunen, weil in den Kommunen das Leben stattfindet.

Die besondere Verantwortung für die Gestaltung des ambulanten Leistungsangebots und die Umsetzung der UN-Konvention liegt auch in eigenen Aktionsplänen der Kommunen, die zunehmend entstehen. Es gibt den Leitfaden „Unsere Gemeinde wird inklusiv“. Sozialraumorientierung ist angesagt. Das ist ein neuer Begriff, den wir aber auch mit Leben füllen müssen und der auch die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen umfasst.

Teilhabe, Beiräte und Beauftragte sind der eine Bereich. Inklusion will mehr. Inklusion will Formen der direkten Mitwirkung. Ein Beispiel sind die Mitglieder in Vorständen. Ich erlebe es im Landesvorstand der Lebenshilfe, dass wir das so machen.

Das Wahlrecht spielt eine Rolle. Die politische Mitwirkung muss unabhängig von sozialem Status, Geschlecht, Behinderung oder Herkunft gemeinsames Ziel sein.

Ein weiterer Bereich ist Gesundheit und Soziales. Hier müssen wir uns noch mehr um die Frühförderung und um Angebote für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf kümmern. Ich nenne ein Beispiel aus der Praxis. Dazu gehört die barrierefreie Gestaltung von Arztpraxen.

Schließlich spielt der Schutz der Persönlichkeit als Handlungsfeld eine Rolle. Hier geht es um die Prävention und den Schutz vor Gewalt. Es gibt die Zielvereinbarung zwischen den Verbänden der behinderten Menschen und der Polizei über freiheitsentziehende Maßnahmen. Im Betreuungsfeld müssen wir alternative Unterstützungsmöglichkeiten entwickeln, die helfen, die Selbstbestimmung in diesem Spannungsfeld zu regeln.

Unser Entschließungsantrag zum Fünften Bericht fasst diese Schwerpunkte und Zukunftsaufgaben noch einmal zusammen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, letztlich wird entscheidend sein, wie es uns gelingt, das gesellschaft

liche Bewusstsein zu verändern und die Barrieren in den Köpfen abzubauen. Das betrifft die Verwaltungen, die Behörden, die Justiz und alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen.

Ich habe einmal ein Beispiel mitgebracht. Die Zeitschrift „Ampel“ der Unfallkasse Rheinland-Pfalz beschreibt das sehr schön mit leichter Sprache zum Thema „Gold – Du kannst mehr als du denkst“. Das ist die Frage der Paralympics.

Das Thema „Leben wie alle – mittendrin von Anfang an“ mit dem Schlüsselwort Inklusion zielt weniger auf die individuelle Integration, sondern verändert die ausgrenzenden gesellschaftlichen Strukturen. Inklusion sieht das Andere und das Fremde als Bereicherung und nicht als Bedrohung. Alle Menschen sind verschieden. Inklusion ist kein Expertenthema, sondern erfordert die Zustimmung aller, der Menschen mit und ohne Behinderungen. Diese müssen alle gemeinsam daran arbeiten.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie mir noch ein abschließendes Wort. Auf dem Mahnmal der Gedenkstätte der „Euthanasie“Anstalt in Hadamar steht: „Mensch achte den Menschen.“ – Das eignet sich auch gut für ein gesellschaftspolitisches Leitbild. Mensch achte den Menschen im Hier und Jetzt und in der Wirklichkeit.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Teilnehmerinnen am Girls’Day, Landfrauen aus Framersheim und Gau-Heppenheim – diese hatten vor Kurzem ihr 50-jähriges Bestehen und haben ihr Jubiläum gefeiert – und Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse des Gymnasiums Mainz-Oberstadt begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Gabriele Wieland von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht zur Lage der behinderten Menschen – ich benutze die Kurzform des langen Namens – ist ein Lagebericht. Ein Lagebericht ist, ganz egal, ob in der Wirtschaft, der Politik oder der Gesellschaft, eine Darstellung der Situation in vollem Umfang. Das heißt, ein Lagebericht sollte die Stärken und Chancen, aber genauso die Risiken und Schwächen aufzeigen.