Protocol of the Session on February 20, 2014

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brück hat zuletzt im Grunde Artikel 3 des Grundgesetzes zusammengefasst. Das ist eigentlich der Kernpunkt der UN-Behindertenrechtskonvention; denn das Benachteiligungsverbot ist bei uns selbstverständlich verfassungsrechtlich verankert. Daneben haben wir eine Reihe von anderen Maßgaben, nämlich unter anderem das Antidiskriminierungsgesetz, das garantiert, dass Inklusion bei uns selbstverständlich geltendes Recht ist und sein sollte.

Inklusion ist kein Expertenthema. Sie betrifft uns nämlich alle. Sie hat allerdings spezielle Regelungen, die im SGB IX und im SGB XI die individuelle Hilfe den Leuten sichert, die eine besondere Unterstützung brauchen.

Wenn wir uns an die eigene Nase fassen und darüber nachdenken, was Menschen brauchen, damit sie in ihrer Vielfalt in den Schulen, aber nicht nur in den Schulen, sondern auch in allen anderen Einrichtungen, die volle Teilhabe erreichen können, dann ist das etwas, was uns im Moment irgendwie fehlt, nämlich eine Haltung, die gegenüber jedem Menschen offen ist, der bei uns lebt, ganz gleich, worin er sich möglicherweise von seinem Nachbarn, seinem Freund oder auch von anderen Menschen in einer Gesellschaft oder einer Schule unterscheidet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir mehr Haltung gegenüber Menschen, die eine Behinderung haben, aber nicht nur, sondern auch gegenüber Menschen, die vielleicht nicht unsere Sprache sprechen, die eine andere sexuelle Orientierung haben und viele andere Dinge mehr.

Liebe CDU, bitte denken Sie doch einmal darüber nach, was an Ihrer Haltung möglicherweise nicht im Einklang mit unserem Grundgesetz, dem Antidiskriminierungsgesetz und auch nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention steht. Neben dieser Haltung – darauf scheinen Sie es abgehoben zu haben – brauchen wir, was die Bildung anbelangt, ein Schulsystem, das besondere

Hilfen bereitstellt. Wir sind mit dem Schulgesetz dabei, diese auf den Weg zu bringen. Es ist ein Gesetz, das das Ministerium einbringt und nicht die Fraktionen. Insofern wundere ich mich, dass es an dieser Stelle so stark thematisiert wird. Da ist in der Tat darüber hinaus ein Ressourcenvorbehalt aufgehoben, über den wir reden müssen.

Es ist in der Realität jetzt schon so, dass das Land den Kommunen unter die Arme greift, die Kommunen unterstützt, auch beim Ausbau. Natürlich geht es darum, die Gebäude zu ertüchtigen, damit die Gebäude tatsächlich für alle Menschen, die sie besuchen, in gleicher Weise zugänglich sind. Also Barrierefreiheit für alle ist auch eine Frage der Schulbaurichtlinie. Aber über die reden wir heute nicht, oder habe ich etwas verpasst? – Ich glaube nicht, dass Sie die thematisieren wollten.

Natürlich geht es auch um Integrationshelferinnen. Integrationshelfer und Integrationshelferinnen sind aber nicht im Schulgesetz in irgendeiner Weise tangiert, sondern sie gehören zum individuellen Teil der Teilhabeberechtigung, auf die die Menschen nach dem Sozialgesetzbuch, der Eingliederungshilfe, ein Recht haben und was sie über die Kommunen beantragen.

Ich würde dafür plädieren, oder ich plädiere dafür – warum eigentlich im Konjunktiv II? –, ich bin dafür, dass wir uns in der Frage nicht auseinanderdividieren, sondern genau darauf achten, wie wir uns zusammen mit der Kommune, dem Land und dem Bund auf den Weg der inklusiven Gesellschaft machen können. Die geht weit über die Bildungseinrichtungen hinaus. Aber die Bildungseinrichtungen sind die Keimzelle. Wenn wir in der Gesellschaft Bewusstsein schaffen wollen, dass sie Diversity, also Vielfalt, achtet, dann werden wir das am besten von klein auf tun. Das ist in unseren Kindertagesstätten, die zunehmend integrativ werden und vormachen, wie es gehen kann und geht, das ist auch in den Schulen der Fall. Deshalb wird es nur dann gelingen können, wenn individuelle Unterstützung und gemeinsame Ausstattung in der schulischen Realität angekommen sind und das Land die Voraussetzungen dafür schafft.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Dafür muss der Ressourcenvorbehalt fallen,

(Glocke der Präsidentin)

damit alle Eltern entscheiden können, ob sie ihre Kinder in eine Fördereinrichtung oder in eine allgemeine Schule schicken.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat noch einmal Herr Kollege Henter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, zutreffend ist, dass in dem Gutachten von Herrn Klemm die Kosten in NordrheinWestfalen eruiert worden sind, die die Inklusion für die Kommunen mit sich bringt. Es gibt aber ein weiteres Rechtsgutachten von Herrn Professor Wolfram Höfling, welches die Konnexitätsrelevanz der von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beabsichtigten Aufgabenübertragung auf die Kommunen bestätigt.

(Staatsministerin Frau Ahnen: Von der Landes- regierung in Auftrag gegeben!)

Ja, es gibt aber noch ein Gutachten.

