(Staatsminister Lewentz: Wer hat denn das getan? Sie brauchten doch eine Katastrophe dafür! Das ist doch ein Armutszeugnis!)
Frau Ministerpräsidentin, dass Sie sich das lieber auf Ihre Fahnen schreiben würden, ist klar. Frau Ministerpräsidentin, es war aber nun einmal Frau Merkel und nicht Frau Dreyer.
Wir von der rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsfraktion stehen dazu, Cattenom stellt eine potenzielle Gefahr für die Region Trier dar. Wir sind der Auffassung, Cattenom gehört schnellstmöglich abgeschaltet.
Das hat auch der Stresstest erwiesen. Wir befinden uns da in guter Partnerschaft mit dem Landtag des Saarlandes, mit Luxemburg. Der Stresstest hat erwiesen, dass Cattenom bei Überschwemmungen und Erdbeben nicht sicher ist und sowohl die Strom- als auch die Kühlwasserversorgung in diesen Fällen nicht ausreichend gesichert sind, kein sicheres Notstromaggregat vorhanden ist und auch eine sichere Notstromsteuerzentrale fehlt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kraftwerk Cattenom hat dieses Haus schon mehrfach beschäftigt. Auch am heutigen Tage hat die Historie – man muss sagen, die unglückliche Historie – dieses Kraftwerks eine entsprechende Würdigung erfahren. Einige Hundert meldepflichtige Ereignisse, einige Störfälle in der jüngeren Vergangenheit sprechen einfach dafür, dass nicht nur generell die Kernkraft ein Problem hat, sondern ganz speziell dieses Kraftwerk auch noch in diesem Gesamtkonzept Kernkraft eine ganz besonders unglückliche Rolle spielt.
Meine Damen und Herren, wenn man sich vorstellt, dass es nicht nur Extremereignisse sind, die bei Kernkraft zu Problemen führen können, sondern schon der geregelte Betrieb so ungeordnet abläuft, wenn wir feststellen müssen, dass Anlagenteile in ungeahnter Geschwindigkeit korrodieren und zu entsprechenden Problemen führen, dann ist das beängstigend. Man kann gut nachvollziehen, dass die Region darunter leidet und einen enormen Leidensdruck entwickelt hat, der drei Jahrzehnte zu heftigen Diskussionen über die Kernkraft, aber vor allem über diesem Kraftwerksstandort geführt hat.
Ich finde es schön, dass wir zumindest ein kurzes Stück der Wegstrecke in den letzten Jahre gemeinsam gegangen sind und uns eindeutig gegen die Kernkraft nicht nur an diesem Standort, sondern insgesamt in Europa positioniert haben.
Über Jahre hinweg war es ein Argument von Konservativen, dass es unsinnig ist, wenn in Deutschland ein Kernkraftwerksausstieg vorgenommen wird, wenn doch ganz Europa auf die Kernkraft setzt. Meine persönliche Meinung war immer das Argument, insgesamt europaweit aus der Kernkraft auszusteigen und nicht das, was andere zu Unrecht machen, auch nicht selbst noch zu Unrecht obendrauf zu machen.
Vor dem Hintergrund bin ich froh, dass sich zumindest seit Fukushima die Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die Kernenergie in diesem Haus ein Stück weit verfestigt haben.
Es ist auch wichtig, wenn wir über dieses Thema reden, dass wir ein geschlossenes Signal abgeben. Deswegen bin ich Herrn Henter für die eine oder andere Aussage auch dankbar; denn nur ein solches gemeinsames Signal kann gehört werden.
Ich bin auch froh, dass die Ministerpräsidentin eine wirklich rare und besondere Gelegenheit genutzt hat – es gab ein Gespräch mit dem französischen Premierminister –, um zuvorderst und vor allem Cattenom anzusprechen und die Kernbotschaft zu platzieren, dass wir dieses Kernkraftwerk nicht mehr in Betrieb haben wollen, und darüber hinaus einige andere Punkte, die ebenfalls wichtig sind, anzusprechen, dass der Informationsfluss verbessert werden muss, man auch dann, wenn man unterschiedliche Vorstellungen in Deutschland und Frankreich hat, zumindest auf der Ebene, welche Informationen ausgetauscht werden, wie transparent man mit entsprechenden Ereignissen umgeht, vernünftig und sauber zusammenarbeitet. Insofern glaube ich, war das ein wichtiges Signal.