Zweiter Punkt. Sie haben ausgeführt, dass die kommunalen Spitzenverbände Ihnen Anregungen gegeben haben, die Sie aufgegriffen haben. Sie haben aber nicht gesagt, dass die kommunalen Spitzenverbände genau die Bedenken, die wir finanzieller Art vorgetragen haben, die finanzielle Belastung der Kommunen, Ihnen mitgeteilt und insofern die gleichen Bedenken geltend gemacht haben, die wir auch geltend gemacht haben.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Frau Ministerin, es geht uns wirklich darum, dass das Land mit den Kommunen partnerschaftlich umgeht. Man kann hier schöne Sonntagsreden halten. Ich halte immer viel davon, wenn man praktische Beispiele bringt. Im Landkreis Trier-Saarbrug sollte die IGS Hermeskeil eine Schwerpunktschule werden. Mit Datum vom 18. Dezember – wohlgemerkt – schreibt man die Kreisverwaltung an mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 17. Januar. In dieser Zeit tagt kein kommunales Gremium.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Bitte der Kreisverwaltung um Fristverlängerung wurde derart abgelehnt, dass man eine Woche später gesagt hat, ihr habt einen Tag Zeit, entweder ihr sagt Ja oder ihr sagt Nein.

Frau Ministerin, wenn das Ihre Auffassung von partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen ist, dies die partnerschaftliche Zusammenarbeit darstellt, dann fehlt mir das Vertrauen in die Landesregierung.

Noch ein letzter Satz. Ich wundere mich total, dass man hier, wenn man auf finanzielle Risiken hinweist, quasi als schlechter Mensch dargestellt wird.

(Frau Klöckner, CDU: Ja, stimmt!)

Ich halte es für unseriös, wenn man in einem Gesetz Leistungsansprüche verankert, ohne zu klären, wie die Kostenfolge geregelt wird.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Sie ist doch geregelt!)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Ahnen noch einmal das Wort.

Drei Anmerkungen. Erstens noch einmal zu dem, was Frau Dickes gesagt hat.

Liebe Frau Dickes, es ist Ihr permanenter Auftritt hier, dass Sie mich anschauen und sagen, dafür haben Sie die Verantwortung, die müssen Sie wahrnehmen.

(Frau Klöckner, CDU: Ja! – Weitere Zurufe von der CDU)

Jetzt sage ich Ihnen eines, ja, ich habe sie, und ich nehme sie wahr. Ich sage Ihnen ehrlich, bei aller Schwierigkeit meiner Aufgabe, auch nur der Gedanke daran, dass man mit Ihrem Ansatz Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler im Land übernehmen könnte, treibt mir mitunter den Schweiß auf die Stirn. Das sage ich Ihnen deutlich.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erlebe überhaupt keinen Ansatz mehr, dass man Dinge weiterentwickeln will, man auf Kinder und Jugendliche und die Situation von Familien zugehen will, man das verantwortungsvoll tun will, sondern ich erlebe nur noch Beharrungsvermögen und Behinderung. Wir werden heute Abend noch ein paar Beispiele dazu erleben, die die CDU in dieser Woche zum Besten gegeben hat.

Herr Henter, zum Zweiten, ich habe alles andere als eine Sonntagsrede gehalten. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass in dieser schwierigen Frage nicht geht, was Sie tun, dass Sie völlig außen vor lassen, wer welche Aufgaben zu erfüllen hat, dass Förderschullehrerinnen und -lehrer und pädagogische Fachkräfte überhaupt nichts mit Integrationshelfern zu tun haben, dass Integrationshelfer an das Konzept der Inklusion nicht gebunden sind, sondern an den sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne von allgemeiner Lebensunterstützung.

Man hilft niemandem, auch nicht den Kommunen, wenn man einen großen Brei macht und sagt, das muss jetzt irgendwie gelöst werden. Nein, es muss auf eine Art und Weise gelöst werden, dass jeder seine Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen kann. Das versuchen wir im Gespräch miteinander, vor allem aber durch die Art und Weise, wie wir die Dinge umsetzen.

Damit komme ich zum Landkreis Trier-Saarburg. Der Landkreis Trier-Saarburg hat sich darüber beschwert – das ist auch bis zum Ministerium gedrungen –, dass ihm die Frist nicht ausreicht. Was hat das Ministerium getan? – Es hat sofort gesagt, dann hat der Landkreis länger dafür Zeit.

(Zuruf des Abg. Henter, CDU)

Ich sage aber auch sehr deutlich, wenn der Landkreis, was er will, sagt, wir akzeptieren nur, dass die Schule Schwerpunktschule wird, wenn das Land die Integrationshelfer übernimmt, dann muss sich der Landkreis darüber klar sein, dass er damit sagt, diese Schule soll nicht Schwerpunktschule werden.

(Heiterkeit des Abg. Pörksen, SPD: Erpressung!)

Das werden wir ihm genauso mitteilen. So geht es eben auch nicht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Henter, CDU)

Da den Fraktionen jetzt noch weitere 2 Minuten Redezeit zustehen, bitte ich die Fraktion der CDU, sich zu einigen, wer spricht, Frau Dickes oder Herr Henter. – Frau Abgeordnete Dickes, bitte schön.

Zunächst einmal eine ganz kurze Anmerkung. Frau Ratter, Sie haben auf die UN-Behindertenrechtskonvention, auf das Recht auf Teilhabe, hingewiesen. Nirgendwo steht in den UN-Behindertenrechtskonventionen, dass die Förderschulen gegen das Grundgesetz verstoßen – und damit auch nicht die Ansicht der CDU.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Was für ein dummer Quatsch!)

Frau Ministerin, zu Ihrer Aussage, wenn wir Verantwortung übernähmen, dann hätten Sie Angstschweiß auf der Stirn. Diesen Angstschweiß teilen im Moment die Schulleiterinnen und -leiter und Lehrerinnen und Lehrer der Förder- und Schwerpunktschulen.

(Beifall der CDU)