Der Kollege Henter hat auch angesprochen, dass das allein nicht den durchschlagenden Erfolg haben kann. Da hat er recht. Aber was kann denn einen Erfolg haben? Einen Erfolg kann es haben, wenn wir in Deutschland, aber auch in Rheinland-Pfalz die Energiewende, den Ausbau der erneuerbaren Energien so umsetzen, dass er ein Vorbild ist, dass es gelingt, dass andere Länder erkennen, ja, so kann man es machen, so kann man Erfolge haben, und zwar wirtschaftlich und ökologisch, und das Ganze bei einer gesicherten Versorgungslage.
Genau auf diesen Weg hat sich Rheinland-Pfalz gemacht. Deswegen ist es wichtig, dass wir diesen Weg engagiert und ambitioniert angehen und schnelle Erfolge erzielen, weil nur das dazu führen wird, dass diese Erfolge Nachahmer finden, auch auf der französischen Seite der Grenze.
Es ist dann wichtig, dass man sich nicht im Klein-Klein bei diesem großen Projekt verliert, sondern man redlich bleibt. Wir steuern auf die Fastnacht zu, auf den Karneval. Ich fand es schon bemerkenswert, dass uns Herr Kollege Henter in einem etwas unglücklichen Versuch weismachen wollte, das Angela Merkel es war, die engagiert und voller Leidenschaft den Ausstieg aus der Atomenergie eingeleitet hat.
Ich glaube, bei aller Liebe für politisches Kabarett und für die Fastnachtszeit, Herr Henter, das haben Sie noch nicht einmal selbst ernst gemeint. Man muss immer wieder darauf hinweisen, es war Rot-Grün in der Zeit nach 1998, die einen Ausstieg engagiert angegangen sind, die ihn im Einvernehmen mit der Industrie hinbekommen haben. Ohne Not hat Schwarz-Gelb das geopfert und dem Chaos preisgegeben, nur um kurze Zeit später die historische Wahrheit eingestehen zu müssen.
Ich glaube, das muss man in aller Deutlichkeit ansprechen, damit hier keine Geschichtsklitterung betrieben wird.
Auch wenn diese kleinen Schritte mühsam sind und viel Kraft und viel Zeit kosten, so werden sie gegangen. Am 17. März wird es einen Energiegipfel in der Großregion geben, wo wir zum einen unsere Botschaft platzieren können, dass die Kernenergie ein Auslaufmodell ist, und wo wir zum anderen zeigen können, wie Rheinland-Pfalz sich die Energiewende vorstellt.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Ich glaube, uns alle eint ein Gefühl, das man mit etwas beschreiben kann, was wir überhaupt nicht sein wollen und deswegen uns auch etwas anders aufstellen, nämlich mit einem Gefühl der Hilflosigkeit, dass dort ständig irgendetwas passiert und wir möglicherweise irgendwann nur
ausgeliefert sind. Gerade das wollen wir nicht. Gerade deswegen wollen wir entschieden handeln und handeln auch politisch entschieden mit all unseren Möglichkeiten, die es gibt.
Die Aktuelle Stunde ist deswegen aktuell, weil, auch wenn es eine Serie von 800 Störfällen ist, diese letzten drei INES-Einstufungen und die Tatsache, dass Brennelementehüllen rosten und das wieder eine neue Erkenntnis ist, uns doch nur eines sagen: Die Bestrebungen, eigene Gutachter zu haben, die zusammen mit der französischen Atomaufsicht darauf achten, dass die Nachrüstmaßnahmen am Atomkraftwerk vollzogen werden – denn das werden sie nicht –, sind klar. Nach Fukushima wurde ein Stresstest gemacht. Sie erinnern sich, wir haben zusammen mit dem Saarland, mit den Belgiern und mit den Luxemburgern eine gemeinsame Gruppe gebildet und einen gemeinsamen Beobachter entsendet, der diesen Stresstest analysiert.
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, das wir alle kennen und nicht diskutieren müssen, dass es sich nämlich um einen „Schrottreaktor“ mit rostenden Schrauben handelt, mit rostenden Brennelementehüllen usw.
Es ist klar, dass dieser nicht weiterlaufen darf. Die Frage ist, wie wir auf die französische Seite Einfluss nehmen können. Wie können wir im Verfahren bleiben? Wie können wir permanent wiederholen, dass weder von der Sicherheitsfrage noch von der ökonomischen Seite her dieses AKW weiterlaufen darf?
Der ökonomische Faktor ist hier fast noch gar nicht zur Sprache gekommen. Ich finde, wir müssen ihn deutlich benennen.
Für Deutschland haben wir ausgerechnet, dass eine Kilowattstunde Atomstrom 42 Cent kostet, volkswirtschaftliche Kosten inklusive. Die Endlagerkosten sind nicht eingerechnet. Das sind dann 42 Cent.
Wir wissen, dass wir Wind-Onshore-Strom für 8 Cent ohne Ewigkeitskosten haben können. Davon müssen sich auch die Franzosen überzeugen lassen. Wie überzeugen wir die Franzosen davon? Das machen wir, indem wir mit ihnen in den Dialog über die Frage der weiteren Sicherheitseinrichtungen treten, die europäisch verständigt sind und die erfolgen müssen, um die europäische Bevölkerung zu schützen. Die Franzosen unterlassen es derzeit nur, weil sie offenbar nicht ausreichende finanzielle Mittel haben, um dies zu tun.
Wenn sie das eine nicht tun können, nämlich Sicherheitsmaßnahmen nachrüsten, weil ihnen das Geld fehlt, und das andere noch nicht wollen, nämlich eine Energiewende in einem Tempo, wie wir das schon machen, dann ist Gespräch angesagt. Genau das ist das, was uns aus diesem Gefühl der vermeintlichen Hilflosigkeit herausbringt, nämlich wenn wir in eine Aktion mit unseren europäischen Nachbarn über die Frage treten können, wie wir insgesamt die Energieversorgung in Europa sicherer machen. Das heißt, mit jedem abgeschalteten AKW wird es ein bisschen sicherer.
Wir wollen mit Cattenom anfangen, weil unsere nachbarschaftliche Betroffenheit hier unmittelbar gegeben ist
und deswegen kein Anlass besteht, in dieser Angelegenheit zu streiten. Herr Henter, so verstehe ich diese Aktuelle Stunde. Ich verstehe sie für alle Abgeordneten und für die Mitglieder der Landesregierung vielmehr in dem Gefühl, das ich beschrieben habe, und aus aktuellem Anlass der neuen Vorfälle. Da können wir einfach nicht still sein. Das müssen wir medial transportieren. Wir müssen deutlich machen, was wir tun.
Ich will daran erinnern, Frau Merkel hat für eine Verlängerung der Laufzeit gesorgt, die uns jetzt Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht über Schadenersatzansprüche über den danach stattfindenden Ausstieg beschert. Sollten wir das einrechnen, bleiben wir nicht bei 42 Cent pro Kilowattstunde, sondern dann wird es noch mehr. Das heißt, ein dilettantischer Ausstieg ist noch einmal schlimmer. Ich glaube, die Zuordnung ist klar, wer den zu verantworten hat.
Ich war bei den Bundesratsgesprächen dabei, als das EEG und die elf Gesetze, die dafür notwendig waren, geändert wurden. Wir haben auf diese Mängel im Bundesrat hingewiesen. Wir konnten es an der Stelle nicht verhindern.
Ich danke Ihnen für das Einvernehmen und habe noch einen wichtigen Hinweis. Die Landesregierung hat noch etwas Weiteres getan. Die EU-Kommission hat einen Entwurf für eine EU-Umwelt- und Energieleitlinie erstellt. Diese Leitlinie benutzt das Instrument der Wettbewerbsfähigkeit, um den Energiemarkt in Zukunft zu ordnen. Ihr ist dabei, sage ich einmal, völlig egal, welche Technologie das ist. Der Begriff ist Technologieneutralität. Sie wird von Ihrem Energiekommissar, Herrn Oetttinger, massiv propagiert. Energieneutralität übersetzt heißt nichts anderes, uns ist egal, ob eine Technologie vielleicht nicht sicher ist. Das kann es doch nicht sein. Das ist nicht unser Politikansatz.